Abwahlverfahren gegen Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz: Volker Steude im Gespräch – und zu BÄH-Bürgern, unabhängigen Bürgern von „Bochum und Wattenscheid ändern sich“ und der AfD
Vor rund drei Wochen berichtete das Pottblog erstmalig darüber, dass die BÄH-Bürger um Volker Steude Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz abwählen lassen wollen.
Im Zuge dessen wurde auch ein Streit um eine geplante Sammlung von Unterschriften zur Abwahl bekannt, denn die Stadt Bochum hatte den Initiatoren den geplanten Stand auf dem Husemannplatz in Bochum verwehrt – wegen des (inzwischen begonnenen) Weihnachtsmarktes.
Am heutigen Donnerstag, den 28. November 2013 findet um 20:00 Uhr (im „Alten Gewerkschaftssaal“, Maximilian-Kolbe-Str. / Ecke Humboldtstr.) ein erneutes Treffen der Abwahlbefürworter statt. Zu diesem Treffen sind alle Bürger eingeladen, „die bei einem Bürgerbegehren zur Abwahl der Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz mitmachen wollen.“.
Anlass genug für das Pottblog mit Volker Steude ((das verwendete Bild hier wird mit seiner Genehmigung hier verwendet)) zu sprechen, der zwar offiziell nicht den von der WAZ Bochum so getauften BÄH-Bürgern vorsteht, aber doch bei den Themen wie dem (gescheiterten) Bürgerbegehren gegen das Musikzentrum, dem geplanten Abwahlverfahren gegen Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz in der vordersten Reihe zu finden ist:
Abwahlverfahren gegen Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz
Die Eingangsfrage war, ob es denn überhaupt Sinn machen würde, im Jahr 2014 eine Abwahl durchzuführen, wenn bereits ein Jahr später wieder gewählt wird.
Volker Steude zufolge sei jedoch die Liste der Probleme der Stadt Bochum sehr lang (siehe dazu auch den Pottblog-Artikel von Anfang November). Seiner Meinung nach hätte man früher über eine Abwahl nachdenken müssen, denn jedes Unternehmen hätte die verantwortliche Geschäftsführung bzw. den Finanzvorstand in einem vergleichbaren Fall abgewählt.
Steude zufolge stellen sich in anderen Städten die Oberbürgermeister vorzeitig zur Wiederwahl und es sei ja ein Zeichen, dass das in Bochum nicht geschehen würde:
„Die Bürgermeister der Städte aus der Umgebung wo es gut läuft, die hören jetzt auf und stellen sich zur Wahl.“
Hierbei erwähnte Steude beispielsweise die Stadt Monheim (die jetzt aber nicht wirklich im Ruhrgebiet liegt), während aber beispielsweise in Dortmund, Duisburg, Essen und Herne (um mal ein paar Städte aus dem Ruhrgebiet zu nennen) auch nicht 2015 die Position des Oberbürgermeisters neu wählen ((wobei das teilweise auch rechtliche Gründe hat)).
Natürlich hätte – so Steude weiter – Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz ein gutes Recht bis 2015 im Amt zu bleiben – schließlich sei sie ja für den entsprechenden Zeitraum gewählt worden. Doch es sei auch das gute Recht der Bürgerinnen und Bürger sie abzuwählen, vor allem weil nicht erkennbar sei, warum sie ein Jahr länger als notwendig bleiben will. So gäbe es beispielsweise kein Projekt, welches noch abgeschlossen werden müsse. Selbst das Musikzentrum Bochum lässt er da nicht gelten:
„Das Musikzentrum ist kein ‚Zukunftsprojekt‘ in dem Sinne, da wird kein Arbeitsplatz mit geschaffen. Es wird – wenn man die Kosten beiseite lässt – sicherlich auch einen positiven Effekt haben. Kosten und Nutzen stehen jedoch in keinem Verhältnis. Es ist ein absoluter Nebenschauplatz. Da gibt es andere wichtigere Themen: Kein Fortschreiten beim Metropole Ruhr-Prozess, die Schulschließungen, Opel… Ein ganz großes Problem haben wir in Bochum bei der Wirtschaftsförderung. Das reine Zusammenlegen ist kein Konzept. Im Haushalt gibt es nicht einmal einen Etat für einen echten Neustart.“
Gerade bei der Wirtschaftsförderung gäbe es Probleme – so würde sich die Frage stellen, wie man als Stadt denn ausländische Investoren anziehen möchte, wenn es nicht einmal vernünftige Internet-Seiten in englischer Sprache geben würde.
