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Jens Matheuszik — 16. Januar 2013, 07:21 Uhr

Aus für die Westfälische Rundschau (WR) auf Raten – WAZ-Mediengruppe schließt Redaktionen – endgültige Einstellung nur eine Frage der Zeit? (+ Linkliste zur WR-„Umstrukturierung“)


Gestern wurde bekannt, dass die WAZ-Mediengruppe beschlossen hat, dass die Redaktionen ihrer vor allem in Dortmund erscheinenden Westfälische Rundschau (WR) geschlossen werden sollen. 120 Redakteurinnen und Redakteure sind unmittelbar davon betroffen, darüber hinaus dürften jedoch weitere Arbeitsplätze bedroht sein, da ggf. auch bei Druck, Vertrieb und Verwaltung eine solche Maßnahme zu Folgeschritten führen kann.

Waren früher für das „Modell der WAZ-Mediengruppe“ die viel beschworenen Synergie-Effekte besonders wertvoll (als es mehrere unabhängige Redaktionen unter einem zentralen Dach, wo man sich um den Rest kümmerte gab), scheint man jetzt bei der WAZ-Mediengruppe sehr genau zu schauen, welche Zeitung profitabel ist und welche nicht ((wobei man sich natürlich auch fragen muss, inwiefern dort eine kreative Verrechnung von unterschiedlichen Tochtergesellschaften erfolgt sein könnte)).

Die Westfälische Rundschau war vor allem im südlichen Westfalen aktiv, das Verbreitungsgebiet bestand vor allem aus den Städten Dortmund und Hagen, sowie verschiedenen Landkreisen ((Unna, Olpe, Siegen-Wittgenstein, Hochsauerlandkreis, Ennepe-Ruhr-Kreis, Märkischer Kreis (Teile), Soest (Teile), Recklinghausen (Teile))). Die WR hatte fast 80 (in Worten: achtzig!) Lokalausgaben ((Altena, Arnsberg, Attendorn, Bad Berleburg/Wittgenstein
Bad Laasphe, Bergkamen, Bestwig, Birken, Breckerfeld, Burbach, Bönen, Castrop-Rauxel, Daaden, Dortmund, Drolshagen, Elkenroth, Ennepe-Ruhr-Kreis, Erndtebrück, Eslohe, Finnentrop, Freudenberg, Fröndenberg, Gebhardshein, Gevelsberg, Hagen, Hagen-Hohenlimburg, Holzwickede, Halver, Hattingen/Sprockhövel, Herdecke, Herdorf, Herscheid, Hilchenbach, Hoevels, Holzwickede, Kamen, Katzwinkel, Kirchhundem, Kierspe, Krichen, Kreuztal, Plettenberg, Werdohl, Lüdenscheid, Lünen, Meinerzhagen, Meschede, Mudersbach, Nachrodt-Wiblingwerde, Nauroth, Neuenrade, Netphen, Neunkirchen, Niederfischbach, Norken, Olpe, Rüthen, Schalksmühle, Schmallenberg, Schutzbach, Schwerte, Schwelm, Selm, Siegen, Steineroth, Sundern, Unna, Wallmenroth, Warstein, Weitefeld, Wenden, Werne, Wetter, Wilnsdorf, Wissen, Witten)) die davon betroffen sein werden.

Zwar wurde über die WR in Dortmund und ihre Lokalredaktionen in der Konzernzentrale in Essen der Daumen gesenkt, aber den Titel „Westfälische Rundschau“ will man dennoch behalten. Diese Quadratur des Kreises will man dadurch erreichen, in dem zwar die Zeitung an sich bestehen bleibt, die Inhalte aber mehr oder weniger fremd zugeliefert werden, wie die WAZ-Mediengruppe in ihrer Pressemitteilung erklärte:

  • Die Mantelthemen werden komplett vom Content-Desk der WAZ Mediengruppe geliefert.
    War das nicht sowieso schon der Fall? Da dürfte sich also relativ wenig ändern. Die Frage stellt sich hier, ob die WR dann vom Content-Desk in Essen eine „eigene“ Variante geliefert bekommt, oder aber eine der anderen „Versionen“ (NRZ, WAZ oder WP) übernommen wird.
  • Die Berichterstattung aus Arnsberg und Hagen übernimmt vollständig die Westfalenpost.
  • Die lokale Berichterstattung für Wetter/Herdecke und Ennepe-Süd wird zukünftig von der Westfalenpost vorgenommen, die in Wetter und Schwelm eine Lokalredaktion aufbauen wird.
  • Die Ausgaben der Westfälischen Rundschau in Dortmund, Lünen und Schwerte werden ab Februar 2013 mit den lokalen Inhalten der Ruhr Nachrichten aus dem Verlag Lensing-Wolff beliefert.
  • In gleicher Weise werden im Verbreitungsgebiet Unna und Kamen die Lokalteile mit Wirkung ab Februar 2013 vom Hellweger Anzeiger (Verlag Rubens) beliefert.
  • Zum gleichen Zeitpunkt werden auch die im Märkischen Kreis erscheinenden Ausgaben vom Märkischen Zeitungsverlag beliefert.

