17. Sitzung des Rates der Stadt Bochum: Hans-Böckler-Realschule gerettet, Aufsichtsratskompromisse und Grill-Gebote und mehr…
Heute fand die 17. Sitzung des Rates der Stadt Bochum statt, auf deren Tagesordnung einige wichtige Punkte standen – wiewohl sich im Nachhinein auch noch andere Themen eher ungeplant und unfreiwillig als äußerst interessant erwiesen.
Für mich war es die erste Ratssitzung – jedenfalls in Bochum, denn in meiner alten Heimatstadt Olfen war ich ja schon das eine oder andere Mal bei einer Ratssitzung (wie es sich für ein Ratsmitglied auch gehört). Zuletzt hatte ich beispielsweise auf meiner Seite jensmatheuszik.de von der konstituierenden Ratssitzung 2009 und der Verabschiedung der alten Ratsmitglieder (zu denen ich gehörte) berichtet. Persönlich fand ich es wichtig, dass man im Vorfeld bzw. im Nachgang (oder beides) von den Ratssitzungen berichtet, damit man erfährt, was alles passiert ist. Es ist ja leider nicht so, dass die Zeitungen über alles berichten was passiert und außerdem kann man durch eine eigene Berichterstattung auch Akzente auf Dinge setzen, die einem besonders wichtig und vielleicht bei den Berichterstattern eher untergegangen sind.
Aber zurück nach Bochum und zum ersten Problem:
Der Weg zum Rathaus… steinig und schwer
Als ich mich quasi spontan entschied, mir mal eine Ratssitzung in Bochum anzuschauen (übrigens indirekt wurde ich durch einen Twitter-Beitrag von @BochumLiberal darauf aufmerksam gemacht), hatte ich noch einiges an Zeit, denn die Ratssitzung sollte um 15:00 Uhr stattfinden. Doch diverse Angelegenheiten (u.a. die Vorbereitung zum TV-Tipp) verzögerten das ganze, so dass ich mich erst kurz nach halb drei auf dem Weg zum Rathaus machen konnte. Als ich dann so ca. gegen 14:40 Uhr endlich fertig war (man muss ja seine Gadgets wie iPhone, iPad, Mobile Hotspot einpacken…), überlegte ich mir, ob ich nicht sogar lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Rathaus fahren sollte. Doch ein kurzer Blick auf die VRR App bzw. auf Google Maps zeigte mir, dass der Fußweg schneller wäre als mit dem Bus. Und man muss zu Fuß nicht umsteigen… Also ging ich zu Fuß und kam auch an den Vorbereitungen von Bochum Total vorbei ((vielleicht lag das mit der langen Fahrzeit auch daran?)).
Im Rathaus angekommen…
Gerade noch einigermaßen pünktlich angekommen, machte ich mich auf den Weg gen Ratssaal, wo mich dann aber ein städtischer Bediensteter freundlich aber bestimmt fragte, was ich denn wolle.
Ich wusste bis dato nicht, dass die Besuchertribüne eine Etage weiter oben ist und von einem Pressebereich wusste ich auch erst nichts, so dass ich dann nach oben ging. In Olfen ist beispielsweise bei den Ratssitzungen der eigentliche Rat auf der selbenen Ebene wie anwesende Gäste und die Presse.
