Update: 3 Jahre Stadionverbot! // Stellungnahme der Verursacher zu den homophoben Plakaten beim Spiel Borussia Dortmund (BVB) vs. SV Werder Bremen veröffentlicht
Das Spiel von Borussia Dortmund gegen den SV Werder Bremen war schon lange abgepfiffen, da dominierten noch zwei Plakate, die auf der Dortmunder Südtribüne für wenige Minuten zu sehen waren, die Diskussion:
(die hier verwendete Fassung ist eine Vergrößerung des Originals, die mit freundlicher Genehmigung des Urhebers genutzt werden kann)
Neben dem obigen Banner mit dem Text
Lieber ne Gruppe in der Kritik, als Lutschertum und Homofick
wurde noch ein weiteres Banner präsentiert gezeigt (welches man bei bvb-fotos.de sehen kann), auf dem folgendes zu lesen war:
Gutmensch, Schwuchtel & Alerta-Aktivist, wir haben Dir mit 20 vs. 100 gezeigt, was Fußball ist. Ihr Fotzen!
Die Aufregung dazu war groß (siehe auch die nachfolgend verlinkten beiden Pottblog-Beiträge: I und II), wie man auch beispielsweise an den Kommentaren erkennen kann.
Inzwischen gibt es eine offizielle Stellungnahme der Verursacher dazu – und da heute der 1. April ist, hofft man schon ein wenig, dass dieser Text nur ein Aprilscherz ist (was ich aber leider nicht wirklich glaube):
Vorweg noch der Hinweis, dass der BVB eine 20.000 Euro-Strafe an den DFB zahlen muss – unter anderem wegen der beiden Plakate und wegen dem Einsatz von verbotener Pyrotechnik und Knallern. Der BVB hat die Strafe akzeptiert und das Urteil wurde somit rechtskräftig. Ein etwas fader Beigeschmack bleibt hierbei – werden solche Vergehen inzwischen mit Rabatt in einen Korb gepackt und gemeinsam behandelt?
Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund verlangte eine offizielle Entschuldigung (siehe hier) und versprach Sanktionen. Die offizielle Entschuldigung gibt es jetzt – zur Dokumentation in vollständiger Form:
Entschuldigung der Desperados Dortmund:
Stellungnahme: Spruchbänder gegen SV Werder Bremen
Als wir im Bundesligaspiel gegen Werder Bremen zwei Spruchbänder präsentierten, ahnten wir nicht, welch großes Echo dies nach sich ziehen würde. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer und könnten wir die Zeit zurück drehen, würden wir dies sicherlich nicht noch einmal tun. Der Druck seitens der Medien und auch innerhalb der eigenen Szene überraschte uns und die teils heftigen Reaktionen können und wollen von uns nicht ignoriert werden.
Um es direkt klar zu stellen: Wir hatten niemals vor, homosexuelle Menschen zu diskriminieren! Unsere Spruchbänder waren eine – auf die Spitze getriebene – Provokation einzelner Bremer Ultragruppen gegenüber, die uns und ganz allgemein die Dortmunder Fanszene mit Nazis gleichsetzen. Wir halten fest, dass dies weiterhin dummes Zeug ist, wir waren nie eine Nazigruppe, werden es auch weiterhin nicht sein und dulden auch keine derartigen Umtriebe in unserer Gruppe.
Wir unterscheiden in unserer Gruppe weder nach Geschlecht, sexueller Ausrichtung, Religion oder nach politischen Ansichten. Unser Fanatismus gehört ganz allein Borussia Dortmund.
Seitens der Bremer Fanszene gab es immer wieder Provokationen in unsere Richtung, welche uns pauschal in eine Richtung einordnen wollten, mit der wir uns nicht identifizieren wollen. Allerdings sahen wir es einfach nicht mehr ein, uns ihnen gegenüber rechtfertigen zu müssen. Die Vorwürfe waren nun Jahrelang immer dieselben und mit diesen relativ stumpfen Bannern wollten wir uns einfach über die sich ständig wiederholenden Vorwürfe aus Bremen lustig machen, die in unseren Augen ebenfalls stumpf waren. Wir müssen aber einsehen, dass viele Menschen unseren Humor nicht teilen und es auch viel zu viele Menschen falsch verstanden haben. Wir müssen auch einsehen, dass die Präsentation dieser sehr markanten Spruchbänder vor der Südtribüne falsch war, weil der Eindruck erweckt wurde, alle Menschen auf der Tribüne stünden dahinter. Wir haben viel Kritik aus der eigenen Szene dafür erfahren müssen, auch wenn der eigentliche Sinn der Banner hier oft eher verstanden wurde. Wir stellen uns dieser Kritik und haben auch dem Verein mitgeteilt, dass uns diese Sache sehr leid tut und wir den BVB, seine Fanszene und die Kultur, die diesen Verein ausmacht, nicht in Misskredit bringen wollten.