Ob man die WR, der man mit dieser Maßnahme Herz und Hirn amputiert hat, damit lebensfähig bleibt, kann man getrost bezweifeln:

Westfälische Rundschau – Zeitung für Dortmund: Mantel aus Essen, Lokales von der Konkurrenz?

Nehmen wir beispielsweise den Zeitungsmarkt Dortmund, wo die WR sich ja auch als „Zeitung für Dortmund“ verstand (siehe auch das Bild oben, welches von zoom stammt und ich hier nutzen darf). Der Mantelteil kommt aus Essen und vielleicht sieht das ganze dann genau so aus wie die ebenfalls vor Ort erscheinende WAZ (nur halt mit anderem Logo). Das dürfte die Leute nicht wirklich animieren die WR weiterhin zu kaufen/abonnieren oder gar Neukunde zu werden.

Wenn dann auch noch der Lokalteil von der Ruhr Nachrichten Dortmund stammt (also der eigentlichen Konkurrenz vor Ort!), dann ist das zwar von der Qualität her sicherlich nicht unbedingt schlecht, denn gerade die RN-Lokalredaktion in Dortmund macht ein gutes Blatt – aber für die Pluralität im Wettbewerb und auch von den Meinungen her ist das keine gute Sache. Vollends zur Farce wird dann auch die vor nicht mal einem halben Jahr verkündete Lokaloffensive der WAZ-Mediengruppe, denn wenn man das ernst nehmen würde, dürfte man natürlich gerade nicht den Lokalteil vor Ort abgeben.

Die Frage stellt sich auch: Wer liest denn die RN Dortmund im Gewand der WR? Dann lese ich doch lieber gleich das Original, welches sowieso besser mit dem Rest der Zeitung „verknüpft“ ist, als dieser merkwürdige Zwitter (WR-Logo mit WAZ-Content Desk und RN Dortmund-Lokalinhalten). Nehmen wir da ganz konkret beispielsweise die Sportberichterstattung. In Dortmund gibt es nicht nur mit Borussia Dortmund (BVB) einen Doublemeister der die Bundesliga, den DFB-Pokal und die Champions League aufmischt, hier gibt es auch natürlich andere Vereine, andere Abteilungen und den Lokalsport. Während sich beispielsweise die normale Sportberichterstattung der Ruhr Nachrichten (im Mantelteil) insbesondere in Sachen BVB ((dort hat man beispielsweise in ausgewählten Ausgaben eine tägliche Extra-Seite für den BVB)) sehr gut mit der lokalen Sportberichterstattung ergänzt (im Lokalteil), wird es diese Effekte bei der neuen WR, die weder Fisch noch Fleisch ist, wohl eher nicht geben.

Außerdem ist auch noch gar nicht wirklich klar, wie die Kooperation ablaufen soll ((abgesehen davon, dass ich mir die Frage stelle, ob das wettbewerbsrechtlich überhaupt geht!)). So kann ich mir beispielsweise eher nicht vorstellen, dass wenn beispielsweise spät abends in Dortmund was gravierendes passiert, dass dies nicht nur von der RN für ihre eigene Zeitung aufgegriffen wird, sondern auch für die neue Zwitter-WR. Die Lokalredaktion in Dortmund der RN kann sicherlich die eigenen Druckmaschinen anhalten, wenn plötzlich was wichtiges passiert – kann sie das auch für die neue WR? Will sie das auch?

Fragen gibt es auch in Sachen Internet – werden die RN-Inhalte aus Dortmund dann demnächst auch bei DerWesten, dem Internet-Portal der WAZ-Mediengruppe zu finden sein? Da würde man sich ja bei den RN selber Konkurrenz im Netz machen…

Insofern halte ich die geplante Entscheidung der WAZ-Mediengruppe die WR künstlich am leben zu halten nur für eine mittelfristige Entscheidung – langfristig gebe ich dieser Zombie-WR keine großartige Ãœberlebenschance. Von ersten Abokündigungen deswegen konnte man ja bereits gestern im Netz lesen.

Linkliste zur „Umstrukturierung“ der Westfälischen Rundschau:

Die von der WAZ-Mediengruppe euphemistisch als „Umstrukturierung“ bezeichnete Maßnahme sorgte natürlich für einige Artikel in diversen Medien. Nachfolgend eine kleine Linkliste dazu:

WAZ-Verlag schließt die Westfälischen Rundschau zum 1. Februar (Wir in NRW)

SPD: Verhältnis zur WAZ "zerrüttet" (Meedia)

“Aus” für die Rundschau-Redaktion: Dortmund und das Umland verlieren ein Traditionsblatt (Revierpassagen) – Siehe auch: Kurzer Nachruf auf meine Jugendliebe.

