Geierabend 2019: Zechen & Wunder – der beste Geierabend seit längerem!
Alljährlich findet – in der Karnevalssaison – der Geierabend in Dortmund statt. Genauer gesagt im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern II/IV in Dortmund (oder aber „Auffe Zeche, aum Pütt, vonne Schule, nache Arbeit, auffe Schicht, nach Untertage, im Streb, inne Dunkelheit, am Malochen, vor Kohle, mitte Kumpels, anne Schüppe, zum Ende, vorrer Rente, aus, zu, vorbei, bisse im Arsch….ist datt denn so schwer?“ wie es in einem „running gag“ des Geierabends heißt).
Der Geierabend ist – jedenfalls dem Wikipedia-Eintrag zum Geierabend zufolge – ein
„[…] alternativer Karneval […] bei dem ähnlich der Stunksitzung und gemäß der eher unjecken westfälischen Tradition eine Prunksitzung persifliert [wird], garniert mit typischem Humor des Ruhrgebiets.“
Ob jetzt diese Bezeichnung so ganz stimmt, da lässt sich drüber streiten – denn das, was man oftmals mit dem Karneval verbindet (klassische Prunksitzung mit Elferrat, Sitzungspräsident und davor auftretenden Künstlern im Fips Asmussen-Stil, die nachher Bützchen erhalten)… dies gibt es alles beim Geierabend nicht. Die eine oder andere Person würde dazu dann sagen „und das ist auch gut so“…
Stattdessen gibt es beim Geierabend verschiedene Sketche und mehr oder wenige musikalische Darbietungen, die sich wechselseitig mit einer Moderation abwechseln.
Der Steiger:
Die Moderation übernimmt der Steiger (dargestellt durch Martin Kaysh), der in einer Lore am Ende der Bühne sitzt, und dessen launigen Beiträge oftmals die nächste Nummer anmoderieren. Hier geht er dann auf mehr oder weniger aktuelle Dinge ein – im aktuellen Programm erklärt er beispielsweise die Bedeutung von Hashtags in der Diskussion im Internet.
Nach #MeToo, wo sexuelle Belästigungen thematisiert wurden, und #MeTwo, bei dem es um die Diskriminierung von MitbürgerInnen mit Migrationshintergrund ging, würde er jetzt für #MettWo werben, wo es um Mettbrötchen gehen würde…
Der Präsident:
Eine Sache gibt es aber doch noch wie beim „echten“ Karneval – einen Präsidenten, wobei Roman Henri Marczewski mit seiner roten Babystrumpfhose auf dem Kopf jetzt nicht ganz dem klassischen Sitzungspräsidenten entspricht.
Neben dem Steiger und dem Präsidenten gibt es zwar diverse wiederkehrende Rollen, aber im Grunde genommen sind das die beiden Hauptfiguren des Geierabends.
Das aktuelle Programm: Geierabend 2019 – Zechen und Wunder
Dieses Jahr gibt es insgesamt 37 Vorstellungen – beginnend mit der gestrigen Premiere, für die es zum Teil noch Karten gibt.
In diesem Jahr änderte sich so einiges vor und hinter den Kulissen des Geierabends. So hörte beispielsweise Hans Martin Eickmann (u.a. bekannt als einer der beiden AWO-Opas bzw. einer aus dem Duo Die Zwei vonne Südtribüne) mit dem Geierabend auf. Hierfür wurde als Neuverpflichtung Andreas Obering (bekannt als „Obel“) ins Ensemble aufgenommen. Außerdem gab es Änderungen in der Regie.
Baum des Jahres:
Das die 2019’er Ausgabe des Geierabends diesmal etwas bissiger wird, das konnte man bei der Nummer „Baum des Jahres“ bemerken:
Die von Sandra Schmitz gespielte Eiche (natürlich aus dem Hambacher Forst) hat so ihre eigenen Gedanken – insbesondere auch zum Hambacher Forst („[…] nur Straßenbegleitgrün für Schaufelradbagger“) und den dortigen Ereignissen. Sehr bissig, pointiert und für einige vielleicht auch schon sogar einen Tacken zu weit.
Pannekopp des Jahres:
Jedes Jahr küren die Besucherinnen und Besucher des Geierabends einen Pannekopp des Jahres. Geehrt wird die Person, die sich besonders um das Ruhrgebiet verdient gemacht hat. Natürlich im negativen Sinn.
