Bisherige Linksfraktion in Bochum tritt geschlossen bei Kommunalwahl nicht an. Grund: Wahlprogramm der Linkspartei Bochum unrealistisch!
Über einen gewissen Dissens zwischen (einzelnen Mitgliedern) der Linksfraktion in Bochum und der Linkspartei in Bochum ((zur Unterscheidung: in der Ratsfraktion sind die Personen, die von der Linkspartei in den Stadtrat gewählt wurden)) wurde in den vergangenen Wochen bereits beispielsweise in der WAZ berichtet.
Das ganze kulminiert jetzt jedoch mit einem völligen Verzicht auf eine erneute Kandidatur der Fraktionsmitglieder für den kommenden Rat, wie der links abgebildete Uwe Vorberg, als Vorsitzender der Linksfraktion erklärt.
Demnach haben sich alle Ratsmitglieder der Linksfraktion (Ralf Feldmann, Ernst Lange, Aygül Nokta, Bianca Schmolze, Arnold Vogel und Uwe Vorberg) sowie die Bezirksvertreter/innen Petra Malik (BV Südwest), Wolfgang Wendland (BV Wattenscheid), Martin Fechtelkord (BV Ost), Karin Plagge und Günter Fuhrmann (BV Mitte) entschieden auf Grundlage des verabschiedeten Kommunalwahlprogrammes der Linkspartei nicht mehr zu kandidieren:
Unter dem Motto Wir machen Druck hatte der Kreisverband Bochum der Linkspartei das Kommunalwahlprogramm am vergangenen Freitag verabschiedet (siehe auch dielinke-bochum.de). Dies erfolgte bei großer Mehrheit gegen die Stimmen ihrer eigenen Ratsvertreter, die – so sie Mitglied der Linkspartei sind – natürlich auch das gleiche Stimmrecht haben wie jedes andere Mitglied auch.
Man habe zwar versucht mit einer Vielzahl von Änderungsanträgen, die meisten unrealistischen Forderungen zu ändern, doch sei das nur vereinzelt gelungen. So enthält nun das Wahlprogramm der Linkspartei Bochum viele Maximalforderungen, für die die erfahrenen Ratspolitiker der Linkspartei keine Realisierungsmöglichkeiten sehen und deren Finanzierung unklar ist (Details folgen am Ende des Beitrages in der Dokumentation).
Weiteres politisches Engagement der bisherigen Linksfraktion für andere Parteien/Listen?
Da das verabschiedete Wahlprogramm der Linkspartei Bochum der bisherigen Arbeit der Bochumer Ratsfraktion widerspricht, würde man „aus diesen und weiteren Gründen“ nicht mehr kandidieren, sich „aber weiterhin für eine soziale und demokratische Politik einsetzen“.
Auf Nachfrage des Pottblogs ob dies eine Kandidatur für eine andere Partei/Liste ((Stichworte: Soziale Liste oder aber die von Dr. Volker Steude mit-initiierte Liste „Stadtgestalter“)) bedeuten würde, erklärte Uwe Vorberg, dass dies nicht gemeint sei. Seinem Kenntnisstand nach wolle niemand der genannten Personen anderweitig kandidieren und mit diesem Passus wäre gemeint, dass man ja auch außerhalb des Rates politisch in Institutionen, Vereinen usw. aktiv sei – wie auch in der Vergangenheit.
