Intelligente Straßenleuchten (Smart Poles): Bochum ist Pilotstadt für intelligente Straßeninfrastruktur und wird zur Smart City #ratBO
Die Welt wird immer vernetzter: Der Kühlschrank, der selber feststellt, dass keine Milch mehr da ist und diese selber bestellt ist ein (oftmals überstrapaziertes) Beispiel für smarte Technologie, welches jedoch oftmals über die Beschreibung nicht hinauskommt.
Konkreter sind da andere Ansätze – und in Bochum wird getestet, was eine „Smart City“ ausmacht. Da melden Sensoren automatisch wenn Altglascontainer voll sind, Sensoren in den Rolltreppen teilen automatisch mit, wenn sie nicht richtig funktionieren – und jetzt werden auch intelligente Straßenleuchten getestet. Denn die klassische Straßenlaterne kann, wenn man sie entsprechend ausstattet, deutlich mehr.
Bochum ist dabei die erste Großstadt Deutschlands, die zusammen mit dem Energieunternehmen innogy die Technik einer intelligenten Straßeninfrastruktur testet. Die sogenannten „Smart Poles“ werden dabei vom Energieunternehmen innogy, der Stadt Bochum und den Stadtwerken Bochum umgesetzt.
Das Projekt ist zunächst auf zwei Jahre ausgelegt und beinhaltet die Planung, Installation und den Betrieb der „Smart Poles“. In bestehende Straßenlaternen werden innovative Technologien integriert, die im Zusammenspiel mit intelligenter Software einzelne Stadtviertel zu Smarten Quartieren werden lassen. Zu den in Bochum getesteten Anwendungsfällen zählen etwa das Erkennen freier Parkplätze oder ein öffentliches WLAN-Netz.
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch freut sich, dass innogy SE Bochum als Pilotstadt ausgesucht hat:
„Wir sind die erste Großstadt Deutschlands, die zusammen mit innogy SE intelligente Straßenlaternen testet. Damit setzen wir erste Bausteine auf dem Weg zur Smart City. Bochum ist mit GigabitCity, Mark 51°7 und der Verzahnung von Wissenschaft und Technologie bereits jetzt Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Damit bringen wir eine Entwicklung auf den Weg, die auch das Ruhrgebiet als Innovationsstandort langfristig stärkt.“
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch
Smartes Ehrenfeld:
Im ersten Schritt werden jetzt geeignete Standorte ausgewählt, in denen die smarte Infrastruktur installiert und getestet wird. Dabei werden die verschiedenen Funktionen jeweils bedarfsgerecht miteinander verknüpft. In bestehende Straßenlaternen werden innovative Technologien integriert, die im Zusammenspiel mit intelligenter Software einzelne Stadtviertel zu smarten Quartieren werden lassen.
Gestartet wird das Projekt im Stadtteil Ehrenfeld. Geplante Anwendungsfälle sind hier zunächst Smart Parking und WLAN. Die Umrüstung beginnt möglichst noch im laufenden Jahr und soll im ersten Quartal 2019 abgeschlossen sein.
So wären als Orte beispielsweise der Park & Ride-Parkplatz am S-Bahnhof Ehrenfeld oder der Hans-Ehrenberg-Platz denkbar.
Funktionen der „Smart Poles“ in Bochum:
Zu den Funktionen, die in Bochum zum Einsatz kommen, zählen:
- Smart Parking: Die Laternen erkennen freie Parkplätze und ermöglichen damit ein effizientes Parkraummanagement.
- Bewegungsströme: Eine Sensorik erfasst Informationen zur Anzahl und Richtung von Passanten. Auf Basis dieser Daten können Optimierungsansätze z. B. für die Lenkung von Besucherströmen bei Veranstaltungen entwickelt werden.
- WLAN: Durch die Integration von WLAN Access Points ermöglichen die Leuchten einen leichteren und zügigeren Aufbau eines öffentlichen Internetnetzes.
- Sicherheitsknopf: Der Notrufknopf wird an der Straßenlaterne nachgerüstet und mit einer Leitstelle verbunden. Der Notrufknopf funktioniert nun ähnlich wie ein Telefon, bei der die Leitstelle den Notruf entgegen nimmt.
Weitere Komponenten sind im Projektverlauf möglich und werden von innogy bereits angedacht, wie man dem oben gezeigten Schaubild entnehmen kann.
Datenschutz:
Das Thema Datenschutz spielt eine entscheidende Rolle. Die erhobenen Daten verbleiben im Eigentum der Stadt Bochum. Der Umgang mit ihnen wird im Rahmen eines Datenüberlassungsvertrages geregelt. Außerdem unterliegt die Datenverarbeitung den strengen Vorgaben der DSGVO. Die Daten werden vor unberechtigtem Zugriff durch Maßnahmen nach allgemein anerkanntem Stand der Technik geschützt. Dazu gehört insbesondere die Verschlüsselung der Daten und die Nutzung speziell gesicherter Übertragungswege.
