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Jens Matheuszik — 3. September 2014, 06:42 Uhr

Musikzentrum Bochum bleibt Zankapfel zwischen den Parteien: Diesmal der Verwaltungstrakt und geschenkte(?) 600.000 Euro


Baustelle des Musikzentrums in Bochum (Stand: Juni 2014)

Baustelle des Musikzentrums in Bochum (Stand: Juni 2014)

Derzeit befindet sich das Musikzentrum Bochum im Bau. Das zum Teil umstrittene Projekt unterliegt einem strikten Kostenmanagement und im vergangenen Jahr hieß es, dass der Kostenrahmen von 33 Millionen Euro eingehalten wird.

Im Vorfeld(!) der Kommunalwahl im Mai (es gab andere Medien, die berichteten, dass dies erst nach der Kommunalwahl bekannt wurde – was aber nachweislich falsch ist) kam es aufgrund erhöhter Kosten zur Sanierung des Bodens zur Diskussion, ob es dadurch nicht teurer werden würde (siehe auch: Grundsteinlegung Musikzentrum Bochum und Interviews zur Grundsteinlegung (Musikzentrum Bochum) mit MdL Simone Brand (Piraten) und Bochums Stadtdirektor Michael Townsend).

Jetzt gibt es wieder was Neues in Sachen Musikzentrum und der Finanzierung – und wie auch in der Vergangenheit streiten sich die Parteien darüber:

Die Stadt Bochum teilte offiziell mit, dass die Stiftung Bochumer Symphonie weitere 600.000 Euro für den Bau des Organisations- und Verwaltungstrakts des Musikzentrums spendet. Diese sollten nach der bisherigen städtischen Planung auf dem freien Immobilienmarkt angemietet werden, so dass dadurch Geld gespart wird. Die Stadt schreibt dazu (die Hervorhebung stammt von mir):

„Der Kostenrahmen für den ursprünglichen Baukörper bleibt dabei unverändert. Die Finanzierung der Haushaltsmittel, die die Stadt Bochum zusätzlich investiv dafür einsetzen muss, wird gedeckt aus einer entsprechenden Reduzierung des Betriebskostenbudgets für den neuen Kulturbau. Damit bewegt sich ein solcher separater Gebäudeteil, nicht nur in der Summe der beschlossenen Bau- und Betriebskosten, sondern verschafft der Stadt Bochum einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil.
[…]
Im Wettbewerbsverfahren zur Architektur des Gebäudes 2012 wurden die Räume für die Unterbringung der Verwaltungsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter der Bochumer Symphoniker im Musikzentrum noch mitgeplant. Die Realisierung hätte jedoch zur Überschreitung des Kostenrahmens geführt und ist deshalb zunächst nicht weiter verfolgt worden, da der Ratsbeschluss das Budget für die Bau- und Betriebskosten eindeutig gedeckelt hat.
[…]
Mit dem aktuellen großzügigen Schenkungsangebot der Bochumer Bürgerschaft ist es nun möglich, die im Wettbewerbsentwurf enthaltenen Verwaltungsräume im Rahmen des Gesamt-Kostendeckels für die Investitions- und Betriebskosten für die Stadt Bochum zu realisieren.

Sowohl die Bezirksregierung als auch die für die Förderung des Musikzentrums zuständigen Ministerien begrüßten diese neue Entwicklung und stimmten der Umsetzung zu.

Dies gilt jedoch nur, sofern es gelingt die Realisierung so schnell wie möglich voranzubringen. Um die maximalen Preisvorteile aus einem einheitlichen Bauprozess zu erreichen, ohne die diese Erweiterung nicht finanzierbar wäre, muss die Errichtung ohne Verzug in die laufenden Bauarbeiten des Musikzentrums integriert werden.

Daher soll die Entscheidung über die Annahme der Schenkung und die Realisierung der Verwaltungsräume im Wege eines Dringlichkeitsentscheids von Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz und einem weiteren Ratsmitglied getroffen werden. Der Beschluss wird dem Rat am 25.9.2015 zur Genehmigung vorlegt.

