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Jens Matheuszik (unterwegs) — 26. August 2011, 21:23 Uhr

Christian Nienhaus (WAZ) im verunglückten PR-Interview der FAZ (oder: Verleger gegen ARD und ZDF)


FAZ-Interview mit Christian Nienhaus (WAZ-Mediengruppe) In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gibt es ein Interview mit Christian Nienhaus von der WAZ-Mediengruppe zur Klage der Verleger gegen die Tagesschau-App. Nienhaus ist nicht nur einer der beiden Gruppengeschäftsführer ((neben Bodo Hombach)) der WAZ-Mediengruppe in Essen, sondern auch Präsident des Zeitungsverlegerverbandes in Nordrhein-Westfalen. Er erklärt im Interview, warum zahlreiche deutsche Verlage der Tagesschau-App der ARD mit einer Klage begegnen.

Christian Nienhaus beim Medienforum NRW:

Die Klage wurde von Christian Nienhaus selbst während des Medienforums NRW verkündet – siehe hier den Mitschnitt des Pottblogs:

Seitdem wird die Klage mit einem breiten publizistischen Sperrfeuer begleitet. Zwar weist beispielsweise die FAZ im Interview auch darauf hin, dass der eigene Verlag ebenfalls zu den Klägern gehört, aber kritische (Nach)Fragen gibt es nicht. Da wundert es dann nicht, dass Christian Nienhaus quasi unkommentiert und ohne Nachhaken seine Meinung verbreiten kann.

Ãœbrigens: Die Tagesschau-App gegen die geklagt wird, bildet eigentlich nur das auf modernen Smartphones wie dem Apple iPhone nach, was tagesschau.de schon seit langem zeigt. Aber: Gegen tagesschau.de habe man seitens der Verlage vergessen rechtzeitig Rechtsmittel einzulegen, so dass jetzt stellvertretend die App angegriffen wird.

Das Interview selbst mit Christian Nienhaus ist bemerkenswert – denn ehrlich gesagt, kann ich zum Teil die Ängste von den Verlagen verstehen, aber mit diesem Interview tut sich die Verlegerseite meiner Meinung nach keinen Gefallen…

Bedrohte Landtagsabgeordnete in NRW

Auf die Frage, ob die Klage der Verleger ein Hilfeschrei an die Politik sei, erklärt Nienhaus unter anderem:

„[…] Im Landtag von Nordrhein-Westfalen wurde Abgeordneten gedroht, wenn Sie gegen die Mediengebühr stimmten, würde das in der WDR-Berichterstattung Folgen haben.“

Normalerweise würde man jetzt Nachfragen dazu erwarten: Welche Politiker gemeint sind, wann die WAZ-Mediengruppe das ganze in einer großen Aktion und Serie auf den Titelblättern der eigenen Zeitungen bringt, aber was macht der FAZ-Interviewer Jan Hauser? Er wechselt zur nächsten Frage…

Erpressung von Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag. Scheinbar nur ein Thema, welches man seitens des Geschäftsführers des wohl mächtigsten Medienhauses in Nordrhein-Westfalen en passant erwähnt. Wenn Herr Nienhaus Angst davor hat das ganze zu offenbahren, kann er sich ja an die zahlreichen Leaking-Plattformen wenden, die es inzwischen gibt. Nur bei WAZ-Recherche würde ich es nicht machen, denn anscheinend gibt es dort ja Skrupel zu diesem Thema zu recherchieren und zu berichten…

Beeinflussung der Politik durch die Rundfunkanstalten

Christian Nienhaus zufolge beeinflusst nicht die Politik den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern umgekehrt. Inwiefern irgendwelche Rundfunkbeamte ((wusste gar nicht, dass es sowas gibt)) was mit knappen Frequenzen (früher) bzw. nicht-knappen Frequenzen (jetzt im Internet) zu tun haben, weiß ich nicht, aber dass die Politik sehr wohl Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Medien nehmen, dürfte spätestens seit der Nichtberufung von Nikolaus Brender zum ZDF-Chefredakteur bekannt sein. Hier hatte sich der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) stark dafür gemacht, dass diese Personalie so nicht zum Tragen kommt – und hat sich durchgesetzt.
Falls Christian Nienhaus das Beispiel zu weit südlich stattgefunden hat und quasi unter seinem medienpolitischen Radar lag, kann man ja stattdessen die Kooperation des Westdeutschen Rundfunks (WDR) mit der … ach nee … WAZ-Mediengruppe nennen. Diese wurde unter maßgeblicher Beteiligung des damals amtierenden nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) beschlossen und damals in der Staatskanzlei des Landes NRW verkündet…