Weitere Statements zu den „Smart Poles“ und dem Pilotversuch in Bochum:
Hildegard Müller, Vorstand für Netz & Infrastruktur bei innogy:
„Mit dem Projekt werfen wir einen Blick in die Stadt der Zukunft und zeigen, wie die Digitalisierung der Infrastruktur die Lebensqualität der Menschen verbessern kann. Wir statten die vorhandenen Straßenlaternen mit weiteren Komponenten aus und können so den Bürgerinnen und Bürgern von Bochum vielfältige neue Angebote bieten, die ihren Alltag erleichtern. Gleichzeitig sparen wir durch die Nutzung der bereits bestehenden Infrastruktur Kosten und vermeiden zudem Baustellen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen. Gemeinsam wollen wir Bochum effizienter, innovativer und nachhaltiger gestalten. Die Stadt wird zu einem Vorreiter, dem sicherlich in Zukunft viele weitere Kommunen folgen werden.“
Hildegard Müller (innogy)
„Die Stadtwerke Bochum sind Energieanbieter Nummer eins in Bochum und Infrastrukturdienstleister für Energienetze, Straßenbeleuchtung und Telekommunikation in Bochum. Dieses Know-how bringen wir in die Kooperation mit ein. Längst haben wir uns vom reinen Energieanbieter zum Energiemanager unserer Kunden entwickelt und bieten vielfältige Energiedienstleistungen und digitale Services an, als wichtige Bausteine einer smarten Energiewelt.“
Dietmar Spohn, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Bochum
Wichtige Pilotphase:
Die Pilotphase wird zeigen, inwiefern solche „Smart Poles“ vernünftig genutzt werden können:
Freie Parkplätze via gesonderter App anzeigen?
Es ist beispielsweise niemanden damit gedient, dass Autofahrer durch die Straßen kurven und bei der Suche nach einem Parkplatz mit dem Smartphone herumjonglieren um über eine App einen Parkplatz zu finden, der frei ist. Hier sind Vernetzungen mit anderen Mobilitätslösungen notwendig – wenn man beispielsweise die Daten über entsprechende Schnittstellen Anbietern zur Verfügung stellt. Da könnte dann beispielsweise eine Navigationssoftware wie Google Maps selbständig zum gewünschten Ziel einen passenden Parkplatz auswählen. Das ist keine reine Zukunftsvision mehr: Google Maps informiert über Parkplatzsituation.
Beispielsweise könnte aber auch eine Mobilitätslösung wie die Citymapper-App einem die Nutzung des P+R-Parkplatzes nur dann vorschlagen, wenn dort noch genügend freie Parkplätze sind.
Hier wird es wichtig sein, dass die von den „Smart Poles“ ermittelten Daten über entsprechende Schnittstellen möglichst breit gestreut werden, damit möglichst viele davon profitieren können – ohne irgendwelche Speziallösungen nutzen zu müssen. Denn niemand installiert sich für so etwas eine „Parkplatz XYZ“-App, die einem nur dort anzeigt, was es für freie Parkplätze gibt…
Freies WLAN – aber bitte ohne zusätzliche Hürden
Wenn „Smart Poles“ freies WLAN anbieten, dann ist das grundsätzlich zu begrüßen – nur muss man da auch schauen, wie das ganze realisiert wird. Denn je nachdem wie man das ganze ausgestaltet kann man schon im Vorfeld sagen, ob diese Funktion wirklich praktikabel zu nutzen ist oder nicht.
So kam die (angeblich) schlechte Resonanz nach der Pilotierung des WLAN-Busses der Bogestra nicht von ungefähr: Aufgrund der Kompliziertheit der Nutzung war es eher überraschend, dass dennoch ein Datentransfer von 20 GB pro Monat (statt der erwarteten 50 GB) erzielt wurde.
Nicht umsonst wurde beispielsweise beim WLAN in der U35 das ganze schon anders gestaltet und auf eine aufwändige Registrierung via SMS verzichtet.
Beim smarten Laternen-WLAN scheint man darauf aufzubauen – was insofern ein Fortschritt ist.
Dennoch ist es ein leichter Widerspruch, wenn man von einem „freien WLAN“ spricht und dennoch erst nach dem (ggf. automatischen) Einloggen des Smartphones ins Netz eine Anmeldemaske nutzen muss, um die AGBs zu bestätigen. So wurde es durch die Stadt Bochum via Facebook mitgeteilt (siehe hier).
