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Jens Matheuszik — 22. März 2016, 08:23 Uhr

Tabubruch: AfD, CDU, FDP & Co. stellten erstmalig in Bochum gemeinsamen Antrag #ratBO


Das Rathaus in Bochum

Das Rathaus in Bochum

Im Grunde genommen ist die Bochumer Kommunalpolitik im Rat relativ beschaulich:
Im Rat gibt es zwar eine Zweier-Koalition aus SPD und Grünen, aber insgesamt sind mehr als ein Dutzend politische Farben im Rat vertreten. Das verlängert naturgemäß die Sitzungen (nach dem Motto: „Es wurde zwar bereits alles gesagt, aber noch nicht von jedem!“) und zieht die Entscheidungsfindung manchmal schon fast unerträglich in die Länge…

Konsens gegen Rechts:

Einen großen Konsens gab es in Bochum stets bei der Abgrenzung gegen Rechts. Sowohl von den Verwaltungsspitzen (der ehemaligen Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz als auch des Amtsnachfolgers Thomas Eiskirch) als auch von der großen Mehrheit des Rates gab es stets ein energisches Eintreten gegen rechtes Gedankengut.
Dieser überparteiliche Konsens sah auch vor, dass man nicht mit den rechten Parteien im Rat, die es teilweise nur dank des Fehlens einer kommunalen Sperrklausel in den Rat geschafft haben, zusammenarbeitet.

Transparent der Jusos, JU, Julis, Jungen Grünen und solid: Menschlichkeit kennt keine Grenzen

So gab es beispielsweise bei der konstituierenden Ratssitzung (im Juni 2014) ein deutliches Statement gegen Rechts von allen relevanten politischen Jugendorganisationen vor Ort – inklusive der Jungen Union (JU), dem Jugendverband der CDU:

Transparent auf der Besuchertribüne des Rates der Jugendorganisationen der demokratischen Parteien

Transparent auf der Besuchertribüne des Rates der Jugendorganisationen der demokratischen Parteien

Auch die Jungen Liberalen (Julis) von der FDP in Bochum sind für ein entschiedenes Eintreten gegen Rechts – und hier insbesondere auch gegen die AfD – bekannt.

Erstmalige Zusammenarbeit von CDU und FDP mit AfD & Co. im Bochumer Rat:

Die klare politische Positionierung auch gegen die AfD erfolgte zu einem Zeitpunkt, als noch ein Professor Bernd Lucke als Parteivorsitzender der AfD vor allem gegen den Euro-Kurs der Bundeskanzlerin argumentierte.
Jetzt – viele Monate später – ist Bernd Lücke nicht mehr in der AfD und die Partei ist unter der neuen Führungsspitze deutlich nach rechts gewandert.
Die amtierende Vorsitzende Frauke Petry spricht vom Schießbefehl an der Grenze, verweigert Diskussionen mit nachhakenden Journalisten und toleriert rechte Ausfälle ihrer Parteifreunde.

Nach den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt

Bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt erklärte Frauke Petry für die AfD einerseits, dass es jetzt erstmals wieder eine breite bürgerliche Mehrheit (aus AfD, CDU und FDP) geben würde.
Gleichzeitig distanzierte sich die CDU von der AfD und erteilte einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD eine Absage.

Und wenige Stunden später wird diese Vorlage in den Bochumer Rat eingereicht:

Gemeinsamer Antrag von AfD, CDU, FDP usw. im Bochumer Rat

Gemeinsamer Antrag AfD CDU FDP usw. im Rat der Stadt Bochum #ratBO

Gemeinsamer Antrag AfD CDU FDP usw. im Rat der Stadt Bochum #ratBO

Hintergrund ist die geplante Wahl des neuen Dezernenten für Recht und Personal der Stadt Bochum gewesen. Die Kritik an der Wahl und dem Verfahren kulminierte in einem gemeinsamen Antrag von

  • CDU-Ratsfraktion
  • Fraktion „FDP & DIE STADTGESTALTER“ im Rat
  • UWG-Ratsfraktion
  • AfD-Fraktion
  • Freie Bürger im Rat

