Bochums Politiker wollen den erst abgelehnten Sonntagsverkauf für 2012 jetzt doch noch ermöglichen
Wer sich direkt über die Pläne zur Ermöglichung von verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen in Bochum im Jahr 2012 informieren will, kann direkt diesen Link anklicken – ansonsten gibt es noch ein paar einleitende Worte und interessante Umfragen…
Vergangene Woche machte die Stadt Bochum mit einer überraschenden Entscheidung auf sich aufmerksam – auf der Tagesordnung des Stadtrates stand die Entscheidung über die „Ordnungsbehördliche Verordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen“ – oder aber kurz gesagt über verkaufsoffene Sonntage in der Stadt Bochum.
Der Tagesordnungspunkt 1.9 sollte eigentlich wie in fast allen Bezirksvertretungen ((nur die BV Mitte lehnte die Vorschläge ab (Gründe sind dem Protokoll nicht zu entnehmen), während die BV Nord sich vertagte, da der Ruhrpark Bochum bei den letzten verkaufsoffenen Sonntagen keine Maßnahmen zum Schutz der Wohngebiete veranlasst hat und es daher noch Klärungsbedarf mit dem Center-Manager gab)) der Stadt Bochum „durchgewunken“ werden – so wie in den vergangenen Jahren auch.
Doch es kam alles ganz anders – wie u.a. die Ruhr Nachrichten und DerWesten berichteten: So stimmten 75 Ratsmitglieder über die Vorlage ab und nur 36 Ratsmitglieder stimmten dafür, während 37 dagegen stimmten und 2 sich enthielten. Demnach haben also zwei Stimmen gefehlt (teilweise wurde nur von einer fehlenden Stimme berichtet – aber dann wäre es ein Patt und der Antrag hätte also keine Mehrheit gehabt und wäre auch abgelehnt worden)… und die Aufregung war groß.
Ist der einkaufsfreie Sonntag in Bochum schlimm?
Nach der Abstimmung frohlockten die Gegner des Sonntagseinkaufes, die schon in der Vergangenheit insbesondere die Häufung der verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage kritisierten. Auch die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde immer wieder als Argument gegen zu viele verkaufsoffene Sonn- und Feiertage ins Feld geführt. Jedoch kann man diesem Argument auch einiges entgegensetzen – denn es gibt ja auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in anderen Branchen die selbstverständlich an Sonn- und Feiertagen arbeiten und außerdem kann man ja nicht verhehlen, dass verkaufsoffene Sonntage auf positive Resonanz im Handel stoßen (ansonsten würden diese auch nicht beantragt).
Ist man eher für oder gegen verkaufsoffene Sonn- und Feiertage?
Auf den vorab verlinkten Artikeln von DerWesten und Ruhr Nachrichten gab/gibt es auch die Möglichkeit, über die Ratsentscheidung zum Verbot der verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage in Bochum abzustimmen.
Die Umfragen sind natürlich nicht wirklich repräsentativ, aber doch schon sehr interessant ((vor allem finde ich die unterschiedliche Anzahl der Stimmen sehr interessant, da eigentlich die WAZ in Bochum eine deutlich höhere Auflage als die RN hat)) – und vor allem vom Ergebnis her eindeutig:
DerWesten-Abstimmung
Ruhr Nachrichten-Abstimmung
In beiden Abstimmungen führen die Gegner der verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage sehr deutlich – was jedoch im Widerspruch zur „Abstimmung mit den Füßen“ steht, denn an verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen sind die entsprechenden Bereiche (ob nun Innenstadt oder in den Stadtteilen) eigentlich immer sehr gut besucht. Wobei das natürlich auch auswärtige Besucher sein könnten, die nicht unbedingt aus der eigenen Stadt kommen.
Umstrittene Abstimmung
Wie es nicht anders zu erwarten war, wurde die Abstimmung zum Teil sehr kontrovers aufgenommen (bei den Befürwortern des Sonntagsverkaufs, insbesondere in der Wirtschaft), während sich die Gegner freuten (siehe dazu die diversen Artikel bei DerWesten (I, II, III, IV) und Ruhr Nachrichten (I, II).
Rolle rückwärts – kommt es jetzt doch noch zu verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen im Jahr 2012 in Bochum?
