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Jens Matheuszik — 23. Juni 2015, 18:01 Uhr

(Erschreckendes Update zu) SPD: Der Parteivorstand stimmt für die Vorratsdatenspeicherung, die Basis ist gespalten #VDS


Würfel-Skulptur vor dem Willy-Brandt-Haus (der Parteizentrale der SPD) in der Wilhelmstraße 140 in Berlin, Bild von OTFW unter CC-BY-SA-Lizenz

Würfel-Skulptur vor dem Willy-Brandt-Haus (der Parteizentrale der SPD) in der Wilhelmstraße 140 in Berlin, Bild von OTFW unter CC-BY-SA-Lizenz

Das Update des Beitrages findet sich am Ende des Beitrages.

Am vergangenen Sonntag stimmte der SPD-Parteikonvent der Vorratsdatenspeicherung #VDS zu. Eine Entscheidung die ich persönlich bedaure, vor allem weil ich als sehr kleines Rädchen daran beteiligt war, ein anderes Ergebnis herbeizuführen.

Im Rahmen des Vereins D64 gab es eine Initiative mit Hilfe der Basis der SPD zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Das hat nicht geklappt. Das ist natürlich ärgerlich (siehe auch den D64-Text Digitaler Fortschritt braucht digitales Unterhaken dazu und was der D64-Vorsitzende Nico Lumma dazu geschrieben hat).

Das ist aber meiner Meinung nach kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken. Natürlich kann man nicht so lange abstimmen bis es passt, aber manche Ideen brauchen länger, bis sie sich durchsetzen.

Man darf auch nicht vergessen: Es ist kein glorreicher Sieg der Befürworter der Vorratsdatenspeicherung gewesen, eher im Gegenteil (vor allem wenn man sieht, wie einzelne Befürworter argumentieren; siehe auch: Wie man nicht für die Vorratsdatenspeicherung argumentiert).

Abstimmungsverhalten: Parteivorstand gegen Basis?

Neben den Delegierten stimmte auch noch der Parteivorstand, dessen Mitglieder kraft ihres Amtes auch Stimmrecht haben, mit.
Ich wurde nach dem Konvent auch schon gefragt, was für eine Mitgliederstruktur der Parteikonvent hat, ob es ggf. wie bei der CDU sei, wo primär Mandatsträger von Landes- und Bundesebene vertreten sind.
Das ist meines Wissens beim SPD-Parteikonvent nicht der Fall.

Jedoch wirken sich die knapp drei dutzend Parteivorstandsmitglieder deutlicher auf Abstimmungsergebnisse aus als bei einem „normalen“ Parteitag, wo es ein vielfaches an Delegierten gibt.

Nach übereinstimmenden Aussagen hat der Parteivorstand mit sehr deutlicher Mehrheit (bei zwei Ablehnungen) für die Vorratsdatenspeicherung abgestimmt. Bei den „normalen“ Delegierten hingegen war es nur eine hauchdünne Mehrheit, die für die Vorratsdatenspeicherung war. Ob diese Mehrheit auch gegeben wäre, wenn eben nicht der Parteivorstand sich schon im Vorfeld so klar und deutlich (und für einige als bedrohend empfunden) geäußert hätte?

Ich finde es schon interessant, dass auf Seiten der Delegierten die Meinung quasi gespalten war, während der Parteivorstand doch ziemlich eindeutig die Vorratsdatenspeicherung toll findet.
Das zeigt doch eigentlich, dass der Parteivorstand nicht wirklich die Basis vertritt…

Abstimmungsverhalten: Wofür gibt es eigentlich Beschlüsse?

Wenn man den überaus interessanten Artikel Ein Basta macht noch lange keinen Kanzler liest, dann erfährt man, dass beispielsweise die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft für die Vorratsdatenspeicherung geworben hat.
Das finde ich insofern … „interessant“ … als dass erst kürzlich ein Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD sich mit großer Mehrheit (oder war es sogar einstimmig?) gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hat.

Als Delegierter sollte man doch ein wenig den Willen, der sich in Beschlüssen äußert, respektieren – und vielleicht auch befolgen. Nein, ich plädiere nicht für das imperative Mandat – aber es ist doch schon merkwürdig, wenn die Faktenlage (11 von 16 Landesverbänden sind eindeutig gegen die Vorratsdatenspeicherung) sich nicht in den Ergebnissen wiederspiegelt.

Persönliche Konsequenzen?

Wenn man schon ein paar Mal (innerhalb weniger Tage) nach persönlichen Konsequenzen gefragt wird, dann macht einen das schon stutzig. Niemand verliert gerne, das ist klar. Aber in einer demokratischen Partei wird man nie eine übereinstimmende Position zu allen programmatischen Punkten haben.

Natürlich hätte ich gerne ein Votum der SPD gegen die Vorratsdatenspeicherung gehabt, aber nur weil das nicht erfolgt ist, werde ich jetzt nicht aus der SPD austreten.

Ich sehe es beispielsweise recht positiv, dass die Mehrheit der Basis fast (da lag der Unterschied wohl bei einer handvoll Delegierter) gegen die Vorrratsdatenspeicherung gestimmt hätte. Ich finde es auch toll, dass der von mir vor Ort mitinitiierte Antrag zu Diskussionen vor Ort (auch mit Befürwortern) geführt hat – und noch toller finde ich die Reaktionen von den Politikern der Region dazu: So hat beispielsweise die Bochumer Delegierte Simone Gottschlich gegen die Vorratsdatenspeicherung gestimmt oder auch der Herner Landtagsabgeordnete Alexander Vogt, der in der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag offiziell medienpolitischer und inoffiziell netzpolitischer Sprecher ist.

Was wird folgen?