Champions League-Ãœbertragung des ZDF

Dass demnächst das ZDF (anstelle des privaten Senders Sat.1) die UEFA Champions League überträgt, kritisiert Nienhaus. Hier muss man ihm schon ein wenig recht geben, denn natürlich fragt man sich, ob das ZDF hier unbedingt Sat.1 ablösen muss. Jedoch gehört es dann eigentlich zur Fairness auch zu erwähnen, dass

  • die wiederholt (auch jetzt von Christian Nienhaus) genannten 50 Millionen Euro für die Ãœbertragungsrechte seitens des ZDF dementiert werden
  • das ZDF dafür anscheinend weniger Gelder für andere Sportrechte ausgibt, beispielsweise beim DFB-Pokal
  • Berichten zufolge Sat.1 selber deutlich weniger Geld für die Champions League als zuvor geboten hat, so dass man nicht unbedingt davon reden kann, dass das ZDF hier einfach Sat.1 was weggeschnappt hat

Geschriebene Zeitung im Netz

Ob ARD und ZDF gar nicht mehr im Internet auftauchen sollen wird Nienhaus auch gefragt. Er erwidert darauf:

Mich stört, dass sie im Internet schreiben. Das ist geschriebene Zeitung. […] Wenn der Nutzer einfach Videos herunterladen kann, ist das kein Problem. Aber was die alles machen: Partnerschaftsportale, Jugendseiten, alles Mögliche!

Also abgesehen davon, dass das Internet doch primär ein textbasiertes Medium ist (und Videos erst viel später kamen), verwundert das dann doch erst recht. Einerseits haben die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet solche Angebote wie Partnerschaftsportale inzwischen aufgegeben und andererseits finde ich faszinierend, dass ein Verleger gerade diese – dann doch eher unjournalistischen – Angebote als großes Beispiel nennt.

Bezahlmodelle sind unmöglich, wenn es Gratisangebote gibt

Nienhaus glaubt gerade, dass man bei mobilen Geräten ein Geschäftsmodell entwickeln kann. Aber hier kritisiert er dann auch gleich mal wieder die öffentlich-rechtlichen Medien:

Wir können nicht ein Sportportal der WAZ kostenpflichtig machen, wenn in der Sportschau nicht nur alles gezeigt, sondern eben auch beschrieben wird.

Also erstens wäre es mir neu, dass in der Sportschau alles gezeigt wird (vielleicht verwechselt er das mit kommerziellen Angeboten, wo man sich die Bundesliga auch auf Smartphones – natürlich kostenpflichtig! – ansehen kann). Dann frage ich mich, ob er sich in seinem eigenen Haus auskennt. Die WAZ bietet momentan im AppStore mehrere kostenpflichtige Sport-Apps an. Ach ja, außerdem bietet die WAZ für die Android-Plattform eine kostenlose Nachrichten-App an. Hier zeigt sich übrigens mal wieder die Diskriminierung der Verlage gegenüber diversen Plattformen. Beispielsweise kann man mittels eines normalen internetfähigen PCs die Internet-Angebote der BILD-Zeitung des ebenfalls klagenden Axel Springer-Verlages lesen. Aber ruft man mit dem iPad die normale Internet-Seite bild.de auf, erhält man die Aufforderung eine kostenpflichtige App zu laden. Wundert es da einen, dass die Nutzer hierzulande sich über diskriminierungsfreie App-Angebote der öffentlich-rechtlichen Medien freuen?

Ob DerWesten mit öffentlich-rechtlichen Anstalten mithalten kann

Der WAZ-Gruppengeschäftsführer beklagt sich darüber, dass DerWesten, das Internet-Portal der WAZ-Mediengruppe, nicht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mithalten kann. Also das wundert mich – und würde mich als Mitarbeiter von DerWesten ärgern. Denn natürlich ist DerWesten im Bereich der lokalen und regionalen Berichterstattung dem WDR (über das ZDF brauchen wir in Bezug auf NRW gar nicht zu reden!) überlegen. Gerade im Internet sind die Regionalfenster des WDR eher suboptimal vertreten – und gerade dies ist der Bereich, wo Zeitungen mit Lokalredaktionen vor Ort am ehesten sich profilieren können. Wo wenn nicht hier? Das muss man dann aber auch wollen…

DerWesten/WDR-Kooperation

Zum Schluß des Interviews wird Nienhaus noch nach der bereits oben erwähnten Kooperation seitens der WAZ-Mediengruppe mit dem WDR befragt. Dazu erklärt er, dass das nichts gebracht habe und sagt unter anderem:

[…] Der WDR hat immer nur veraltete Beiträge zur Verfügung gestellt, und die sind kaum geklickt worden. […]“

