Geierabend 2015: Zu scharf für’s WDR-Fernsehen? Politisch bissig, manchmal unter der Gürtellinie – vor allem aber: wirklich empfehlenswert!
Die Currywurst gehört zum Ruhrgebiet wie die Verheißung, dass die Logistikbranche wirtschaftlich dem Ruhrgebiet gut tun würde. Insofern passt das Motto „… nach uns die Currywurst!“, unter dem der Geierabend dieses Jahr steht, recht gut – und natürlich geht es dann im aktuellen Programm auch um die Wurst, pardon um die Currywurst.
Am vergangenen Freitag fand die Premiere des Geierabends 2015 statt, bei der auch das Pottblog sich davon überzeugen konnte, dass es diesmal um die Currywurst geht (auch wenn ich statt der Currywurst einen Flammkuchen aß). Die würzige Mischung beim Geierabend sieht ja wie folgt aus: Der Steiger kommentiert gewohnt bissig aus seiner Lore ((mir würde da der Begriff Kabäusken nicht wirklich zu einfallen…)) und seine Wortbeiträge werden von der Bühnenshow, die oft auch musikalisch mehr als nur begleitet ist, unterbrochen – oder aber umgekehrt, je wie man es sehen will.
Nach der Begrüßung des Publikums durch „der Präsident“, dessen Wichtigkeit schon anhand seiner Kopfbedeckung zu erkennen ist (nein, das ist keine Wurst im Enddarm – sondern eine gefüllte Kinderstrumpfhose), und ein paar ersten Worten des Steigers kommt ein Klassiker des Geierabends auf die Bühne: Joachim Schlendersack aus Schnöttentropp. Normalerweise passiert in dem fiktiven sauerländischen Ort ja immer so einiges zwischen „Güllestübchen“ (der Dorfkneipe), dem Verein der katholischen Landfrauen und dem Löschteich einiges – darüber berichtet Schlendersack sonst immer in seiner betont sauerländischen Art. Doch diesmal gibt es nichts neues zu berichten, so dass dann – gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr Schnöttentropp UND dem Publikum – ein zotiges Lied gesungen wird.
Im folgenden Wortbeitrag zeigt der Geierabend, dass es eben hier nicht nur um fiktive Dinge geht – denn der Umzug des Geierabends weg von Zeche Zollern in Dortmundd wird angekündigt. Wer ortskundig ist, kann der kurzen Beschreibung folgen, für alle anderen erklärt der Steiger, dass man künftig in Bochum günstig eine Halle bekommen hätte: die von Opel.
Das ist natürlich der perfekte Ãœbergang zur Nummer Born in ’nem Opel Kadett, wo über die Schließung von Opel und den Strukturwandel im Ruhrgebiet sinniert wird:
„Die Schließung von Opel war der zweite Arschtritt für die Ruhris. Einen dritten wird es wohl nicht mehr geben.“
„Ist klar, dann ist ja auch kein Arsch mehr da.“
Wenn man weiß, wie diese Nummer im Programm lautet (die Leser dieses Berichtes wissen es!), dann kann man natürlich auch ahnen, dass dieser Wortbeitrag auch musikalisch begleitet wird, denn zu den bekannten Klängen von Bruce Springsteen rocken die drei Mitglieder des Opel Kadett-Clubs die Bühne.
Pannekopp des Jahres (Kandidat 1): Kreistag von Recklinghausen
Traditionell ehrt der Geierabend mit dem Pannekopp des Jahres die Person oder Institution, die sich im vergangenen Jahr besonders verdient um das Ruhrgebiet gemacht hat. Der erste Kandidat ist dieses Jahr der Kreistag von Recklinghausen. Denn dieser hat es geschafft, durch die Wahl einer rechten Splitterpartei („die UBP ist sowas wie die NPD – nur mit abgespreiztem Finger“) in das Ruhrparlament des Regionalverbandes Ruhr (RVR) deutlich aufzublähen. Dem Stadtrat von Dortmund hielt der Steiger in seiner Laudatio vor, dass man vom Kreistag Recklinghausen noch hätte lernen können: Hätte man vom Dortmunder Stadtrat aus eine der Dortmunder Kleinstparteien auch ins Ruhrparlament entsandt, dann hätte das Ruhrparlament nominell 1000 Mitglieder haben müssen. Für die Festlegung von so wichtigen Dingen wie die Preise für den Saunaaufguss im Revierpark Wischlingen kann man so einen Volkskongress des Ruhrgebiets ja gut gebrauchen…
Partnerstadt des Geierabends: Gladbeck
Seit einigen Jahren gibt es im Rahmen des Geierabends auch eine Partnerstadt. War das in den ersten Jahren eher nur schmückendes Beiwerk, wurde das in den letzten Jahren ausgeweitet – so konnte man sich im Foyer beispielsweise über die Stadt Gladbeck informieren und an einem Gewinnspiel teilnehmen.
