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Jens Matheuszik (unterwegs) — 29. April 2015, 14:12 Uhr

Bochum: Klage des Bürgerbegehrens gegen Konzerthaus, Musikzentrum, Musikforum Ruhr zurückgezogen


Bochums OB Ottilie Scholz, Architekt Thorsten Kock und GMD Steven Sloane

Bochums OB Ottilie Scholz, Architekt Thorsten Kock und GMD Steven Sloane bei der Grundsteinlegung

Im Januar 2013 wurde von den Initiatoren des damaligen Bürgerbegehrens Klage gegen das Musikzentrum Bochum eingereicht.

Die Klage wurde jetzt von den Initiatoren zurückgezogen, die sich über die lange Wartezeit beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen aufregen (der Bau ist seitdem auch inzwischen deutlich fortgeschritten).

Hier der Original-Wortlaut der entsprechenden Pressemitteilung der Initatoren des Bürgerbegehrens:

Bürgerbegehren „Musikzentrum“ nimmt Klage zurück – Unangemessen lange Verfahrensdauer bei Gericht macht fairen Bürgerentscheid unmöglich

2012 haben fast 15.000 Bürger hatten den Antrag gestellt, dass die Bürger der Stadt über den Bau des „Musikzentrums“ entscheiden sollen. Dies hatte der Rat der Stadt im Dezember 2012 abgelehnt. Dagegen hatte das Bürgerbegehren geklagt, trotzdem wurde mit dem Bau des Konzerthauses begonnen. Die Fertigstellung sollte ursprünglich schon 2015 erfolgen, verzögert sich aber jetzt bis März 2016.

Am 29.04. wollte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in dem Gerichtsverfahren zum Bürgerbegehren Musikzentrum erstmals verhandeln, sage und schreibe 2 Jahre und 4 Monate, nachdem der Rat über das Bürgerbegehren entschieden hatte.

Aufgrund der verschleppten Bearbeitung des Verfahrens bei Gericht ist die Klage mittlerweile allerdings praktisch hinfällig geworden.

Warum das Gericht im Einstweiligen Verfahren zur Verhinderung der Fällung von 31 Bäumen für den Bau des Musikzentrums in gleicher Angelegenheit binnen nicht mal 3 Stunden entscheiden konnte, für das Hauptverfahren bis zu einem Verhandlungstermin trotz gleichem Sachverhalt dagegen mehr als 2 Jahre benötigt, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar.

Klar ist, dass zum jetzigen Zeitpunkt selbst eine Gerichtsentscheidung für einen Bürgerentscheid nur noch wenig Sinn machen würde, die Befürworter des Konzerthauses würden anführen, dass wenn sich die Bürger jetzt, wo der Gebäudekomplex fast fertig ist, gegen das Musikzentrum entscheiden würden, eine Ruine verbleiben würde, die für fast 33 Millionen Euro gebaut und dann für weiteres Geld wieder abgerissen werden müsste.

Auf Basis dieser durch die unangemessene Länge des Gerichtsverfahrens veränderten Realitäten würde das Bürgerbegehren zu einem verfälschten Ergebnis führen. Menschen die vor Baubeginn gegen das Musikzentrum abgestimmt hätten, würden jetzt, nur um eine 33-Mio.-Ruine in der Stadt zu vermeiden, dafür stimmen.

Warum das Gericht die Bearbeitung der Angelegenheit ohne erkennbaren Grund solange hinausgezögert hat, bleibt schleierhaft. Die zu einem fairen Verfahren im Widerspruch stehende unangemessene Verfahrenslänge bekräftigt die Besorgnis des Bürgerbegehrens, dass die Kammer, die mit der Entscheidung befasst ist, in der Sache selbst befangen sein könnte.

Bereits die Entscheidung im Einstweiligen Verfahren kam in fragwürdiger Weise zu Stande. Der Begründung zum Beschluss des Verwaltungsgerichtes im einstweiligen Verfahren vermochte schon das Oberverwaltungsgericht nicht zu folgen. Das Bürgerbegehren aufgrund einer rechtlich äußerst strittigen bloßen Förmelei als unzulässig abzuwehren, weil angeblich die Ankündigung des Begehrens die Stadt zwar rechtzeitig erreicht habe, dies aber angeblich nur per Mail, statt mit einem handschriftlich unterschrieben Brief, ließ bei vielen den Verdacht aufkommen, das Gericht habe schon hier eine Formalie gesucht, um nicht in der Sache selbst entscheiden zu müssen.

