Geierabend 2016 (Komm wiesse bis): Tolle Unterhaltung, teilweise etwas bissig, auf jeden Fall empfehlenswert
Zum Jahreswechsel findet traditionell der Geierabend statt, eine Veranstaltung, die zwar immer wieder als „Ruhrpott-Karneval“ bezeichnet wird, aber doch mit dem traditionellen Sitzungskarneval, Dschingserassabumm & Bützchen eher weniger etwas zu tun hat (und wer will, der mag hier auch Klaus Wowereits bekannteste Aussage zitieren…). Den Geierabend zu erklären ist gar nicht so einfach, man muss da hin und vor Ort das ganze erleben – und genießen.
Das Grundkonzept des Geierabends sieht entweder zwei Hauptprotagonisten (den Präsidenten und den Steiger) vor und drumherum viel Aktion, Gesang, Spaß und Spott von vielseitig begabten Akteuren des Geierabend-Ensembles. Oder aber viele Comedy-Auftritte, in deren Zwischenzeit der Steiger die Umziehzeit hinter der Bühne überbrückt.
Während der Präsident (nur echt mit der gefüllten roten Kinderstrumpfhose auf dem Kopf!) von seiner präsidialen Rolle her noch am ehesten an den klassischen Karneval erinnert ist der Steiger quasi der Moderator und wenn es einen Steiger gibt, dann macht der das natürlich stilecht inne Zeche… ach nee, das heißt auffe Zeche, aum Pütt, vonne Schule, nache Arbeit… Noch mal von vorne: Und wenn es einen moderierenden Steiger gibt, dann macht der das natürlich stilecht inne Lore. Früher wurde damit Kohle von unter Tage abtransportiert, heute sind da – vor allem bei den Varianten, die in Vorgärten zu finden sind – oft Blümkes drin oder halt beim Geierabend der Steiger, der von hier aus nach quasi jeder Nummer mit aktuellen Themen zu Wort kommt.
Bei der Premiere der aktuellen Geierabend-Session 2016, die Ende Dezember stattfand, wurde das 25-jährige Jubiläum des Geierabends nur kurz am Anfang thematisiert, denn auch wenn das Programm drei Stunden dauert – viel Zeit für Fisimatenten hat man nicht und so beginnt das ganze gleich mit dem Titelsong „Komm wiesse bis“, der natürlich eine geniale Hommage an Nirvana darstellt. Nach der dann förmlichen gegenseitigen Begrüßung von Präsident und Steiger geht es auch gleich weiter im vollen Programm.
Da sind dann einerseits zeitlose Stücke zu sehen wie die „Kassler-Zwillinge“, die nicht unbedingt tiefgründig auftreten, aber dennoch (oder gerade deswegen?) sehr lustig anzuschauen sind. Das geht dann aber über Stücke wie „Kiki und AA“ mit dem entspannten Alt-68er-Paar und den familiären Erfahrungen mit der Inklusion bis hin zu ganz aktuellen Themen wie z.B. bei der Nummer „Super, Talent!“ wo Brian Brück und seine Schauformation „Die Rechte“ vom „Stadtschmutz Dortmund“ aus mit ihren Talenten brillieren wollen – und womit natürlich ganz klar die politische Situation Dortmunds thematisiert wird, wo Vertreter der Partei „Die Rechte“ in den Kommunalparlamenten sitzen und eher außerhalb des Rates bzw. der Bezirksvertretungen Schlagzeilen machen.
Bei solchen Themen scheuen sich die Geier auch nicht klare Worte zu finden und stehen damit in altbewährter Tradition – im vergangenen Jahr beim Geierabend 2015 ließ man sogar Adolf Hitler im Zusammenspiel mit der Dortmunder Polizei auftreten.
Dazu gibt es dann aber auch immer wieder Darbietungen die von aktuellen Entwicklungen nur am Rande tangiert sind – denn so schön wie beim Geierabend 2016 hat man das Thema, das Wurst krebserregend ist, noch nicht dargeboten bekommen.
