Neue Qualität der Polizeieinsätze beim Fußball in Nordrhein-Westfalen (in Dortmund, auf Schalke)?
Leider sind oftmals Polizeieinsätze bei Fußballspielen notwendig. Bisher war ich als regelmäßiger Besucher von Fußballstadien eigentlich auch froh, dass es neben den Ordnern und Sanitätern auch die Polizei gibt, um im Zweifelsfall helfen zu können. Als typischer „Sitzplatzzuschauer“ hat man auch eher weniger mit der Polizei zu tun.
Was sich jedoch gerade derzeit tut gewinnt anscheinend eine neue Qualität – und das gerade anscheinend in Nordrhein-Westfalen.
Borussia Dortmund vs. Eintracht Braunschweig
Letzte Woche, beim ersten Bundesliga-Heimspiel von Borussia Dortmund (gegen Braunschweig) in der neuen Saison, kam es zu einem teilweise umstrittenen Polizei-Einsatz gegen die Ultras.
Liest man sich die verschiedenen Aussagen durch, dann scheinen da sehr verschiedene Sichtweisen zu herrschen. Vergleicht man beispielsweise die Pressemitteilung der Polizei zum Bundesliga-Fußballspiel Borussia Dortmund gegen Eintracht Braunschweig durch und vergleicht das dann mit der Stellungnahme der BVB | Fan- und Förderabteilung oder aber von The Unity ) durch, dann wundert man sich doch ein wenig, über die verschiedenen Sichtweisen. Interessant dazu auch der offene Brief des BVB-Fanclub Borussenstern an den Polizeipräsidenten der Stadt Dortmund – auf den es sogar eine Antwort des Einsatzleiters der Polizei gibt.
Auch wenn ich persönlich die Abkürzung ACAB (und den damit verbundenen Spruch „All Cops are bastards“) scharf ablehne – das ist meiner Meinung nach zwar eine äußerst grenzwertige Aussage, die (siehe auch den Wikipedia-Beitrag zu A.C.A.B.) aber nicht automatisch verboten ist (und deswegen sieht man sie auch recht häufig im Fußballumfeld).
Ebenso merkwürdig finde ich die Suche nach Anti-Hoffenheim- bzw. Anti-Hopp-Plakaten – bei einem Spiel gegen Braunschweig und nicht die überaus sympathische und traditionsreiche Mannschaft aus dem Kraichgau ((ja, das war ein wenig ironisch)).
Aufgrund der Polizeimaßnahmen entschieden sich die Dortmunder Ultras dazu das Spiel über zu schweigen. Persönlich fand ich den Stimmungsboykott zwar schade, aber zum Teil verständlich. Großartig andere Mittel hat man als Fan nicht – das haben auch die 12:12-Aktionen in der vergangenen Saison (erfolgreich) gezeigt.
FC Schalke 04 vs. PAOK Saloniki
Gestern stand das Qualifikationsspiel zur UEFA Champions League zwischen dem FC Schalke 04 und PAOK Saloniki an. Obwohl ich dem FC Schalke 04 nicht wirklich nahe stehe, hatte ich schon auf einen Sieg der deutschen Mannschaft in diesem Spiel gehofft ((ich kann aber – insbesondere aufgrund einiger Reaktionen von Schalke-Fans in der letzten Champions League-Saison – nachvollziehen, wenn man das anders sieht)) und war ein wenig enttäuscht, als es nur ein 1:1 wurde. Danach passierte aber umso mehr:
Massiver Polizeieinsatz wegen einer Fahne?
Was ich jedoch absolut nicht nachvollziehen kann ist der massive Polizeieinsatz in der zweiten Hälfte im Schalker Block.
Wenn Pfefferspray selbst gegen Ordner und Sanitäter eingesetzt wird, dann ist die Verhältnismäßigkeit absolut aus dem Lot geraten.