Wären die im Einstweiligen Verfahren (November 2012) von Verwaltungs- und Oberweraltungsgericht vertretenen Rechtsansichten tatsächlich haltbar gewesen, hätte das Verwaltungsgericht auch das Hauptsacheverfahren schon kurz nach Klageeinreichung (Januar 2013) aus den gleichen Rechtsgründen abweisen können.

Der entsprechenden Verfahrensakte ist überdies zu entnehmen, dass das Gericht zur Entscheidung über den Einstweiligen Antrag mit einem Umfang von 7 Seiten und 19 mehrseitiger Anlagen von vornherein, ohne den Sachverhalt zu kennen, nur 2-3 Stunden angesetzt hatte. Zu einer unvoreingenommenen, dem Resultat der beabsichtigten Fällaktion von 31 Platanen entsprechenden eingehenden Entscheidungsfindung konnte diese Zeit niemals auch nur ansatzweise ausreichen. In einer solch kurzen Zeitspanne war es unmöglich die umfangreichen Unterlagen sorgfältig durchzuarbeiten und eine angemessene summarische rechtliche Prüfung vorzunehmen und diese dann auch noch unter den Kammermitgliedern zu beraten. Der von vornherein unrealistische Zeitansatz lässt kaum einen anderen Schluss zu, als dass offenbar zu keinem Zeitpunkt eine eingehende und unvoreingenommene Prüfung der Angelegenheit mit entsprechender Beratung beabsichtigt war.

Bei der Durchführung des Hauptverfahrens ließ das Gericht sich dagegen dann wider Erwarten Monate Zeit. Bereits seit 2013 wurden keinerlei Schriftsätze mehr gewechselt. Aber erst für Ende April 2015 wurde dann doch noch ein Termin anberaumt.

Selbst wenn das Gericht nunmehr in den nächsten Monaten eine Entscheidung in der Sache fällen würde, wäre auch eine ggf. erforderliche Berufung praktisch unmöglich geworden. Denn im Berufungsverfahren müsste bis zur Fertigstellung des Musikzentrums entschieden werden. Sobald jedoch das Konzerthaus fertig gestellt worden ist (März 2016), würde für die Klage das Rechtschutzbedürfnis entfallen und das Bürgerbegehren würde automatisch das Klageverfahren verlieren.

Dass in der Berufungsinstanz eine Entscheidung noch vor der voraussichtlichen Fertigstellung des Musikzentrums getroffen wird, ist bei den durchschnittlichen Bearbeitungszeiten beim Oberverwaltungsgericht jedoch so gut wie ausgeschlossen. Die schleppende Bearbeitung des Verfahrens beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat somit auch eine rechtzeitige Berufungsentscheidung gegen das Urteil quasi unmöglich gemacht.

Dass wie in diesem Fall, Gerichtsverfahren insbesondere vor deutschen Verwaltungsgerichten nicht in angemessener Frist verhandelt werden, ist leider kein Einzelfall und wurde bereits wiederholt vom Europäischen Gerichtshof deutlich gerügt (u.a. EGMR 46344/06 vom 02.09.10).

Was das Gericht bewegt hat, eine Verhandlung in dem Verfahren erst nach 26 Monaten anzuberaumen und damit erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Bürgerentscheid über das Musikzentrum ohnehin keinen Sinn mehr macht, darüber kann spekuliert werden. Es bleibt die Tatsache, dass durch die unangemessen lange Verfahrensdauer jede Möglichkeit auf einen Bürgerentscheid noch vor dem Baubeginn oder zumindest zu einem frühen Baustadium unmöglich gemacht wurde.

Deswegen hat das Bürgerbegehren “Musikzentrum” nunmehr die bittere Konsequenzen gezogen und die Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zurück genommen.


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