Neben den wirtschaftlichen Effekten einer schnellen Realisierung des Verwaltungstrakts, die durch die zusätzliche Spende der Stiftung möglich wird, wird diese Baumaßnahme auch dazu führen, dass die architektonische und städtebauliche Qualität des Wettbewerbsentwurfs aus dem Jahr 2012 erhalten bleibt, wofür sich der Gestaltungsbeirat der Stadt ebenfalls eindeutig ausgesprochen hat.

Um diese Dringlichkeitsentscheidung bzw. allgemein den Verwaltungstrakt regt sich jetzt Ärger im Rathaus bei den Bochumer Parteien:

Reaktion der Linkspartei:

Die neuerliche Schenkung der Stiftung und der geplante Dringlichkeitsentscheid wird von der Linksfraktion im Rat der Stadt Bochum deutlich kritisiert. Der Fraktionsvorsitzende Ralf-D. Lange erklärt dazu:

„Wir als LINKE finden dieses Vorgehen im Zusammenhang mit dem Musikzentrum abenteuerlich. Der Kostenrahmen für dieses Leuchtturmprojekt wurde durch einen Ratsbeschluss eindeutig gedeckelt.

Wenn jetzt eine private Stiftung noch einmal Geld aufgetrieben hat, dann sollte dies unseres Erachtens dazu dienen, angesichts der prekären Haushaltslage den Anteil der verplanten öffentlichen Gelder entsprechend zu reduzieren oder als Rücklage für die jetzt schon wahrscheinliche
Ãœberschreitungen des Baubudgets zu verwenden.
Da die Namen der Spender nicht genannt werden, drängt sich der Verdacht auf, dass das Geld von städtischen Gesellschaften kommt. Angesichts der desolaten Haushaltslage wird dadurch indirekt der Haushalt belastet oder das Geld wird über Gebührenerhöhungen, die die BürgerInnen zusätzlich belasten, aufgebracht.

Fragwürdig bleibt auch das Vorgehen, dies alles in einem Dringlichkeitsverfahren durchzupeitschen, bei dem lediglich die Oberbürgermeisterin und ein (!) Ratsmitglied die Schenkung annimmt und damit einhergehend die Realisierung der zusätzlichen Verwaltungsräume gutheißt. Es braucht nicht viel Phantasie um sich auszumalen, dass dieses einzelne Ratsmitglied sicherlich kein Kritiker des geplanten Millionenprojektes sein wird.

Hier werden in einem Hau-Ruck-Verfahren Sachzwänge geschaffen, die den Rat bei der nachträglichen demokratischen Abstimmung in seiner freien Entscheidung beeinflussen könnten.“

Die Befürchtung, wonach städtische Gesellschaften das Geld gespendet hätten (also z.B. die Stadtwerke oder ähnliche Einrichtungen), scheint sich jedoch nicht zu bestätigen, denn bei DerWesten wird berichtet, dass es die Spende von 600.000 Euro eigentlich gar nicht gibt, denn diese Summe soll „zunächst als Bürgschaft abgedeckt werde[n]“. Sprich: Das Geld liegt bisher nicht vor, sondern wird jetzt noch gesammelt, aber die GLS Bank, die schon lange das Musikzentrum fördert, tritt hierfür schon einmal ein. Dazu passt auch eine Aussage eines Bochumer Politikers, der dazu mal in einem Hintergrundgespräch sagte, dass das Musikzentrum die finanziellen Rahmenbedingungen einhalten wird – solange die GLS Bank weiter zu den Unterstützern gehört, die im Notfall auch helfen würden. Da jedoch auch in der Vergangenheit schon einige der Finanzierungsposten über solche Bürgschaften realisiert worden sind, kann von einem solchen Notfall hier nicht die Rede sein.

