Jusos Bochum fordern SPD-Parteitag auf, sich gegen erneut geplante Vorratsdatenspeicherung zu positionieren #VDS
Von allen Einwohnern des Landes mehrere Wochen lang speichern, wo sie sich aufgehalten haben? Mit wem sie von wo aus wie lange telefoniert haben? Alles auch ohne Verdachtsmomente, die eine solche Dauerüberwachung rechtfertigen?
Was wie der feuchte Traum von Stasi & Co. klingt, konnte in der zweiten deutschen Diktatur nicht realisiert werden – die Technik spielte einfach nicht mit. Doch diese ist inzwischen fortgeschrittener:
Unter dem neuen Schlagwort „Mindestspeicherfrist“ (der eigentliche Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ (VDS) ist ja eher negativ belegt) plant die Bundesregierung die Kommunikationsdaten (Festnetz, Mobilfunk und Internet) ALLER Deutschen – verdachtsunabhängig – zu speichern.
Durch die fortschreitende Technik können dadurch von allen Mobiltelefonbenutzern (ein simples Handy reicht aus – dafür sind keine internetfähigen Smartphones notwendig) Positionsdaten gespeichert werden. Dadurch, dass diese auf Vorrat gespeichert werden, sind Bewegungsprofile möglich – wie die Vergangenheit bereits in einigen spektakulären Fällen gezeigt hat.
Warum das ganze gemacht wird?
Um die Kriminalität zu senken. Ein hehres Ziel, was aber leider immer wieder für Eingriffe in Grundrechte genutzt wird. Und dabei – wie viele Untersuchungen zeigen – nicht einmal erfolgreich ist!
Die VDS hat in Frankreich die Terroranschläge gegen Charlie Hebdo nicht verhindert. Das waren nicht die Vorratsdaten, die der Staat von den Attentätern tatsächlich gesammelt hat (was aber nicht half), sondern das erwischen der Attentäter, die quasi auf frischer Tat ertappt und dann gejagt und gefangen wurden. Ebenso wurde der Massenmord von Norwegen nicht durch die VDS sondern durch ein Polizeieinsatzkommando gestoppt.
Wissenschaftliche Analysen belegen, dass die VDS nicht hilft Kriminalität zu verhindern – und auch nicht diese besser aufzuklären.
Gleichwohl hindert ein Verzicht der VDS nicht, dass die Polizeibehörden bei begründeten Verdacht auf schwerste Verbrechen (Terrorismus, Kinderpornographie usw.) die potentiell Verdächtigen mit geeigneten Mitteln zu überwachen. Aber eben nur die potentiell Verdächtigen – und nicht 82 Millionen Einwohner Deutschland.
Die Vorratsdatenspeicherung gab es in Deutschland bereits, dieses Gesetz wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Auch die EU-Richtlinie, auf deren Grundlage damals die VDS in Deutschland eingeführt wurde, ist inzwischen von den zuständigen Gerichten einkassiert worden – eben weil damit vor allem unschuldige Personen unter einen Generalverdacht gestellt werden.
Doch genau diese Vorratsdatenspeicherung pardon Mindestspeicherfrist will die Bundesregierung jetzt wieder einführen. Das ganze auf Initiative der SPD – vermutlich um dem Koalitionspartner CDU/CSU einen Gefallen zu tun. Dabei war die SPD in der Vergangenheit dagegen und es ist nur wenige Monate her, dass Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) seine klare Ablehnung gegen die Vorratsdatenspeicherung formulierte.
Jetzt hat das Justizministerium einen Entwurf eines „Kompromisses“ vorbereitet, wobei man bei der VDS ähnlich wie bei der Schwangerschaft nicht von Kompromissen reden kann: Entweder man ist schwanger oder nicht. Ebenso führt man die Vorratsdatenspeicherung ein oder nicht. Ob die Speicherfristen dann statt zwei Jahren oder sechs Monaten dann nur 10 Wochen betragen ist egal – denn schon mit einem Tag werden die Grundrechte unbescholtener Bürger verletzt. Und ist eine solche Infrastruktur erstmal geschaffen, ist es später kein großer Aufwand die Frist zu verlängern.
Seitens der SPD-Basis weckt das Widerstand und so wurden bis Mitte Mai (einer Art „Einsendeschluss“) von mehr als 100 SPD-Gliederungen des ganzen Landes Anträge zum Parteikonvent am 20. Juni 2015 in Berlin gestellt.
Die Antragsteller reichen dabei vom Unterbezirk Aachen über den Landesverband Berlin, den Ortsverein Bochum-Ehrenfeld, den (größten) Unterbezirk (Deutschlands) Dortmund bis hin zum Juso-Bundesverband usw.
In Bochum hat der Ortsverein Bochum-Ehrenfeld ((dessen stellvertretender Vorsitzender der Autor dieser Zeilen ist)) sich den Musterantrag gegen die Vorratsdatenspeicherung zu eigen gemacht, beschlossen und zum Parteikonvent eingereicht. Und gleichzeitig auch die Parteikonventsdelegierten aus Bochum wie auch die Bundestagsabgeordneten der SPD, die für Bochum in Berlin sitzen, informiert (siehe spd-bochum-ehrenfeld.de und jens.ruhr).
Unterbezirkspartei der SPD Bochum: Jusos fordern Ablehnung der geplanten Vorratsdatenspeicherung
Am Wochenende haben die Jusos in Bochum beschlossen, den Antrag des Ortsvereins Ehrenfeld zu unterstützen. Sie fordern anlässlich des kommenden Parteitages der SPD Bochum (am kommenden Montag, den 8. Juni 2015) auf, dass die geplante Vorratsdatenspeicherung abgelehnt wird.
Das Pottblog dokumentiert nachfolgend deren Pressemitteilung:
Die Jusos Bochum sprechen sich im Hinblick auf den am kommenden Montag, 08. Juni 2015 stattfindenden Unterbezirksparteitag der SPD Bochum gegen das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS, auch: Mindestspeicherung) aus und unterstützen den Antrag des Ortsvereins Bochum-Ehrenfeld „Keine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und Europa“.
Die Jusos fordern die nordrhein-westfälischen Mitglieder der SPD Bundestagsfraktion auf, dem Beschluss des Kölner Landesparteitags vom 27. September 2014 zu folgen und dafür Sorge zu tragen, dass es nicht zur Umsetzung der geplanten anlasslosen und flächendeckenden Speicherung von Telekommunikations- und Verbindungsdaten kommt.
Die reflexartige Forderung des konservativen Lagers nach der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, sobald sich hierzu der geringste Anlass bietet, steht dem sozialdemokratischen Verständnis eines offenen, demokratischen Staates, in dem Freiheit und Privatsphäre jedes Einzelnen angemessen gewahrt werden diametral gegenüber.
Die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten im Unterbezirk Bochum halten die anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung zudem für ein undifferenziertes und rechtlich unverhältnismäßiges Überwachungsinstrument, das die Grundrechte in unzumutbarer Art einschränkt und alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellt. Die Risiken, die durch die massenhafte Speicherung der Daten entstehen, stehen in keinem Verhältnis zu vermeintlichen, aber objektiv nicht zu belegenden Vorteilen bei der Strafverfolgung.
Zur Aufklärung von Straftaten müssen alle vorhandenen rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden und Ermittlungsbehörden ausreichend personell und technisch ausgestattet sein. Mängel in diesen Bereichen durch die Vorratsdatenspeicherung zu vertuschen oder gar auszugleichen, führt dabei am Ziel vorbei.