Neben der „Laudatio“ des Steigers auf Gladbeck gibt es natürlich auch eine eigene Nummer zur Partnerstadt:
Beim „Gladbeck, Gladbeck“-Lied (zur Melodie von „Moskau, Moskau“) gingen die Massen mit, denn neben der eingängigen Melodie hatte diese Nummer auch einen guten Text und eine visuell verwirrende Bühnenpräsentation (siehe oben).
Geierabend 2015: politisch bissiger
Der Geierabend hatte sich in der Vergangenheit schon immer recht eindeutig politisch positioniert, so auch diesmal. Ob nun die AWO-Oppas, die darüber berichteten, dass man bei ihnen im AWO-Heim humaner sterben könne, als die Flüchtlinge im Flüchtlingsheim leben können (inklusive der unvermeintlichen Helene Fischer-Adaption von Atemlos, diesmal als Gnadenlos auf die Flüchtlingsheime gemünzt) oder aber dem „Feind in meinem Beet“, der Nummer des Salat-fisten.
Der hohen Politik widmete sich die Nummer Shopping Queen: Endlich wieder Weltkrieg mit einer grandios dargestellten Ursula von der Leyen.
Pannekopp des Jahres (Kandidat 2): Gregor Lange, Polizeipräsident von Dortmund
Die Schärfung des Geierabends zeigte sich auch beim zweiten Kandidaten des Pannekopp-Ordens: Hier wurde Gregor Lange, der Polizeipräsident von Dortmund, nominiert.
Früher kritisierte man, dass die Polizei – insbesondere die aus Dortmund – bei den Naziumtrieben nicht richtig hinschaut, jetzt wurde ihr Polizeipräsident als „Hingucker“ nominiert. Schließlich gab es nach den Vorfällen am Abend der Kommunalwahl 2014, wo Anhänger der Partei „Die Rechte“ auf das Rathaus marschierten und es zu Handgreiflichkeiten mit couragierten Bürgern kam doch tatsächlich Ermittlungen. Nicht gegen die 22 Nazis – die wurden eingestellt, sondern gegen die 40 Demokraten. Oder wie der Steiger es pointiert formulierte:
„Die Polizei ist nicht auf dem rechten Auge blind – sie hat nur eins und wie will man da gleichzeitig nach rechts und links schauen?“
Der Steiger schlug dann – zur Arbeitsentlastung der Dortmunder Polizei – auch vor, dass künftig die typischen Dortmunder Bombenentschärfungen und Nazidemos räumlicch und zeitlich zusammengelegt werden sollten. Sie hätten ja schließlich den gleichen Hintergrund…
Die anschließende Nummer Notwehr in Pfeffergeschmack klingt auf den ersten Blick ganz harmlos und fängt auch harmlos mit einem Kasperletheater auf. Da verbirgt sich dann aber doch etwas brisanteres – siehe auch das Eingangsbild des Beitrages, denn neben dem Kasperle und dem Wachtmeister tritt auch der Herr Hitler auf und diese Nummer nimmt das Verhalten der Dortmunder Polizei deutlich auf’s Korn.
Knapp 50 verschiedene Elemente (Bühnennummern, Moderationen des Steigers und Musik) sind im dreistündigen Programm versammelt – insofern wird hier nur ein Bruchteil dargestellt. Der Fußball kommt natürlich auch nicht zu kurz – nicht nur bei bei der Nummer Die Zwei vonne Südtribüne (die festhalten, dass der Fußballgott ein Arschloch ist).