Auf die Frage, ob das Abwahlbegehren nicht eine Art „Retourkutsche“ für das (gescheiterte) Abwahlverfahren gegen das Musikzentrum Bochum sei, erläuterte Steude:
„Nein, das Musikzentrum ist eher ein Ausdruck der generellen Kritik. Die meisten Leute waren nicht gegen ein Musikzentrum, sondern gegen diese Art Politik zu machen, die Prioritätensetzung und das dahinter stehende Kirchturmdenken.
[…]
Erst müssen wir an die harten Standortfaktoren ‚ran, dann erst an die weichen. Das Musikzentrum zählt zu den weichen.
[…]
Aber eine Retourkutsche ist das nicht, wir müssen ja keine Rache üben.“
Die Erfolgsaussichten des Abwahlbegehrens sieht Steude jedoch auch selber kritisch, denn es müssen weit über 40.000 Unterschriften gesammelt werden. Gegen eine in der Bevölkerung größtenteils beliebte Oberbürgermeisterin, so dass sich die Frage stellt, ob das überhaupt klappt.
„Das ist eine gute Frage. Das wird man bei den Vorbereitungstreffen klären.
Der negative Stand der Oberbürgermeisterin in der Bevölkerung, weil man sich von ihr nicht vertreten fühlt, ist enorm gewesen.
Man hat nicht den Eindruck, dass sie irgendetwas positiv bewegt. Das Vertrauen hat kaum einer mehr. Ein Zukunftskonzept ist nicht erkennbar.
43.000 ist ohne Zweifel schwierig, da muss man realistisch sein… aber bei genug engagierten Sammlern ist es machbar.“
Das (gescheiterte) Bürgerbegehren gegen das Musikzentrum hatte eine deutlich geringere Hürde und war nicht gerade erfolgreich. Und das obwohl es da um ein Thema ging, welches auch in den Parteien, die das Musikzentrum im Rat stützen ((also vor allem SPD, CDU und Grüne)), oftmals Vorbehalte gab.
„Die SPD und die Grünen sind nur so stark, weil die CDU so schwach ist. Der Ball liegt gerade eigentlich auf dem Elfmeterpunkt, die CDU muss ihn nur reinmachen, aber da ist keiner der schießt. Da fehlt es völlig am Nachwuchs. Entsprechend ist auch kein OB-Kandidat der CDU in Sicht.“
In der Öffentlichkeit wird auch immer wieder erwähnt, dass die Stadt durch eine gemeinsame Wahl von Stadtrat und Oberbürgemeister/in im Jahr 2014 rund 600.000 Euro sparen würde. Doch diese Summe wäre nicht der Grund für das Begehren:
„Die 600.000 Euro würden ein Abwahlbegehren nicht rechtfertigen. Es sagt aber was über die Oberbürgermeisterin aus, wenn sie, trotzdem sie der Stadt das Geld sparen könnte, weiter macht.“
Im Rahmen der Diskussion um die Abwahlinitiative gab es Streitigkeiten um die Möglichkeit am Husemannplatz in zentraler Innenstadtlage Unterschriften zu sammeln. Der Antrag von Gregor Sommer auf Platzerteilung bzgl. der Unterschriftensammlung wurde durch die Stadt abgelehnt, da dort der Bochumer Weihnachtsmarkt zu finden sei.
In der WAZ hieß es dann, dass Dr. Steude sich wehren wolle und wurde mit den Worten „Mal wieder muss das Verwaltungsgericht bemüht werden.“ zitiert. Dazu erklärte dieser:
„Die einstweilige Verfügung ist raus, die Klage ist raus. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und politische Willensbildung hat deutlich mehr Gewicht als die wirtschaftlichen Interessen des Weihnachtsmarktbetreibers. Dass die Unterschriftensammlung für das Begehren von einigen ggf. als störend empfunden werden könnte, ist kein Argument gegen einen Infostand von weit über hundert Ständen auf dem Weihnachtsmarkt. Ein plurales Gemeinwesen lebt von der Vielfalt der vertretenen Auffassungen.“
Er gehe auch davon, dass man rechtlich auf der sicheren Seite sei, aber:
„Mit dem VG Gelsenkirchen haben wir da nicht immer gute Erfahrungen gemacht. Wir sind aber optimistisch.“
Besonders verärgert zeigte sich Steude, dass der Antrag von Bochum Marketing zur Platznutzung später erfolgt sei. Es würde aber auch nicht um den genauen Platz geben, aber eine wirklich gleichwertige Alternative wäre auch nicht zur Verfügung gestellt worden:
„Ein Platz 10 m daneben – da hätte wir uns auch mit abgefunden. Gegen einen anderen Stand hätten wir uns nicht gewehrt. Es gibt in der Nähe genügend Ecken, wo man sich hinstellen kann. Die Süßigkeitenhütte muss nicht weg, wir müssen da kein Exempel statuieren. In der Innenstadt sollen Unterschriften gesammelt werden dürfen. Es darf keine ‚demokratiefreie‘ Innenstadt geben.
