Search:

Werbung:

Google+:

Archiv:


Jens Matheuszik — 10. Dezember 2010, 01:12 Uhr

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV): Ausschussmehrheit (CDU, SPD, Grüne) in NRW gegen übliche Beschlussempfehlung // Interview mit Ralf Witzel zum FDP-Antrag


Das Schöne am umstrittenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist, dass man immer wieder was neues lernt. So auch, dass auch Sitzungen der Ausschüsse mal so richtig interessant sein können. So berichtet beispielsweise das Grüne Blog zur Netzpolitik über die JMStV-Ãœberraschung in Schleswig-Holstein: Der dort für den JMStV federführende Innen- und Rechtsausschuss hat aufgrund eher skurriler Umstände ((ein MdL der CDU verließ – angeblich trotz entsprechender Hinweise – direkt vor der Abstimmung die Sitzung…)) den Beschluss gefasst, den JMStV im Parlament von Schleswig-Holstein nicht zuzustimmen. Und wer weiß, wenn der eine oder andere Abgeordnete von CDU (oder FDP) aus Schleswig-Holstein plötzlich mal wo anders hin muss, dann könnte es auch im Landtag zu einem ähnlichen Ergebnis kommen.

Doch auch in Nordrhein-Westfalen können in Ausschüssen interessante Beschlüsse oder eher nicht-Beschlüsse gefasst werden. Eigentlich sollte heute unter TOP 5 der Haupt- und Medienausschuss des Landtages Nordrhein-Westfalen über den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) beraten und eine Abstimmung über eine Beschlussempfehlung an das Plenum durchführen. Eigentlich. Denn zwei Fraktionen wollten das auch so machen, drei Fraktionen hingegen nicht:

Die beiden die Minderheitsregierung tragenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen sowie die CDU-Fraktion sehen immer noch intern Beratungsbedarf und können sich daher nicht jetzt im in NRW federführenden Haupt- und Medienausschuss (HMA) endgültig entscheiden. Nur die FDP und die Linkspartei haben sich in der HMA-Sitzung eindeutig und zwar gegen den JMStV positioniert. Die FDP hatte vor kurzem auch einen eigenen Antrag zum bzw. gegen den JMStV eingebracht (siehe diesen Beitrag im Pottblog). Mit Ralf Witzel, dem parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion, habe ich zum JMStV, zum Antrag der FDP usw. ein Interview durchgeführt (einige der interessantesten Passagen habe ich im Nachgang schriftlich noch einmal festgehalten):

Auszüge aus dem Gespräch mit Ralf Witzel (FDP)

Nachfolgend einige Auszüge aus dem Gespräch mit Ralf Witzel. Die Antworten habe ich direkt aus dem Video entnommen und hoffentlich fehlerfrei abgetippt, die Themenbeschreibung habe ich aus den jeweiligen Fragen genommen:

Warum hat die FDP-Fraktion in NRW den Antrag gegen den JMStV eingebracht?

Ralf Witzel: „Wir sind ausdrücklich für wirksamen Jugendmedienschutz. Allerdings wird dieser – aus unserer Sicht, nach gründlicher Bewertung all der Expertenmeinungen, die in den letzten Monaten bei uns diskutiert worden sind – gerade durch diesen Staatsvertrag nicht gewährleistet. Zugleich ist dieser Staatsvertrag mit vielen Einschränkungen verbunden, für private Nutzer, für kleinere und mittlere Unternehmen, bringt viel an Rechtsunsicherheit und nach all dem was uns bekannt ist, werden die Anforderungen auch an die Software, die dieser Staatsvertrag bedeutet, vom Markt noch gar nicht bedient. Insofern ist der Staatsvertrag aus unserer Sicht auch gar nicht umsetzbar und vollziehbar und alles das spricht dafür, den Staatsvertrag in seiner jetzigen Form, so wie er ist, abzulehnen.“

Haben sich etwa auch die ex-Minister der FDP, die im Kabinett Rüttgers dem JMStV zugestimmt haben, in der Fraktion gegen den JMStV entschieden?

