Bochum fahrradfreundliche Stadt? Nein, (noch?) lange nicht! #ratBO
Bochum als fahrradfreundliche Stadt zu bezeichnen – das würde dem Otto-Normalbürger nicht unbedingt sofort einfallen. Radwege die plötzlich an Hindernissen enden, neuere Straßenbauprojekte, wo man an Radwege nicht gedacht hat und in der Vergangenheit ein eher autozentriertes Denken prägen das Bild von Bochum in Bezug auf das Radfahren in der Öffentlichkeit.
Tatsächlich ist Bochum noch(!) keine fahrradfreundliche Stadt – aber die Verwaltung und die Politik wollen das ändern. So hat die rot-grüne Koalition vor zwei Jahren im Rat (mit breiter Unterstützung der Opposition) eine Bewerbung um die Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte (in Nordrhein-Westfalen) (AGFS) beschlossen.
Gestern fand die offizielle Begutachtung Bochums durch eine Jury der AGFS statt und im Anschluss wurde das Ergebnis bekannt:
Tatsächlich ist Bochum noch nicht in die offizielle Liste der AGFS aufgenommen worden (was teilweise etwas „undifferenzierter“ berichtet wird…) – aber Bochum ist auf einem guten Weg dahin!
Denn der gestrige Besuch der AGFS-Jury (siehe Bild oben) endete mit einem einstimmigen Votum der Kommission, die dem zuständigen Ministerium bzw. Minister Mike Groschek eine Aufnahme von Bochum in die AGFS empfehlen werden.
Vertreter des Ministeriums begründeten dabei im anschließenden Pressegespräch die Gründe, die für eine Aufnahme Bochums sprechen würden. Unter anderem (also nicht abschließend) wurden dabei folgende Punkte genannt.
Was für Bochum als fahrradfreundliche Stadt spricht:
- die gute Umleitungsbeschilderung
- das Baustellenmanagement in Sachen Radverkehr
- Nutzung der Bahntrassen für den Radverkehr
- viele barrierefreie Lösungen (vor allem bei neuen Maßnahmen)
- der Springerplatz sei sehr gut gestaltet worden
- die Nahmobilität an der Ruhr-Universität Bochum
- das Fahrradverleihsystem metropolradruhr, das in Bochum am erfolgreichsten ist (was natürlich an der Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum liegt)
- tatkräftige und nicht nur symbolische Unterstützung durch die Stadtspitze
- der Radschnellweg RS.1
Kritikpunkte gab es natürlich auch, die auch geäußert wurden.
Was gegen Bochum als fahrradfreundliche Stadt spricht:
- fehlender Baumschnitt (der in Radwege reinragt)
- sehr verschiedene Infrastruktur für Radfahrer
- bei der Stadt bzw. Verwaltung als Arbeitgeber ein Schwerpunkt auf das Rathaus und die Umgebung und nicht auf die anderen Verwaltungsstellen
- fehlender Mut beim Thema Fahrradstraßen
- zu wenig Einbahnstraßen für den Radverkehr freigegeben
Das ganze ist nur ein erster Schritt…
Doch die Aufnahme sei nur ein erster Schritt, viele weitere müssen jetzt noch folgen.
Dazu erklärt auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen Ratsfraktion, Sebastian Pewny:
„[Es ist klar … Anm. d. Red.], dass noch viel zu tun ist, bis Bochum wirklich das Prädikat ‚fahrradfreundlich‘ verdient. Ich denke aber, dass wir in den letzten Jahren eine positive Entwicklung angestoßen haben, die durch die AGFS weiteren Schwung bekommen wird. […]“
Die Jury zeigte sich besonders erfreut darüber, dass bei der Stadtspitze klar ersichtlich sei, dass diese das Ziel einer fahrradfreundlicheren Stadt unterstützt. So begleitete Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (gemeinsam mit dem Stadtbaurat Dr. Bradtke und Ratsmitgliedern von SPD und Grünen) die Jury den gesamten Tag über…
… was aber sicherlich auch damit zu tun hat, dass der Oberbürgermeister just an dem Tag sein neues eBike in Stadtfarben bekommen hat, was er jetzt künftig immer öfters nutzen möchte:
Auf geht's zur AGFS-Bewerbungstour – @thomas_eiskirch mit seinem neuen cyanfarbenen E-Bike der Firma e-motion. pic.twitter.com/6ZVrUO49go
— Stadt Bochum (@bochum_de) 23. Mai 2016
Kommentar: Zur Entscheidung der AGFS-Jury Bochum vorzuschlagen
Ja, noch ist Bochum keine wirklich fahrradfreundliche Stadt. Insofern ist es gut, dass die Vertreter der AGFS dem Oberbürgermeister auf seine Frage, ob es da denn verschiedene „Stufen“ wie Bronze, Silber und Gold geben würde, entgegneten, dass dem nicht so sei.
