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Jens Matheuszik — 28. Januar 2016, 14:23 Uhr

100 Tage im Amt: Thomas Eiskirch (Bochums Oberbürgermeister) reserviert für Mai schon den Balkon…


Vereidigung und Antrittsrede von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, Quelle: YouTube

Vereidigung und Antrittsrede von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, Quelle: YouTube

Die Kurzfassung (tl;dr):

Nach 100 Tagen als Oberbürgermeister von Bochum zieht Thomas Eiskirch eine positive Bilanz.

Die Paragrafen §§ 187 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind grundsätzlich eher langweilig (außer für Juristen), aber in ihnen werden Fristenberechnungen geregelt und ohne solche Regeln wüsste man nicht unbedingt genau, wann ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist ((wer sich wundert, dass die 100 Tage nicht erst am Freitag erreicht sind: Die hier maßgebliche Frist beginnt am 21. Oktober 2015 und da es sich um eine Terminfrist handelt um 00:00 Uhr. Insofern endet die Frist am 28. Januar 2016 und nicht erst am 29. Januar 2016. Was auch damit zutun hat, dass die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten um Mitternacht beginnt und nicht mit der – eher symbolischen – Ratssitzung zur Vereidigung))).

In diesem Fall geht es um die symbolischen 100 Tage nach Amtsübernahme. Diese Frist ist nirgendwo schriftlich fixiert, gilt aber dennoch oft als „wichtig“ um den Start einer Amtszeit zu bewerten.

100 (Tage) - mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang WendlandDas dieses Ritual auch in nicht unbedingt als bürgerlich zu geltenden Kreisen bekannt ist, zeigte sich in den vergangenen – ja – 100 Tagen beispielsweise auf Facebook, denn der bei der Oberbürgermeisterwahl angetretene Wolfgang Wendland veröffentlichte regelmäßig entsprechende Zahlen (siehe die hier abgebildete 100 – die Grafik von ihm darf das Pottblog mit freundlicher Genehmigung nutzen) und äußerte sich bisher nicht zur Amtsführung seines damaligen Mitbewerbers.

Eigentlich ist es ja nicht unbedingt fair bereits nach 100 Tagen ein Urteil zu ziehen, schließlich können 100 Tage gerade im Verwaltungsbereich eher kurz sein und selbst Oppositionspolitiker erklärten dazu gegenüber dem Pottblog (in leider nicht-zitierfähiger Form), dass man nach 100 Tagen noch nicht zu viel verlangen sollte.

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch spricht am 08.01.2015 im Bochumer Rathaus auf einer Pressekonferenz zur Bürgerbeteiligung. Foto: Lutz Leitmann / Stadt Bochum, Referat für Kommunikation

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (Archivbild: auf einer Pressekonferenz zur Bürgerbeteiligung). Foto: Lutz Leitmann / Stadt Bochum, Referat für Kommunikation

Doch erste Planken konnten durch den neuen Oberbürgermeister geschlagen werden, wie er anlässlich eines Pressegesprächs anlässlich der 100 Tage mitteilte. Das ein frischer Wind in der Verwaltung herrscht durfte dann auch (vermutlich nicht zum ersten Mal) der Referatsleiter für Kommunikation, Stadtsprecher Thomas Sprenger, im Pressegespräch feststellen, denn der ursprünglich geplante Gesprächsverlauf lief dann doch anders ab als gedacht. Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch erklärte nämlich, nachdem alle Medienvertreter dann vor Ort angekommen waren, dass er sich mit seinen direkten Mitarbeitern darüber unterhalten habe, was diese denn nach 100 Tagen festgestellt hätten. Diese teilten ihm dann mit, dass man eine „ungeheure Schlagzahl“ bei Terminen und Veranstaltungen festgestellt hätte – und der Meinung sei, dass „die Colorados vom Tisch müssen“, da ansonsten es Probleme mit den Anzügen geben würde.