Das die Opposition das Verfahren und die Wahl des von Rot-Grün favorisierten Kandidaten kritisiert ist das gute Recht einer Opposition. Man muss sich jedoch die Frage stellen, mit wem man da zusammenarbeitet. Wenn beispielsweise nur die CDU und die FDP den Antrag gestellt hätten und dann – mehr oder weniger zufällig – die AfD zugestimmt hätte, dann wäre inhaltlich das selbe erreicht worden. Aber ohne des Tabubruchs der erstmaligen Zusammenarbeit mit der AfD! Dahingehend passt es auch, dass der CDU-Fraktions- und -Parteivorsitzende Christian Haardt kürzlich erklärte, dass er Rot-Grün für den Hauptgegner halten würde. In Sachen AfD würde man sich [nur] mit den Argumenten auseinandersetzen…

Interne Kritik von CDU und FDP

Das gemeinsame Vorgehen mit der AfD wird auch in Bochumer CDU- und FDP-Kreisen nicht verstanden und als hochproblematisch angesehen.
Hier wird vor allem die Sinnhaftigkeit hinterfragt: Dadurch habe man nichts gewonnen (wie es beispielsweise bei anderen Entscheidungen der Fall hätte sein können), sondern nur verloren. Nach der vergangenen Ratswahl 2014 habe man die Zusammenarbeit mit der AfD abgelehnt – der AfD eines Professors Lucke. Mit der AfD einer Frauke Petry, so würde man das jetzt als Zeichen aussenden, scheint man jedoch keine Probleme bei der Zusammenarbeit zu kennen…

CDU-Landtagsabgeordneter rechtfertigt Zusammenarbeit mit der AfD mit der Linkspartei

Auf explizite Ansprache erklärte Christian Haardt, der nicht nur der Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU in Bochum ist, sondern auch für die CDU im nordrhein-westfälischen Landtag sitzt, dass die CDU sogar zuerst bei der Linksfraktion angefragt hätten, die aber eine Beteiligung an dem Antrag – im Gegensatz zur AfD – abgelehnt hätten.

Wie grenzt sich die CDU NRW von der AfD ab?

Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet distanzierte sich in der Vergangenheit strikt von der AfD. Es muss jetzt jedoch die Frage erlaubt sein, ob es da vielleicht einen Kurswechsel gibt, wo ein Mitglied seiner Landtagsfraktion anscheinend keine Hemmungen hat mit der AfD zusammenzuarbeiten.

Die Wahl des Beigeordneten

Wahl des Beigeordneten mit OB Thomas Eiskirch und CDU-Ratsmitgliedern

Wahl des Beigeordneten mit OB Thomas Eiskirch und CDU-Ratsmitgliedern

Der Antrag von AfD, CDU, FDP & Co. wurde mit der großen Mehrheit unter anderem von SPD und Grünen abgelehnt.
Danach fand dann die eigentliche Wahl des Dezernenten statt, die aus Rechtssicherheitsgründen ((im ersten Wahlgang war nicht klar, wie man eine „Enthaltung“ produziert: es wurde teilweise gesagt, man müsse dann einen leeren Stimmzettel abgeben – dies ist jedoch eher eine ungültige Stimme; daher wurde zur Sicherheit erneut gewählt)) jedoch noch einmal wiederholt werden musste.

Am Ende hat dann der gemeinsame Vorschlag von SPD und Grünen, Sebastian Kopietz, die Wahl gewonnen:

Sebastian Kopietz (Beigeordneter Stadt Bochum)

Sebastian Kopietz (Beigeordneter Stadt Bochum)

Der Jurist, der bei der Bezirksregierung Arnsberg als Dezernent arbeitet und dort als fachlich versiert gilt, wurde damit zum neuen Rechts- und Personaldezernenten der Stadt Bochum gewählt.
Der Dortmunder erklärte nach seiner Wahl gegenüber dem Pottblog, dass er seinen Wohnsitz nicht nach Bochum verlegen würde – da seine Frau und er erst kürzlich Eigentum in Dortmund erworben hätten und sie aufgrund von Notdiensten als Ärztin nahe an Schwerte wohnen müsse. Jedoch würde er jetzt mit seiner Wahl zum Beigeordneten der Stadt Bochum seine Bewerbung für eine Landtagskandidatur in Dortmund zurückziehen, da er sich ganz auf die neue Aufgabe konzentrieren wolle.