Ralf Witzel: „Es hat nie eine inhaltliche gemeinsame Ãœbereinkunft der früheren Koalitionsfraktionen zu diesem Thema gegeben. Richtig ist, dass unser früherer Ministerpräsident Jürgen Rüttgers den Staatsvertrag auf Ministerpräsidenten-Ebene gegengezeichnet hat und drum gebeten hat, ihn zur Befassung dem Landtag auch zuzuleiten. Genau das ist entsprechend auch geschehen. Der Staatsvertrag sollte auch an den Landtag weitergeleitet werden, damit genau diese Anhörung, diese Auswertung, diese politische Debatte jetzt eben auch stattfinden kann – aber natürlich ergebnisoffen. […] „

Also sind die Vorwürfe der Regierungsparteien, dass die FDP nur dann gegen den JMStV ist, wenn sie selber in der Opposition ist, ungerechtfertig?

Ralf Witzel: „Die Vorwürfe der Koalitionsfraktionen der Minderheitsregierung sind absurd. Sie sollen sich mal lieber an die eigene Nase fassen und gucken was sie in ihren eigenen Parteigremien fachlich zu diesem Thema entsprechend beraten und das vielleicht auch für die eigene Willensbildung entsprechend damit berücksichtigen. Ich glaube dann stellen sich Glaubwürdigkeitsfragen insbesondere eher bei den Grünen als bei anderen Fraktionen in diesem Haus. „

Zur heutigen (Donnerstag) Sitzung des Haupt- und Medienausschuss und die eigentlich geplante Beschlussempfehlung?

Ralf Witzel: „Genau, es sollte heute eine fachliche Bewertung durch die fünf Fraktionen erfolgen und dies als Information auch für die Parlamentsentscheidung in der kommenden Woche bekanntzugeben und vorzubereiten. Dazu sahen sich heute nur zwei Fraktionen in der Lage, drei haben noch Beratungsbedarf und weil das mehrheitlich so dann gesehen wurde, ist heute keine Entscheidung getroffen worden und was eigentlich sehr ungewöhnlich ist: Der Staatsvertrag – ohne irgendein Votum, ohne eine Beschlussmempfehlung – ist wieder ans Plenum zurückgegeben worden.“

Ist der FDP-Antrag ein Antrag bzw. Angebot an die Koalition der „Einladung“?

Ralf Witzel: „Dieser Antrag ist ein Angebot an alle Fraktionen im Haus. […] Ich glaube der Antrag, den wir formuliert haben ist sehr ausführlich und auch sehr ausgewogen. Er nimmt eigentlich viele Aspekte aus der Fachdebatte der letzten Wochen und Monate mit auf und dürfte eigentlich für keine Fraktion im Haus eine unüberbrückbare Hürde darstellen, wenn man sieht, wie sich eben in den Fachgremien die Fachpolitiker auch anderer Parteien eingelassen haben und deshalb würden wir uns in der Tat freuen, wenn auf Basis unseres Antrages eine möglichst weitgehende Verständigung in diesem Hause erfolgen könnte, zum jetzigen Zeitpunkt, von diesem konkret so vorliegenden Staatsvertrag Abstand zu nehmen und stattdessen lieber in eine neue Beratungsrunde einzusteigen.

Ich darf noch einmal klar erklären, das ist auch das Ziel dieses Antrages: Wir sind nicht an sich gegen Jugendmedienschutz, aber für guten und wirksamen und ohne Beeinträchtigungen und deshalb wollen wir neue Verhandlungsrunden zwischen den Ländern um bessere Regelungen zu finden – nicht um keine zu finden. Und wenn wir uns da auf dieses Prinzip auch übergreifend auch über Fraktionsgrenzen hinweg im Landtag verständigen könnten, mehr Jugendmedienschutz zu wollen, aber mit anderen Ländern noch einmal erneut drüber zu reden, aber nicht heute einen Staatsvertrag zu verabschieden, der hoch problematisch ist und vor allem auch so von der technischen Seite gar nicht für alle umsetzbar sein wird – dann wäre das ein großer Erfolg. Wir wollen ausdrücklich hier gesprächsbereit sein. Ziel ist es nicht hier eine singuläre Position nur für uns zu markieren, wir freuen uns, wenn andere Fraktionen das mit unterstützen werden.“

Haben Sie mit anderen Fraktionen drüber gesprochen?

Ralf Witzel: „[…] Das Angebot ist den anderen Fraktionen bekannt, auf dieser Basis ins Gespräch zu kommen. Leider vermittelte mir der Verlauf der heutigen Sitzung den Eindruck, dass insbesondere bei den Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen, daran wohl wenig Interesse zu bestehen scheint.“

Zur Position der FDP-Fraktion:
Siehe auch die Pressemitteilung Wirksamer Jugendmedienschutz statt unüberlegter Gesetze und eine Meldung bei DerWesten.