Wir möchten nochmals festhalten, dass die daraus entstandene Hysterie für uns nicht vorhersehbar und stellenweise auch nur schwer verständlich war.
Desperados Dortmund im März 2012
Quelle: des99.de/blog
Kommentar zur Stellungnahme:
Nun ja. Es ist eine Entschuldigung. Oder zu mindestens der Versuch einer solchen. Würde das Datum 1. April drunter stehen, dann könnte man es noch als schlechten Scherz bezeichnen. Aber da als Datum März drunter steht kann dies keine Erklärung für den Text sein. Es ist schon faszinierend zu lesen, dass es anscheinend zum Humor der Verursacher gehört über Minderheiten Scherze zu machen. Nichts gegen Humor – aber so ein Humor ist nicht mein Fall. Wenn man dann noch vom fehlenden Verständnis um den Sinn der Banner liest, dann gewinnt man schon den Eindruck, als ob anscheinend alle doof außer die Verantwortlichen sind.
Dass die „Hysterie“ (die ich hier nicht sehe) nur „schwer verständlich war“, spricht jetzt auch nicht wirklich von einer Erkenntnis, so dass davon auszugehen ist, dass diese Entschuldigung (die übrigens – zumindestens momentan – die eigentliche Website komplett ersetzt) eher erzwungen erfolgte. Was ja auch der Fall ist – denn der BVB hatte eine Entschuldigung gefordert. Vielleicht hätte man noch „ernst gemeint“ dazu sagen sollen…
Interessant am Rande ist auch noch, dass der Protest vieler BVB-Fans gegen das Banner (die Gesänge „Und ihr wollt Borussen sein?“ bezogen sich ja nicht allgemein auf ggf. die Sicht versperrenden Banner an sich, sondern auf die diskriminierenden Inhalte der Banner) quasi ignoriert wurde. Aber das passt ja auch nicht zum lustigen Humor der Verursacher.
Kritik am BVB ohne Hintergrundwissen:
Direkt am Tag des Vorfalls und kurze Zeit später konnte man übrigens immer wieder Kritik am Fußball im Allgemeinen und am BVB im speziellen lesen.
Da wurde beispielsweise von Fans anderer Vereine Borussia Dortmund angegriffen bzw. allgemein der BVB oder Fußball. So beispielsweise auch von Markus Hündgen, den Veranstalter vom Webvideopreis (den ich an sich sonst schätze, und der darüber informiert ist, dass ich den folgenden Tweet hier veröffentliche):
Ich weiß schon, warum ich den #BVB zum Kotzen finde.
— Markus Huendgen (@videopunk) März 17, 2012
Denn eines hat sich bei dieser Aktion gezeigt – die überwiegende Mehrheit der Fan von Borussia Dortmund verurteilt solche Äußerungen! Mag man anfangs gegen die Banner nur gewesen sein, weil man sich in der Sicht behindert fühlte, gab es große Aufregung auf der Südtribüne als die Inhalte der Banner bekannt wurden und nicht umsonst haben mehrere tausend BVB-Fans dann „Und ihr wollt Borussen sein?“ angestimmt. Es gibt sicherlich immer noch Ewiggestrige allgemein beim Fußball, sicherlich auch bei Borussia Dortmund (was ja jetzt augenscheinlich wurde!), aber man sollte nicht verallgemeinern.
Update (02.04.2012):
Der BVB hat durchgegriffen – und zwar hart, wie zuerst Sascha Bacinski von Sky Sport News HD berichtete:
#BVB spricht gegen Urheber des homophoben Plakates im Spiel gegen #Bremen 3 Jahre Stadionverbot aus!!!! #ssnhd
— Sascha Bacinski (@Sky_Sascha) April 2, 2012
In der Konkretisierung heißt es von ihm bzw. von Marcus Bark (freier Sportjournalist):
@pottblog Watzke hat mit der Ultra-Gruppierung ein Gespräch geführt! Die haben sich wohl entschuldigt, #BVB wollte wohl ein Zeichen setzen!