Nach dieser eher lustig gemeinten Einführung äußerte sich Eiskirch zu seinem Start im Amt und dass er oftmals in solchen Angelegenheiten diskutierte Fragen wie beispielsweise die Ausstattung des Büros des Oberbürgermeisters oder aber den Dienstwagen eher entspannt angehen würde – dann wenn es an der Zeit sei.
Das er dennoch schon Akzente setzt kann man an Kleinigkeiten erkennen: Im repräsentativen Empfangsraum des Rathauses sehen, wo er einerseits die starre Sitzordnung (vor allem an der Spitze) aufgelöst hat und der früher voller Möbel war, die jetzt dort nicht mehr zu sehen sind – stattdessen hängen dort jetzt Leihgaben des Bochumer Kunstmuseums an den Wänden.
Und zum Dienstwagen erklärte er, dass der bisherige Dienstwagen von der Leasingdauer so weit verlängert wurde, wie es nur geht und danach wird dann eine Ausschreibung stattfinden, bei der auf ökologische Verträglichkeit in Verbindung mit ökonomisch guten Rahmenbedingungen geachtet wird – und zwar ergebnisoffen und nicht auf das Fabrikat bezogen. Außerdem überlegt sich der Oberbürgermeister, dass man ein Dienst-eBike anschafft um damit teilweise stadtinterne Strecken zu absolvieren.

In der Verwaltung

Die allerersten Tage waren laut Angaben von Thomas Eiskirch besonders wichtig und da wollte er den Beschäftigten der Stadtverwaltung seine Wertschätzung mitteilen. Er sei sehr froh, dass es sehr viele aufgeschlossene Mitarbeiter gibt, die neuen Ideen positiv gegenüber gestimmt sind und auch im Verwaltungsvorstand würde es ein sehr kollegiales Miteinander geben.
Auch die Maßnahme, dass der Verwaltungsvorstand jetzt reihum in den einzelnen Stadtbezirken tagen würde sei positiv – just an dem Tag gab es die erste Sitzung in Wattenscheid, wo dann die für Wattenscheid relevanten Themen angesprochen wurden.

In Sachen Verwaltungsvorstand sprach er auch die Besetzung der offenen Dezernentenstelle an. Hier hofft er, dass sich bis zum Ende der Bewerbungsfrist (in diesen Tagen) genügend gute Bewerber melden, damit dann unter Umständen bereits in der Ratssitzung im März eine Wahl durchgeführt werden kann. Das würde auch den Stadtdirektor Michael Townsend entlasten, der momentan nicht nur seine üblichen Aufgaben in den Bereichen Kultur und Sport durchführt, sondern auch für die Flüchtlingsthematik verantwortlich ist – und zusätzlich vertretungsweise für die Bereiche IT, Organisation und Personal zuständig ist. Die letzten drei Bereiche würden derzeit ja durch Townsend vertreten, was ihn dann durch die geplante Neubesetzung entlasten würde.
Die Neubesetzung findet jedoch nur dann statt, wenn geeignete Bewerber vorliegen würden, denn auch wenn Eiskirch das Tempo bei der Wiederbesetzung angezogen habe, sei es nicht sinnvoll, auf alle Fälle im März jemanden zu wählen, wenn keine geeigneten Bewerber vorliegen.

Der Platz des europäischen Versprechens (PeV), aufgenommen am 11.12.2015 unmittelbar nach seiner offiziellen Eröffnung. +++ Foto: Lutz Leitmann / Stadt Bochum, Referat für Kommunikation

Der Platz des europäischen Versprechens (PeV), aufgenommen am 11.12.2015 unmittelbar nach seiner offiziellen Eröffnung. Foto: Lutz Leitmann / Stadt Bochum, Referat für Kommunikation

Erfolge in den ersten 100 Tagen

Zu den wichtigsten Erfolgen der ersten 100 Tage nannte er einige Stichpunkte:

  • Erhält bzw. Neubau der Konzern-Zentrale von Vonovia in Bochum: Hier hob er nicht nur den Konkurrenzkampf zwischen einzelnen Ruhrgebietsstädten hervor (sinngemäß: „die bisherigen Zentralen lagen in Bochum und Mülheim an der Ruhr – da hätte man auch auf einen ganz anderen Standort für die neue Zentrale kommen können“), sondern auch, dass Vonovia selber baut und es nicht angemietet wird.
  • Wirtschaftsförderung aus einer Hand
  • Offensivere Baulandpolitik: Das bisherige Konzept war nicht erfolgt, erste Investorengespräche dazu laufen im Februar. Ziel soll es sein auch mehr günstigen Wohnraum zu schaffen, denn in Bochum gibt es eine der geringsten Leerstandsquoten der Umgebung, was gerade mal für den aktuellen Bedarf an Umzügen usw. reicht. Dazu wird es auch im April eine Baukonferenz mit dem Landesminister Groschek geben. Themen werden dort Fördermittel – nicht nur für den Wohnungsbau – sein. Bisher war Bochum beim Abruf der Fördermittel eher schlecht, das soll sich bessern. Neben günstigem Wohnraum gibt es aber noch ein Angebotsproblem bei hochpreisigen Angeboten – was oft ein Grund dafür sei, dass viele Interessenten in Nachbarstädte abwandern, was gegen die Interessen Bochums sei und daher geändert werden soll.
  • Förderung Stadtumbau Wattenscheid
  • Drohender Fördermittelverlust für das Anneliese Brost Musikforum Ruhr verhindert: Es gab die Gefahr, dass die Fördermillionen für das als Musikzentrum bekannte Bauwerk zum Teil nicht fließen könnten aufgrund der Verzögerungen auf der Baustelle. Diese Gefahr scheint jetzt komplett abgewendet zu sein.
  • Beginn des Strategieprozesses zur strategischen Haushaltsentwicklung: Hier sollen dann auch die Bürger mehr beteiligt werden. Aber nicht in dem Sinne, dass erfragt wird, um wieviel 0,x Grad die Wassertemperatur im Hallenbad gesenkt werden soll, sondern eher um die „großen Linien“.
  • Mehr Bürgerbeteiligung in Bochum: Die eingeführte Bürgerstunde war beispielsweise wenige Stunden nach Bekanntgabe ausgebucht, so dass der Zeitansatz gleich verdoppelt wurde. Alle Wünsche können da natürlich erfüllt werden, aber er führte dazu aus, dass beispielsweise zu einem Thema aus Hofstede (nicht die Hordeler Straße) ihn 30 Leute besuchen sollten, was während eines kurzen Gesprächs kaum machbar gewesen wäre. Stattdessen findet dann jetzt dort mit dem Stadtbaurat eine Informationsveranstaltung vor Ort statt.
  • Planbarkeit für die Kultur vor Ort: Die Kulturszene vor Ort hat jetzt die Situation, dass es durch die langfristige Bewilligung von Fördermitteln eine finanzielle Planbarkeit gebe – und zwar auf Basis der bisherigen Zahlen, die nicht reduziert wurden. Das sei für die Verlässlichkeit und Planbarkeit sehr wichtig.
  • Einweihung des Platzes des Europäischen Versprechens (siehe Bild oben) und des Museums unter Tage
  • Keine Grundsteuererhöhung für 2016: Dieses Versprochen aus dem Wahlkampf hat er gehalten, da erklärte er auch, dass ihm das besonders wichtig gewesen sei.

Künftige Pläne:

Für Thomas Eiskirch ist es wichtig, dass Bochum als die Stadt gilt, die Dinge ermöglicht. Bochum zu einer solchen Stadt zu machen, wo die Verwaltung Wege und Mittel sucht, etwas zu ermöglichen anstatt es zu verhindern, das sei – neben dem Hauptthema (der Flüchtlingssituation) – das Thema des Jahres 2016. Damit verbindet er auch ein „nach vorne schauen“ und so will er die Stichworte Nokia und Opel nicht mehr verwenden und auch anderen „Altlasten“ widmet er sich, wie sich in der gestrigen Ratssitzung bei den Schweizer Franken (siehe unten) zeigte.

Der Oberbürgermeister will auch das Thema „Familienfreundliche Stadt“ auf die Tagesordnung setzen und daher soll es eine städtische Einrichtung („ServicePoint Familie“ ist der bisherige Arbeitsbegriff dafür) geben, wo alle Dienstleistungen rund um Familienbelange (vom Elterngeldantrag bis zum Thema Pflege im Alter) schräg gegenüber vom Rathaus entstehen.

Er geht auch davon aus, dass weitere gute Nachrichten für Bochum bald anstehen, aber solange keine Verträge unterzeichnet wurden, will er sich dazu nicht äußern. Jedoch pfeifen es die Spatzen schon jetzt von den Dächern, dass in allernächster Kürze endlich ein Vertrag mit der Deutschen Post/DHL bzgl. der Nachnutzung des ehemaligen Opel-Geländes unterzeichnet wird. Jedenfalls folgen sich der Pressesprecher von DHL in NRW und der Oberbürgermeister bereits seit kurzem bei Twitter und dass der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin nur auf eine Currywurst nach Bochum kommen wird ist ja auch eher unwahrscheinlich…

Die in den letzten Tagen wiederholt formulierte Frage nach der Intendanz für das Schauspielhaus Bochum soll auch Anfang Februar geklärt werden, da sei man sehr guter Dinge.

