Es gilt das gesprochene Wort – nur nicht bei WAZ, DerWesten & Co.? Am Beispiel vom „wohlhabenden Sozialdemokraten“ Peer Steinbrück…
Am Sonntag fand der Bundesparteitag der SPD statt, auf dem Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten der SPD gewählt wurde ((das nebenstehende Bild ist ein „Symbolbild“, da es Peer Steinbrück bei einem Landesparteitag der NRWSPD in Münster zeigt)). Natürlich wurde die Rede des da noch designierten Kanzlerkandidaten vorab der Presse zur Verfügung gestellt. Das macht das ganze ja auch etwas leichter, wenn man weiß, ob man noch bei Einleitung, Hauptteil oder gar in der Nähe des Schlusses der Rede ist.
Das mit der „Vorab-Rede für die Presse“ dokumentierte Thorsten Denkler (@thodenk) von der Süddeutschen Zeitung mit diversen Tweets am Sonntag, unter anderem mit einem Bild der Rede vorab:
Rede von @peersteinbrueck schonmal vorab. #spdbpt12 twitter.com/thodenk/status…
— Thorsten Denkler (@thodenk) December 9, 2012
Ich selber habe mir die Rede von Peer Steinbrück auch angehört und dann bei der Lektüre der Tageszeitung (in diesem Fall der WAZ) am nächsten Morgen mich ein wenig gewundert…
Rede von Peer Steinbrück auf dem SPD-Bundesparteitag
Erst einmal hier die Aufzeichnung der Rede:
WAZ-Artikel vom 10. Dezember 2012
In der gestrigen Print-Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) findet sich natürlich auch die Berichterstattung zum Parteitag der SPD und zur Wahl von Peer Steinbrück.
In dem auch online bei DerWesten verfügbaren Artikel (SPD wählt Steinbrück zum Kanzlerkandidaten der Wir-Partei) wird auf die Rede von Peer Steinbrück eingegangen. Im Bericht wird dann auch erwähnt, wie Peer Steinbrück relativ zum Schluss der Rede auch auf die Diskussion der vergangenen Wochen um seine Honorare für Vorträge einging ((man erinnert sich: Vertreter von CDU/CSU/FDP forderten eine vollständige Transparenz von Peer Steinbrück, die dieser dann auch lieferte – im Gegensatz zu den Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition, die die Transparenz nur für Steinbrück forderten)). Dort sprach er dann etwas demütig von „Wackersteinen“ und der Bürde für die SPD dadurch.
Im Artikel wird das ganze dann wie folgt beschrieben bzw. fortgesetzt: ((klickt man das Bild an, kann man es sich in größer anschauen))
Das war es aber auch schon mit der Zerknirschung des selbstbewussten Kandidaten. Sein Kontostand als „wohlhabender Sozialdemokrat“ sage nichts aus über seine Fähigkeit, sich für Bürger einzusetzen, denen es schlechter gehe, versichert er.
Leider muss man feststellen, dass er das eben nicht versicherte…
Als ich das im WAZ-Artikel las wunderte ich mich – denn ich konnte mich nicht erinnern, so etwas gehört zu haben. Stattdessen hatte ich dazu was gelesen am Sonntag – und zwar folgenden Tweet:
Diesen Satz lässt @peersteinbrück weg: „In den Augen vieler Bürger bin ich ein wohlhabender Sozialdemokrat.“ #spdbpt12
— Thorsten Denkler (@thodenk) December 9, 2012
Nichtsdestotrotz erweckt die WAZ den Eindruck, als ob Steinbrück diesen Satz mit dem „wohlhabenden Sozialdemokraten“ so gesagt hat – was aber nicht der Fall war, wie man auch der PDF-Fassung der Steinbrück-Rede entnehmen kann.
Den Fehler findet man nicht nur bei der WAZ/DerWesten, sondern auch beispielsweise bei der Braunschweiger Zeitung – was nicht verwundert, denn diese gehört auch zur WAZ-Mediengruppe und wenn man Artikel innerhalb einer Mediengruppe für mehrere Zeitungen übernimmt, dann übernimmt man auch die eventuell vorhandenen Fehler. Aber auch der Tagesspiegel zitierte aus dem Vorab-Exemplar der Rede für die Presse so, als ob die Aussage dort tatsächlich gefallen wäre:
Der Sozialdemokrat der Vernunft präsentiert sich auf einmal als Herzenssozialdemokrat.