— Sascha Bacinski (@Sky_Sascha) April 2, 2012
@pottblog intensive Gespäche mit „Gruppen“ + Zitat Watzke: „gegen jegliche …“
— Marcus Bark (@artus69) April 2, 2012
Pressemitteilung des BVB dazu:
Nachfolgend der Wortlaut der BVB-Pressemitteilung dazu:
Stadionverbot nach Beleidigungen auf Transparenten
Nach einem Gespräch mit der Ultra-Gruppierung, die für das beleidigende und homophobe Transparent verantwortlich war, das beim Spiel gegen Werder Bremen auf der Südtribüne des Signal Iduna Parks gezeigt wurde, hat Borussia Dortmund die Personen, die für die Aktion verantwortlich waren, mit der Höchststrafe von drei Jahren Stadionverbot belegt. In einer sehr intensiven Diskussion mit dem Vorsitzenden der BVB-Geschäftsführung, Hans-Joachim Watzke, zeigte sich die Gruppierung einsichtig und entschuldigte sich öffentlich für ihr Fehlverhalten [siehe den Text oben; Anm. d. Pottblogs].
„Wir haben in diesem Gespräch einmal mehr sehr deutlich gemacht“, erklärte Hans-Joachim Watzke, „dass Borussia Dortmund für Toleranz, Weltoffenheit und respektvollen Umgang mit jedermann steht. Wir verurteilen Gewalt und Rassismus und setzen uns dafür ein, dass in unserer Gesellschaft Miteinander statt Gegeneinander praktiziert wird.“
Interessant dabei ist, dass
- nur von einem Transparent die Rede war, obwohl es zwei waren (und auf dem zweiten wurden auch noch Frauen gegenüber sexistische Aussagen getätigt)
- die Höchststrafe bei so etwas nur drei Jahre beträgt – ich hätte hier eher auf ein „lebenslang“ getippt (nicht, dass ich das jetzt fordern würde)
Ich denke der BVB hat eine eindrucksvolle Reaktion gezeigt!
Es mag eine Entschuldigung sein, aber mir reichen die ersten Zeilen, um zu erkennen, dass es keine wirkliche und ernst gemeinte Entschuldigung ist!
Allein von „Hysterie“ zu schreiben, sagt alles! Und wer solche Spruchbänder produziert und von einer unbeabsichtigten Diskriminierung schreibt, weiss entweder nicht, was er schreibt oder zeigt deutlich seine Einstellung zu Gays & Lesbians!
Nö, so richtig einsichtig war der Fehler mit den Plakaten seitens der Macher wohl nicht!
[…] Homophobes Plakat auf der Südtribüne beim Spiel Borussia Dortmund vs. Werder BremenStellungnahme der Verursacher zu den homophoben Plakaten beim Spiel Borussia Dortmund (BVB) vs. SV W…Plaste und Elaste für Angela Merkel aus dem PottWahlplakate in Bochum: Rot dominiert […]
Hintergrundwissen my ass. Anstatt hier um die verbeulte Außendarstellung des BVB zu flennen, solltet ihr den Desperados einen Besuch abstatten und ihnen mal erklären, was solche Fangruppierungen dem Ansehen antun.
naja, ganz so war das aber nicht immer bei den Borussen, ein bisschen ist da wohl aus der Vergangenheit hochgeschwappt in Bremern, die Jungs aus Dortmund waren ja bekannt für Ihre politische Einstellung…..aber das war dann wohl früher? :-) So hoffe ich..
mit sportlichem Gruß
So, nachdem das mit der nicht vorhandenen Homophobie und dem etwas stumpfen Humor nun in aller Ausführlichkeit geklärt ist, könnten wir vielleicht nach den Minderheiten zu einer nur unwesentlich größeren Randgruppe – ca. die Hälfte der Weltbevölkerung – kommen? Oder darf ich davon ausgehen, dass schwul zwar nicht als Schimpfwort akzeptiert ist, Fotze aber schon?