Vollständige Erklärung der Linksfraktion Bochum zur nicht-Kandidatur zur Kommunalwahl
Nachfolgend die komplette Erklärung der Linskfraktion zum nicht-Antritt:
Kandidatur auf Grundlage des Kommunalwahlprogramms nicht möglich
Am vergangenen Freitag hat der Bochumer Kreisverband DIE LINKE gegen die Stimmen der anwesenden Fraktionsmitglieder das Kommunalwahlprogramm für die Kommunalwahl am 25. Mai verabschiedet. Dazu erklären die Ratsmitglieder der Linksfraktion Aygül Nokta, Bianca Schmolze, Ralf Feldmann, Arnold Vogel, Ernst Lange und Uwe Vorberg, sowie die Bezirksvertreter/innen Petra Malik (BV Südwest), Wolfgang Wendland (BV Wattenscheid), Martin Fechtelkord (BV Ost), Karin Plagge und Günter Fuhrmann (BV Mitte):
Leider ist es für uns aus inhaltlichen Gründen nicht möglich, auf Grundlage dieses Kommunalwahlprogramms zu kandidieren. Wir haben zwar mit einer Vielzahl von Änderungsanträgen versucht, die meisten aus unserer Sicht unrealistischen Forderungen zu ändern. Doch das ist uns nur vereinzelt gelungen, so dass das Programm viele Maximalforderungen enthält, für die wir keine Realisierungsmöglichkeiten sehen und deren Finanzierung unklar ist. Hier nur einige Beispiele:
- Im ganzen Bereich zu den Stadtwerken und der Beteiligung an STEAG werden Behauptungen aufgestellt, die wir nicht nachvollziehen können. Mit der Infragestellung der Kommunalisierung der STEAG und der Forderung nach dem Verkauf von Beteiligungen verlässt DIE LINKE Bochum den Antiprivatisierungskurs. Auf dieser Basis ist eine Politik der kritischen Unterstützung und Stärkung der Stadtwerke, die wir bisher gemacht haben, nicht mehr möglich.
- Im neuen Programm werden städtische „unsoziale“ Gebührenerhöhungen ausgeschlossen. Die Stadt ist aber gesetzlich verpflichtet, alle Kosten für eine bestimmte Dienstleistung über die Gebühren wieder einzuholen, so z.B. Lohnerhöhungen für die Beschäftigten. Sie darf damit keine Gewinne machen und muss evtl. Überschüsse wieder abführen. Die Forderung aus dem Kommunalwahlprogramm würde zu massiven Einnahmeverlusten bei der Stadt führen und zu Einschränkungen der Leistungen.
- Die Grundversorgung der Bevölkerung bei Energie, Wohnen, der Nahversorgung und der Kultur soll laut neuem Programm grundsätzlich von kommunalen Betrieben zu leisten sein. Wir wollen aber keine staatlich gelenkte Kultur oder staatliche Lebensmittelläden.
- Die kategorische Formulierung, dass für DIE LINKE im Zweifelsfall Ökologie vor Ökonomie geht, können wir nicht mittragen. Wir wollen zwar auch, dass bei der ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft ökologische Kriterien eingehalten werden. Wir lehnen es aber ab, daraus einen solchen Widerspruch zu konstruieren. DIE LINKE ist keine ökofundamentalistische Partei, sondern die Partei, die die soziale Frage stellt, gerade auch bei der Ökologie, z.B. für bezahlbaren Strom. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal auch bei der Abwägung ökologischer und ökonomischer Interessen.
An vielen weiteren Stellen (z.B. 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich oder die Weigerung, Wirtschaftsförderung für MigrantInnen ins Programm aufzunehmen) widerspricht das verabschiedete Kommunalwahlprogramm der Politik der LINKEN in Bund und Land und der bisherigen Arbeit der Bochumer Ratsfraktion. Aus diesen und weiteren Gründen können wir nicht mehr kandidieren. Wir werden uns aber weiterhin für eine soziale und demokratische Politik einsetzen, die die konkreten Bedürfnisse und Interessen der Bochumer Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Linkspartei wird sich jetzt neue Personen suchen müssen, die für ihr beschlossenes – laut den bisherigen Ratsvertretern – unrealistisches Wahlprogramm antreten wollen.
Im Nachgang erscheint es schon fast prophetisch, dass David Staercke, der Kreissprecher der Bochumer Linkspartei, in der eigenen Pressemitteilung wie folgt zitiert wird (die Hervorhebung stammt von mir):
„Mit dem nun vorliegenden Programm gehen wir gestärkt in den Wahlkampf. Jetzt werden wir zügig das passende Personal finden, dass unser Programm in den kommenden kommunalen Parlamenten umsetzen wird.„
Da schien sich der Bruch zwischen Linkspartei und Linksfraktion also schon deutlich abzuzeichnen…
Siehe auch: ruhrbarone.de