Die neue „Marke Bochum“: Horrende Kosten? Abschaffung des Wappen? Ein paar Klarstellungen… #MarkeBochum
Vor wenigen Wochen wurde die neue Marke Bochum vorgestellt (siehe auch den Blogbeitrag Neue “Marke Bochum†vorgestellt: sieht gut aus & kann auch (tlw.) frei verwendet werden! #MarkeBochum). Erst in einem denkwürdigen Pressegespräch und dann offiziell in der Ratssitzung. Wer – wie ich – zu diesem Zeitpunkt noch bei der Ratssitzung war, der hat den spontanen und tosenden Applaus mitbekommen, der von allen Fraktionen und Gruppen nach der emotionalen Präsentation kam (selbst von denen, die sich nachher pflichtschuldig kritisch zeigten).
Persönlich finde ich die neue Marke Bochum – und insbesondere die Markenfamilie – schön und glaube, dass Bochum davon wirklich profitieren kann – was mich jedoch tatsächlich ein wenig stört ist ein Teil der Diskussionen dazu. Dabei geht es mir explizit nicht um die Personen, die das neue Logo, welches ein aufgeschlagenes Buch symbolisiert, nicht mögen. Geschmäcker sind nunmal verschieden.
Ich finde es aber schade, wenn da teilweise mit falschen Argumenten etwas kritisiert wird. Daher habe ich mal nachgehakt (u.a. bei Bochum Marketing) und einige Punkte aufgegriffen.
Das fängt beispielsweise beim Wappen an:
Die neue Marke Bochum löst nicht das Wappen ab!
In vielen Kommentaren wurde kritisiert, dass man doch mit der neuen Marke nicht das schöne Stadtwappen ablösen könne.
Das würde ich auch nicht toll finden, da mir das nebenstehend abgebildete Wappen sehr gut gefällt.
Ãœbrigens: Heraldisch gesehen ist das Wappen wirklich was besonderes, denn statt klassischer Elemente (Tiere, Bauwerke) zeigt es ein Buch – und ist wohl auch das älteste heraldisch bekannte Wappen mit einem dreidimensionalen Element – eben just dem besagten Buch.
Aber es ging nie darum, dass das Wappen abgeschafft wird! Die Stadt Bochum informierte früher wie oben gezeigt über die verschiedenen „grafischen Erkennungszeichen“ der Stadt (leider nur in geringer Auflösung vorliegend) und dort erkennt man, dass es früher neben dem altbekannten Wappen (Nr. 1) auch ein allgemeines Bochum-Logo (Nr. 2) und das offizielle Logo der Stadt Bochum (Nr. 3) gab.
Die neue Marke Bochum bzw. die Markenfamilie löst dabei das offizielle Logo der Stadt (Nr. 3) und das allgemeine Logo (Nr. 2) ab:
Altes Logo der Stadt Bochum / altes allgemeines Logo Bochum:
Oben sieht man das noch einmal – links das Logo, was nur die Stadtverwaltung selbst verwendet/e und rechts das eher allgemeinere Logo, welches jedoch auch einem Nutzungsvorbehalt der Stadt Bochum untersteht.
Wenn man mal ehrlich ist, dann kann man diese beiden Logos eigentlich kaum als Logos bezeichnen – denn im Grunde genommen ist es nur je ein blauer Schriftzug mit zwei grünen Strichen.
Neue Marke für die Stadt Bochum:
Da gefällt mir die neue Variante der Marke Bochum für die Stadt(verwaltung) und die offiziellen Stellen (Ämter) doch deutlich besser (ob man jetzt gerade in Bochum die Farbe „royalblau“ – also königsblau – verwenden sollte, ist jetzt eine andere Sache…):
Neue Marke Bochum:
Auch die allgemeine Marke Bochum (die oben in groß abgebildet ist) gefällt mir dann doch viel besser, als der bisherige Schriftzug.
Den kann man heute wahrscheinlich selbst auf einem Smartphone mit irgendeiner App pfiffiger gestalten…
1,3 Millionen Euro: Viel zu teuer oder aber: Vor allem falsch!
