Warum Marc Jan Eumann nicht als Staatssekretär zurücktreten muss (und es vielleicht auch gar keinen titelnehmenden Anlass gibt!) …
Marc Jan Eumann (SPD) ist Staatssekretär bei Angelica Schwall-Düren, der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien, in Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender der SPD-Medienkommission. Seit einigen Monaten gärt da eine gewisse Angelegenheit herum – er soll ggf. seinen Doktor-Titel verlieren, da er des Plagiats verdächtig wird. Im Gegensatz zu anderen Verfahren dieser Art ist das jedoch eine Besonderheit – denn er soll bei sich selbst abgeschrieben haben.
Seit heute gibt es dahingehend eine neue Entwicklung, denn wie man unter anderem bei RP-Online recht aktuell nachlesen kann, soll Staatssekretär Eumann seinen Doktortitel verlieren. So titelt man es jedenfalls. Die Pressemitteilung der Technischen Universität Dortmund schreibt dazu recht nüchtern:
„In Würdigung des Kommissionsberichts und des externen Rechtsgutachtens stellt das Rektorat erhebliches wissenschaftliches Fehlverhalten des Herrn Dr. Eumann fest und beschließt daher, die Angelegenheit dem Fakultätsrat der Fakultät 15 zur Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Doktorgrads gem. § 19 der ‚Promotionsordnung der Universität Dortmund der Fakultät Kulturwissenschaften vom 06.12.2001‘ zuständigkeitshalber zuzuleiten.“
Dass die Einleitung eines Verfahrens nicht auch automatisch den Vollzug und damit den Entzug (des Doktortitels) bedeutet wird natürlich bei den Nachrichtenartikeln dazu nicht ganz klar.
Ob Marc Jan Eumann (SPD) in die Reihe der Politiker, die ihren Doktortitel verloren haben, gehört (da seien bspw. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) oder zuletzt Bildungsministerin (!) Annette Schavan (CDU) zu nennen), das halte ich noch für offen. Das sehen auch andere so, wie beispielsweise Professor Ulrich Pätzold:
Dieses Mal verrennt sich die Meute – Marc Jan Eumann gehört nicht in die Schusslinie – Jagdfieber beschädigt guten Journalismus (ein Beitrag, den er schon im Januar 2013 schrieb).
Dessen Argumentation, dass man sich selber eigentlich nicht beklauen kann halte ich nämlich gar nicht für so unwahrscheinlich. Aber das genauere wird von anderen Leuten in den zuständigen Gremien geklärt werden.
Merkwürdig Interessant finde ich jedoch, dass die CDU NRW da versucht Kapital herauszuschlagen. So heißt es im RP-Bericht:
Die CDU deutete bereits Rücktrittsforderungen an:
„Klar ist: Wenn Herr Eumann seinen Doktortitel nicht rechtmäßig erworben hat, kann er nicht länger Staatssekretär bleiben“, betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Lutz Lienenkämper, am Abend.
So klar finde ich das nicht. Es gibt schließlich einen fundamentalen Unterschied zwischen Marc Jan Eumann auf der einen Seite und anderen Politikern wie Annette Schavan und Karl-Theodor zu Guttenberg auf der anderen Seite: Eumann hat sein Amt nicht als Doktor erhalten. Er wurde auch nicht Landtagsabgeordneter als Doktor. Es ist schon was anderes, ob man als adliger Doktor oder Doktorin der Philosophie in den Wahlkampf zieht und dann in ein Kabinett einzieht – oder ob man seine Doktorwürden erst danach erhält.
Hier kann man dann kaum davon sprechen, dass irgendwelche Wählerinnen und Wähler oder aber die Regierungschefin bezüglich der Qualifikation getäuscht worden sind.
Oder um Angela Merkel zu zitieren:
Sie habe Guttenberg schließlich als Minister bestellt „und nicht als wissenschaftlichen Assistenten“.
Quelle: faz.net
Theoretisch könnte Hannelore Kraft das selbe sagen – nur wäre es in diesem Fall sogar richtig, denn als Hannelore Kraft sich entschied den damaligen Landtagsabgeordneten Marc Jan Eumann als Staatssekretär in die Landesregierung zu berufen, da war er kein Doktor.
PS: Mir ist natürlich auch klar, dass man das dennoch anders beurteilen kann. Nur eines ist mir wichtig: So klar, wie Lutz Lienenkämper von der CDU-Landtagsfraktion es sieht, so klar ist es definitiv nicht! Auch wenn die Ruhrbarone es anders sehen – was mich jedoch nicht wundert.
PPS: Man kann mir persönlich natürlich jetzt vorwerfen, dass das ein Beitrag ist, um einen Parteifreund argumentativ zu unterstützen. Wer jedoch Marc Jan Eumann und mich kennt – der weiß zwar, dass wir in der selben Partei sind aber in inhaltlichen Fragen dann doch eher unterschiedliche Meinungen vertreten (als Stichworte nenne ich da mal den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) oder aber das Leistungsschutzrecht (LSR)).