Die Grünen zur Schenkung der 600.000 Euro:

Erwartungsgemäß findet die „Musikzentrums-Koalition“ (vor allem bestehend aus SPD und Grünen, also der eigentlichen Mehrheitskoalition im Bochumer Rat, aber auch zusätzlich der CDU) die Schenkung gut.
Für die Grünen kommentiert der Fraktionsvorsitzende Manfred Preuß die neue Entwicklung und bezieht sich auch auf den Eigenanteil der jetzt durch die Stadt zu leisten ist:

„Ich bin froh, dass die bisher an den Kosten gescheiterte Lösung durch das bürgerschaftliche Engagement der Stiftung Bochumer Bochumer Symphonie jetzt doch verwirklicht werden kann. Die in das Musikzentrum integrierte Verwaltungsetage ist die aus arbeitsorganisatorischen und architektonischen Gründen optimale Lösung, die auch zu einer Reduzierung der Betriebskosten beitragen wird.“
[…]
Die Stadt muss einen Eigenanteil von 500.000 Euro beisteuern und dafür einen Kredit aufnehmen. Die Verwaltung hat jedoch plausibel dargelegt, dass die Kreditkosten um rund 200.000 Euro niedriger sind als die voraussichtlichen Mietkosten für externe Büroräume. Mit dieser Investition steht die Stadt also finanziell besser da als ohne.

Ich gehe davon aus, dass es für den Verwaltungstrakt keine zusätzliche Kreditaufnahme über das im Haushalt beschlossene Volumen gibt und eine Gegenfinanzierung über geplante, aber zurzeit nicht realisierbare Investitionen erfolgt.“

Zur Eilbedürftigkeit merkt Preuß an:

„Der Verwaltungstrakt kann nur kostengünstig errichtet werden, wenn der Bau in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fertigstellung des Rohbaus des übrigen Musikzentrums erfolgt und der dort noch stehende Kran mitbenutzt werden kann. Da die Angelegenheit also eilbedürftig ist und der Haupt- und Finanzausschuss noch nicht gewählt ist, sind wir damit einverstanden, dass der Beschluss im Rahmen einer Dringlichkeitsentscheidung gefasst wird.“

AfD-Fraktion zur Schenkung:

Die AfD-Fraktion wirft angesichts der neuen Entwicklung der Bochumer Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz vor, den Rat zu umgehen. So heißt es bei der AfD dazu:

„In der Berichterstattung wird verschwiegen, dass die Kostenschätzung der Verwaltung anders aussieht. 1,1 Mio. Euro werden für den Erweiterungsbau
benötigt, so dass die Stadt eine Eigenleistung von 500.000 € aufbringen muss. Die AfD-Ratsfraktion Bochum stellt sich entschieden gegen diese eigenmächtige Entscheidung.

Da bisher kein Haupt- und Finanzausschuss gebildet wurde, kann der Antrag zur Annahme der Schenkung und den damit verbundenen Kosten für die Stadt dort nicht behandelt werden. Somit müsste der Rat selbst die Entscheidung treffen. Nach der Gemeindeordnung NRW ist ein Dringlichkeitsbeschluss möglich, den die Oberbürgermeisterin mit einem einzelnen Ratsmitglied treffen kann. Diese besondere Vorschrift wird vorliegend von der Oberbürgermeisterin missbraucht, um den Rat der Stadt Bochum zu umgehen.

In der Begründung zur Dringlichkeit in der Beschlussvorlage des Rates 20141332 wird aufgeführt, dass ‚…wirtschaftliche Effekte nur erzielt werden können, wenn die Bauphase [des Verwaltungstrakt] unmittelbar im Zusammenhang mit der Fertigstellung des Rohbaus des Hauptkörpers ab dem 15.09.2015 erfolgt…‘. Die kurzfristige Einberufung des Rates ist in dringenden Fällen bis 3 Tage vor der Sitzung möglich. Daher ist es völlig unverständlich, wieso die Oberbürgermeisterin die Entscheidung über die Annahme der zweckgebundenen Schenkung sowie für die Bereitstellung des weiteren Investitionskapitals in Höhe von 500.000 € im Alleingang treffen will.

Die Stiftung Bochumer Symphoniker erklärte, dass sie ihr Angebot der Schenkung bis zum 31.12.2014 Aufrecht erhält. Das Angebot lag der Verwaltung seit dem 4. August 2014 vor. Innerhalb der inzwischen verstrichenen Zeit hätte auch eine ordentliche Ratssitzung einberufen werden können.

