Wir in NRW-Blog, der Stern und der Versuch einer Kampagne gegen Hannelore Kraft und die SPD in NRW
Am kommenden Sonntag sind die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und ganz objektiv betrachtet – die Situation für die CDU und ihren Spitzenkandidaten Norbert Röttgen sieht nicht unbedingt gut aus:
In den Umfragen liegt die SPD weit vorne (siehe wahlrecht.de), der „natürliche“ Koalitionspartner FDP scheint auch nicht so recht von der CDU und ihrem Spitzenkandidaten überzeugt zu sein (siehe SPIEGEL Online), er muss inhaltlich zurück rudern (siehe RP-Online) … usw.usf.
Jüngst musste er sich im Fernsehsender ZDF info ((bei dem jetzt wahrscheinlich nicht jeder sagen kann, auf welchem Kanal er im Fernseher gespeichert ist)) und bei YouTube ((mit wahrscheinlich langfristig mehr Zuschauerzahlen als bei ZDF info)) ob eines freud’schen Versprechers leicht verspotten lassen, als er bedauerte(!), dass die Wählerinnen und Wähler über die Position des Ministerpräsidenten in NRW entscheiden:
Insofern schien der Wahlkampf für die CDU bereits gelaufen zu sein, doch am heutigen Mittwoch freute sich der christdemokratische Teil des Netzes über eine Pressemitteilung: stern: Anonyme Blogger im NRW-Wahlkampf 2010 profitierten mutmaßlich nach dem Wahlsieg durch Aufträge aus einem SPD-Ministerium und der Staatskanzlei
Dass im Wahlkampf 2010 das Wir in NRW-Blog eine große Rolle spielte, dürfte bekannt sein. Interna aus der CDU wurden dort verbreitet die kein gutes Licht sowohl auf die Landesregierung als auch auf die CDU selbst warfen (und deren Inhalte niemals bestritten wurden). Jetzt heißt es, dass die dafür verantwortlichen Blogger „mutmaßlich“ ((damit sichert man sich wohl juristisch ab, wenn’s doch nicht so gewesen ist)) durch Aufträge der Landesregierung davon profitierten.
Die ganze Thematik ist meiner Meinung nach recht schwierig zu beurteilen, dennoch kann man sich meiner Meinung nach nach Berücksichtigung diverser Positionen eine Meinung dazu bilden:
Der eigentliche Stern-Artikel
Persönlich fand ich die Sache so interessant, dass ich via Twitter Kontakt mit den verantwortlichen Stern-Leuten aufnahm – und ich muss dahingehend ein Lob aussprechen, ich bekam sofort eine Rückmeldung per Mail. Da ich jedoch – spätestens nachdem die FAZ den angeblichen Kitazwang von Hannelore Kraft per Vorabmitteilung in die Welt setzte – ein wenig solche Vorabmeldungen scheue, wollte ich eigentlich den wirklichen Artikel dazu lesen. Leider konnte man mir den Artikel nicht zur Verfügung stellen ((obwohl ich scherzhaft anmerkte (was aber trotz des Scherzes stimmt!), dass ich Stern-Abonnent bin)), auch mit einer Art Sperrfrist würde es nicht gehen. Schade. Nun denn, daraufhin habe ich mir über die eMag-App des Stern den neuen Stern von morgen gekauft ((insofern also habe ich die Ausgabe doppelt)), mich erstmal über die App an sich geärgert (nicht wirklich intuitiv und vom Retina-Display des neuen iPad hat man – angesichts der zu erblickenden Pixelwüsten im Text dort – wohl auch noch nichts gehört), und mir dann den Artikel dazu durchgelesen.
Den eigentlichen Artikel gibt es leider nicht online, so dass man sich da leider nicht direkt mit einem Klick eine Meinung zu machen kann. Ich persönlich finde jedoch, dass er ein bisschen Geschmäckle hat, da zwischen den Zeilen leichte Vorwürfe transportiert werden. So wird beispielsweise von einer Ausschreibung berichtet, wo es dann heißt:
„Drei Unternehmen wurden angesprochen, am Ende erhielt PR-Neuling […] den Zuschlag.“
Das klingt ein wenig so, als ob ein PR-Neuling so einen Auftrag nie hätte haben dürfen. Aber mal ehrlich: Dem einem oder anderen Journalisten traue ich schon zu eine Broschüre zu erstellen.
Was ich jedoch sehr merkwürdig finde ist, dass der Stern die Aussagen der Landesregierung dazu anscheinend bei der eigenen Berichterstattung ignorierte. So heißt es im Beitrag Landesregierung weist Stern-Vorwürfe zurück:
Breustedt bedauert unausgewogene Berichterstattung
Regierungssprecher Breustedt bestätigte, dass die beiden Agenturen mit den Aufträgen beauftragt worden sind. Allerdings beteuerte er: „In allen diesen Verfahren erhielt das jeweils beste und wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag.“ Für alle Publikationen habe es ordnungsgemäße Vergabeverfahren und Ausschreibungen gegeben. „Ich bedauere, dass der Stern dies nicht im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung berücksichtigt hat“, fügte der Regierungssprecher hinzu.