[…]
Sehr persönlich wird er da, erzählt von seinem Weg als Sozialdemokrat in die SPD als einer, der nicht von unten kommt. Der wisse, dass er in den Augen vieler Menschen „ein wohlhabender Sozialdemokrat“ sei. Und er gesteht: „Meine Vortragshonorare waren Wackersteine, die ich in meinem Gepäck habe und leider auch euch auf die Schultern gelegt habe.“ Und er dankt den Sozialdemokraten im Saal, „dass ihr mit mir diese Last getragen und ertragen habt“.
Da zeigt sich mal wieder, dass man lieber so einer Rede komplett zuhören sollte, um getreu dem Motto „Es gilt das gesprochene Wort“ festzustellen, was wirklich gesagt wurde. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Politiker eine etwas andere Rede als ursprünglich geplant hält. Zur Ehrenrettung muss gesagt werden, dass es auch noch Zeitungen gibt, die so etwas bemerken – so z.B. die Neue Osnabrücker Zeitung.
Korrektur des Fehlers durch die WAZ?
Ende November gab es in der ZEUS-Beilage der WAZ ((da wo Schülerinnen und Schüler an das Thema Zeitung herangeführt werden und auch selber Artikel veröffentlichen können)) einen Artikel namens Einblick in die Welt der Journalisten.
In diesem Artikel erklärt der zuständige ZEUS-Redakteur der WAZ-Mediengruppe den Reporterinnen der Klasse 8a der Schiller-Schule in Bochum wie das mit Journalismus so funktioniert.
Dort erfährt man dann, dass natürlich Artikel vor der Veröffentlichung geprüft werden und im Falle eines Fehlers das ganze in der nächsten Ausgabe korrigiert wird.
Konkret heißt es dort ((klickt man das Bild an, kann man es sich in größer anschauen)):
Werden die Artikel vor der Veröffentlichung geprüft?
Na klar. Die Artikel werden von Kollegen gegengelesen und auf Fehler geprüft. Es sollte nie passieren, das etwas in die Zeitung kommt, das nicht geprüft ist.
Was passiert, wenn ein Journalist ein Plagiat oder etwas falsches in die Zeitung bringt?
Das sollte natürlich nie passieren. Aber falls es passiert, muss der Journalist dazu stehen und es in der nächsten Ausgabe korrigieren. […]
Da bin ich dann ja mal auf die morgige Ausgabe der WAZ gespannt ((oder sogar schon auf die heutige?))…
[…] Der wohlhabende Steinbrück….Pottblog sr_adspace_id = 1000007954907; sr_adspace_width = 300; sr_adspace_height = 250; […]
Meiner Meinung passieren solche handwerklichen Fehler, und das ist ja nicht der erste, den Du bei der WAZ bemängelst, wenn
1. die Zeitungsverlage meinen, durch Einsparung von Manpower Qualität liefern zu können
2. durch die Einsparung von Manpower kein Gegenleser mehr da zu sein scheint :-P
3. der Zeitdruck durch fehlende Mitarbeiter und dadurch entstehender Arbeitsstress so immens wird, dass die Berichterstattung oberflächlich wird und dadurch
4. „Provinzjournalisten“ nicht so arbeiten (können!), wie sie arbeiten sollten, nähmlich gewissenhaft und professionell, denn das hier Veröffentlichte, finde ich, deutet auf alles andere hin, nur nicht auf „professionelles“ Arbeiten!
5. wenn die Verlage nicht mehr in der Lage sind oder sein wollen, einen Journalisten an den Veranstaltungsort zu schicken, damit er direkt von dort berichten kann, statt sich nur nach dem schriftlichen Redekonzept zu richten!
Ich finde, es wird in Zeiten von Einsparungen bei den Verlagen, was sich leider zuallererst beim Personal und damit bei den Fachkräften auswirkt, immer wichtiger, Artikel GENAU zu lesen und sich Alternativen ran zu holen, im Net zu recherchieren, damit man kein falsches Meinungsbild vorgesetzt bekommt. Aber wer macht das schon? Wer hat die Zeit dazu?