Denn wäre das der Fall, dann müsste man ehrlicherweise feststellen, dass vermutlich nicht der VfL Bochum einem Aufstieg in dieser Saison näher war, als dass Bochum auf’s Medaillentreppchen kommen würde.
Aber natürlich kann man eine Stadt wie Bochum, die sich jahrzehntelang auch mit über das Auto definiert hat, nicht innerhalb kürzester Zeit zu einem niederländischen oder wenigstens münsterländischen Fahrradparadies entwickeln.
Insofern sollte man die Entscheidung der AGFS-Jury eher perspektivisch sehen und vor allem in Hinblick auf zukünftige Entscheidungen der Stadt. Denn diese werden – sobald die Stadt Bochum dann offiziell in die Liste der AGFS auftaucht (woran nicht gezweifelt werden kann) – sich zukünftig an den Erfordernissen für den Radverkehr orientieren. Müssen.
Ansonsten droht das, was der Oberbürgermeister Eiskirch auf seine Frage nach den Stufen als Antwort bekommen hatte. Denn ihm wurde daraufhin gesagt, dass es diese Stufen nicht gibt – sondern eine Stadt nach sieben Jahren die Mitgliedschaft in der AGFS auch verlieren kann…
Ich finde es toll, dass immer mehr Städte zunehmend radfahrerfreundlicher werden. Überall sieht man mehr und mehr Radwege und ich habe auch das Gefühl, dass das Bewusstsein der Autofahrer für die unmotorisierten Verkehrsteilnehmer besser geworden ist.
Ob ich so ein E-Bike jetzt wirklich gut finden soll weiß ich nicht so recht. Schließlich hat es noch keinem geschadet selbst in die Pedale zu treten (Wenn er es denn noch kann). Das ist zudem noch gut für die Gesundheit. :)
Wenn man ernsthaft auf Verkehrsarten, die platzsparend sind (z. B. Zufußgehen, Fahrräder, Busse usw.) setzen will, dann muss man nicht nur diese Verkehrsmittel attraktiv machen, sondern vor allem die Verkehrsmittel, die man verdrängen möchte, unattraktiv. Menschen neigen dazu Gewohnheiten fortzusetzen. Und das sorgt, wenn man ihnen den Umstieg nicht erleichtert, dafür dass die anderen Optionen eher nicht gewählt werden.
Es wäre doch begrüßenswert und zielführend, wenn sich alle größeren Städte mit diesen Herausforderungen für eine Woche im Jahr zusammensetzen und ihre Lessons Learned und best practise Erkenntnisse miteinander teilen. Diese Ergebnisse werden dann auf EU-Ebene ausgetauscht und dos finden sich in ganz Europa die besten Lösungen.
Ich lebe in Bochum und ich finde persönlich das es eine fahrradfreundliche Stadt ist. Interessanter Beitrag danke :)
Was noch nicht ist kann ja noch werden :) Ich würde mich freuen, wenn Bochum sich noch mehr in Richtung einer fahrradfreundlichen Stadt bewegt. Nicht nur der Umwelt wird hiermit etwas zu Gute getan, auch der Mensch selbst tut sich etwas gutes damit. Denn die meisten Leute bewegen sich unterm Strich zu wenig.
Bis eine Stadt mal fahrradfreundlich ist, kann es Jahre dauern…schließlich sind diese eher auf Autos und andere Kraftfahrzeuge ausgelegt und das alles umzuplanen ist nicht einfach…
Wenn mehr Menschen in der Stadt mit dem Rad fahren würden, wäre es deutlich angenehmer (Lautstärke, Luftverschmutzung, etc.). Doch um das zu erreichen, müssen Fahrräder attraktiver und Autos unattraktiver gemacht werden.
Ich bin gespannt wie es weitergeht.
Der Artikel läßt hoffen das sich Bochum in Zukunft in eine fahrradfreundliche Stadt entwickelt. Es muß abgewartet werden ob es vom Bürger auch angenommen wird.
Also bei Bochum von einer Fahradfreundlichen Stadt spricht war noch nie in Holland. Bochum ist zwar weitaus Fahrrad freundlicher als zum Beispiel Düsseldorf aber es fehlen überall Fahradwege und eigene Ampeln.
Ist zumindest eine positive Entwicklung.
Ich hoffe das dieses Ziel, um mehr CO2 neutrale Mobilität zu schaffen, auch von anderen Städten in Angriff genommen wird.