Bochum: Oberbürgermeisterwahl 2020 wirft (grüne) Schatten voraus; KandidatInnen positionieren sich – dafür und dagegen #ratBO #kw20bo
Im September 2020 finden die nächsten Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und somit auch in der Stadt Bochum statt. Nach dem sehr guten Wahlergebnis der Grünen bei der Europawahl 2019 ist natürlich klar, dass besonders auf die Grünen geschaut wird. Ist es ihnen doch gelungen, dass zum ersten Mal seit 70 Jahren die SPD nicht mehr die stärkste Partei vor Ort ist. Ein Ergebnis welches beispielsweise bei der Dauer-Opposition CDU sowohl für ein Lachen („die SPD ist schlagbar!“) als auch für ein Weinen („aber nicht von uns“) sorgt…
„Mit großer Macht kommt große Verantwortung“
Im Vorfeld der Europawahlen wurde vereinzelt immer wieder mal in grünen Kreisen darüber gescherzt, dass man ja quasi verpflichtet sei, eine eigene Oberbürgermeisterkandidatur anzustreben, wenn der Abstand hinter der SPD sehr gering sei. Da kursierten verschiedene Zahlen. Diese bezogen sich aber auf den 2. Platz für die Grünen – hinter der SPD. Jetzt, nach der EU-Wahl, stehen die Grünen auf Platz 1. Trotzdem (oder gerade deshalb?), hört man das nicht mehr so laut.
Was damit zu tun haben könnte, dass man jetzt mit einer grünen OB-Kandidatur nicht auf „Platz“ (am Verhandlungstisch), sondern auf „Sieg“ (in realen Wahlen) setzen müsste.
Oder aber: Die Möglichkeit, dass man gewinnt wäre vorhanden. Ebenso aber die Möglichkeit, dass man krachend verliert und zum Steigbügelhalter eines CDU-Oberbürgermeisters wird.
Das sorgt natürlich für ganz neue Überlegungen. Die Erklärung des erst vor wenigen Monaten neu gewählten Sprechers der Grünen auf der Pressekonferenz nach der Europawahl lässt vermuten, dass man mit einem solchen Ergebnis sorgfältig umgehen will.
Einerseits arbeitet man seit 1999 gemeinsam in einer rot-grünen Rathauskoalition und will natürlich die lange bestehenden Bande nicht übermütig strapazieren. Deshalb signalisierte man in diversen öffentlichen Äußerungen klar den Wunsch nach weiterer Zusammenarbeit. Daran hat sich eigentlich auch nichts geändert. Andererseits ist ein sehr selbstbewusstes öffentliches Auftreten der Grünen in den letzten Wochen zu erkennen. Doch dazu später mehr – jetzt erst einmal zur aktuellen Situation rund um die OB-Wahl 2020 in Bochum:
Aktuelle Situation in Bochum zur Oberbürgermeisterwahl 2020:
Nach aktuellem Stand sieht die Situation zur Oberbürgermeisterwahl 2020 in Bochum wie folgt aus:
Amtierend seit 2015 – Thomas Eiskirch (SPD):
Seit Ende September 2015 – nach der Stichwahl – war klar, dass der ursprünglich nur von der SPD nominierte Oberbürgermeisterkandidat Thomas Eiskirch die Wahl zum Oberbürgermeister von Bochum gewonnen hat. In dem zweiten Wahlgang wurde er von den Grünen unterstützt, deren Oberbürgermeisterkandidatin Monika Engel in der ersten Runde mit 8,57 % auf den dritten Platz kam (knapp vor dem Einzelbewerber Wolfgang Wendland mit damals 7,92 %).
In den Reihen der SPD dürfte der amtierende Oberbürgermeister Thomas Eiskirch unumstritten sein. Inzwischen. Denn im Vorfeld seiner erstmaligen OB-Kandidatur 2015 gab es noch vereinzelte Unstimmigkeiten, die insbesondere durch bestimmte Teile der Opposition gerne auch mal aufgegriffen wurden.