"Seelenlose Redaktionsklempnerei" (charly & friends)

Interview mit Christian Nienhaus: "Noch nie einen Cent Gewinn gemacht" (Meedia)

WR-Redaktion wird abgewickelt. 120 Redakteurinnen und Redakteure betroffen. Westfalenpost als konzerninterner Gewinner der Umstrukturierung? (zoom)

Meine zwei Cent zum Ende der Westfälischen Rundschau als eigenständige Zeitung (Hendryk Schäfer)

WAZ Mediengruppe streicht 120 Stellen (WDR.de)

"Westfälische Rundschau": Gewerkschaften entsetzt von Redaktionsschließung (newsroom.de)

Zeitungsbranche : WAZ entlässt "Westfälische Rundschau"-Redaktion (DIE WELT)

WAZ-Gruppe will Defizit reduzieren: "Westfälische Rundschau" wird aufgegeben (RP-Online)

Umstrukturierung bei der "Westfälischen Rundschau" (WR.de) – Neben der offiziellen Pressemitteilung (PDF) der WAZ-Mediengruppe gibt es auch diese Stellugnnahme bei DerWesten.de zur geplanten "Umstrukturierung".

Westfälische Rundschau": Ein Flickwerk von einer Zeitung (newsroom)

120 Redakteure und Redaktionsmitarbeiter betroffen: Aus für die Redaktion der "Westfälischen Rundschau" (kress.de)

WR-Redaktion wird abgewickelt (Medienmoral NRW)


8 Kommentare »

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  1. (1) Pingback von Der Ruhrpilot | Ruhrbarone @ 16. Januar 2013, 07:25 Uhr

    […] Medien IV:  Aus für die Westfälische Rundschau  auf Raten –  endgültige Einstellung nur eine Frage der Zeit?…Pottblog […]


  2. (2) Kommentar von Hendryk @ 16. Januar 2013, 07:47 Uhr

    In Sachen Mantel-Teil glaube ich nicht, dass sich irgendetwas ändert. Ich hatte am 2. Januar den direkten Vergleich zwischen WAZ und WR und 75 Prozent waren identisch bzw. standen höchstens an anderer Stelle. Das ist bei der NRZ nicht anders, warum sollte sich daran etwas zum Besseren ändern?


  3. (3) Pingback von Neues aus dem Abfall, 16. Januar 2013 | Hendryk Schäfer @ 16. Januar 2013, 08:27 Uhr

    […] Aus für die West­fä­li­sche Rund­schau (WR) auf Raten – WAZ-Mediengruppe schließt Redak­ti… – Ein wie stets gründ­li­cher, umfang­rei­cher Bei­trag mit allem, aber auch wirk­lich allem Wis­sens­wer­ten zur Schlie­ßung der WR vom geschätz­ten Jens Matheuszik. […]


  4. (4) Pingback von Aufgelesen – 16.01.2013 @ 16. Januar 2013, 10:42 Uhr

    […] Zeitungssterben in einer neuen Variante: Die Westfälische Rundschau gibt es bald völlig ohne eigenständigen Inhalt. Kritik gab es vom Deutschen Journalistenverband, auf dem Pottblog gibt es eine größere Linksammlung zum Thema. […]


  5. (5) Kommentar von vaikl @ 16. Januar 2013, 13:12 Uhr

    Natürlich ist die Beibehaltung des toten Mantels clever, denn die Alt-SPDler, die immer noch von der „alten“ WR schwärmen, werden über Jahre nicht begreifen, was mit ihrer WR nun passiert, also bleiben sie bei ihrem Abo. Genau so, wie sie weiter ihr Wahlkreuzchen machen…


  6. (6) Kommentar von Christian @ 17. Januar 2013, 22:20 Uhr

    80 Lokalausgaben ist falsch, es waren zuletzt glaube ich weniger als 20. Die 80 sind vielleicht eher die Orte, in denen die WR erschienen ist, wobei mir auf dieser Liste einige gar nix sagen.


  7. (7) Kommentar von Jens @ 18. Januar 2013, 06:39 Uhr

    @Hendryk (2):
    Wird dann wohl so sein. :(

    @vaikl (5):
    Sehr sachdienlich dieser Kommentar…

    @Christian (6):
    Die Aufstellung habe ich von der WR-Selbstdarstellung. Dort heißt es (vor den gesammelten Orten, von denen ich auch viele nicht kenne):
    „Die Lokalteile der WR auf einen Blick“


  8. (8) Pingback von WAZ-/Funke-Mediengruppe streicht 200 Stellen und u.a. “Unser Vest” – die merkwürdige “Lokal”ausgabe für den Kreis Recklinghausen » Pottblog @ 20. März 2013, 22:28 Uhr

    […] zuletzt die Westfälische Rundschau (WR) zur Zombie-Zeitung wurde (da alle WR-Redaktionen vor Ort geschlossen wurden und fürderhin die Inhalte von fremden […]


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