Bochum und die Schweizer Franken: Ein Ende mit Schrecken

Die Stadt Bochum hatte vor einiger Zeit Fremdwährungskredite in Schweizer Franken angelegt. Hintergrund hierfür waren die günstigeren Konditionen. Doch die bisherige Absicherung (wonach der Wechselkurs zwischen Euro und dem Franken nicht unter 1,20 sinken konnte) wurde durch die Schweiz aufgegeben, so dass der Franken (und damit die entsprechenden Kredite) teurer wurde.
Gestern war nach langer Zeit der Kurs mal wieder über 1,10 – und so entschied er sich gemeinsam mit dem Kämmerer und nach Rücksprache mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grüne und CDU dazu die restlichen Schweizer Franken abzustoßen, damit es keine Währungsrisiken mehr gibt.

Flüchtlingssituation

Das wichtigste Thema für die Stadt Bochum sei natürlich die Flüchtlingssituation. Das sei die größte Baustelle wo beispielsweise die städtischen Mitarbeiter nicht mehr am Limit seien, sondern schon darüber hinaus. Insofern sei es auch folgerichtig, dass die Stadt Bochum beim Betrieb der Flüchtlingseinrichtungen zukünftig auf Dritte setzen wird. Das ganze Thema sei – nach Köln – natürlich eine besondere Herausforderung und die Anregungen und Wünsche aus Bürgerversammlungen, die er natürlich zum Teil auch besucht, werden durch die Stadt wahrgenommen. Wichtig sei jedoch auch, dass man natürlich vor Problemen dahingehend nicht weglaufen könne, sondern dass man diese angehen müsse.
Mittel- bis langfristig sei die Finanzierungsfrage wieder interessant: Denn man müsse sich schon jetzt die Frage stellen, was mit den Leuten ist, die hier vor Ort bleiben werden. Dazu wird es seitens der Hauptverwaltungsbeamten des Ruhrgebietes verstärkte Verhandlungen mit der Bundesregierung geben, denn wenn die neuen Mitbewohner länger hier sind und dann zukünftig Ansprüche auf Leistungen des Jobcenters haben würden, müsse man über die Aufteilung der Kosten reden.

Problemfälle oder „höhere Herausforderungen“

Im Gespräch erklärte Eiskirch, dass er sich freuen würde, dass er sich bisher keine „blutige Nase“ in der Verwaltung und anderswo geholt hätte und dass er hofft, dass es dahingehend weiter so läuft. Aber natürlich wird es nicht immer gut laufen und dementsprechend gibt es auch Bereiche, wo er höheren Bedarf an Änderungen sieht. Diese Bereiche will er aber wenn dann persönlich vor Ort mitteilen – und nicht via Pressegespräch, denn auch das würde zum Aspekt der Wertschätzung gehören.

Neue Homepage

Nachdem es schon erste Änderungen auf der Homepage der Stadt Bochum gab, gibt es zum Jahreswechsel 2016/2017 die Planung eines Relaunchs. Die neue Seite soll primär drei Ziele verfolgen:

  1. Lust auf Bochum wecken (vor allem für Besucher von außen)
  2. Relevante Informationen leicht auffindbar machen
  3. eGovernment in einem Online-Portal ermöglichen: Hier sind natürlich diverse Dinge (Authentifizierung, Bezahlung) zu überlegen. Beim Thema ePayment sei es beispielsweise sinnvoll, wenn in der Masse genutzte Zahlungssysteme genutzt werden können – und nicht nur exotische Dinge, die kaum jemand kennt.

Bezüglich der Planungen zum Online-Auftritt von Bochum wird es wohl auch Gespräche mit der Gruppe Bochum geben, jedoch soll das ganze natürlich extern ausgeschrieben werden und nicht „im Rathaus“ programmiert werden.

Thomas Eiskirch und der VfL Bochum

Auf die Frage des Pottblogs, wo Thomas Eiskirch den VfL Bochum am Ende des Jahres sehen würde, antwortete er spontan mit dem Sieg im DFB-Pokal. Bei dem Spiel wird er auch ausnahmsweise mal in der Lounge sitzen, während er sonst immer in der Ostkurve stehen würde, wie in der Vergangenheit auch. Doch gerade beim Pokalspiel gegen den FC Bayern München sei es leider aus Repräsentationszwecken so, dass er dann mit Gästen, Investoren usw. in einem angemesseneren Rahmen (als die Stehtribüne) sein wird. Doch schon beim nächsten Heimspiel gegen Freiburg wird er wieder am angestammten Stammplatz stehen.
Und für den 22. Mai 2015 habe er – nachdem man ihm Fotos aus dem Trainingslager mit dem dortigen Pokalerfolg mailte – schon mal die Reservierung des Rathausbalkons angeboten… wobei dafür ja noch ein kleines Wunder von Bochum notwendig wäre…


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