Meiner Meinung wird die Entscheidung des Konvents mehrere Folgen haben: Einerseits hat die SPD meiner Meinung nach einen großen Fehler gemacht – den zu heilen wird länger dauern.
Andererseits vermute ich sehr stark, dass die höchsten Gerichte die Vorratsdatenspeicherung einkassieren werden. Es ist eben nicht so, dass die höchstrichterlichen Vorgaben eingehalten wurden.

Wer ein Gesetz zu einem Thema macht, welches die juristischen Vorgaben, die aus höchstrichterlichen Urteilen herrühren, schlicht und ergreifend ignoriert (weil sie nicht umsetzbar sind) – der müsste eigentlich die Konsequenz ziehen, das Gesetz so nicht zu machen (sinngemäß hat das ja auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags so erkannt).
Aber dann verabschiedet man halt wieder ein (meiner Meinung nach eindeutig) verfassungswidriges Gesetz – und holt sich eine blutige Nase. Die Frage ist nur: Warum? Muss denn hier die SPD die heißen Kohlen für andere aus dem Feuer holen? Ich denke nein…

Auch noch lesenswert…

Zu großen Teilen kam der Einsatz gegen die Vorratsdatenspeicherung beim SPD-Parteikonvent durch Henning Tillmann zustande. Das SPD-Mitglied hat sich im Rahmen des netzpolitischen Vereins D64 (in dem ich auch Mitglied bin) stark dafür engagiert und beispielsweise den Musterantrag formuliert.

Er hat in seinem Blog auch eine Rückschau dazu veröffentlicht: Vorratsdatenspeicherung: Wie alle in der SPD über die VDS sprachen

Updates vom 24. Juni 2015:

Die Tinte unter dem Gesetz ist noch nicht trocken … ach nee, das eigentliche Gesetz soll ja erst im Herbst kommen.
Aber schon jetzt fordert niemand geringeres als Bundesinnenminister Thomas de Maizière Vorratsdaten gegen Einbrecher.

Die Aufweichung beginnt schon jetzt. Wenn es in dem Tempo weitergeht, dann wird nach Verabschiedung im Bundestag die aktuelle Tagesforderung sein, dass Schwarzfahrer in Bussen und Bahnen damit dingfest gemacht werden sollen…

Erschreckender ist jedoch der Beitrag Wie war es auf dem Parteikonvent? einer Delegierten vom Parteikonvent. Ich zitiere:

In manchen Landesverbänden wurden Delegierte zu Einzelgesprächen mit prominenten Vertreter*innen der Parteiführung oder der jeweiligen Landes-SPD gebeten, in denen auch ihre persönliche Zukunft in der SPD diskutiert wurde. Mir sind einige begegnet, die explizit froh waren, dass sie die Freiheit genießen „nichts mehr werden zu wollen“. Es ist wichtig, dies mal zu diskutieren, denn wenn nur Menschen in dieser Partei was werden dürfen, die im Zweifelsfall eine sehr flexible Meinung haben, dann brauchen wir auch nie wieder darüber diskutieren, warum wir an Glaubwürdigkeit verlieren.
Noch bedenklicher fand ich aber, dass in mindestens einem Landesverband darüber diskutiert wurde, wie sich die Höhe des Zuschusses der Bundes-SPD für anstehende Landtagswahlkämpfe, bei welchem Verhalten der Delegierten, verändern könnte – natürlich zum Negativen. Ich möchte nicht Teil einer SPD sein, die so etwas zulässt, sondern Teil einer SPD, die in der Sache streitet und in genau dieser (und auch nur dieser) Sache eine Entscheidung fällt. Ob sie mir gefällt, oder auch nicht.

Bei netzpolitik.org heißt es dazu nur: Vorratsdatenspeicherung: Erpressung bei den Genossen


3 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Jens Best @ 23. Juni 2015, 22:31 Uhr

    Was ich ja einfach nur peinlich empfinde, ist jetzt dieses:

    Ich siehe da keine Konsequenzen, den es war ja knapp und es wurde ja diskutiert.

    Ich könnte das ja sogar noch verstehen, wenn es um eine Richtungsentscheidung gegangen wäre, aber hier ging es um die Frage, ob die SPD sich an einer Grundrechtsverletzung beteiligt oder nicht.

    Das ist kein „wollen wir Tempo 100 auf der Autobahn“ oder irgendein anderer Kram, sondern dies berührt grundsätzliche Säulen unseres demokratischen rechtsstaatlichen Verständnisses als Republik.

    Bei soetwas ist es schon fragwürdig, dass überhaupt ein solches Thema kontrovers diskutiert wird – unter angeblichen Demokraten. Da nützt auch die sozialdemokratische Inszenierung von Diskurs nichts, denn bei solch grundsätzlichen Fragen ist Haltung gefragt, mit den Grundsäulen unseres Staats- und Bürgerverstädnisses macht man auch in digitalen Sphären keine faule Kompromisse.

    Die SPD hat eine ganze Wagenladung an digitalen und anderen grundsätzlichen Fehlentscheidungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Die Glaubwürdigikeit dieser Partei ist hinüber. VDS war der letzte Sargnagel.


  2. (2) Kommentar von Jens Matheuszik @ 23. Juni 2015, 23:25 Uhr

    @Jens Best:
    Ich finde es nicht peinlich. Persönlich halte ich es für sinnvoll, dafür zu sorgen, dass a) so etwas korrigiert wird und b) nie wieder passiert.


  3. (3) Kommentar von Jens Best @ 24. Juni 2015, 20:28 Uhr

    Ich stimme dir zu, am besten verhindert man es, indem man die SPD nicht wieder an die Macht kommen lässt, sondern sich Parteien sucht, die auch in ihrem Handeln linke und liberale Werte verkörpern.


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