Erneut Netzsperren im Internet geplant – diesmal über den Umweg des Glücksspiel-Staatsvertrages (GlüStV) der Bundesländer
Nein, wir haben nicht den 1. April. Auch wenn man es für einen schlechten Aprilscherz halten könnte. Der Aufbau einer zentralen Zensur-Infrastruktur im Internet ist anscheinend wie eine Hydra. Schlägt man ihr einen Kopf ab, kommen gleich mindestens zwei neue Köpfe hervor.
Es ist nicht lange her, dass die Bundesregierung die Netzsperren endgültig gekippt hat – was ein Erfolg der FDP war, so dass ich mich sogar bei der FDP dafür bedankt habe.
Zwischenzeitlich gab es die Gefahr, dass der umstrittene Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) ebenfalls eine Zensur-Infrastruktur quasi durch die Hintertür und hinter dem Deckmantel des Jugendschutzes einführen könnte. Doch der JMStV wurde vom nordrhein-westfälischen Landtag eindeutig abgelehnt ((die Begründung warum das geschah, passt zwar eher in die Kategorie „Reale Parteipolitik“ denn „Sachpolitik, die sich an Argumenten anlehnt“ – aber entscheidend ist ja, was hinten ‚rauskommt)).
Doch jetzt versucht man es anscheinend wieder: Der Entwurf für den neuen Glücksspiel-Staatsvertrag (GlüStV), der die ungeheuren Gefahren des Glücksspiels (Lotto, Wetten usw.) zum Anlass für neue Regelungen nimmt, birgt ebenfalls die Gefahren von Netzsperren:
Der Chaos Computer Club (CCC), dem ein Entwurf des derzeit von den Staatskanzleien der Bundesländer vorbereiteten GlüStV zugespielt wurde, schreibt dazu u.a.:
Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) und der Chaos Computer Club (CCC) warnen vor dem neuen Glücksspielstaatsvertrag, der zur Zeit abseits der Öffentlichkeit verhandelt wird.
[…]
„Wir erleben hier einen weiteren Versuch, eine Zensurinfrastruktur in Deutschland aufzubauen. Diesmal kommt er unter dem Deckmäntelchen der Prävention von Glücksspielsucht, wahrscheinlicher ist jedoch die Furcht vor Steuereinnahmeverlusten durch ausländische Glücksspielseiten“, erklärt Benjamin Stöcker, Mitglied im AK Zensur. „Damit wird dem freien Zugang zu Informationen im Netz der Kampf angesagt. Dabei dachten wir, die Politik hätte aus den Debakeln beim Jugendmedienschutzstaatsvertrag und dem Zugangserschwerungsgesetz gelernt.“
Welche Sperrtechnik zum Einsatz kommen soll, ist dem Entwurf nicht eindeutig zu entnehmen. Es besteht aber Grund zur Befürchtung, daß die Eingriffe diesmal noch über die geplanten Stopschilder des Zugangserschwerungsgesetzes hinausgehen sollen. Denkbar ist, daß die Zugangsprovider zu Sperren auf IP-Adress-Ebene oder gar einer sogenannten Deep Packet Inspection – und damit der Überwachung des gesamten Netzverkehrs – genötigt werden sollen. Dies wären Techniken, wie sie sonst nur in China und anderen totalitären Regimes zum Einsatz kommen.
[…]
Der AK Zensur fordert die Ministerpräsidenten der Länder auf, umgehend den aktuellen Verhandlungsstand des Staatsvertrages zu veröffentlichen und klarzustellen, mit welchen technischen Maßnahmen die Sperrforderung im aktuellen Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages durchgesetzt werden soll. Außerdem soll eine angemessene gesellschaftliche Debatte über geplante DNS-Manipulationen und eine kritische Beteiligung der Zivilgesellschaft bei den Verhandlungsrunden statt der Kungelrunden hinter verschlossenen Türen ermöglicht werden.
Im Entwurf des neuen GlüStV (vom 3. Dezember 2010) heißt es in § 9 Absatz 5, dass die Glücksspielaufsicht
Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die verantwortliche Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen [kann; Anm. d. Bloggers]. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird durch Satz 1 eingeschränkt. Hierdurch sind Telekommunikationsvorgänge im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes betroffen.
Es gibt in Deutschland inzwischen diverse Landesregierungen (bzw. bald – siehe Baden-Württemberg), die sich vor den Wahlen ausdrücklich gegen Netzsperren ausgesprochen haben. Es bleibt spannend zu sehen, inwiefern diese Wahlversprechen eingehalten werden!
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