Ratsberichterstattung via TV, Radio … und Twitter
Vor Beginn der Sitzung wies Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) darauf hin, dass für Radio Bochum die Ratssitzung aufgezeichnet wird und auch ein Kamerateam des WDR anwesend war. Von der Twitter-Berichterstattung über den Twitter-Account @PottblogLive sagte sie nichts – das ich diese durchführen würde, wusste ich ja auch selber nicht vorher. ;)
Haushalt 2012
Nach dem üblichen Tagesordnungsgeplänkel ((Vertagungen, Verschiebungen, Dringlichkeitsanträgen usw.)) ging es um die Einbringung des Haushaltes 2012. Dazu führte der Bochumer Kämmerer eine Präsentation vor mit vielen Details. Benedikt Reichel hat für die Ruhr Nachrichten den Artikel Neue Sparrunde für Bochum geschrieben, wo es weitere Details dazu gibt. Mich persönlich haben zwei Details dabei am meisten beeindruckt:
- dass die Stadt Bochum seit dem Jahr 2007 rund 50 bis 70 Millionen Euro Mehrkosten hatte, weil das Land Nordrhein-Westfalen bzw. die Bundesrepublik Deutschland der Stadt neue Aufgaben zugewiesen hat, ohne aber für die entsprechenden finanziellen Mittel zu sorgen…
- dass die Stadt Bochum nur noch eine „Lebensdauer“ von 8 Jahren hat, denn dann ist das Eigenkapital komplett aufgebraucht.
Schnelles Abwinken von Entscheidungen?
Am Beispiel des Tagesordnungspunktes Fortschreibung des Luftreinhalteplans Ruhrgebiet, Teilplan Ost kann man gut erklären, wie Kommunalparlamente wie der Stadtrat von Bochum arbeiten. Der Tagesordnungspunkt wurde von Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) aufgerufen, es meldete sich dazu niemand zu Wort und stattdessen wurde sofort abgestimmt. Das wirkt nur auf den ersten Blick befremdlich, denn in Wirklichkeit wurde über dieses Thema schon vorher in einem Ausschuss geredet (und das nach Pottblog-Informationen alleine zu diesem TOP rund eine Stunde!). Natürlich hätte man das ganze jetzt nochmal bei der Ratssitzung wiederholen können, aber da die ehrenamtlichen Ratsmitglieder mit ihrer Zeit natürlich auch was besseres anfangen können ((was meiner Meinung nach absolut verständlich ist!)), blieb es auch hier beim üblichen Procedere, dass die Beschlussempfehlung des Ausschusses übernommen wurde.
Genehmigung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke Bochum GmbH
Hinter diesen dürren Worten verbarg sich einer der interessanteren Punkte. Was daran lag, dass es hier einigen Dissens zwischen den einzelnen Fraktionen gab und nicht ganz so klar war, ob jetzt der neue Aufsichtsrat 3, 4 oder ein vielfaches von 3 Mitgliedern haben soll. Außerdem war auch unklar, bis wann die entsprechende Entscheidung getroffen werden müsste und wie hoch die möglichen Verluste wären, wenn das ganze nicht rechtzeitig geschieht. So sprach Bernd Wilmert (von den Stadtwerken – aber auch aus dem Aufsichtsrat des VfL Bochum bekannt) mal von einer Summe von drei Millionen Euro und dann plötzlich von zwölf Millionen Euro.
Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung, wo die einzelnen Fraktionen untereinander besprachen, wie man das ganze behandeln soll, ging es dann (endlich) weiter.
Zukunft der Hans-Böckler-Realschule
Zum zweiten Mal kam die Hans-Böckler-Realschule ins Gespräch – denn anfangs gab es die Begründung zu Dringlichkeitsanträgen der CDU-Fraktion zu diesem Thema. Hintergrund war der, dass die Verwaltung eine Sitzungsvorlage erstellt hatte, deren Beschlußvorschlag eine Schließung der Hans-Böckler-Realschule vorsah. Der Leiter des Schulverwaltungsamtes jedoch schrieb eine eMail an einen SPD-Ratsherren und gab ihm Argumente, warum man eben besagte Hans-Böckler-Realschule nicht schließen solle. Es geht natürlich gar nicht, dass ein Mitarbeiter der Verwaltung einerseits offiziell für eine Schließung spricht und dann insgeheim was ganz anderes vertritt und begründet. Dahingehend hat Bochums Oberbürgermeisterin auch bereits disziplinarrechtliche Maßnahmen einleiten lassen.