Laut einer Pressemitteilung der Polizei Gelsenkirchen erfolgte das ganze wegen einer volksverhetzenden Fahne im Schalker Block. Abgesehen davon, dass der volksverhetzende Charakter dieser Frage tatsächlich wohl eher fragwürdig ist (man höre sich dazu auch das Interview mit der Polizeisprecherin auf Radio Emscher-Lippe an), ist doch der massive Polizeieinsatz wirklich fragwürdig. Siehe dazu auch die Ruhrbarone-Beiträge Polizei setzt auf Gewalt gegen Fans und Video zum gestrigen Polizeieinsatz auf Schalke ((aus diesem Video (bei dem jedoch der Text wohl nicht immer so ganz zu den Bildern passt) stammt auch das verwendete Bild)).
Im Blog des Rechtsanwalts Thomas Wings (Polizisten randalieren auf Schalke), bei den Ultras Gelsenkirchen (Polizeieinsatz in der Nordkurve) und den Ruhr Nachrichten (Polizei wollte wohl Fahne in der Nordkurve beschlagnahmen) gibt es weitere Informationen.
Pressekonferenz heute um 13:00 Uhr: Für heute um 13:00 Uhr ist eine Pressekonferenz der Polizei Gelsenkirchen angesetzt. Vielleicht informiert diese dann auch über die Widersprüche (S04-Vertreter seien informiert gewesen) zu den offiziellen Aussagen des FC Schalke 04 (S04-Vertreter waren nicht informiert).
Neue Qualität der Polizeieinsätze?
Sehen wir hier tatsächlich eine neue Qualität der Polizeieinsätze beim Fußball? Ich hoffe nicht. Auch wenn ich den Ton so nicht gut finde – ich kann doch Malte Dürrs Aufregung und seinen Beitrag Genosse Ralf Jäger verstehen, in dem er den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD), der für die Polizei hierzulande verantwortlich ist, angreift.
WAZ-Bericht vom 22.08.2013
Die heutige Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) berichtete wie nebenstehend abgebildet so heute über den Polizeieinsatz beim Schalke-Spiel. Da kann ich dann ja tatsächlich froh sein, dass die WAZ-Printausgaben der vergangenen Tage nicht über den Stimmungsboykott beim BVB berichtet hat. Wer weiß, was dann dabei ‚rausgekommen wäre…
Zur Ehrenrettung der WAZ sei aber angemerkt, dass beispielsweise der DerWesten-Artikel Schalke verurteilt den massiven Polizeieinsatz in der Nordkurve doch ausgewogener und besser informiert. Mal sehen, ob morgen die Print-WAZ ihre Aussagen von heute zurück zieht…
es ist immer wieder zum totlachen oder auch zum heulen und ungemein erschreckend ,wie die medienlandschaft z.g.t. funktioniert.
die ersten headlines, kommentare und wiedergaben waren einfach nur peinlich. der inhalt eigenlich immer stets gleich wie beim waz-stuss
Auch wenn ich viele Aktionen von Ultragruppierungen im Fußball als recht grenzwertig empfinde, erschreckt doch die Dummheit, mit der die Gelsenkirchener Polizei bei dem CL Spiel gegen die Fans vorgegangen ist und wie die Polizeiführung diesen umstrittenen Einsatz zu rechtfertigen zu versucht.
„Volksverhetzung“ ist schon ein schwerwiegender Vorwurf, gerade bei uns in Deutschland aufgrund unserer unrühmlichen Biographie im letzten Jahrundert. Aber gerade weil dieser Vorwurf so schwer wiegt, sollte man sich genauestens überlegen, wann man ihn erhebt. Das zeigen einer mazedonischen Fahne reicht da mit Sicherheit nicht aus und wenn eine Polizeisprecherin, wie Stefanie Dahremöller im Radio Emscher-Lippe Interview auf die Feststellung und anschließende Frage des Reporters: „Mazedonien ist ein von der UN anerkannter Staat – . Warum ist das Volksverhetzung?“ mit den Worten antwortet: „Das kann ich ihnen jetzt ehrlich nicht sagen“, dann gehört weniger die Fahne, sondern vielmehr Stefanie Dahrenmöller von ihrem Posten als Polizeisprecherin entfernt. Gleiches gilt für die Führungsköpfe der Gelsenkirchener Polizei, die ihr diese Laus in den Pelz gesetzt haben. Ein Bisschen Allgemeinbildung sollte man von Gesetzeshütern schon erwarten dürfen.