Warum Anmeldemasken im WLAN nicht sinnvoll sind:
Ein solches WLAN hat den Nachteil, dass sich die entsprechenden Endgeräte (Smartphones, Tablets usw.) je nach Konfiguration automatisch eine Verbindung zum freien WLAN aufbaut und sich im Browser dann die Seite zum Anmelden bzw. zur AGB-Bestätigung öffnet.
Wenn man jedoch gerade nicht im Browser aktiv ist und beispielsweise gerade die Bogestra-App offen hat, dann bekommt man die Anmeldeseite erst gar nicht zu sehen. Stattdessen funktioniert die gerade genutzte App nicht, da – obwohl für das Handy ja eine Verbindung zum WLAN besteht – keine Daten übermittelt werden können. In solchen Fällen muss man unter Umständen erstmal manuell den Browser aufrufen. Manchmal öffnet sich auf einigen Handys in einem solchen Fall dennoch der Browser, aber sichergestellt ist das nicht und somit ist ein barrierefreier WLAN-Zugang mit diesem Verfahren nicht möglich.
Da sollte sich die Stadt Bochum vielleicht mal mit entsprechenden Anbietern eines wirklichen freien WLANs zusammensetzen – beispielsweise mit dem Freifunk Bochum, die (zum Teil auch mit städtischer Förderung!) entsprechendes WLAN anbieten.
Insofern ist die Art der WLAN-Nutzung bei den „Smart Poles“ eher unsmart… aber es wird sich zeigen, inwiefern da vielleicht noch nachgesteuert wird.
Denn auch wenn die Stadt mitteilt, dass man nur einmal die AGBs bestätigen muss, hängt das von den jeweiligen Endgeräten ab, ob die sich das wirklich „merken“ können. Wer die Telekom-Hotspots nutzt, der kennt die Problematik…
… insofern wäre ein wirklich „freies“ WLAN ohne zusätzliche Login-Screens, Bestätigungsklicks usw. sinnvoller. Diese sind auch in Zeiten der abgeschafften Störerhaftung nicht mehr notwendig.
Fazit zu den „Smart Poles“:
Es ist eigentlich zu früh um ein Fazit zu ziehen – denn die Testphase beginnt ja erst noch. Es ist jedoch definitiv zu begrüßen, dass diese Pilotierung startet. Das das ganze erstmal nur im „kleinen Rahmen“ stattfindet ist auch verständlich – denn man muss ja schauen, inwiefern sich das ganze lohnt. Die positiven Auswirkungen werden sich aber erst dann richtig zeigen, wenn das ganze in die Fläche ausgebreitet wird. Wenn man beispielsweise dann – Zukunftsmusik oder schon konkrete Planung? – die Auslastung der Parkhäuser in der Innenstadt auch über frei zugängliche Schnittstellen ebenso zur Verfügung gestellt bekommt.
Dadurch kann man auch eine gewisse Steuerung ermöglichen – so nach dem Motto, dass einem die Navigations-App bei Auswahl des Zieles in der Innenstadt mitteilt, dass man beim verkaufsoffenen Sonntag vielleicht lieber nicht die Parkhäuser in der Innenstadt ansteuert (da es dort keine freien Parkplätze mehr gibt), sondern stattdessen einen Park & Ride-Parkplatz in der Nähe.
Das alles ist kein Zauberwerk – nur man muss es halt machen und es ist sicherlich nicht verkehrt, wenn solche Lösungen nicht nur im Labor, sondern tatsächlich auf der Straße getestet werden. Das die Stadt Bochum hier den bundesweiten Vorreiter spielt – das wird kein Nachteil für Bochum sein, eher im Gegenteil!
Was man jedoch beobachten sollte: Beim Thema Smart City sollte nicht unbedingt jede Stadt das Rad neu erfinden. Wozu das führen kann, sieht man ja bei den Spurbreiten im ÖPNV – und wenn die übereinstimmen, passen manchmal Züge für eine Strecke nicht in die Tunnel der anderen Stadt (siehe Düsseldorfer Rheinbahn: Neue Züge zu breit für U-Bahn-Tunnel in Duisburg)…
Da wäre eine Vereinheitlichung sinnvoll – und selbst in Bochum gibt es in Sachen WLAN mehrere Insellösungen (von Bochum Marketing, von der Bogestra, von der Stadt Bochum usw. – weitere Betreiber wie den bereits erwähnten Freifunk nicht zu verschweigen).
Damit das ganze nicht zu einer Smart Village-Lösung wird, sollte beispielsweise im Rahmen des Regionalverbandes Ruhr eine Smart City-Lösung für die gesamte Metropole Ruhr angestrebt werden.