Dokumentation der Vorgänge in der FDP-Fraktion Bochum: Fragen an Jens Lücking von den „Freien Bürgern“ und die FDP-Politiker Heiko Fröhlich, Bastian Gläser und Felix Haltt
Gestern Abend berichtete das Pottblog im Beitrag Spaltung der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Bochum in Fraktion der freien Bürger und eine Rest-FDP-Gruppe? über – recht neutral formuliert – „Änderungen in der politischen Landschaft des Rates der Stadt Bochum“.
Mit den „Freien Bürgern“ gibt es augenscheinlich eine neue Fraktion, während es eine FDP-Fraktion im Bochumer Rat nicht mehr gibt. Ãœber die Hintergründe dazu wurde im verlinkten Artikel schon etwas spekuliert. Das Pottblog hat bei den Akteuren
- Jens Lücking, Fraktionsvorsitzender der „Freien Bürger“, bis vor kurzem Fraktionsvorsitzender der FDP im Rat der Stadt Bochum und bis vor rund einer Woche FDP-Kreisvorsitzender Bochum
- Bastian Gläser, seit kurzem neuer FDP-Kreisvorsitzender Bochum
- Heiko Fröhlich, Mitglied in der FDP als Partei (nicht mehr FDP-Fraktion), Mitglied im Rat der Stadt Bochum
- Felix Haltt, Mitglied in der FDP als Partei (nicht mehr FDP-Fraktion), Mitglied im Rat der Stadt Bochum
nachgehakt. Die entsprechenden Antworten sind – in der Reihenfolge der Antworten – nachfolgend dokumentiert:
Bastian Gläser, Kreisvorsitzender FDP Bochum
Bastian Gläser (Foto: FDP Bochum), der neue Kreisvorsitzende der FDP Bochum, ließ über Philipp Hoff (den Schriftführer der FDP Bochum) die nachfolgend im Wortlaut dokumentierte Pressemitteilung zu den aktuellen Vorgängen im Bochumer Rathaus rund um die FDP-Fraktion bzw. die Fraktion der Freien Bürger verbreiten.
Sollte Gläser noch auf die per Mail versandten Pottblog-Fragen eingehen, wird das natürlich auch noch nachgetragen.
Jetzt aber die offizielle Pressemitteilung des FDP-Kreisverbandes Bochum:
FDP-Fraktion im Bochumer Rat mutwillig gesprengt
Kreisverband zutiefst enttäuscht über AbspaltungDie FDP-Fraktion im Rat der Stadt Bochum ist gestern zu ihrer montäglichen Sitzung zusammengetreten. Auf die Tagesordnung hatte der Fraktionsvorsitzende Jens Lücking auch die Neuwahl des Fraktionsvorstandes gesetzt, die turnusgemäß erst in zwei Monaten angestanden hätte. Bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden wurde Jens Lücking mit den Stimmen aller Fraktionsmitglieder wiedergewählt. Bei der dann folgenden Wahl des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden setzte sich Sascha Merz in einer Kampfabstimmung gegen den bisherigen Amtsinhaber Felix Haltt durch.
Nach dieser Wahl des Fraktionsvorstandes wurden nacheinander die Ratsmitglieder Felix Haltt und Heiko Fröhlich aus der FDP-Fraktion ausgeschlossen. Sie haben daraufhin die Fraktionssitzung verlassen.
„Allein dies wäre schon ein ungeheuerlicher Vorgang gewesen“, so der Kreisvorsitzende Bastian Gläser. „Felix Haltt ist seit 2004 Mitglied der FDP-Fraktion gewesen, Heiko Fröhlich seit 2009. Beide haben sich engagiert in die Ratsarbeit eingebracht.“
Im Laufe des Abends erreichte den FDP-Kreisverband dann ein Fax, mit dem die Ratsmitglieder Jens Lücking, Sascha Merz und Hans-Friedel Donschen ihren Austritt aus der FDP erklärten. Gemeinsam mit dem parteilosen Ratsmitglied Dr. Klaus-Axel Riemann gründeten sie dann die Fraktion „Freie Bürger im Rat der Stadt Bochum“.
„Offenbar ist diese Entscheidung bewusst vorbereitet worden und steht im Zusammenhang mit dem letzten Kreisparteitag“, so Schriftführer Philipp Hoff.
Auf dem Kreisparteitag am 18. Februar 2012 hatte sich die FDP Bochum personell neu aufgestellt. Jens Lücking ist nicht wieder als Kreisvorsitzender angetreten. Zu seinem Nachfolger wurde mit 70 % Bastian Gläser gewählt. Auch Sascha Merz und Hans-Friedel Donschen verzichteten auf eine erneute Kandidatur für den Kreisvorstand.