Im vergangenen Jahr hatte Armin Laschet, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, gewonnen und in diesem Jahr kann er zum Titelverteidiger werden. Für sein Wahlversprechen „Mit mir gibt es weniger Staus“ strengt er sich an – und durch die von Gerichten verhängten Fahrverbote auf der A40 und der A42 könnte er sein Wahlversprechen von damals einhalten. Der Steiger zog dazu das Fazit:
Durch kalkuliertes Versagen nach der Wahl wird ein Versprechen von vor der Wahl gehalten… das qualifizierte ihn als ersten (von zwei) Kandidaten für den Pannekopp-Orden. Den er letztes Jahr nicht annahm…
Kommentar Orchester Bladenhorst:
Dieses aktuelle politische Thema wurde direkt danach auf geniale Art und Weise durch das „Kommentar Orchester Bladenhorst“ aufgegriffen.
Zur bekannten Melodie von Waterloo wurde da stattdessen „Fahrverbot“ gesungen und die Leute im Publikum waren mehr als begeistert.
Brei mit Illner:
Was den Geierabend immer wieder auszeichnet – wenn bestimmte Dinge, die jede/r kennt auf die Bühne geholt und persifliert werden. So auch die üblichen politischen Talkshows im Fernsehen. Für viele oftmals ein Einheitsbrei, doch „Brei mit Illner“ zeigte deutliche Unterschiede auf:
Liaison dangereux: Merkel & Macron:
Wenn Franziska Mense-Moritz auf der Bühne die Bundeskanzlerin Angela Merkel spielt, dann ist die gute Unterhaltung garantiert.
In diesem Stück begeistert dann noch zusätzlich Andreas „Obel“ Obering als Emmanuel Macron.
Frauenrausch: Ein Schal für zwei
In der Nachfolge der beliebten „Zwei vonne Südtribüne“ durfte ein Stück zum Thema Borussia Dortmund (BVB) nicht fehlen. Der Geierabend findet schließlich in der Fußballhauptstadt Dortmund statt. Und mit den beiden Frauen in Schwarz-Gelb gibt es ein würdiges Nachfolgerduo, was die wichtigste Sache der Welt auch weiterhin auf die Bühne der Zeche bringt.
und … und … und
Insgesamt gibt es über zwanzig Nummern. Teilweise zeitlos (wie alles aus Schnöttentropp an der Schnötte im schönen Sauerland), teilweise aber auch recht aktuell:
Ob nun die Gefahren des Smart Homes und des Internet of Things, der Brexit, die Ãœbernahme von ThyssenKrupp Steel durch Tata usw.usf. – all das spricht der Geierabend an. Und wird bei einigen Themen (wie z.B. der rechtsextremen Kaffeefahrt) sehr deutlich.
Auch wenn das natürlich alles subjektive Empfindungen sind: Man merkt dem Geierabend (wieder) an, dass er angriffslustiger, pointierter und zum Teil im Humor sogar radikaler geworden ist. Aber immer noch so, dass gewisse Geschmacksgrenzen nicht überschritten werden. Da gab es ja auch schon andere Jahre…
Man freut sich natürlich auch, dass man bekannte Elemente der vergangenen Jahre immer wieder sieht – ob nun die bereits erwähnten Geschichten aus Schnöttentrop oder aber auch die Partnerstadt des Geierabends (diesmal ist es Schwerte).
Durch das neue Ensemble-Mitglied Andreas „Obel“ Obering gibt es auch neue Möglichkeiten zur Darstellung. Auch sprachlich. Ich sag einfach mal nur vorwarnenderweise die Stichworte „Sächsisch“ und „Kölsch“…
Töffte ((ruhrgebietsdeutsch für: gut, schön, passend))
- sehr gute Unterhaltung
- tolles Aufgreifen von aktuellen Themen
- bissig, kreativ, respektlos und witzig
- (im Vergleich zu den vergangenen Jahren) mehr „Drive“ im gesamten Programm
Panne ((ruhrgebietsdeutsch für: u.a. Zustand der Dösigkeit, etwas was nicht toll ist))
- in seltenen Fällen ist manchmal die Akustik bei musikalischen Darbietungen nicht optimal, so dass man bei manchen Liedtexten nicht immer alles versteht…
Fazit für den Geierabend 2019: Es lohnt sich!