Offizielle Reaktionen aus Nordrhein-Westfalen zum vermeintlichen „Schultrojaner“ der Schulbuchverlage (1. Update)
Ende Oktober wurde dank netzpolitik.org (I, II und III) bekannt, dass die Schulbuchverlage mit den Bundesländern einen Vertrag geschlossen haben, der den Einsatz einer Software vorsieht, die überprüft, inwiefern ggf. urheberrechtlich geschütztes Material auf schulischen Servern liegen. Die Formulierung „Schultrojaner“ dürfte dazu beigetragen haben, dass die anfängliche Aufregung ziemlich groß war ((insofern dürfte das diese Formulierung auch weniger aus Unkenntnis erfolgt sein…)), auch wenn es sich faktisch gesehen nicht um eine Trojaner-Software handelt.
Während Kultusminister die Aufregung übertrieben finden, zeigt sich ein Lehrerverband empört. Der Autor eines Lehrerblogs äußert sich im Beitrag Betreff: Schultrojanger – Liebe Schulverlage! auch sehr kritisch. Denn selbst wenn es kein Trojaner ist, ist es doch de facto eine Art Ãœberwachungssoftware, deren Einsatz nicht nur technischen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen, sondern auch personalvertretungsrechtlichen Aspekten entsprechen muss. Abgesehen davon, dass hier mal faktisch gezeigt wird, was von den Sonntagsreden zum Thema Bildung wirklich gehalten wird…
Situation in Nordrhein-Westfalen
Persönlich hat mich vor allem die Position von Nordrhein-Westfalen zu dieser Thematik interessiert und so habe ich – wie im Beitrag NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann lässt Schultrojaner-Bericht prüfen erwähnt – entsprechende Anfragen gehalten. Einerseits an das Ministerium für Schule und Weiterbildung selbst ((als „Nachfolger“ des Kultusministeriums ist dieses für die Schulen des Landes zuständig)), als auch unter anderem an die Fraktionen im nordrhein-westfälischen Landtag.
Der Fragenkatalog, den ich dem Ministerium geschickt habe, bezieht sich unter anderem darauf, ob die zu verwendende Software technisch überprüft wurde ((und von wem)), ob die zuständige Datenschutzbehörde ((in NRW der Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit)) die Software überprüft wurde, ob die gesetzliche Mitbestimmung (arbeitsrechtlich/dienstrechtlich) beachtet wurde und ob der Landtag informiert wurde.Â
Antwort des Schulministeriums NRW
Jörg Harm, der Sprecher des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, hat auf die Pottblog-Anfragen Folgendes mitgeteilt:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um Schnüffelei handelt, sondern um eine angekündigte und kontrolliert durchgeführte Überprüfung von Schulrechnern.
Die von den Verlagen zu erstellende Software zur Identifizierung von digitalen Urheberrechtsverletzungen liegt bisher nicht vor. Klar ist: Eine solche Software wird in Nordrhein-Westfalen nur dann eingesetzt, wenn sie technisch und datenschutzrechtlich unbedenklich ist – so ist es auch vertraglich vereinbart. Sobald die Software vorliegt und bevor sie eingesetzt wird, wird sie einer eingehenden Überprüfung unterzogen. In diese wird der Landesdatenschutzbeauftragte selbstverständlich einbezogen.
Da die Software noch nicht vorliegt (siehe auch den heise-Bericht Geplanter Schultrojaner sorgt für Wirbel), kann man natürlich auf einige der Fragen noch nicht wirklich antworten. Auf andere, die nicht wirklich beantwortet wurden, aber schon.
Stellungnahme von Gunhild Böth MdL
Alle fünf im nordrhein-westfälischen Landtag vertretenen Fraktionen bzw. deren schulpolitischen Ansprechpersonen wurden angeschrieben und um eine Einschätzung gebeten – seitens der Fraktion oder aber persönlich.
Bisher hat nur die stellvertretende Landtagspräsidentin Gunhild Böth von der Linksfraktion geantwortet. Sie lässt dabei mitteilen, dass sie das ganze für eine Scheindiskussion hält und sagt:
„Dieses Programm ist doch völliger Unsinn. […] Es geht doch nicht um das ‚Wieviel‘, sondern um das ‚Warum‘ der Kopien von Schulbüchern an Schulen.“
So haben weder die Schulen genügend Geld, um alle benötigten Unterrichtmittel zur Verfügung zu stellen, noch könnten sich die Eltern einen noch höheren Eigenanteil nach der VO zu § 96 (5) SchulG leisten. Böth weiter dazu:
„Um einen vernünftigen Unterricht zu gestalten, bedarf es doch überhaupt erst dieser Kopien.“
Wichtig ist der Linksfraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, dass Lehrpersonal und SchülerInnen nicht kriminalisiert und die Schulen nicht mit der Verfolgung von Verlegerinteressen beauftragt werden dürften.