Doch anscheinend will die Stadt noch einmal über die verkaufsoffenen Sonntage redenRechtsstreit um Sonntagsverkauf in Bochum).
Am Rande des Bürgerforums der Stadt Bochum zu den geplanten Sparmaßnahmen habe ich die maßgeblichen politischen Akteure dazu befragt:
Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz
Pottblog: Wie beurteilen Sie die Ratsentscheidung zum Verbot des Sonntagsverkaufs?
Ottilie Scholz: Mir gefällt das gar nicht, weil ich denke, das so etwas in ein interkommunales Angebot gehört. Ich habe die große Sorge, dass Menschen, die sonst in Bochum sind oder einkaufen gehen, dann wo anders einkaufen gehen. Ich sehe es auch nicht aus „sonntagsstörend“ an, wenn von 13:00 bis 19:00 Uhr die Geschäfte auf sind, weil es immer auch mit einem bestimmten Anlass verknüpft ist: Ob Maiabendfest, ob Bochum kulinarisch … wo man einfach die Gelegenheit nutzt, mit der Familie ein bisschen bummeln zu gehen.
Pottblog: Jetzt gibt es ja diese demokratische Entscheidung. Wird die jetzt wieder zurückgedreht oder muss man damit jetzt für dieses Jahr damit leben?
Ottilie Scholz: Es war ja die Sorge, dass zu viele Sonntage da verplant sind. Ich werde für Anfang nächster Woche zu einem Gespräch einladen – mit dem Vorstand des Einzelhandels, den Vertretern der größeren Fraktionen um dann mal zu gucken, ob eine Reduzierung von Tagen die Möglichkeit gibt, an anderen Tagen die Geschäfte geöffnet zu halten. Muttertag war beispielsweise so ein Tag, der nicht so akzeptabel war, und vielleicht findet man einen Kompromiss.
Lothar Gräfingholt (CDU):
Pottblog: Der Stadtrat hat beschlossen, dass es 2012 keinen verkaufsoffenen Sonntag in Bochum geben soll. Wie sehen Sie das persönlich?
Lothar Gräfingholt: Ich persönlich, als Katholikenratsvorsitzender für Bochum und Wattenscheid, begrüße diese Entscheidung.
Pottblog: Wie sieht die CDU-Fraktion das?
Lothar Gräfingholt: Die CDU-Fraktion hat sich mehrheitlich für die verkaufsoffenen Sonntage entschieden.
Pottblog: Wie beurteilen Sie jetzt, dass dieses demokratische Votum, das getroffen wurde, jetzt schon wieder zurückgerollt werden soll?
Lothar Gräfingholt: Es soll zurückgerollt werden. Es wird wichtig sein, dass es eine echte neue Vorlage gibt. Sollte die Vorlage identisch sein mit der alten Vorlage oder nur kosmetische Änderungen vorgenommen worden sein, wäre das aus meiner Sicht nicht richtig.
Wolfgang Cordes (Bündnis ’90/Die Grünen):
Pottblog: Wie beurteilen Sie die Entscheidung zu den verkaufsfreien Sonntag in Bochum?
Wolfgang Cordes: Viele Marketingleute sagen es wäre schlecht. Also ich finde es ist ein notwendiges Signal. Und dieses Signal kann dazu führen, dass in allen Kommunen, diejenigen, die auch wertorientiert Politik machen, also die nicht nur an die Ökonomie denken, nicht nur an Umsatz denken, die daran denken, dass wir Menschen mehr sind als Käufer und Verkäufer, gestärkt werden. Das wir da Ruhe brauchen in der Woche, das es andere Bedürfnisse gibt von uns Menschen – das wir diese Diskussion verstärkt führen können. Ich sage konkret für Bochum, das wir da vielleicht einen Kompromiss finden, zwischen den ökonomischen Interessen des Einzelhandels – zwischen Dortmund und Essen ist eben Bochum, und dem muss man ein stückweit entgegen gehen. Aber andererseits kann dieser Einzelhandel diese anderen Bedürfnisse, die eben auch gesellschaftlich da sind, die sich auch artikulieren, nicht ignorieren, die müssen auch ihren Platz finden. Also ich hoffe auf einen guten Kompromiss als Ergebnis und ich hoffe, dass wir eine Diskussion in vielen vielen anderen Kommunen und auf Landesebene angeregt haben.