Hoff weiter: „Obwohl es auf der Fraktionssitzung ein klares Vertrauensvotum für den Fraktionsvorsitzenden Jens Lücking gegeben hatte, nahm man die eindeutigen Personalentscheidungen des Kreisparteitages wohl zum Anlass, die FDP-Fraktion mutwillig zu sprengen.“
„Wir sind menschlich sehr enttäuscht“, so der Kreisvorsitzende Bastian Gläser. „Vor allem ist bemerkenswert, dass die drei Ratsmitglieder, die über die Ratsreserveliste der FDP in den Rat eingezogen sind, nach ihrem Austritt aus der FDP ihre Mandate behalten wollen. Als Dirk Caemmerer die FDP verlassen hatte, hatte ihn Jens Lücking als damaliger Kreisvorsitzender aufgefordert, seine Mandate in Rat und Bezirksvertretung aufzugeben, da sie ja nur aufgrund des guten FDP-Ergebnisses errungen wurden. Wenn man diese Maßstäbe von damals anlegt, müssten die drei aus der FDP ausgetretenen Ratsmitglieder ihre Mandate konsequenterweise niedergelegen.“
Die FDP Bochum stellt sich gemeinsam mit den Ratsmitgliedern Felix Haltt und Heiko Fröhlich der neuen Herausforderung für die politische Arbeit. Die beiden Ratsmitglieder werden voraussichtlich eine FDP-Ratsgruppe bilden.
Jens Lücking, ex-FDP, jetzt „freier Bürger“
Jens Lücking (Foto: Stadt Bochum) hat auf die Nachfragen des Pottblogs reagiert und bestätigt, dass er gemeinsam mit den anderen ehemaligen FDP-Mitgliedern der neuen Ratsfraktion die Partei verlassen hat.
Sein Beweggrund für den Austritt ist, dass er nach jahrzehntelanger Arbeit für die FDP „vom persönlichen
Umgang miteinander enttäuscht [ist] und […] die FDP personell für die vor ihr liegenden Aufgaben nicht so aufgestellt [sieht], dass […] [er sich] damit weiter identifizieren könnte“. Er bestätigte auch, dass er gerne beim vergangenen FDP-Parteitag noch einmal als Vorsitzender hätte kandidieren würden, „aber auch bei dem Wunsch einer anderen Kandidatur im Vorfeld gern für einen Ãœbergang zur Verfügung gestanden [hätte]“. Aus der FDP-Fraktion sei er im Laufe des gestrigen Tages (auch) ausgetreten, nachdem er „feststellen musste, dass in den
bestehenden Strukturen eine Änderung bis zur nächsten Kommunalwahl nicht möglich war“.
Nach dem Parteitag beurteilt er die politische Situation innerhalb der FDP Bochum so, dass „die Zusammensetzung des Kreisvorstandes […] nicht die Mitgliedschaft in der Bochumer FDP wider [spiegelt], weshalb viele langjährige FDP-Mitglieder äußerst verstimmt sind“.
Als Grund für den Ausschluss der beiden Ratsmitglieder Heiko Fröhlich und Felix Haltt aus der (da noch FDP-) Fraktion gab er an, dass „das für eine politische Zusammenarbeit notwendige Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben war“.
Zur Frage ob die Freien Bürger Bochum eine „neue politische Fraktion“ (wie in den Eigenangaben erwähnt) sind oder aber eine umbenannte FDP-Fraktion darstellen, erklärte Lücking, dass es keine reine Umbenennung ist, „denn es wurde eine neue kommunalpolitische Kraft abseits parteipolitischer Pfade gegründet, die alle Bürger mit einbinden möchte, die sich dem Liberalismus verbunden fühlen“. Die Idee zur Gründung der Freien Bürger sei nicht länger vorbereitet gewesen, sondern erst in den letzten Tagen gereift und als politische Ziele setzt man „auf wirtschaftliche Vernunft und nachvollziehbare, die Bürger beteiligende Entscheidungsprozesse“.
Das Procedere bei der Gründung der Fraktion der Freien Bürger (Ausschluss von zwei FDP-Ratsmitgliedern, die nicht der neuen Fraktion angehören (sollen?) und mutmaßliche Umbenennung der FDP-Fraktion) wurde vor allem gewählt, um sowohl die Arbeitsfähigkeit der neuen Fraktion sicherzustellen als auch die sozialen Belange (in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter) zu berücksichtigen.
Schlussendlich sagte Jens Lücking dem Pottblog, dass er die Formulierung, wonach die „Mehrheit der FDP-Fraktion gegen die Minderheit geputscht“ habe, nichts hält, „denn ein ‚Putsch‘ erfolgt immer von unten nach oben und nicht von oben nach unten.
Stellungnahme von Heiko Fröhlich und Felix Haltt:
Die gemeinsame Stellungnahme der beiden verbleibenden FDP-Mitglieder im Bochumer Rat findet sich in einem eigenen Beitrag: Bruch der FDP-Fraktion in Bochum: “juristisch im Detail vorbereitet†so Heiko Fröhlich und Felix Haltt (FDP)
Weitere Berichte:
Nachdem gestern erste Berichte hierzu in Blogs erschienen, haben inzwischen auch die „klassischen Medien“ reagiert. So berichtete Radio Bochum kurz über den Sachverhalt (und wird das wohl noch ausführlicher machen, da beispielsweise Ratsmitglied Heiko Fröhlich heute dort einen Gesprächstermin hat), während inzwischen auch die Ruhr Nachrichten und die WAZ bzw. DerWesten berichten.