Das unverhältnismäßige Einsetzen von Schlagstöcken und Pfefferspray macht nämlich genauso Angst, wie das unkontrollierte Abbrennen von Pyrotechnik irgendwelcher Ultraheinis.
Erstaunlich ist eher, dass ein Grüppchen Ultras ihre sehr eigenen Realitäten verbreitet und sich sofort eine Reihe von selbsternannten „Ich bin ja überhaupt kein Ultra und sowieso gegen Gewalt und Bengalos!“-Fans findet, die diese Speziellen Realitäten auch noch vervielfältigen müssen. Angebliche Videobeweise werden dann neuerdings mit Behauptungen auf Textfolien „unterlegt“, um die Stimmung hübsch aufgebracht zu halten, während Polizeivideos, die deren Darstellung auch im Bild belegen (siehe Braunschweig-Spiel), von den Wutfans tunlichst ignoriert werden.
@Joe Hannes: Der von den Mazedoniern verwendete Staatsname Republik Mazedonien ist eben *kein* völkerrechtlich anerkannter Staat und die Konflikte zwischen Griechen und Mazedoniern des Königreichs Jugoslawien schwelen unvermindert auch heute weiter. Dazu reicht es halt nicht, sich mal eben auf ein paar Standardmedien-Schmierereien zu verlassen.
@Klaus
Das von mir angeführte Zitat stammt aus einem Interview mit der Polizeisprecherin und neben das von Robin Patzwald auf den Ruhrbaronen eingestellte Video, was Du vermutlich im Hinterkopf hast, habe ich mich auch über diverse Artikel in der deutschen Medienlandschaft bemüht. Für mich sind das nicht unbedingt Standardmedien-Schmierereien.
Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass das Zeigen der mazedonischen Sonne Griechen in ihrem Stolz kränkt und provoziert. Aber daraus den Vorwurf der Volksverhetzung zu machen, ist schon sehr gewagt und dürfte juristisch in Deutschland, vermutlich auch im Rest der EU keinen Bestand haben. Vermutlich geht es bei der Diskussion um diese Fahne hier:
http://www.reviersport.de/include/images/articles/wide/000/243/475.jpeg Man muss sie schon echt suchen, um sie im Internet zu finden. Gesehen hat man von ihr in der ganzen Fernsehübertragung nichts, der Polizeieinsatz hingegen war unübersehbar. Nicht nur für Deutsches Fernsehpublikum. Wenn man der FAZ glauben darf, dann wird der Polizeieinsatz auch ein politisches Nachspiel haben:
http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/champions-league-mazedonien-irritiert-ueber-schalker-polizeieinsatz-12542128.html
Im Grunde genommen teile ich Deine Ansichten über die Ultras, die Du unter #3 ausformuliert hast. Deren Gelaber nach Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fangruppen und auch der Polizei in der letzten Saison waren größtenteils lächerlich. Um so wichtiger finde ich, dass die Polizei ruhig und besonnen bleibt und sich ihre Aktionen gut überlegt. Gestern machte sie für mich einen anderen Eindruck. Ihr Handeln wirkte unüberlegt und völlig übertrieben. So kann man der Gewalt im Fußball, ob sie verbal, tätlich oder in versteckter Symbolik erfolgt, allerdings nicht Herr werden.
[…] NRW: Neue Qualität der Polizeieinsätze beim Fußball in Nordrhein-Westfalen…Pottblog […]
@Klaus Lohmann (4):
Der Aufdruck auf der Flagge war „Komiti Düsseldorf“ wenn ich mich nicht irre. Und inzwischen hat die Polizei auch zugegeben, dass da nichts volksverhetzend war.
@Jens: Tjo, dann war’s halt der griechische Polizist, der sich damals beleidigt fühlte und auf den sich Dumpfvolkes‘ Zorn nun entladen sollte. Fällt bei den Griechen ja bekannterweise nicht schwer. Dass ich aber keinesfalls die deutsche Rechtssprechung in diesem Fall kommentieren wollte, ist Dir entgangen??
@Klaus Lohmann (8):
Also anti-griechische Ressentiments wollte ich sicherlich nicht wecken.