Es geht nicht um ‚politische Agitation‘ (wie von Bochum Marketing-Prokurist Weckermann gesagt); die Wortwahl alleine ist aber schon bezeichnend.“
Stehen BÄH-Bürger (bzw. Volker Steude) hinter den „unabhängigen Bürgern“ von bowat.info?
Unter bowat.info ((leider ist die Seite öfters aufgrund technischer Fehler nicht wirklich erreichbar!)) informieren „unabhängige Bürger“ unter dem Motto „Bochum und Wattenscheid ändern sich“ über ein Kommunalwahlprogramm. Dabei erfährt man jedoch nicht, wer dafür verantwortlich ist.
Im Impressum findet sich nur eine Schweizer Adresse und auf der Ãœber uns-Seite ((die auch nicht immer erreichbar ist…)) heißt es nur:
„Damit in den nächsten Monaten unsere Themen und nicht Personen im Mittelpunkt der Diskussion und Berichterstattung stehen, werden an dieser Stelle in absehbarer Zeit nicht die Namen derjenigen veröffentlicht, die diese Initiative ins Leben gerufen haben.
Wir bitten um Verständnis.“
Dennoch kann man meiner Meinung nach sehr schnell den Eindruck bekommen, dass entweder die BÄH-Bürger und/oder Volker Steude selbst dahinter stehen – wer sich die Texte einer Sandra Sievers ((die vorher dort nicht aufgetreten ist und jetzt nur über die Texte von bowat.info berichtet)) beim Lokalkompass Bochum durchliest, dem kommen Formulierungen, Gestaltungen usw. doch schon bekannt vor.
Auf die konkrete Frage, ob aus den BÄH-Bürgern jetzt die „Unabhängigen Bürger aus Bochum und Wattenscheid“ werden, erklärte Steude:
„Die Bürger von ‚Bochum ändern mit Herz‘ sind nicht identisch mit den parteilosen Bürgern von bowat.info. Das hat Christoph Nitsch so verbreitet [Anm. d. Pottblogs: siehe dazu den Lokalkompass-Artikel Das Ende der Geheimniskrämerei: BÄH-Bürger stecken hinter den unabhängigen Bürgern], das ist aber nicht der Fall. Das Teile von ‚Bochum ändern mit Herz‘ sich da beteiligen bzw. sich dies vorstellen könnten, würde ich nicht bestreiten und auch nicht dementieren. Auf bowat.info geht es aber ja aktuell um Themen und nicht Personen. Das sollte man respektieren.“
Steude stellte ergänzend fest, dass es immer schwierig sei – und gerade in Bochum, wo Personen in den Vordergrund gerückt werden, sich auf die Sachthemen zu konzentrieren.
Das die Anonymität jedoch Probleme machen würde, würde er zum Teil verstehen. So gab es n der Vergangenheit auch per Flyer angekündigte Unterschriftenlisten, die zu Unterstützungsunterschriften zur Kommunalwahl aufriefen und wohl aufgrund der Aufmachung schon offiziell gewirkt haben sollen.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass diese wohl von Pro NRW stammten – obwohl es auch Leute gab, die die „Unabhängigen Bürger“ damit verbanden – eine Schlussfolgerung, die Steude aufgrund der Anonymität nachvollziehen konnte.
Kandidatur von Volker Steude zur Kommunalwahl?
Bei den Piraten Bochum, wo Volker Steude bis vor kurzem noch aktiv war, soll er gesagt haben, dass er es ausschließen würde, bei der Kommunalwahl unabhängig (von den Piraten) zu kandidieren. Hierzu erklärte Steude auf die Nachfrage des Pottblogs:
„Das habe ich so nie gesagt. Es ging darum, ob ich damals sagen könnte, ob ich für eine andere Partei kandidieren werde. Das Nein war zu dem Zeitpunkt richtig.