Fazit zum Geierabend 2015:
Die Ankündigung, dass der Geierabend politischer und auch bissiger wird wurde eingehalten. Dadurch wurde es auch besser, obwohl natürlich auch die „üblichen“ Nummern, die quasi austauschbar sind, unterhaltsam sind. Wiewohl diese in dieser Form nichts besonderes sind und man schon mehr als einmal gesehen hat – unterhaltsam ist es dennoch.
Nicht alles trifft jeden Geschmack und die Nummer mit dem Stargast Conchita Wurst ist trotz einer lustigen Grundidee eigentlich nur kostümtechnisch imposant.
Unverständnis über den WDR
Völlig unverständlich bleibt, warum das WDR Fernsehen in diesem Jahr sich dazu entschlossen hat den Geierabend nicht mehr im Fernsehen auszustrahlen – dafür aber weiter via Radio und erstmalig via Internet.
Bei anderen Themen argumentiert der WDR gegen die Internetausstrahlung, weil da keine Kameras vor Ort sind (Stichwort: Fußball der 3. Liga), hier gibt es Kameras für’s Internet, aber dann kann man da kein TV-Signal ‚rausmachen?
Ein Vorteil hat der Geierabend via Internet aber doch: Er soll in voller Länge gezeigt werden, insofern ist der in den vergangenen Jahren oftmals willkürlich wirkende Schnitt nicht mehr der Fall, wo man sich wunderte, warum gerade diese oder jene Nummer nicht gezeigt wird, wo diese doch typisch für den Geierabend ist. Aber vielleicht ist es ja sogar zu politisch für den WDR… hier zeigt man ja gerne zur Prime Time mehrere Stunden lang Pyrotechnik über ’nem Fluss ((natürlich sind die „Kölner Lichter“ gemeint…))…
Dank des WDR gibt es aber dann noch mehr Gründe auffe Zeche Zollern zu gehen um den Geierabend sich anzuschauen.
Für einzelne Vorstellungen gibt es unter geierabend.de/tickets noch Karten.
Der Geierabend 2015 läuft noch bis zum 17. Februar 2015 – dann wird auch der endgültige Pannekopp des Jahres gekürt. In der Premiere war es – wenig überraschend – der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange. Und ich wage die Prognose: Der wird’s. Interessanter die Frage, ob Gregor Lange am 17. Februar 2015 auffe Zeche erscheinen wird, wo er dann ggf. den Orden überreicht bekommen soll…
Hallo, ich war vorgestern im aktuellen Geierabend-Programm. Ich kann verstehen, dass der WDR keine Aufzeichnung/Ausstrahlung will. Das Programm ist zu bissig, zu böse, zu politisch, zu primitiv, zu makaber: Ursula von der Leyen will unbedingt einen dritten Weltkrieg anzetteln, Hitler tritt jetzt im Kasperletheater auf, oft wird sich über „Kacke“ unterhalten usw. usf. Schade, aber witzige Unterhaltung sieht für mich anders aus.
Klasse! Wieder mal ein Zeichen, dass es in der DDR-BRD für allen Scheiss Sondersendungen gibt, vorallem wenn Profilneurotiker sich profilieren können. Aber wenn das gemeine, Pfründe entrichtende Volk sich unterhalten will, wird das TV – genauso wie die Presse – zensiert. Naja, gut, wenn man die GEZ nicht mehr zahlt! Es war mal ein Land, wo man Meinungsfreiheit hochgehalten hat. Dann kam die Wiedervereinigung und es ging bergab. Beiläufig zu Erwähnen ist noch die Tatsache, dass es keinen Tag der Gründung dieses Staates gibt! Nicht der 3. Oktober, nicht der 9. November 1989! Es gibt keinen Gründungstag für die Gründung des wiedervereinigten Deutschlands. DANK der Siegermächte! Gute Nacht Deutschland!
Hallo Jürgen. Gut, dass Sie Verständnis für den WDR haben. Ich habe keinen. Sie propagieren Bevormundung. Danke für nichts. Wenn Ihnen der Geierabend nicht gefallen haben mag ist Ihre Meinung ungenommen, doch sollten Sie sich nicht als Zensor gerieren und sich mit zensierenden, von jederman bezahlten Fernsehanstalten gemein machen. Welcome to BR!