Erste Podiumsdiskussion zur #Europawahl bei ver.di in Bochum
Die Gewerkschaft verdi rief zur Diskussion auf – und es kamen diverse Kandidierende nach Bochum um über die kommende Europawahl zu diskutieren. Der Saal in der verdi-Geschäftsstelle Bochum war fast bis auf den letzten Platz gefüllt, so dass die geladenen Gäste auch ein breites und vor allem auch dankbares Publikum hatten.
Eingeladen waren die Vertreter aller demokratischen Parteien bzw. Fraktionen. Vor Ort waren dann die folgenden Kandidierenden zum Europaparlament (in alphabetischer Reihenfolge):
- Oliver Basu Mallick (SPD)
- Vincent Felix Bartscher (FDP)
- Özlem Alev Demirel (Die Linke)
Außerdem war noch der grüne Landtagsabgeordnete (und ehemalige Fraktionsvorsitzende im nordrhein-westfälischen Landtag) Mehrdad Mostofizadeh für Bündnis ’90/Die Grünen vor Ort.
Kein Vertreter der CDU vor Ort
Die CDU war ebenfalls eingeladen, konnte jedoch niemanden schicken. Das der amtierende Europaabgeordnete der CDU aus Bochum (Dennis Radtke) nicht vor Ort war, muss man jedoch entschuldigen – denn bekanntlich hat das Europäische Parlament zu genau diesem Zeitpunkt eine Sitzungswoche. Das war auch mit der Grund, warum sonst niemand vor Ort war, der aktiv gerade im Europäischen Parlament sitzt.
Die Bemühungen seitens der Gewerkschaft ver.di um adäquaten Ersatz waren leider nicht erfolgreich, so dass dann von der CDU niemand dort war. Das war insofern schade, als dass natürlich die christdemokratische Position zu Europa an diesem Abend dann gefehlt hat.
Exkurs: Urheberrechtsreform / Uploadfilter / Artikel 13 ff.
Außerdem hätte man dann auch jemanden dabei gehabt, der im Rahmen der Urheberrechtsform der Europäischen Union sich beteiligt hat. Denn der aus Bochum stammende Dennis Radtke hatte für diese Reform gestimmt.
Der auch für Bochum zuständige SPD-Europaabgeordnete Dietmar Köster hat jedoch (wie alle Abgeordneten der SPD im Europäischen Parlament) dagegen gestimmt.
Von den Vertretern auf dem Podium bei ver.di war niemand dafür – und somit wäre es interessant gewesen, dazu was zu hören, insbesondere auch, weil die CDU im Europäischen Parlament damit teilweise auf der Linie von ver.di ist, die ja auch diese Reform befürworteten…
Begrüßung durch Gudrun Müller
Doch bevor es eigentlich los ging, begrüßte Gudrun Müller, die Geschäftsführerin von ver.di Mittleres Ruhrgebiet, im Namen von über 55.000 Mitgliedern im neuen Bezirk, die Podiumsteilnehmer und die Besucher der Veranstaltung. Seit der Fusion der ver.di-Bezirke Bochum-Herne, Emscher-Lippe-Nord (Kreis Recklinghausen) und Emscher-Lippe-Süd (Gelsenkirchen) ist dies einer der größten ver.di-Bezirke und steht für eine starke Vertretung der Arbeitnehmerinteressen im mittleren Ruhrgebiet.
Müller bekannte sich in ihrer Begrüßungsrede eindeutig zu Europa, pochte aber auf höhere Sozialstandards, eine Verbesserung von Arbeitnehmerrechten und ein mehr an Chancengleichheit.
Persönliche Vorstellung
Zu Beginn durften die Diskussionsteilnehmer sich vorstellen – und das sollten sie anhand eines persönlichen Gegenstandes machen, der für sie symbolisch für Europa steht.
Özlem Alev Demirel brachte dazu ein Bild einer flüchtenden Mutter am Strand mit – das war symbolisch für die Flüchtlingspolitik der Festung Europa. Mehrdad Mostofizadeh brachte sein Handy mit, stellte selber fest, dass das nicht besonders kreativ sei, dass er damit aber Kommunikation und beispielsweise den EU-weiten Wegfall von Roaminggebühren meint. Oliver Basu Mallick stellte eine gelbe Tasse vor (deren Farbe seiner Meinung an sich eher zu seinem Mitdiskutanten von der FDP passte), die von der AEGEE (Association des États Généraux des Étudiants de l’Europe, Europäisches Studierendenforum) stammte. Diese Vereinigung von Studierenden steht für ein vereinigtes Europa sowie eine Zusammenarbeit die die Grenzen überschreitet und da hätte er sich schon frühzeitig für engagiert. Vincent Felix Bartscher brachte ein Wörterbuch mit (Deutsch/Spanisch, Spanisch/Deutsch), welches ihn seit seiner Schulzeit begleitet und für die (auch sprachliche) Vielfalt Europas steht.