Doch in diesem Tagesordnungspunkt sollte es eigentlich erstmal nur um den Inhalt (Schließung der Hans-Böckler-Realschule oder nicht) gehen, auch wenn gerade die Ratsvertreter der CDU immer gerne wieder die Steilvorlage des Loyalitätskonfliktes aufgriffen und sich dabei teilweise fast schon in Rage redeten.
Die Vertreter aller Fraktionen machten jedoch klar, dass sie – jetzt mal inhaltlich gesehen -, dass sie für einen Beibehalt der Hans-Böckler-Realschule seien. Teilweise war das nach dem Motto „Es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem“, teilweise war das auch etwas anders, als beispielsweise Ratsmitglied Feldmann von der Linkspartei (der anscheinend einen Clown gefrühstückt hatte) das sinngemäß christlich-demokratische Fegefeuer, welches dem Schulamtsleiter drohte, ansprach und ähnlich abstruse Strafvorschläge machte. Politisch gesehen interessanter war jedoch das Statement von @HeikoFroehlich (FDP), der den neuen Schulkonsens von SPD, Grünen und CDU auf Landesebene lobte. Das führte auch gleich zu einem Raunen in den Reihen der SPD-Fraktion, denn auf Landesebene sieht die FDP das etwas anders.
Zum (vermeintlichen) Schluß der Diskussion stellte Klaus Franz (CDU) fest, dass es interessant sei, dass jetzt alle für eine Beibehaltung der Hans-Böckler-Realschule argumentiert hätten und niemand für die Vorlage der Verwaltung gesprochen hätte, die eben eine Schließung vorschlug. Doch ein paar (drei?) Redebeiträge später, richtete sich Schuldezernent @MichaTownsend ((eigentlich heißt er Michael Townsend, aber bei Twitter war keine andere Namenskombination mehr frei)) an den Rat und erklärte, dass aus pädagogischer Sicht, immer eine gewisse Sympathie für die Hans-Böckler-Realschule in der Schulverwaltung existiert hätte – aber es gerade ein Ratsbeschluss war, der die Verwaltung zwang eine negative Beschlußvorlage zu formulieren. Das war schon deutlicher als zwischen den Zeilen, dass man in den Kreisen der Verwaltung die Hans-Böckler-Realschule nicht schließen wollte.
Nach ein paar weiteren Redebeiträgen (bei denen beispielsweise Klaus-Peter Hülder von der UWG darauf hingewiesen werden musste, dass der Beschluss für die Hans-Böckler-Realschule im Umkehrschluss bedeutet, dass – aufgrund sinkender Schülerzahlen – eine andere Realschule geschlossen werden muss) kam es dann endlich zur Abstimmung und einstimmig stimmte der Rat der Stadt Bochum für eine Beibehaltung der Hans-Böckler-Realschule, deren Sanierung rund 10 Millionen Euro kosten soll.
Abbau der Grillverbotsschilder Schmechtings Wiesental
Nach diversen weiteren Tagesordnungspunkten ging es um oben genannten Antrag. Denn „wilde Grill-Horden“ (so FDP-Chef Jens Lücking), werden durch Schilder mit einem durchgestrichenen Grill vom „bösen“ Grillen abgehalten, was aber nach Aussagen der Linkspartei so nicht korrekt sei, denn einerseits werden damit auch friedliche Griller bestraft und andererseits gäbe es keine rechtliche Grundlage für diese Schilder.
Rechtsdezernentin Jägers erklärte dazu, dass das richtig sei und dies sei ein Zeichen ihrer „kreativen“ Amtsführung, die sie bei ihrer Berufung angesprochen hatte. Doch zusätzlich machte sie klar, dass es eben keineswegs so sei, dass man überall grillen dürfe – denn man dürfe es nur dort, wo es explizit erlaubt sei.