Mit der Entscheidung der Oberbürgermeisterin werden Fakten geschaffen, die durch den Rat anschließend nur mit wirtschaftlichen Schaden wieder
geändert werden könnten. Ratsmitglied Sebastian Marquardt (AfD) sagt dazu: ‚Es kann nicht sein, dass Entscheidungen über nicht unbeträchtliche Summen vor allem bei der derzeitigen Haushaltslage von Einzelpersonen getroffen werden und nicht von den gewählten Vertretern der Bürger unserer Stadt.‘

Kommentar zur Finanzierung:

Das Musikzentrum Bochum bleibt ein Zankapfel. Es ist schon ein wenig bezeichnend, dass sich vor allem die Kritiker des Musikzentrums jetzt zu Wort melden und wahrscheinlich dürfte es der Linksfraktion nicht gefallen, dass ausgerechnet die AfD argumentativ auf der gleichen Seite steht.

Die AfD muss sich jedoch erneut die Frage stellen, ob man die Abläufe der Kommunalpolitik wirklich kennt, denn das was jetzt geplant ist, das ist gang und gäbe – nicht nur in Städten wie Bochum, sondern allgemein in Städten, in denen die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung (die die rechtliche Grundlage dafür gibt) gilt.

Angesichts der Äußerungen der AfD fragt man sich, was denn gewesen wäre, wenn die Stadt Bochum wirklich nur deswegen eine Sondersitzung des Rates einberufen hätte. Wahrscheinlich hätte die AfD dann kritisiert, dass dadurch zusätzliche Kosten anfallen, die man hätte vermeiden können, indem die Dringlichkeitsentscheidung durch die Oberbürgermeisterin (die definitiv direkter gewählt wurde als beispielsweise die AfD-Ratsmitglieder) und ein Ratsmitglied vorgenommen worden wäre…

PS: Ist eigentlich jemanden aufgefallen, dass in der gesamten Berichterstattung zu dem Thema nur vom „Musikzentrum Bochum“ und nicht vom Anneliese Brost Musikforum Ruhr die Rede ist? Eigentlich ist das ja der Name des Musikzentrums, denn erst durch die Anneliese Brost-Stiftung konnten die letzten notwendigen Millionen an privaten Spendengeldern erzielt werden. Dahingehend sollte das Musikzentrum entsprechend benannt werden, eben „Anneliese Brost Musikforum Ruhr“. Die entsprechenden Sprachregelungen sind anscheinend bisher weder bei der Stadt noch den Parteien, die sich dahingehend an das Pottblog gewandt haben (Linkspartei, Die Grünen und die AfD), im Gebrauch…


2 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Volker Steude @ 3. September 2014, 20:36 Uhr

    Wir erinnern uns, für eine Bürgerentscheid war keine Zeit, für den Verwaltungstrakt werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sie noch 3 Wochen vor der Ratssitzung durch zu ziehen.

    Das ist gang und gäbe in SPD-regierten Städten, mag sein, aber guter demokratischer Stil ist es trotzdem nicht.

    Wir haben Haushaltssperre, da ist nicht mal Geld da dringend notwendige Reparaturen von Lehrschwimmbecken auf den Weg zu bringen. Für das Musikzentrum und den elitären Freundeskreis ist aber immer Geld da.

    Bezeichnend auch, dass die Presseerklärung der Stadt die die 500.000, die die Stadt dazu tun muss verschweigt. Auch solche Desinformation sind gang und gäbe… . Das zeigt aber eigentlich nur, dass sich die Verantwortlichen nicht trauen gleich mit der ganzen Wahrheit rauszurücken. Beschämend und peinlich.


  2. (2) Pingback von Spenden, die es nicht gibt. Großaufträge trotz Haushaltssperre | my daily facepalm @ 5. September 2014, 00:23 Uhr

    […] Pottblog: Musikzentrum Bochum bleibt Zankapfel zwischen den Parteien […]


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