Über die Summen, die die neue Marke kosten würde, gibt es sehr unterschiedliche Aussagen. Teilweise hießt es dann, dass das ganze eine Million Euro kosten würde und irgendwo hieß es mal sogar 1,3 Millionen Euro. Die Millionensummen kommentierte da der eine oder andere recht kritisch, nach dem Motto, das wäre ja leicht verdientes Geld.
Leider werden hier zwei verschiedene Dinge vermischt:
Die Prämierung/Aufwendungen für die Marke Bochum:
Der Gewinnerentwurf erhält ein Honorar/Preisgeld in Höhe von 46.000 Euro inkl. MwSt.
Außerdem erhält jeder Teilnehmer der zweiten Wettbewerbsphase 4.000 Euro inkl. MwSt.
Das bedeutet, dass in Summe der Siegervorschlag 50.000 Euro erhält, während die fünf „Halbfinalisten“ (so will ich das mal nennen), zu denen aber auch der Siegervorschlag zählt, jeweils 4.000 Euro bekamen.
Ursprünglich wurden 227 Bewerbungen eingereicht, fünf Bewerber gehörten zu den Halbfinalisten, deren Entwürfe von einer Jury begutachtet wurden.
Wenn man also die reinen Kosten für die Marke Bochum berechnen will, dann landet man bei 66.000 Euro. Das ist weit von einer Million entfernt…
Marketingaufwendungen der kommenden Jahre:
Die Million ist aber nicht aus der Luft gegriffen, leider wurde diese Summe jedoch nicht genau erklärt.
Die eine Million Euro sind von der Stadt Bochum im Haushalt eingeplant. Ob und wie hoch noch ein weiteres Budget danach bereitgestellt wird, wird sich zeigen. Die Stadt Bochum berät gemeinsam mit Bochum Marketing und der Wirtschaftsförderung Bochum, wie das Budget mit einem möglichst großen Nutzen für die Marke bzw. für Bochum eingesetzt werden kann.
Außerdem muss man berücksichtigen, dass da auch Summen enthalten sind, die sowieso nach bisheriger Planung angefallen wären – nur jetzt halt im Zusammenhang mit der neuen Marke.
Ich kann gut verstehen, wenn man sagt, dass eine Stadt andere Prioritäten setzen soll, aber man sollte sich schon überlegen, wie man beispielsweise Investoren anzieht und wie man für Neubürger wirbt. Auch kann man mittel- bis langfristig durch die neue Marke Geld sparen, denn bisher hatte man auf städtischer Seite gleich mehrere Designs (Logo, offizielles Logo, die verschiedenen Logos der städtischen Gesellschaften usw.) und das kann durch eine Vereinheitlichung Kosten sparen und gleichzeitig für einen höheren Wiedererkennungseffekt sorgen.
Wenn man gegen Stadtmarketing an sich ist, okay – dann sollte man das aber nicht der neuen Marke anlasten, sondern generell das ganze ablehnen.
Faires Verfahren oder aber Mauschelei und es war klar, dass die „Gruppe Bochum“ gewinnt
Die Ausschreibung zum neuen Markenauftritt der Stadt Bochum war laut Designtagebuch sehr fair. Dort heißt es:
„Derlei Rahmenbedingungen findet man in letzter Zeit leider immer seltener. Meist werden bereits im Vorfeld fast schon selbstverständlich umfangreiche und zudem unentgeltliche Leistungen abgefragt. Umso besser eignet sich diese Ausschreibung als Beispiel, insbesondere für institutionelle und behördliche Stellen.“ …“ Die fairen Wettbewerbsbedingungen lassen Bochum, das zuweilen als graue Maus verschrien wird, gleich in einem anderen, positiven Licht erscheinen. Welch ein Kontrastprogramm zu anderen Ausschreibungen, wo mitunter das Durchlesen der Wettbewerbsunterlagen einen halben Tag verschlingt. Die Stadt Bochum macht vor, wie man alles Wesentliche auf vier PDF-Seiten zusammenfassen kann und wie man einen solchen Prozess zur Neukonzeption eines neuen Markenauftritts beginnt. Insofern kann man den Verantwortlich in Bochum nur gratulieren.“
Teilweise hörte man aber, dass es von vornherein klar war, dass die Gruppe Bochum (der Zusammenschluss der Agenturen COMKOM° Digital Media, Gregor & Strozik Visual Identity, Oktober Kommunikationsdesign, Radar, Katja Leistenschneider – anders & agenten sowie Designstudio Steinert, Bettina Brakelmann Textprojekte, Martin Steffen Fotografie und Büro_Komplex) gewinnen würde, da man sich ja kennen würde und wer weiß, vielleicht hat man ja bei der Ausschreibung dann das daraufhin „optimiert“…
Den Vorwurf finde ich insofern merkwürdig, als dass im Vorfeld es eine Gruppe Bochum gar nicht gab und die Einreichung von dort sogar über die Ausschreibung hinausging (Stichworte: Markenfamilie, freie Marke und neue Kampagne). Insofern glaube ich nicht, dass die Ausschreibung entsprechend optimiert war.