Inhaltliche Diskussionen
Danach wurde zu verschiedenen Themenfeldern diskutiert, beispielsweise kamen da die Bereiche
- Arbeitsmarktpolitik
- Frauen
- Jugend
- Umwelt
vor und wurden jeweils von ein, zwei manchmal auch drei oder vier der Gäste besprochen. Ursprünglich war es so geplant, dass eigentlich Gegensätze aufgezeigt werden sollten und man dann jeweils zwei Positionen dazu hat. Bei Bedarf sollten sich die Gäste, die dann dazu nicht von den beiden Moderatorinnen befragt wurden auch melden. So kam es dann dazu, dass immer wieder mal einzelne Themenbereiche von allen besprochen wurden. Was aber der Diskussion nicht schadete – eher im Gegenteil.
Oftmals übereinstimmende Thesen…
In vielen Fällen war man sich einig – teilweise sogar ohne dass man es wusste. So wurde beispielsweise der SPD-Kandidat zur Forderung nach einer sozialen Fortschrittsklausel gefragt. Ein Thema, was sichtbar im gesamten Raum anscheinend nur der ver.di-Fragesteller kannte.
Basu Mallick wich da jedoch nicht aus und erklärte, dass er jetzt dazu nichts sagen könne, sich aber gerne schlau machen würde. Dank der Schützenhilfe der Linkskandidatin, die sich anscheinend auch sehr gut damit auskannte, wusste man aber, dass auch die SPD das so in ihrem Europaprogramm hatte.
Exkurs: Soziale Fortschrittsklausel
Bei dieser sozialen Fortschrittsklausel geht es im übrigen um die Forderung nach einem Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen Elementen der Europäischen Union (wie den freien Binnenmarkt) und den sozialen Grundrechten. Da dieses Gleichgewicht zuungusten der sozialen Rechte ausfällt, sollen die sozialen Grundrechte Vorrang vor den Freiheiten des Binnenmarktes haben. Außerdem soll sich die Europäische Union auch verbindlich dazu erklären, dass man nicht nur dem wirtschaftlichen, sondern auch dem sozialen Fortschritt verpflichtet sei.
… aber auch Dissens
Vereinzelt gab es jedoch bei einigen Themen Dissens – beispielsweise dem europäischen Mindestlohn. Da wurde beispielsweise der SPD vorgeworfen, dass sie sich für den europäischen Mindestlohn deswegen so einsetze, weil das dann auch für eine Erhöhung des deutschen Mindestlohnes bedeuten würde. Was im Publikum zur spontanen Frage führte, ob das denn schlimm sei…
Beim Thema Mindestlohn zeigte sich aber beispielsweise Bartscher kritisch, der einen solchen europäischen Mindestlohn ablehnte und damit vermutlich der einzige auf dem Podium und im Publikum war.
Offene Fragen
Etwas mehr Leben kam in die Diskussion als die offene Fragerunde am Ende der Veranstaltung stattfand:
Da wurde von einer Teilnehmerin die Auswahl der Parteien kritisiert – weil „Der europäische Frühling“ (DiEM25), nicht vertreten war, bei der in Deutschland der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis auf Platz 1 kandidiert und damit tatsächlich Chancen hat ins Europäische Parlament einzuziehen.
Auch wurde die teilweise widersprüchliche Politik von offiziellen Parteipositionen und den abweichenden Standpunkten von ihren hochrangigen Vertreterinnen im Kontext der europäischen Flüchtlingspolitik thematisiert – wie auch die Versäumnisse und Missetaten einzelner Parteien in der Vergangenheit (diesmal ging es aber nicht zurück bis zu den Kriegskrediten).
Doch auch zum Beispiel die Frage nach dem „gestohlenen Wahlrecht“ eines jugendlichen Besuchers und damit der Thematisierung der Wahlrechtsfrage war interessant. Denn hier skizzierte Mehrdad Mostofizadeh, dass es in der vergangenen Legislaturperiode eine verfassungsändernde Mehrheit im nordrhein-westfälischen Landtag gegeben habe: SPD, Grüne, Piratenpartei und die FDP waren sich eigentlich einig. Nur Christian Lindner (FDP) gönnte damals den Grünen diesen Erfolg nicht, so der damalige grüne Fraktionsvorsitzende, so dass es nicht zu einer solchen Entscheidung kam. Und das obwohl es im Parteiprogramm der FDP so gefordert wurde.
Da distanzierte sich dann auch der FDP-Kandidat Bartscher glaubwürdig von.
Die größte Einigkeit herrschte zum Schluss…
… denn da erklärte Bernd Dreisbusch, der stellvertretende Geschäftsführer von ver.di Mittleres Ruhrgebiet, die Position von ver.di zur AfD.
Diese hätte nicht abgesagt oder es sei vergessen worden einzuladen. Das war eine bewusste Entscheidung von ver.di. Er erteilte Rechtsextremisten und Rechtspopulisten eine klare Absage und stellte fest, dass ver.di kein Platz für die Aktivisten der AfD bietet und diese Hausverbot im Gewerkschaftshaus haben. Darauf folgte lang anhaltender Applaus unter den Kolleginnen und Kollegen bei ver.di und den weiteren Gästen der Gewerkschaft.