Zwar gibt es immer noch einige, die das soziale Profil des Oberbürgermeisters gerne noch mehr geschärft wissen würden. Aber auch wenn Thomas Eiskirch der Oberbürgermeister aller Bochumerinnen und Bochumer ist, ist doch insbesondere die sozialdemokratische Handschrift bei ihm deutlicher zu erkennen als dies bei seinen Vorgängern der Fall war.
Geänderte Rahmenbedingung: Endgültige Abschaffung der Stichwahl (?) bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen
Zwischenzeitlich hat sich die Rechtslage vorerst geändert. Denn die Stichwahlen bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen sollten durch die CDU/FDP-Landesregierung klammheimlich abgeschafft werden. Das mit dem „klammheimlich“ hat aufgrund einer Kampagne dagegen nicht ganz geklappt, dennoch hat der nordrhein-westfälische Landtag diesem Ansinnen, welches maßgeblich von der CDU vorangetrieben wurde, entsprochen.
Nach jetzigem Rechtsstand wäre damit die Stichwahl abgeschafft. Seitens der SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen gibt es da jedoch noch Widerstand. So hat beispielsweise ein Gutachten ergeben, dass die Abschaffung der Stichwahl rechtswidrig sei – und in dem Kontext wurde durch den stv. SPD-Fraktionsvorsitzenden Christian Dahm eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster angekündigt.
CDU-Kandidatur?
Die oppositionelle CDU in Bochum will durch eine Findungskommission die geeignete Kandidatur für die Position des Oberbürgermeisters finden.
Hier scheint es zwei partei-interne Favoriten zu geben, die auch schon für andere Ämter kandidiert haben.
Aktuelle Berichterstattung der WAZ Bochum über grüne Oberbürgermeisterkandidaten
In der Print-Ausgabe der WAZ Bochum vom 16. Juli 2019 (online schon zwei Tage früher) gibt es den Artikel Grüne suchen überzeugenden OB-Kandidaten für Bochum.
Zu diesem Artikel erklärte der grüne Ratsherr Sebastian Pewny bei Twitter, dass man seitens der Grünen die OB-Kandidatur in Ruhe und nicht-öffentlich sondiert und sich nicht durch Spekulationen unter Druck setzen lässt.
Glaubwürdige Dementis der möglichen Kandidatinnen
In diesem Artikel heißt es zu möglichen Namen:
„Namen werden gehandelt, die natürlich in dieser frühen Phase niemand bestätigen mag. Da es aber ebenso keine Dementis gibt, fällt der Blick etwa auf die Kanzlerin der Ruhr-Universität, Christina Reinhardt. Sie hat zumindest die Erfahrung, mit einer großen Verwaltung umzugehen. Oder Jörg Bogumil, Sozialwissenschaftler und Hochschulprofessor an der Ruhr-Uni. Das grüne Urgestein gehört zur Gründergeneration der Grünen in Bochum. Als weiterer Name wird Aysel Osmanoglu gehandelt, Vorstandsmitglied bei der GLS-Bank.“
Zumindestens von zwei der Genannten gibt es aber inzwischen entsprechende Dementis:
So hat Christina Reinhardt, Kanzlerin an der Ruhr-Universität Bochum, sich eindeutig zu ihrer jetzigen Position an der RUB geäußert:
„Liebe @WAZ_Bochum, lieber @Pottblog – diesen Spekulationen kann ich gerne ein Ende bereiten: Bochum ist eine tolle Stadt, Oberbürgermeisterin ein schönes Amt, aber für mich immer noch bester Job der Welt: Kanzlerin @ruhrunibochum. Und das wird auch so bleiben.“
Quelle: @rub_kanzlerin bei Twitter
Auch der erwähnte Jörg Bogumil, Politikwissenschaftler und Lehrstuhlinhaber an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, hat sich klar und deutlich geäußert:
„Ich bin sehr überrascht wieso mein Name in diesem Zusammenhang auftaucht @WAZ_Bochum. Jedenfalls habe ich keinerlei Ambitionen Oberbürgermeister zu werden.“
Quelle: @BogumilJoerg bei Twitter
Die drittgenannte Person, Aysel Osmanoglu, Vorstandsmitglied der GLS Bank, sollte seitens des Pottblogs im Vorfeld dieses Berichts kontaktiert werden, war jedoch nicht zu erreichen.