Pottblog: Warum haben Sie dann nicht auf einen Kompromiss hingewirkt? Es gab ja eine Verwaltungsvorlage, die besagte so und so viele offene Sonntage – und die wurde ja komplett abgelehnt. Da hätte man ja Änderungsanträge machen können?
Wolfgang Cordes: Ich mache das jetzt seit 20 Jahren. Bisher war immer die Abstimmung freigegeben. Dieses Freigeben der Veranstaltung führt dazu, dass im Vorfeld die übliche kommunalpolitische Kompromisssuche ausgeschaltet wurde. In der Vergangenheit wurde immer so oft abgestimmt und so lange gezählt, bis das Ergebnis „stimmte“. Diesen normalen kommunalpolitischen Konsensprozess gab es in der Frage noch nie und deswegen finde ich es sehr positiv, dass diesmal das erste Mal dieser Ballon geplatzt ist und wir jetzt da auch einen Kompromiss finden müssen, in dem alle Bedürfnisse Eingang finden und nicht nur die Interessen der Ökonomie.
Pottblog: Also begrüssen Sie es, dass die Oberbürgermeisterin nächste Woche da zu Gesprächen einladen wird?
Wolfgang Cordes: Das ist bei mir persönlich noch nicht angekommen, aber ich habe das schon direkt nach der Ratssitzung angeregt, weil mir klar war, was losgehen würde und das wir als Stadt Bochum unsere Situation zwischen Essen und Dortmund auch irgendwo in unsere Überlegungen einbeziehen müssen und ich bin froh, dass wir jetzt demnächst an diese Frage regelmäßig anders herangehen werden.
Dieter Fleskes (SPD):
Pottblog: Freuen Sie sich, dass Bochum wieder mal überall in der Presse auftaucht, weil der Bochumer Stadtrat die verkaufsoffenen Sonntage für 2012 komplett ausgeschlossen hat?
Dieter Fleskes: Also jede Popularität, mit den man in den Medien auftaucht, ist eigentlich willkommen, aber diese nicht unbedingt. Aus meiner Sicht war dies kein Ruhmesblatt, auch nicht für den Rat, der diese Entscheidung getroffen hat mit einer sehr knappen Mehrheit – und ich glaube auch, nicht mit sehr überzeugenden Argumenten.
Pottblog: Wie beurteilen Sie das persönlich?
Dieter Fleskes: Ich habe dazu keinen Hehl daraus gemacht, dass ich glaube, das wir damit der Stadt einen Bärendienst erwiesen haben, dass dies ein Imageverlust ist, der nicht nur heute mal eben kurz in den Medien auftaucht und dann vergessen ist; sondern auch durch die Konsequenzen, die man daraus ja ableiten kann und die sind erheblich: Zu einem ein Minus an Ansehen in der Bevölkerung aber auch in den Nachbarstädten und ich sage mal, das sind nicht allein die Kaufkraftverluste, die wir wahrscheinlich vor uns haben. Das ist im Grunde auch die Frage, wie gehen wir eigentlich mit den Stadtbezirken um, wenn die Veranstaltungen dort nicht mehr stattfinden können, die die Menschen dort eigentlich zur Identifikation brauchen, dann glaube ich haben wir in der Tat eine falsche Entscheidung getroffen. Ich glaube man kann aber durchaus den Weg auch noch einmal ein Stückchen wieder zurück gehen, und sagen, wenn es nur um die Anzahl der Veranstaltungen geht, dann gibt es sicherlich Zwischenlösungen, die man diskutieren könnte. Ich wäre sehr daran interessiert, wenn diese Diskussion mit den Gewerkschaften, mit den Kirchen, aber vor allem auch mit der Stadt bzw. der Stadtverwaltung selber, wieder aufgenommen werden würde.
Pottblog: Sie sagten gerade, dass der Rat der Stadt einen Bärendienst erwiesen habe. Sie sind Vorsitzender der größten Fraktion im Bochumer Stadtrat. Hätte man nicht einfach den Verwaltungsantrag mit einem Änderungsantrag modifizieren müssen?