Naturgemäß eher aktuell bezogen ist die Wahl zum „Pannekopp des Jahres“: Damit werden Personen respektive Institutionen geehrt, die sich im vergangenen Jahr im besonderen Maße um das Ruhrgebiet verdient gemacht haben. Da es keine „Töftekopp“-Verleihung ist, dürfte klar sein, dass es sich hier natürlich um einen Anti-Preis handelt (zur Not muss man halt einfach nur erwähnen, dass im letzten Jahr der FC Schalke 04 den Preis erhalten hat, da man dort beleidigt war, dass das ZDF nur recht knapp die Champions League-Spiele des Gelsenkirchener Vereins übertrug). In diesem Jahr sind als Panneköppe nominiert: Die Standortsicherungsgesellschaft Ennepetal, die auf kreative Art und Weise versucht den städtischen Haushalt – auf Kosten der übrigen Steuerzahler – zu sanieren. Das klang zwar vielleicht für den bei der Premiere anwesenden Alt-Oberbürgermeister Langemeyer interessant (sinngemäß fragte ihn der Steiger, ob er sich nicht ärgern würde, dass er diese Idee nicht während seiner Amtszeit hatte), war aber doch eher eine Sache, wo eher Kämmerer und Finanzverwaltungsmitarbeiter drüber schmunzeln.
Als zweiter Preisträger wurde die Stadt Essen für das wahre Fußballmuseum nominiert. Denn in Essen gibt es mit dem neuen RWE-Stadion ein wirkliches Fußballmuseum wo noch gekickt wird – und in das Gelder, die eigentlich für die Kultur (das Museum Folkwang) vorgesehen waren, hineingesteckt wurden.
Es ist nicht überraschend gewesen, dass bei der Premiere Essen die Nase vorn hatte – das Pottblog wettet daher auch darauf, dass Essen am Ende die Nase vorn haben wird. Leider kann der neu gewählte Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen im Falle des Falles den Preis nicht annehmen, da er am Tag der Verleihung nicht im Lande ist, wie er auf Pottblog-Anfrage inzwischen mitteilte.
Seit dem Jahr 2010, in dem das Ruhrgebiet die Kulturhauptstadt Europas war, sucht sich der Geierabend Jahr für Jahr eine Partnerstadt aus, die im Programm dann besonders hervorgehoben wird – in diesem Jahr ist es Hamm, auch bekannt als die Stadt der Zugteilung. Eben jene Zugteilung war dann auch Thema in der entsprechenden Darbietung.
Abgerundet wurde der Geierabend 2016 durch viele weitere Darbietungen (wenn man die sich abwechselnden Moderationselemente dazu zählt waren es insgesamt rund 50 Stück), die man gar nicht alle nennen kann. Wobei man aber unbedingt noch zu zwei Nummern ein Wort verlieren muss:
Die Zwei vonne Südtribüne:
Die beiden Borussia Dortmund-Fans gehören zum Geierabend wie der Geier an sich und ähnlich wie der BVB haben sie quasi sinnbildlich jetzt auch den Wechsel von Klopp zu Tuchel nachgezogen.
Wer sich für Fußball interessiert – der wird seinen Spaß haben!
Wer Fan des BVB ist, der wird deutlich auf seine Kosten kommen!
Zum Abschluss auch noch ein Lob an den Präsidenten – eine der letzten Nummern ist seine Darbietung des Steigerlieds und diese Glückauf-Fassung war einfach gut.
Fazit zum Geierabend 2016:
Der Geierabend ist auch in diesem Jahr wieder einen Besuch wert. Die Wortbeiträge, die Musik, die Sketches – einfach unterhaltsam. Zwar manchmal schon recht scharf und sehr pointiert formuliert, aber dafür halt auch sehr unterhaltsam.
Bis Aschermittwoch gehen die Geier insgesamt 36 Mal auf die Bühne. Tickets gibt es ab 35,- Euro (regulär) und 20,90 Euro (ermäßigt) im Theater Fletch Bizzel in Dortmund, in allen Leserläden der Funke Mediengruppe (WR/WAZ) und LeserServices mit Ticketverkauf sowie online auf der Geierabend-Homepage.