Das Alter einer PR-Agentur gehört sicherlich nicht zu den Ausschreibungskriterien, die Wirtschaftlichkeit jedoch schon eher…
Was übrigens am Rande des Artikels amüsant ist – morgen erscheint ein Stern, der inhaltlich leider etwas veraltet ist (das ist so der Nachteil der Totholzmedien), denn im Zeit-Blogartikel Rüttgers, der Tiger und die Folgen erfährt man, dass der Wir in NRW-Herausgeber Alfons Pieper sich von dem Autoren Steinkühler, der hinter dem Pseudonym „Theo Tiger“ stecken soll, getrennt hat. Abgesehen davon, dass ich interessant finde, dass in dem Blogbeitrag keinmal der Autor hinter „Theo Tiger“ wirklich genannt wird (und ich bin da jetzt mal solidarisch und mach das auch!).
Handelsblatt: In Düsseldorf wird es schmutzig
Interessant ist auch der Blogbeitrag des Handelsblatts In Düsseldorf wird es schmutzig. Ich zitiere da mal ‚raus:
Was Krafts Sprecher auf die Palme bringt, ist die von ihm vermutete Zusammenarbeit zwischen Stern und Union. Es sei doch kein Zufall, dass die Pressemitteilung der CDU verschickt worden sei, noch bevor man den Stern-Artikel im Netz habe finden können, sagt er. Kollegen hätten ihm außerdem davon berichtet, dass CDU-Generalsekretär Oliver Wittke schon vor Tagen von der bevorstehenden Berichterstattung gewusst haben soll.
Wenn man überlegt wie schnell die CDU und die Junge Union darauf reagieren konnte ist das natürlich schon interessant. Wobei es natürlich auch ganz anders sein könnte. Nach Informationen die das Pottblog erfahren konnte, deren Wahrheitsgehalt jedoch nicht überprüft werden konnte, soll die Berichterstattung im Stern ursächlich mit einem anonym erteilten Hinweis in Zusammenhang stehen. Wobei das Thema „Wir in NRW“-Blog ja schon 2010 diskutiert wurde und bereits im April erneut – bei post-von-horn.de – thematisiert wurde.
SPD-nahe WAZ verhindert Berichte – oder so…
Weiter wird im Handelsblatt – und auch in einem Kommentar bei den Ruhrbaronen – aus einer CDU-internen Mail zitiert (hey, das ist die Anknüpfung an 2010 – da wurde auch immer aus CDU-Mails zitiert!):
Die WAZ beispielsweise hat auf die Veröffentlichung nach einem Anruf von Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beim Chefredakteur Ulrich Reitz verzichtet. Und die Ministerpräsidentin soll weitere Chefredaktionen in NRW angerufen haben.
Also wer das geschrieben hat, der dürfte die WAZ kaum kennen (und die Mail stammt scheinbar aus dem Kreis Recklinghausen, ein Gebiet, in dem die WAZ-Mediengruppe nun nicht gerade das erfolgreichste Medium ist), denn gerade Chefredakteur Ulrich Reitz war wohl noch nie im Verdacht, dass er der SPD nahesteht – aber das wundert auch nicht, denn jemand, der sogar schon mal Regierungssprecher von Angela Merkel gehandelt wurde, lässt sich sicherlich nichts von einer Sozialdemokratin sagen. Wer – so wie ich (und vermutlich im Gegensatz zu vielen, die heute noch behaupten, die WAZ-Mediengruppe sei SPD-nah!) die WAZ liest, der weiß, dass das mit der SPD-Nähe vielleicht mal in den 80’er Jahren stimmte, aber jetzt nur noch eine gerne hervor geholte urbane Legende ist. Wer das anzweifelt soll mal den Artikel Hannelore Kraft und das Spermium: Fremdschämen mit der (über die?) Westdeutsche Allgemeine Zeitung lesen…
Transparenz beim Stern?
Während das ePaper des Sterns in einem Infokasten mit Verweis auf eine Internet-Seite „mehr über den roten Filz in NRW“ informiert (wo es – zum Zeitpunkt des Abrufs – um 109 Rechtsextreme ging – etwas was ich jetzt nicht unter „rotem Filz“ abhandeln würde), und damit mehr oder weniger subtil (oder doch eher brachial?) die eigenen Vermutungen und Verdächtigungen als Fakten darstellt (die letzten großen Affären in NRW bei denen es um Filz ging sind doch eher schwarz – man erinnere sich beispielsweise an das Landesarchiv in Duisburg), gibt es inzwischen dort einen neuen Blogbeitrag:
Im Beitrag Merkwürdiges Transparenzverständnis wird NRW-Regierungssprecher Thomas Breustedt dafür kritisiert, dass er die Anfragen des Sterns der versammelten Journalistenschar verteilte. Dass in den ausgeteilten Unterlagen (u.a. wurden auch die eigentlichen Ausschreibungen, um die es ja eigentlich geht, verteilt) die Kontaktdaten der Journalisten standen ist natürlich nicht schön. Aber wenn es dem Stern dort wirklich um Transparenz gehen würde, dann würde man ja kein Problem haben selber die Fragen zu veröffentlichen. Mein dazugehöriger Kommentar, in dem ich genau das fordere, wurde übrigens auch schon freigeschaltet ((anfangs erschien er nicht – und zur Sicherheit hatte ich mir den Text natürlich abgespeichert, man weiss ja nie…)).