Dieter Fleskes: Wir haben eine Tradition in der Behandlung dieses Themas, die darin besteht, dass wir wegen einer – ich sag jetzt mal nicht Gewissensentscheidung, die dahinter vermutet wird – aber wegen einer, die durchaus in unterschiedlicher Weise von einzelnen für eine persönliche oder weltanschauliche oder anders geartete besondere Meinung gelten kann, gesagt, die Abstimmung geben wir frei. Das Votum war insofern auch frei und wir hatten eigentlich kaum Anlass zu glauben, dass es in dieser Summe aller Ratsmitglieder zu diesem Ergebnis führen würde, weil eigentlich eine solche Entwicklung in den letzten Jahren auch nicht erkennbar war. Es gab immer Abweichler, auch in meiner Fraktion, Abweichler in dem Sinne, dass sie diesen Beschluss eben so nicht wollten, aber es gab nie eine Mehrheit, die an der Stelle irgendwo in Gefahr gewesen wäre.
Pottblog: Die Oberbürgermeisterin Dr. Scholz hat erklärt, dass sie nächste Woche das Gespräch suchen wird. Also begrüßen Sie das um einen neuen Kompromiss zu finden?
Dieter Fleskes: Ja, ich habe mit ihr auch unmittelbar danach muss man ja fast sagen gesprochen und gesagt, dass das so nicht stehen bleiben könne. Wir müssen alle miteinander, und ich glaube wirklich alle miteinander, die Befürworter und auch die Gegner von Öffnungszeiten am Sonntag noch einmal überlegen, ob wir das, was jetzt für die Stadt als Ergebnis herausgekommen ist, für eine ertragbare und damit auch für die Zukunft geltende Lösung halten oder nicht. Letzteres ist glaube ich auch die Meinung, die auch die Oberbürgermeisterin hat und insofern wird ein solches Gesprächsangebot auch auf fruchtbaren Boden fallen.
Man darf gespannt sein, wie es weiter geht und bis wann ggf. eine neue Entscheidung getroffen wird. Interessant wird dann auch sein, wie sich eventuell etwaige Gegner einer weiteren Abstimmung verhalten werden – hier sind schon Rechtsmittel angedroht worden…
[…] 1995 (1) « Bochums Politiker wollen den erst abgelehnten Sonntagsverkauf für 2012 jetzt doch noch ermö… Pottblogger — 8. Februar 2012, 05:54 […]
Tolle Demokratie, man lässt nochmal abstimmen, bis das Ergebniss passt. Ich meine man sollte jetzt für dieses Jahr mit dem Ergebniss leben, und im nächsten Jahr vorher seine „Hausaufgaben“ erledigen.
[…] Bochum III: Politiker wollen den erst abgelehnten Sonntagsverkauf für 2012 jetzt doch noch ermöglichen…Pottblog […]
Vom “Durchwinken†wie in den Bezirksvertretungen kann nicht die Rede sein – auch nicht in den letzten Jahren. Die Bezirksvertretungen nickten in der Regel ihre Termine ab und in den Fachausschüssen wurde stets auf eine Abstimmung verzichtet, da die Abstimmung in den letzten Jahren in allen Fraktionen freigegeben war. Alle haben sich die Konflikte in unterschiedlichen Situationen mit unterschiedlichen Vertretern der Fraktionen erspart, um dann in Rat die Stimmen zu zählen. Und bisher hatten quer durch alle Fraktionen die Befürworter der Sonntagsöffnungszeiten eine Mehrheit.
Der jetzt von der Verwaltung vorgelegte Vorschlag fand diese Mehrheit nicht mehr. Rückschlüsse auf Bezirksvertretungen und andere Ausschüsse würde ich daraus nicht ziehen.
Aus für Verkaufsoffene Sonntage! Oder doch nicht? Die Vorgänge in Bochum – Teil 1…
Nach Kampagne des Einzelhandel – Wird jetzt solange abgestimmt bis das gewünschte Ergebnis feststeht? Merkwürdige Rolle der Lokalzeitung WAZ von Marty Ludischbo (Bochum) Der Rat der Stadt Bochum hatte Anfang Februar einen Antrag des Bochumer Einzelh……
@koenich (2):
Du hast schon recht, ein gewisses Geschmäckle hat es ja, aber die Entscheidung wollte so ja niemand wirklich.
@Dirk Schmidt (4):
OK, in dem Thema bist Du etwas besser drin…
[…] der rot-grün dominierte Stadtrat ursprünglich alle verkaufsoffenen Sonntage ab, woraufhin viele Bochumer Politiker das ganze schnell revidieren wollten (was inzwischen dann auch gemacht […]