Denn das, was da fälschlicherweise in der WAZ berichtet wird, ist schon ein Aspekt, der, wäre er nicht weggelassen worden, anders angekommen wäre. Dass der ausgelassene Text dennoch veröffentlicht und als ausgesprochen „verkauft“ wird, ist schlicht eine Peinlichkeit für ein Blatt, das in diesem Blog schon öfter wegen handwerklicher Fehler kritisiert wurde!
Aus meiner Sicht hat die Qualität des WAZ-Journalismus durch Deine Aufmerksamkeit schon heftig gelitten. Natürlich ist das auch ein Grund, warum ich diese Zeitung ähnlich meide, wie die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands, deren Namen ich hier nicht einmal nennen will! :-P
Gut gebloggt, Jens! :-)
Und diese „Leistung“ soll nun auch noch geschützt werden (Leistungsschutzrecht).
Bei meinen Besuchen im Pott lese ich die WAZ, eine der auflagenstarken und angeblich „linken Blätter“ in Deutschland. Online klicke ich öfter „Der Westen“ an.
Dabei stelle ich immer wieder fest: belanglos und uninteressant. Schade, dass viele Regionalblätter inzwischen in den WAZ-Topf gesteckt wurden.
In Anmerkung 2 heißt es: „man erinnert sich: Vertreter von CDU/CSU/FDP forderten eine vollständige Transparenz von Peer Steinbrück, die dieser dann auch lieferte“ – das ist nicht korrekt. Steinbrück hat Transparenz nur für seine Vortragshonorare geliefert – nicht für andere, wie zum Beispiel Buchhonorare. Bei der Diskussion im Bundestag geht es aber um generelle Transparenz, nicht selektive wie bei Steinbrück. Man kann die verschiedenen Parteien für ihre jeweiligen Positionen kritisieren – aber so, wie es in dieser Anmerkung steht, ist es nicht richtig. Das wäre nur korrekt, wenn Steinbrück ALLE Nebeneinkünfte transparent offengelegt hätte. Was er nicht hat. Und das sind keine Petitessen – es geht bei den anderen Einkünften um ähnlich hohe Summen wie bei den Vortragshonoraren!
Ich finde es ehrlich gesagt auch ziemlich Schwach, dass man es als Redakteur nicht für nötig hält seine Artikel mit der Realität abzugleichen! Aber wahrscheinlich liegt dass Problem beim Trend hin zum „Sparjournalismus“ und der Schnelllebigkeit des Internets!
LG
Kilian
Er hat in 100 Minuten nicht einnmal H4 oder Agenda gesagt. Was will der? Was will die Partei. So viel saufen, dass man deren Taten vergisst, kann sich ja keiner mehr leisten.
@ Jens!
Dein Zitat: „Leider muss man feststellen, dass er das eben nicht versicherte…“ also dass wie die WAZ sich zurecht reimte: „Sein Kontostand als „wohlhabender Sozialdemokrat“ sage nichts aus über seine Fähigkeit, sich für Bürger einzusetzen, denen es schlechter gehe, versichert e“…
Das LEIDER muss man wohl eigentlich 20 mal unterstreichen.
Aber vielleicht hatte er es auch deshalb nicht gesagt, weil er wirklich ehrlich ist ?
Für die SPD wäre es gut gewesen, wenn er es ehrlich wirklich gesagt hätte.
Bleibt die Frage! War es wirklich ein redaktioneller Fehler?… dann würde ich sagen… oK ist menschlich.
Diente der WAZ Bericht dazu, Steinbrück etwas positiver bei bestimmten Wählerschichten darzustellen? … dann ist es Manipulation.
@ Berliner!
Also das die WAZ ein „linkes Blatt“ sein soll habe ich bisher noch nie gehört.
@Tim Shady (2):
Ja, das passiert öfters. Nur bemerkt man es leider nicht immer so schnell.
@Renate (3):
Ja, das ist aberwitzig irgendwie.
@Beobachter (5):
Stimmt, da muss ich mich korrigieren.
Aber die Transparenz bei Buchhonoraren ist meiner Meinung nach nicht so erforderlich, denn da ist er ja im Grunde genommen von den Lesern bezahlt – und die beeinflussen ihn sicherlich nicht.
@Kilian (6):
Der Artikel war aber schon in der Print-Ausgabe.
@Marty Ludischbo (8):
Das Gerücht, dass die WAZ links stehen soll, habe ich auch schon öfters verwundert gehört.