Hmm… ich finde die Entschuldigung jetz nicht gänzlich misslungen. Die Frage ist natürlich ob man sich noch auf eine einlässt. Die Erklärung finde ich auch ein bißchen dünne, aber die Distanzierungen sind doch wichtig, das Eingeständnis zu einem common sense zu dem Thema.
[…] Dortmund II: Stellungnahme der Verursacher zu den homophoben Plakaten beim Spiel Borussia Dortmund (BVB) vs. SV Werder Bremen veröffentlicht…Pottblog […]
Danke, Sarina. Homophob UND sexistisch sind die Banner, aber letzteres wurde noch gar nicht angesprochen.
Ich schäme mich hier schon sehr für den BVB und seine Fans.
Die Entschuldigung de Desperados wirkt alles andere als einsichtig. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass sie lediglich erfolgte, um weitere Konsequenzen seitens des BVB gegen die Verursacher abzufedern.
Unverschämt ist der Versuch, den schwarzen Peter doch noch irgendwie den Bremer Ultras in die Schuhe zu schieben, weil diese angeblich die Dortmunder Fanszene mit Nazis verglichen. Zum einen verstecken sich die Desperados in dieser Argumentation erneut hinter den Dortmunder Fans, wie sie das ja auch schon während des Spieles taten, als sie die Spruchbänder ausrollten. Zum anderen sei an dieser Stelle daran erinnert, dass in Deutschland gerade zur Zeit der Nazis Schwule und Lesben zu Hauf diskriminiert, in Konzentrationslager gesperrt und umgebracht wurden. Allein vor diesem Hintergrund verbieten sich schon solche Spruchbänder, auch wenn sie polemisch gemeint sein sollten.
Ob der BVB wirklich hart reagert hat, mögen andere entscheiden. Dafür verstehe ich zu wenig von Fußball. Aber das beschämende Verhalten der Desperados geht halt nicht nur Fußballfans etwas an, sondern die ganze Gesellschaft.
[…] über die Entwicklungen seit dem Spiel der Borussia gegen Werder mit vielen Updates gibt es beim Pottblog zu […]
Ich weiß echt nicht, wieso sich alle so anstellen.
Ich als Bremer weiß, gegen wen die Banner waren und kann dem nur ABSOLUT ZUSTIMMEN.
„Racaille Verte“ und die ganzen anderen widerlichen Ultra-Gruppen haben nichts anderes verdient!
mal im ernst, gegen DES99 gab es schon immer vorbehalte selbst in der Ultra-Szene wurden immer wieder stimmen laut das dort bekennende nazi mitmachen. Von diesen hat dortmund ja scheinnbar ne ganze menge.
darüber hinaus wurde sich nicht nur homophob und sexistische geäusstert sondern auch ganz klar eine antifaschistsiche organisation angegriffen „Alerta“, welches ein zusammenschluss von mehreren ultra gruppen ist.
da kann man nun zu stehen wie man will alá politik hat im fussball nix zu suchen doch sollten sich grade mal diese neunmal klugen ultra gruppen darüber kalr werden das jeder ihrer scheiss sticker politische statements setzt, sei es ACAB, das anprangern von Stadionverboten, die überwachung auf fahrten und im stadion, kein 20 fürn steher etc. pp.
Politik ist bei diesen ganzen ultras nur dann unerwünscht wenn sie sich gegen Nazis in den Kurven ausspricht! immer wieder wird doch gegen antifaschistische Gruppen gewettert von wegen politik blabla, ganz klar das DES99 da mit macht. Würden sie da anders denken müßten sie ja scheinbar leute aus ihrer gruppe werfen… tja sind halt ebend doch nicht alle so „ultra“, von wegen alles für den verein.
@Tim (1):
Ja, so ganz „ernst“ klingt das nicht.
@Markus Hündgen (3):
Genau das wurde gemacht.
@Sarina (5):
Ein wichtiger Punkt, der leider bisher (auch von mir) in der Darstellung ignoriert wurde. Wobei ich da eigentlich auch einen Absatz zu schreiben wollte (deswegen hatte ich das ja auch „zitiert“).
@Phil (8):
Für einen kleinen Teil bitte nur schämen.
[…] hierzulande alles Pfannkuchen und Sonnenschein bedeutet. Das macht alleine schon klar, wenn die Verursacher von Homophoben Plakaten bei einem Spiel von Borussia Dortmund sich “entschuldigen”. “Lieber ne Gruppe in der Kritik, als Lutschertum und […]