@Jens
Was Du in Deiner Einschätzung völlig ausklammerst ist die Tatsache, dass Eumann kein „Ersttäter“ ist. Eumann hat bereits vor gut zehn Jahren einen Teil seiner Glaubwürdigkeit verspielt, als er beim SPD Spendenskandal rund um den Kölner Klüngel eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Würde die TU Dortmund Eumann den Doktortitel aberkennen, hätte er ein zweites mal gezeigt, dass er zu Betrügereien neigt. Ich wüßte dann nicht, wieso man Marc Jan Eumann anders einschätzen und behandeln sollte, als zu Guttenberg oder Schawan. Als Bürger, der Gebühren für den öffentlich rechtlichen Rundfunk abdrücken muss, erwarte ich von Eumann für den Fall einer Aberkennung des Titels, dass er auch seine politischen Ämter niederlegt, insbesondere das Amt des Medienstaatsekretärs.
Zusätzliche Brisanz erhält die Causa Eumann durch zwei weitere Ereignisse: Das eine ist der seltsame Zusammenhang zwischen den Zahlungen von Fördergeldern an die TU Dortmund und das Erlangen seiner Doktorwürde, das in den derzeitigen Medienberichten immer wieder gerne aufgegriffen wird. Über das zweite Ereignis wird eigentlich gar nicht geredet und zwar über die bisherige Berichterstattung des ZDF in dieser Sache. Da kam bislang noch nichts, obwohl alle übrigen bedeutenden Medien in Deutschland seit längerem von dem Fall berichten. Bei Schawan, zu Guttenberg und Koch-Mehrin berichtete das Zweite, mit dem man ja angeblich besser sieht, nicht erst mit der Aberkennung der Doktorwürde über die Vorwürfe gegen diese Politiker, sonder bereits weit im Vorfeld. Weiß man, dass Eumann im Fernsehrat des ZDF sitzt, erklärt sich wohl möglich das Desinteresse des Senders vom Lerchenberg. Bei mir werden da zumindest Erinnerungen an Roland Koch wach und wieso sollte Eumann nicht auch versuchen, die Geschicke des Zweiten nach seinen Vorstellungen zu gestalten? Zumindest ist zu hinterfragen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk wirklich so unabhängig ist, wie er gerne nach außen vorgibt. Auch aufgrund dieses Anspruches der vom Bürger finanzierten Sender sollte Eumann im Falle seines Falles seine Ämter niederlegen.
[…] NRW IV: Warum Marc Jan Eumann nicht als Staatssekretär zurücktreten muss…Pottblog […]
[…] TU IV: Warum Marc Jan Eumann nicht als Staatssekretär zurücktreten muss…Pottblog […]
„Dessen Argumentation, dass man sich selber eigentlich nicht beklauen kann halte ich nämlich gar nicht für so unwahrscheinlich.“
Selbstplagiate sind eindeutig in den DFG-Richtlinien geregelt. Natürlich kann man sich selbst beklauen. Früher schon verwendete eigene Texte sind in der Dissertation anzugeben und bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen. Da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren und ich finde es merkwürdig, wenn Leute auf so eine billige Ausrede hereinfallen.
Die moralische Verwerfbarkeit liegt bei Eumann übrigens höher als bei Schavan, bei der man im Gegensatz zu Eumann noch Schludrigkeit für möglich halten kann.
Jens, scheinbar bist Du der mittlerweile „hippen“ Meinung, dass man auch für Promotionen nur den am wenigsten „schädlichen“ Weg des verheimlichten Kopierens gehen muss, um damit ala „Weg-heiligt-Mittel“ durchzukommen.
Wie Klaus in (2) deutlich klar machte, ist dem gottseidank nicht so. Und was das als Vergleich mit einem „adligen Doktor“ ala Guttenberg zu tun haben soll, erschließt sich wahrscheinlich nur den ultrahartgesottenen SPD-Fans, die nicht wahrhaben wollen, dass Plagiate und Betrug nicht an Parteigrenzen haltmachen.
Aber es geht ja in erster Linie auch um den Vorwurf an Prof. Horst Pöttker als Doktorvater von Eumann, der eine 20 Jahre alte Arbeit plus einiger neuer Passagen und einer neuen Zusammenfassung als eigenständige, die Wissenschaft weiter entwickelnde Arbeit durchschleuste. Und dann einen schicken Fördermittel-Auftrag bekam. Da kann Dein Prof. Pätzold als Zweit-Doktorvater noch so exaltiert rummosern, wir kriegen euch trotzdem;-)
Man kann sich selbst nicht beklauen? Mag sein, aber nicht darum geht es, sondern um die Frage des wissenschaftlichen Fehlverhaltens, das bei einem stillschweigenden Selbstplagiat ziemlich eindeutig vorliegt.
Ich meine nicht, dass jemand, der sich – sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten – einen akademischen Titel erschlichen hat, in verantwortlicher Position in der Staatskanzlei tätig sein kann.