Abschließend fordert die Abgeordnete:
„Die Landesregierung ist aufgefordert, eine ausreichende Finanzierung der Schulen auch hinsichtlich der Lernmittel zu gewährleisten und andererseits den Urhebern auch eine angemessene Entschädigung zukommen zu lassen.“
Stellungnahme von Ingrid Pieper-von Heiden MdL
Die schulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag hat sich bei mir telefonisch gemeldet und den nachfolgenden Text auf meine Mailbox gesprochen. Sie bezieht sich dabei auf meine eMail mit dem Fragenkatalog an das Schulministerium, wo auch gefragt wurde, ob es diesen Vertrag überhaupt so gibt und er für NRW gilt.
Nein, das [mit dem Vertrag und der entsprechend einzusetzenden Software; Anm. d. Bloggers] war uns als Fraktion vor der Berichterstattung nicht bekannt.
Die Frage, ob es korrekt sei, dass es diesen Vertrag so gibt: Ich weiß nicht, ob es ihn so gibt, es müsste ihn aber so geben – ohne Ausschluss von NRW, sondern unter Beteiligung von NRW, weil das Einstimmigkeitsprinzip innerhalb der Kultusministerkonferenz gilt und insofern sich NRW dann auch diesem Vertrag angeschlossen haben muss.
Aber ich weiß nichts genaues, es ist auch offiziell in der Tat Verwaltungshandeln. Die Schulministerin hat darüber nicht informiert. Mir ist das offiziell von Seiten des Ministeriums überhaupt gar nicht bekannt. Ich muss auch sagen, das sehen wir nicht unkritisch. Man muss erstmal abwarten, was da kommt. Aber aus Sicht des Datenschutzes muss ich schon sagen, wäre es sicherlich sehr viel zielführender, die Schulen entsprechend mit Sachmitteln auszustatten, als dann zu spionieren unter dem Verdacht, dass die Mittel, die den Schulen gegeben werden, nicht reichen.
Persönlich würde ich einen solchen Vertrag nicht unbedingt als Verwaltungshandeln definieren – es geht ja nicht um die zentrale Bestellung von Kreide für alle Schulen oder so – aber man darf gespannt sein, was demnächst das Schulministerium dazu mitteilen wird, denn noch sind ja einige Fragen unbeantwortet.
Weitere Stellungnahmen
… liegen bisher nicht vor.
Seitens der SPD-Fraktion wurde mitgeteilt, dass die Beantwortung noch ein wenig dauern würde, da man sich „um entsprechende Hintergrundinformationen kümmern“ möchte und bis dahin um Geduld bittet.
[…] NRW II: Offizielle Reaktionen zum vermeintlichen “Schultrojaner†der Schulbuchverlage…Pottblog […]
[…] Blogger verlangen nun Rede und Antwort, inzwischen gibt es nach dem Feiertag am Dienstag auch die ersten […]
Ach ja, laeuft doch immer nach dem aehnlichen Prinzip ab (Musikindustrie, Filmindustrie, Verlagsindustrie): Anstatt selber ein benutzerfreundliches Portal anzubieten wo Lehrer legal und kostenpflichtig tolle Materialien bekommen wird erstmal gedroht, verboten, durchsucht und kriminalisiert. In 1-2 Jahren gibt es dann ’schulbuch.to‘-das ist dann illegal und ganz schlimm und die Verlage laufen weinend zur Politik und fordern ’schaerfere Gesetze‘. Alleine schon aus diiesem Unwillen zu lernen und sich der digitalen Welt anzupassen verdienen Schulbuchverlage kein Mitleid. Ueber das Problem schlechter Schulausstattung und das Abwaelzen von Kosten auf Lehrer koennte man auch noch diskutieren.
[…] Pottblog.de sammelt Stellungnahmen aus NRW und hat (im Gegensatz zu mir) eine Antwort von Jörg Harm, der Sprecher des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, erhalten: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um Schnüffelei handelt, sondern um eine angekündigte und kontrolliert durchgeführte Ãœberprüfung von Schulrechnern. Die von den Verlagen zu erstellende Software zur Identifizierung von digitalen Urheberrechtsverletzungen liegt bisher nicht vor. Klar ist: Eine solche Software wird in Nordrhein-Westfalen nur dann eingesetzt, wenn sie technisch und datenschutzrechtlich unbedenklich ist – so ist es auch vertraglich vereinbart. Sobald die Software vorliegt und bevor sie eingesetzt wird, wird sie einer eingehenden Ãœberprüfung unterzogen. In diese wird der Landesdatenschutzbeauftragte selbstverständlich einbezogen. […]
@teekay (3):
Das was Du zum Schluss sagst ist eigentlich das wichtigste – denn eigentlich müssten die Schulen alle notwendigen Materialien haben.