Fragen an den Stern
Wenn der Stern dann gerade eh schon am veröffentlichen ist – dann kann man meiner Meinung nach ruhig noch auf ein paar Fragen die Antworten geben:
- Warum wurden die Entgegnungen der Landesregierung in Bezug auf die Ausschreibung nicht im Artikel berücksichtigt?
- Wie kann es sein, dass anscheinend die CDU schon vor Veröffentlichung des Artikels eine Pressemitteilungs-Maschinerie in Gang setzen konnte?
- Warum scheint der Artikel zwischen den Zeilen – bzw. durch den Infokasten – subjektive Wertungen vorzunehmen?
Fazit…
Bei der ganzen Geschichte bleibt irgendwie ein negatives Geschmäckle… man gewinnt ein wenig den Eindruck, dass man da viel mit Konjunktiven und möglichen Verfehlungen arbeitet, um so ein bisschen zu hoffen, dass da was hängenbleibt, so nach dem Motto „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer!“. Es wird damit auch ein bisschen versucht von den (damaligen) Geschichten von Wir in NRW abzulenken, bei denen die CDU ja bekanntlich nicht im besten Licht erschien.
Solange die Ausschreibungen die hier jetzt vorgenommen worden sind nach rechtsstaatlichen Prinzipien vorgenommen wurden spricht da meiner Meinung nach auch nicht unbedingt was dagegen. Wenn man dann noch einen Vergleich zu 2010 ziehen will: Die prompte Offenlegung aller Informationen durch die Landesregierung (okay, das mit den Telefonnummern des Stern war vielleicht der Eile geschuldet und nicht so sinnig) unterscheidet sich dann doch von den quälend langsamen Reaktionen der Landesregierung bzw. der CDU NRW im Jahr 2010 zu den diversen Vorwürfen, die damals aufkamen – dagegen war ja jeder A40-Stau eine Hochgeschwindigkeitsstrecke.
[…] 1995 (1) « Wir in NRW-Blog, der Stern und der Versuch einer Kampagne gegen Hannelore Kraft und die SPD in NRW Borussia Dortmund (BVB): Das neue Trikot 2012/2013 von Puma? » Pottblogger […]
So ist das halt, wenn man eine knallige Story haben möchte: Abwägen hilft da nicht viel.
Ist halt Wahlkampf, das bringt Leser.
Du bist aber auch nicht anders:
Wenn ein Immobilienentwickler erst spendet und dann ein hochprofitables Grundstücksgeschäft abwickeln kann, gibt es natürlich einen Zusammenhang. Wenn jemand erst einer Partei in den A**** kriecht und dann nachher mit Aufträgen zugeschüttet wird, gibt es selbstverfreilich keinen Zusammenhang.
Wenn der Kölbl+Kruse an die CDU in Duisburg spenden, klar: Korruption. Wenn Kölbl+Kruse an die SPD in Essen und Dortmund spenden: Klar, dabei ist alles mit rechten Dingen zugegangen.
Es ist Wahlkampf. Da sind alle einseitig. Auch du. Das ist auch nicht wirklich schlimm, man sollte nur nicht der anderen Seite vorhalten, dass sie einseitig wäre, das führt nämlich zu nix ;-)
„Das Alter einer PR-Agentur gehört sicherlich nicht zu den Ausschreibungskriterien, die Wirtschaftlichkeit jedoch schon eher…“
Das ist Quatsch. Natürlich gehören erwiesene Zuverlässigkeit, Erfahrung mit der Materie etc. zu den zulässigen Entscheidungskriterien. Und die kann ein Neuling eben nicht vorweisen.
Ich hoffe mal, das war keine Lüge, sondern einfach nur ’ne große Klappe bei gleichzeitig keiner Ahnung der Materie.
[…] von Nordrhein-Westfalen und das Wir in NRW”-Blog (siehe dazu auch den Pottblog-Beitrag Wir in NRW-Blog, der Stern und der Versuch einer Kampagne gegen Hannelore Kraft und die SPD in NRW) stellte Karl-Josef Laumann, der ehemalige Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in NRW, der […]
@egghat (2):
Ich glaube ich habe in Sachen Kölbl+Kruse keine Stadt bisher vergessen. Weder Dortmund, Duisburg noch Essen.
@Karl (3):
Mit der Begründung kann dann ja nie eine neue Agentur mal was machen. Ich finde die fachlichen Qualifikationen dürften unbestritten sein, insofern finde ich das schon akzeptabel.