Kritik am Verfahren zur Wahl des Personaldezernenten

In den Redebeiträgen zum Änderungsantrag von AfD, CDU, FDP & Co. wurde auch Kritik am durchgeführten Verfahren zur Kandidatenfindung genannt. Der Opposition zufolge sollen beispielsweise auch die Grünen, als Koalitionspartner der SPD, von der Entscheidung der SPD-Ratsfraktion für Sebastian Kopietz erst aus der Zeitung bzw. dem Internet erfahren haben. Einige Stunden, bevor man sich selber ein Bild von den Kandidaten machen konnte.
Das ist tatsächlich eher merkwürdig, sollten diese Berichte stimmen…

Das jedoch die CDU vor allem sich darüber echauffiert, dass da – Stichwort: Parteienfilz! – ein Sozialdemokrat in den Verwaltungsvorstand gewählt wird, obwohl doch eigentlich ein CDU-Kandidat dran wäre, zeigt die flexible Position der CDU auf: Da klingt es glatt so, als ob es in Ordnung gewesen wären, wenn die CDU einen Kandidaten hätte durchsetzen können. Wenn aber der beste der in der Auswahl stehenden Kandidaten das SPD-Parteibuch hat, dann ist das anscheinend für die CDU ein Skandal.

Pressemitteilung der CDU-Fraktion am Tag nach der Ratssitzung

Am Tag nach der Ratssitzung mit dem umstrittenen Änderungsantrag von AfD, CDU, FDP & Co. wurde von der CDU-Fraktion eine Pressemitteilung veröffentlicht.

Wer vermuten würde, dass die CDU dort erklären würde, dass die Zusammenarbeit mit der AfD nur ein Fehler gewesen sei – der wurde überrascht: Auf diesen Bruch der Gepflogenheiten ging die CDU mit keinem Wort ein, sondern kritisierte stattdessen den Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, der – bei einem anderen Tagesordnungspunkt – sich rechtswidrig verhalten haben soll.

Doch der Vorwurf den hier ein CDU-Ratsmitglied pressewirksam äußerte entbehrt jeder Grundlage – denn gerade in diesem Tagesordnungspunkt hatte der Oberbürgermeister entgegen der Aussage der CDU-Pressemitteilung nicht mit abgestimmt.

Das man von der Zusammenarbeit mit der AfD ablenken will ist ja verständlich – aber dann doch bitte nicht mit Falschaussagen…

… und insgesamt muss man sich nach dieser Ratssitzung fragen, ob man den Nachwuchskräften der Verwaltung, die bei dieser Sitzung auf der Besuchertribüne saßen jetzt eher eine Sternstunde der städtischen Politik gezeigt hat oder aber eher etwas zum Fremdschämen.


3 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Stephan Bauer @ 22. März 2016, 20:49 Uhr

    Ich zitiere: „Die amtierende Vorsitzende Frauke Petry spricht vom Schießbefehl an der Grenze“
    Das kann ich gar nicht glauben. Können Sie das bitte mit einem Originalzitat belegen! Damit ich das auch wirklich glauben kann, dass Frauke Petry von Schießbefehl spricht. Danke


  2. (2) Kommentar von Jens Matheuszik @ 23. März 2016, 06:37 Uhr

    Siehe faz.net.


  3. (3) Kommentar von Roland Mitschke @ 24. März 2016, 23:16 Uhr

    Der Pott-Blogger sollte in der Berichterstattung fairerweise auf seine Funktion als SPD-Ortsvereinsvorsitzender erwähnen. So wird eine gewisse „Färbung“ erklärlich.
    Die CDU hat nicht gegen Herrn Kupitz gestimmt, weil er SPD-Mitglied ist, sondern weil sich aus der Biografie des 32-jährigen erhebliche Zweifel an seiner Kompetenz z.B. als Personaldezernent für 6.000 Mitarbeiter ergeben und die Arbeit des Personalberaters „gezielt“ erschien.
    Unabhängig von dieser Personalfrage beansprucht die CDU eine Beteiligung im Verwaltungsvorstand, die OB Eiskirch noch als SPD-Parteichef verhindert hat. In Dortmund, wo Herr Kopietz SPD-Stadtbezirksvorsitzender ist, ist dies selbstverständlich.


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