Die Frage die sich immer stellt, ist, macht so etwas zukünftig Sinn. Bringt uns das weiter. Das habe ich damals nicht ausgeschlossen, das würde ich auch jetzt nicht ausschließen.“Bochum ändern mit Herz†will was bewirken. Wenn sich dadurch was bewirken lässt, wenn man im Rat aktiv wird, dann ist das eine Option. Auszuschließen ist aber, dass das für eine Partei geschieht, die im Rat ist oder für die AfD oder eine andere.“
Auf die explizite Nachfrage, dass er also kandidieren würde und es jetzt nur noch nicht sagen wolle, entgegnete er:
„Die Entscheidung steht jedoch aktuell nicht an. Wenn es sich ergibt, dass sich da eine starke und unabhängige Bewegung von Bürgern bildet, dann würde eine Kandidatur für den Rat Sinn machen.“
Macht die AfD beim Abwahlverfahren der BÄH-Bürger gegen OB Ottilie Scholz mit?
Im Lokalkompass veröffentlichte Volker Steude für die BÄH-Bürger den Beitrag Stadt Bochum versucht alles um Abwahlbegehren gegen OBin Scholz behindern. Diesen Artikel hat die AfD aus Bochum bei Facebook mit dem folgenden Kommentar weiter verbreitet:
„Wir hoffen auf einen Gedankenaustausch mit Herrn Dr. Steude, denn die Erfahrungen die er mit seiner Bewegung macht haben wir im Wahlkapf mit der Stadt ja auch gemacht. […]“
Vor einigen Tagen fand bereits ein erstes Treffen der Abwahlbefürworter statt. Die WAZ Bochum berichtete dazu im Artikel Bochumer Initiative „Bäh-Bürger“ kämpft für Abwahl von OB Scholz ((Thomas Schmitt, der Bochumer Chefredakteur der WAZ und Autor des Artikels, bewertet das ganze Abwahlverfahren in einem Kommentar als „billigen Trick“)).
Das Foto zu dem Artikel zeigt rechts neben Volker Steude den ehemaligen stellvertretenden AStA-Vorsitzenden der Ruhr-Universität Bochum Sebastian Marquardt. Zu diesem vermutete Ende September die Grüne Hochschulgruppe Bochum (siehe auch pflichtlektuere.com), dass er Mitglied der AfD sei. Im Lokalkompass findet sich ein Artikel namens AfD Bochum: Stadtrat wir kommen, der darüber informiert, dass die AfD Bochum bei der kommenden Kommunalwahl in Bochum antreten möchte. Direkt zu Beginn wird unmissverständlich erklärt, dass dieser Bericht von Sebastian Marquardt stammt.
Insofern kann man es meiner Meinung nach schon nachvollziehen, dass man die Abwahlinitiative gegen die Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz mit der AfD in Verbindung bringen kann.
Volker Steude erklärte hierzu:
„‚Bochum ändern mit Herz‘ arbeitet nicht mit der AfD zusammen, auch ein Austausch ist nicht vorgesehen. Die Entwicklung der Partei ist abzuwarten. Sie sollte sich von Rechtspopulisten und -extremen eindeutig distanzieren und ihnen keinen Platz in der Partei einräumen.
‚Bochum ändern mit Herz‘ hat das Abwahlbegehren initiiert, getragen wird es parteiunabhängig von den beteiligten Bürgern, nicht von irgendeiner Partei. Beim Bürgerbegehren zur Abwahl der OBin sollen alle engagierten Bürger mitmachen. Nicht erwünscht sind Menschen, die sich anti-demokratisch verhalten oder entsprechendes Gedankengut verbreiten. Sollte sich daran etwas ändern, bin ich nicht mehr dabei.
Jede demokratische Partei kann für sich, unabhängig von den Bürgern, die das Begehren tragen und auch unabhängig von ‚Bochum ändern mit Herz‘ Unterschriften für die Abwahl sammeln.“
Selbstverständlich sind die „Unabhängigen Bürger aus Bochum und Wattenscheid“ eine Aktion von Herrn Steude + Gefolgschaft. Bei den auf bowat.info herunterzuladenden PDF-Dateien ist als Verfasser „steude-2013“ eingetragen. Lächerliche Aktion mit der Schweizer Adresse, aber passt ins Bild.
@Hans Hase (1):
Danke für den Hinweis. Hätte ich nicht bemerkt. Wer schaut sich schon Metadaten von PDFs an? ;)