Weitere geplante Kandidaturen im Rahmen der Kommunalwahlen
Doch es gibt ja nicht nur die Wahlen zum Oberbürgermeister bzw. zur Oberbürgermeisterin der Stadt Bochum. Zusätzlich werden die Bochumerinnen und Bochumer im September 2020 noch drei weitere Stimmzettel haben, denn insgesamt geht es bei der Kommunalwahl 2020 um folgende Wahlen:
- Wahl zur Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR)
- Wahl der/des Oberbürgermeisterin/Oberbürgermeisters der Stadt Bochum
- Wahl der Ratsmitglieder der Stadt Bochum
- Wahl der Mitglieder der insgesamt sechs Bezirksvertretungen von Bochum (Mitte, Wattenscheid, Nord, Ost, Süd, Südwest)
Hier laufen die dazugehörigen Verfahren in diesem Jahr an und es gibt auch schon einige, die dahingehend ein wenig vorpreschen:
Angekündigte Kandidaturen:
Anfang Juli wurde bekannt, dass der bereits erwähnte grüne Politiker Sebastian Pewny auf einen Spitzenplatz bei den Grünen drängt. Und zwar auf Platz 2 (denn Platz 1 steht bei den Grünen traditionell einer Frau zu) der Reserveliste der Grünen für den Rat.
Die grüne Bürgermeisterin Astrid Platzmann-Scholten kommentierte das ganze damals gegenüber der WAZ recht deutlich als verfrüht. Dennoch (oder gerade deswegen?) gibt es jetzt die ersten offensiven weiteren Kandidaturen bei den Grünen für die Reserveliste für den Rat:
So hat beispielsweise Karsten Finke als amtierender Bezirksvertreter der Bezirksvertretung Bochum-Mitte seine Kandidatur für die Ratsliste über die sozialen Medien verkündet:
„[…] Ich kandidiere für die Liste der GRÃœNEN für den Rat der Stadt Bochum […] facebook.com/karsten.finke.9/…
Quelle: @gender_revolt bei Twitter
Karsten Finke war übrigens schon im Rat der Stadt Bochum, er wurde zu Beginn der laufenden Amtszeit 2014 in den Rat gewählt. Er trat jedoch wenige Monate danach zurück (das Pottblog berichtete dazu).
Eine weitere Kandidatur hat Vicki Marschall, ehemalige Sprecherin der Grünen in Bochum, via Twitter angekündigt:
„Ja, ich will!
Ich kandidiere für die Liste der GRÜNEN für den Rat der Stadt Bochum. Im Herbst 2020 stehen Kommunalwahlen an und ich will mich für ein zukunftsfähiges Bochum einsetzen. Meine Themen: Wirtschaft, Quarties- und Stadtteilentwicklung, Gesellschaftspolitik. #ratbo
Quelle: @MarschallVicki bei Twitter
Schon bei ihrer Verabschiedung als scheidende Sprecherin der Grünen in Bochum hatte Vicki Marschall ihre Ambitionen zur Kommunalwahl deutlich gemacht – siehe auch den entsprechenden Bericht im Pottblog.
Beim Oberbürgermeister in Ruhe sondieren, für den Rat öffentlich reklamieren?
Was bei der ganzen Diskussion derzeit auffällt: bei der OB-Frage wird zumindest offiziell eine ruhige Sondierung attestiert, bei Ratskandidaturen wird forsch nach vorne gegangen.
Inklusive damit verbundener „Kampfansagen“, um bestimmte prestigeträchtige Plätze (auf denen bisher andere Personen sind, die wohl noch nicht erklärt haben, ob sie aufhören oder weitermachen wollen).
Insofern bleibt es vermutlich auch in den nächsten Wochen und Monaten spannend. Und es bleibt abzuwarten, wie sich dann die weiteren Parteien aufstellen werden.