Das ein Entwurf aus Bochum gewonnen hat, war jedoch alleine schon statistisch nichht ganz unwahrscheinlich: Von über 220 Einsendungen aus dem deutschsprachigen Raum kamen alleine 40 aus Bochum (und der Siegerentwurf war da nur einer von; also die Gruppe trat mit einer Bewerbung und nicht mit neun Bewerbungen an).
Hätte sich die Jury für einen anderen Wettbewerber entschieden, der nicht aus Bochum stammt, dann hätte es wahrscheinlich wieder geheißen, dass das mal wieder typisch sei, dass man nicht auf das vor Ort vorhandene Können setzt. Man erinnere sich an die eine andere Kampagne dieser Art, deren Blüten inzwischen lange verwelkt sind und an die sich kaum noch jemand erinnern will…
Die freie Marke BO – und Widersprüche dazu:
Eine von mir von Anfang an gelobte Sache war die Schaffung einer „freien Marke“ (das Buch mit den Buchstaben BO), die frei von jedermann verwendet werden kann. Doch so frei wie ursprünglich berichtet wurde ist die neue Marke dann doch nicht.
So hieß es mal, dass man die freie Marke in jeder x-beliebigen Farbe verwenden könne – in den Gestaltungsrichtlinien wird das auf einige wenige so genannte „Bochum Farben“ beschränkt.
Außerdem muss man bei der Nutzung einen gewissen Schutzraum um das Logo einhalten. Gerade letzteres sieht man jedoch immer wieder – auch durch Bochum Marketing selbst – verletzt…
Aber auch die Frage nach kommerzieller Nutzung war unklar. Beim ersten Pressegespräch konnte man den Eindruck gewinnen, dass jetzt jeder Waren mit der freien Marke BO herstellen und auch verkaufen kann.
Doch inzwischen klingt das teilweise anders. Daher hat das Pottblog nachgehakt und da folgende Antwort dazu bekommen:
Wir haben das nach eingehender Diskussion präzisiert, da uns bereits viele Anfragen dazu erreicht haben. Grundsätzlich möchten wir für alle Beteiligten und Nutzer der freien BO-Marke es so einfach und unkompliziert wie möglich machen. Das heißt, die freie Marke kann auch von Unternehmen eingesetzt werden; handelt es sich aber z.B. um Merchandising-Produkte, auf denen das Logo im Vordergrund steht und für den Kunden kaufentscheidend ist, muss zur Nutzung der Marke eine Lizenz erworben werden. Das ist bei anderen Marken, wie „I love NY“, nicht anders.
Nutzungsbedingungen der freien Marke BO:
Nutzungsbedingungen
Durch das Herunterladen der Logos erklärt sich der Nutzer mit den Nutzungsbedingungen der „freien Marke BO“ einverstanden. Die kommerzielle Nutzung der „freien Marke BO“, der Verkauf des Logos oder die Herstellung und Verbreitung von Waren und Werken aller Art, z. B. von Merchandising-Artikeln, ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Bochum Marketing GmbH gestattet.Kommerziell ist eine Anwendung dann, wenn die Nutzung auf einen Verkauf abzielt und wenn die Ware oder das Werk ausschließlich mit der „freien Marke BO“ hergestellt wird. Ist die „freie Marke BO“ auf einer Anwendung nicht das herausragende Element und als Zusatz – im Verhältnis nicht größer als 50% zu anderen Elementen – zu erkennen, unterliegt es keiner kommerziellen Nutzung und darf auf Waren und Werken abgebildet werden, die dem Verkauf unterliegen.