Das finde ich gleich mehrfach bemerkenswert: Wenn dem so wäre, dann fragt man sich, warum die WAZ-Mediengruppe diese Kooperation so lange beibehalten hat. Außerdem könnte man fragen, warum denn DerWesten das Ende der Kooperation (der WDR hatte diese beendet, nachdem die WAZ-Mediengruppe die Klage gegen die Tagesschau-App eingereicht hatte) so sehr bedauert hat, wenn das eh nichts bringen würde.
Auch könnte man fragen, wie denn die Auswahl der WDR-Videos für DerWesten vorgenommen wurde. Nach Pottblog-Informationen hatte hier DerWesten die Möglichkeit auf tagesaktuelle Beiträge des WDR zuzugreifen. Nach dem Motto „Das lief heute im WDR-Regionalfenster, das wollen wir bei DerWesten sehen“. Dann wurde es auch recht schnell zur Verfügung gestellt. Ich weiß ja nicht, wie sich Christian Nienhaus die Zweitverwertung der WDR-Videos vorgestellt hat, aber doch sicherlich nicht so, dass die WDR-Videos vorab bei DerWesten zu sehen sind?

All diese Fragen hätte man noch stellen können – das hat aber Jan Hauser von der FAZ nicht gemacht…

Journalismus oder (mißglückte) PR?

Bei diesem „Beitrag“ innerhalb der FAZ muss man sich echt fragen, ob das noch journalistisch ist oder aber eher eine PR, die aber aufgrund der Substanz der Antworten eher als missglückt zu gelten hat.

Weitergehende Beiträge zu diesem Interview

Auch Stefan Niggemeier hat dieses Gespräch gelesen und einen sehr schönen Beitrag dazu geschrieben: Christian Nienhaus und die große Ignoranz.

Lukas Heinser hingegen war so entsetzt von diesem Interview, dass er einen offenen Brief an Christian Nienhaus geschrieben hat: Kostenfreiheit: 17,98 Euro.

Hinweis:

Dieser Beitrag ist im ICE auf der Fahrt zum BarCamp nach Hannover und kurz im Hotel entstanden, insofern war es mir leider nicht möglich komplett alles zu verlinken…


9 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Hannes @ 26. August 2011, 23:19 Uhr

    Lieber Jens,
    danke für diese sehr gute Zusammenfassung samt Kritik. :-) Was ist dieser Nienhaus doch für ein scheinheiliger Vertreter.


  2. (2) Pingback von Der Ruhrpilot | Ruhrbarone @ 27. August 2011, 12:30 Uhr

    […] Medien: Verleger gegen ARD und ZDF…Pottblog […]


  3. (3) Pingback von Links anne Ruhr (01.09.2011) » Pottblog @ 1. September 2011, 06:18 Uhr

    […] bei der WAZ: Ärger für Nienhaus (taz.de) – Nach dem verunglückten PR-Interview von Christian Nienhaus mit der FAZ, informiert die taz darüber, dass der WDR rechtliche Schritte […]


  4. (4) Pingback von Umstrukturierungen bei der WAZ-Mediengruppe: Kauft Petra Grotkamp vom Funke-Stamm die Mehrheit der WAZ von den Brost-Erben? (Linkliste) » Pottblog @ 2. September 2011, 06:56 Uhr

    […] bei der WAZ: Ärger für Nienhaus (taz.de) – Nach dem verunglückten PR-Interview von Christian Nienhaus mit der FAZ, informiert die taz darüber, dass der WDR rechtliche Schritte […]


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  7. (7) Pingback von Landtagspräsidium von NRW behandelt Vorwürfe von Christian Nienhaus (WAZ-Geschäftsführer) gegen den WDR (der ursprünglich Abgeordnete bedroht haben soll) » Pottblog @ 12. September 2011, 17:09 Uhr

    […] mißglückte PR-Interview der FAZ mit Christian Nienhaus, dem Geschäftsführer der … zieht weiter seine […]


  8. (8) Pingback von Bodo Hombach: Im WAZ-Impressum nicht mehr Gruppengeschäftsführer der WAZ-Mediengruppe » Pottblog @ 3. Februar 2012, 14:22 Uhr

    […] ja nicht so, dass er keine öffentlichen Auftritte hält, wie man beispielsweise im Beitrag Christian Nienhaus (WAZ) im verunglückten PR-Interview der FAZ (oder: Verleger gegen ARD und ZD… nachlesen kann. der Vater der drei wurde ausbezahlt [↩]ich gebe es zu – für den […]


  9. (9) Pingback von Medienforum NRW 2012 startet heute – mit Live-Berichten via Twitter (@PottblogLive) und WLAN-Tipps » Pottblog @ 18. Juni 2012, 09:36 Uhr

    […] Auch Christian Nienhaus ist da, der beim letzten Medienforum die Klage diverser Verlage gegen die Tagesschau-App ankündigte (siehe dazu auch den Beitrag Christian Nienhaus (WAZ) im verunglückten PR-Interview oder: Verleger gegen ARD und ZDF). […]


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