Im Ãœbrigen: Dass Eumann – mutmaßlich – die Täuschung begangen hat, als er bereits Staatssekretär war, macht die Sache wohl kaum besser.
Mir ist dieses Apologetentum absolut unverständlich.
1. Was ist so schwer daran zu verstehen, dass ein Doktortitel als Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlicher Forschungsarbeit verliehen wird? Wer vorsätzlich abschreibt, hat offensichtlich diese Befähigung nicht oder nicht in ausreichendem Maße – ob von sich selbst oder von anderen abgeschrieben wird, spielt deshalb keine Rolle.
2. Ein Staatssekretär ist an einer entscheidenden Stelle im Regierungsapparat tätig. Lügen, Betrügen und Täuschen mag inzwischen in der Politik zum Tagesgeschäft gehören – ich jedenfalls möchte trotzdem nicht von Menschen regiert werden, die für einen – laut Artikel – eigentlich völlig unerheblichen Doktortitel schon zu solchen Mitteln greifen.
PS: Falsch ausgedrückt. Wer vorsätzlich abschreibt, mag die Befähigung zwar haben, hat sie aber definitiv dadurch nicht nachgewiesen. Wer „schlampig“ ist oder „aus Versehen“ abschreibt, dem (oder der) würde ich die Befähigung zu wissenschaftlicher Forschungsarbeit absprechen. Korrektes Benennen von Quellen ist Erstsemesterstoff.
Nachdem seit gestern auch Plagiatsvorwürfe gegen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert im Raum stehen, komme ich nicht umhin einen zweiten Kommentar unter diesen Artikel zu setzen, in dem ja unter anderem dargelegt wird, wie sich der Fall Eumann von allen anderen Fällen unterscheidet.
Der einzige und wohl auch größte Unterschied zwischen dem Fall Eumann und den Fällen zu Guttenberg, Koch-Mehrin, Schavan und jetzt auch Lammert ist die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wie schnell man auf dem Lerchenberg bei Lammert über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berichten kann, zeigt der folgende Link:
http://www.heute.de/Lammert-l%C3%A4sst-Doktorarbeit-pr%C3%BCfen-29064026.html
Keine 24 Stunden nach Bekanntwerden stehen die Plagiatsvorwürfe gegen den Bundestagspräsidenten beim ZDF auf dem Programm. So wie es eigentlich muss und wie man es als Gebührenzahler erwarten kann. Den Fall Eumann hingegen meiden die Mainzer wie der Teufel das Weihwasser.
Woran mag das liegen?
Liegt es an vermeintlichen Unterschieden, wie sie in dem Artikel oben dargestellt werden, oder liegt es an der Tatsache, dass Eumann im Fernsehrat des ZDF sitzt und dieser Umstand eine Berichterstattung über ihn derzeit unmöglich macht?
Zur Erinnerung:
Als Eumann einst bis über beide Ohren im SPD-Spendensumpf steckte, sah sich der WDR mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht zu genüge über den Kölner SPD Filz und die kriminellen Machenschaften des heutigen Staatssekretärs zu berichten. Eumann war damals Mitglied des WDR Rundfunkrates!
hier nochmal ein Artikel im Focus aus 2002 zu dem Thema: http://www.focus.de/magazin/archiv/wdr-spendenskandal-tabu_aid_206354.html
@Joe Hannes (1):
Zur „Kölner Problematik“ kann ich leider nichts sagen, da kenne ich mich ehrlich gesagt nicht aus.
Die doppelte Brisanz Deiner Meinung nach kann ich auch nur am Rande erkennen, denn bei der Sache mit den Fördermitteln soll er ja nicht beteiligt gewesen sein.
(zum ZDF später!)
@Klaus (4):
Ich bin kein Mitglied der DFG und gehöre keinem Prüfungsgremium an, insofern kenne ich die Richtlinien natürlich nicht so genau.
Persönlich fand ich es jetzt nicht unschlüssig und seinen Aussagen zufolge wurde das auch vor der Doktor-Prüfung von ihm so erwähnt (und ja, ich weiß, dass es da gegenteilige Aussagen gibt!).
@vaikl (5):
Nein, ich habe mir ehrlich gesagt keine abschließende Meinung zu dem Fall gebildet.
Den Unterschied zwischen zu Guttenberg und Eumann sehe ich darin, dass der eine mit seinem Doktor-Titel warb und der andere nicht.
Ãœbrigens: Prof. Pätzold ist nicht „mein“ Prof. und „mich“ als Teil einer unbestimmten „Euch“-Gruppe kann man nicht kriegen, da ich keinen Doktor-Titel habe. Und wehe ihr wollt meine Magisterarbeit sehen, da bin ich nicht so stolz drauf. ;)
@Keller (6), @nachgetragen (7, 8):
Die Frage ist: Wirklich stillschweigend? Es gibt andere Aussagen dazu (und wiederum Gegenaussagen).
@Joe Hannes (9):
Zum ZDF – kann es sein, dass das ZDF als bundesweiter Sender sich eher um Bundes- oder Europapolitiker kümmert als um irgendwelche Kölner Abgeordneten?