Neue Regelungen durch die Oberbürgermeisterin
Mit diesem Dringlichkeitsantrag ging die CDU noch einmal auf die eMail-Affäre des Amtsleiters ein und forderte einen strikteren Kurs seitens der Verwaltung. Das wurde jedoch nicht von allen so gesehen und man einigte sich auf ein besseres Beachten schon beschlossener Grundsätze.
Danach gab es dann noch ein paar mündlich gestellte Anfragen, bei der am interessantesten eine über den „Bearbeitungsstau“ bei den Beihilfen der Stadt war. Denn bei dieser – von einem CDU-Ratsherren gestellten – Anfrage wurden auch detaillierte Zahlen genannt, was die Oberbürgermeisterin damit kommentierte, dass anscheinend auch die CDU-Fraktion Informationen durch die Verwaltung bekommt, was zu großem Gelächter im gesamten Ratssaal führte (die Frage selber wurde übrigens nicht in der Sitzung beantwortet, sondern soll schriftlich beantwortet werden).
Ende und Fazit
… und irgendwann hört auch der längste Akku auf zu arbeiten. Das war beim Mobile Hotspot leider schon mitten in der Sitzung der Fall, während der iPhone-Akku tapfer die gesamte öffentliche Sitzung durchhielt (um kurz darauf seinen Dienst einzustellen).
Meiner Meinung nach war es eine interessante Sitzung. Zwar gab es da einige trockene Tagesordnungspunkte und natürlich auch viele, deren Inhalt man nicht wirklich verstehen konnte, wenn man sie nur auf der Tagesordnung sah und nicht die dazugehörigen Unterlagen bei sich hatte. Zu einigen Tagesordnungspunkten hatte ich mir mittels des Ratsinformationssystems die eine oder andere Unterlage auf dem iPad angeschaut, aber natürlich nicht für alle (bin ja kein Ratsmitglied!).
Ich kann eigentlich jedem nur mal empfehlen eine solche Sitzung zu besuchen – denn das was die Frauen und Männer dort machen ist substantiell wichtig für unsere Demokratie und unser Miteinander. Es ist wahrlich nicht vergnügungssteuerpflichtig, wenn man beispielsweise Haushaltsberatungen ((gerade in Bochum…)) durchführt und sich stundenlang in Ausschüssen über CO2-Emissionen unterhalten darf. Insofern Hut ab vor allen Politikerinnen und Politikern die das ganze ehrenamtlich neben ihren normalen Verpflichtungen (Job, Familie usw.) machen.
[…] Bochum III: Bericht von der Ratssitzung…Pottblog […]
Danke für die schöne Berichterstattung. Leider findet man in den Tageszeitungen nur immer ein Bruchstück dessen wieder, was dort geschah – und dann überlagern Details wie die Wicking-Diskussion die anderen Themen.
Was die Positionierung zur Sekundarschule angeht, bestätige ich noch einmal die positive Betrachtungsweise. Ich denke, dass man bei einem Kompromiss auch die eine oder andere Kröte schlucken muss, aber das gehört zu einem Kompromiss bekanntlich dazu. Grundsätzlich muss man also hier eine Abwägungsentscheidung treffen. Da ich viele Parallelen zur regionalen Mittelschule der FDP erkennen kann, auf die Einheitsschule dank der Garantie für das Gymnasium verzichtet wurde und für mich aus kommunaler Perspektive die Rechtssicherheit bzw. Zukunftsprognose besonders wichtig sind, erscheint mir der Schulfrieden als brauchbare Arbeitsgrundlage. Für eine weitere Diskussionen ist schlichtweg keine Zeit mehr vorhanden, wir brauchen JETZT Schulmodelle.
Eine genaue Positionierung wird in den nächsten Tagen erfolgen, dazu hatte ich als berufstätiger Ratsherr bislang keine Zeit ;-)
@Heiko Fröhlich (2):
Kein Thema, ich fand das ja auch interessant.
Wenn man übrigens will, dass mehr Themen öffentlich werden, dann muss man sie öffentlich machen.