Für jede anderweitige Verwendung sowie dem privaten Gebrauch steht die „freie Marke BO“ kostenlos zur Verfügung.
Siehe auch: Marke Bochum-Downloads
Und in Sachen Schutzraum um die freie Marke Bochum – ich freue mich sehr darüber, dass ich durch die Antwortmail jetzt weiß, dass meine Verwendung der freien Marke jens.ruhr nicht nur okay ist, sondern „super“ und „genau das soll ja mit der freien Marke möglich sein“.
Die Verantwortlichen der Gruppe Bochum wollen das weiter präzisieren – man will hier nicht zu nachlässig sein. Gleichzeitig will man eine große Flexibilität zulassen. Zwischen diesen beiden Polen bewege man sich (Vergleich: freies NRW-Logo und das unselige Ruhr 2010-Community Logo) – letztendlich könne man Bochum Marketing nur Vorschläge machen, denn der Auftraggeber entscheidet letztendlich.
Weitere Merchandisingprodukte:
Laut Bochum Marketing wird es diese Woche weitere Titel- und Profilbilder mit der freien Marke BO in verschiedenen Farbkombinationen für Facebook, Twitter und Google+ geben. Dies soll ein Service von Bochum Marketing sein, damit die Leute es noch einfacher haben, die neue Marke zu verwenden.
Außerdem wird es weitere Produkte geben, die noch im März gezeigt werden sollen. So wird es beispielsweise die bisher schon erhältlichen Pins (in blau und weiß) auch in anderen Farbkombinationen geben.
Nutzung der freien Marke BO:
Wenn man durch die Stadt geht, dann sieht man, dass in immer mehr Läden auch das BO-Symbol zu sehen ist. Primär bei Einzelhändlern (da sind die Entscheidungswege vermutlich kürzer), aber zum Teil auch schon bei Filialisten.
Teilweise sieht das dann aber skurril aus – wenn es nämlich quasi spiegelverkehrt angebracht ist:
Aber da wollten wahrscheinlich nur die Mitarbeiter bei geschlossener Tür das Logo richtig sehen. ;)
Im Web selber ist mir die freie Marke bisher kaum begegnet – eigentlich neben der Seite von Moritz Fiege auf meiner eigenen Seite unter jens.ruhr. Hier könnte vielleicht die Vorgabe bezüglich des Schutzraumes störend wirken, da sie sich in dieser Form nicht wirklich gut in die Layouts einpasst.
Andere Entwürfe (von Mitbewerbern):
Bei dem ersten Pressegespräch wurde auch nach anderen Entwürfen – beispielsweise von den „Halbfinalisten“ – gefragt.
Hierzu wurde bekannt, dass diese Entwürfe nur mit dem Einverständnis der jeweiligen Einreicher veröffentlicht werden dürfen.
Erfreulicherweise gibt es da jetzt die erste Veröffentlichung:
Markenauftritt Stadt Bochum (von Eden und Team)
Ich finde es gut, dass Eden und Team das veröffentlicht hat und würde mich freuen, wenn auch andere Wettbewerbsteilnehmer diesem Vorbild folgen würden.
Au Backe!
Zechen weg, Nokia weg, Opel weg… more2come und der VfL spielt 2.Liga.
Eine Stadt will, ja muss sich sogar neu erfinden! Wie kann man nur immer alles kaputt kritisieren? Lächerlich, dass das alles nur 1 Mio kosten soll. Die Stadt sollte das 5- bis 10-fache ausgeben. Gerade die RUB sollte bei ihren Abgängen den Dr. Ing. BAs etc. Klebeeffekte erzeugen. Bleibt in dieser Stadt, sorgt für Ideen und Arbeitsplätze. Diese Jungen Leute wollen modern angesprochen werden. Heraldik schön und gut. Das alte Buch ist eben alt.
[…] Die neue “Marke Bochum”: Horrende Kosten? Abschaffung des Wappen? Ein paar Klarstellunge… Jens Matheuszik — 11. Februar 2015, 05:52 […]
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Eine wirklich gelungene Versachlichung.