Einschätzung zum FDP-Antrag

Natürlich stimmt der Vorwurf, dass die FDP-Minister Andreas Pinkwart und Ingo Wolf im damals nur noch geschäftsführenden Kabinett von Jürgen Rüttgers mit ihrer Zustimmung den JMStV für Nordrhein-Westfalen weiter ins Rollen gebracht haben. Aber das Rad der Zeit kann man bekanntlich nicht zurückdrehen, die Entscheidung von damals wurde getroffen, wie sie getroffen wurde.

Es mag ein wenig Naivität im Spiel sein – aber vielleicht sollte man einfach mal diesen Antrag als Diskussionsgrundlage ansehen. Wenn man sich den Antrag der FDP durchliest, dann scheint man die grundlegende Problematik des JMStV begriffen zu haben. Wenn dem so ist, dann ist doch eine Entscheidung gegen den JMStV eher zu begrüßen als zu kritisieren und zu diffamieren. Letzteres passiert ja jetzt von einigen Politikern, die sich darüber aufregen, dass damals usw. usf.

Anstatt sich darüber zu freuen, dass eine andere Partei sich inhaltlich der eigentlich eigenen Position anschließt, sollte doch eher positiv bewertet werden. Aber vielleicht will man durch #fail-Tweets & Co. über die ach so böse FDP davon ablenken, dass man jetzt inzwischen seine eigenen Positionen nicht mehr so ganz vertritt und eventuell ist man sauer, dass sich jetzt gerade eine andere Partei anschickt, auf die eigene argumentative Lücke noch einmal zu verweisen.

Koalition der Einladung

Die selbst ernannte „Koalition der Einladung“ sollte meiner Meinung nach jetzt die Gelegenheit, die sich ihr bietet, greifen und das Gespräch mit der FDP suchen. Schaut man sich den Antrag der FDP an, dann stellt man fest, dass er bis auf ganz wenige Ausnahmen (auf der ersten Seite, im Bereich Ausgangslage) wirklich wohlwollend neutral formuliert wurde. Wenn man das ganze nicht konstruktiv gemeint hätte, dann hätte man da noch ordentlich „Pfeffer“ einbauen können und viel mehr auf die Diskrepanz zwischen dem was man sagt, und dem was man tut ((übrigens ein abgewandeltes Zitat von Johannes Rau)) eingehen können.

JMStV in NRW: Wie geht es weiter?

Am Donnerstag, den 16. Dezember 2010, wird der Landtag in seiner Sitzung unter TOP 3 (ab ca. 15:35 Uhr) den JMStV behandeln. Eigentlich auf Grund der Beschlusslage des HMA, aber die gibt es ja nicht (siehe oben). Interessant dürften somit die Fraktionssitzungen am Dienstag, den 14. Dezember 2010 sein, denn in diesen Sitzungen werden sich die beiden Regierungsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen wohl endgültig festlegen. Nach Pottblog-Informationen ist die mal ins Gespräch gebrachte „Enthaltung“ inzwischen ‚raus, so dass es nur um eine Zustimmung oder Ablehnung geht.


5 Kommentare »

RSS feed for comments on this post. TrackBack URI.

  1. (1) Pingback von Links anne Ruhr (10.12.2010) » Pottblog @ 10. Dezember 2010, 05:24 Uhr

    […] 1995 (1) « Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV): Ausschussmehrheit (CDU, SPD, Grüne) in NRW gegen &#25…   Pottblogger — 10. Dezember 2010, 05:23 […]


  2. (2) Pingback von Der Ruhrpilot | Ruhrbarone @ 10. Dezember 2010, 09:46 Uhr

    […] JMStV: Rot-Grün druckst rum…Pottblog […]


  3. (3) Pingback von JMStV an Saar, Spree, Rhein und Küste. Ausserdem: Constanze Kurz! : netzpolitik.org @ 10. Dezember 2010, 12:00 Uhr

    […] Matheusik schreibt im Pottblog: Eigentlich sollte heute unter TOP 5 der Haupt- und Medienausschuss des Landtages […]


  4. (4) Pingback von JMStV: Die Woche der Entscheidungen : netzpolitik.org @ 13. Dezember 2010, 08:35 Uhr

    […] wäre die (Vor-)Entscheidung ja bereits am Freitag in Form einer Beschlussempfehlung des Haupt- und Medienausschuss fällig gewesen. Die Fraktionen […]


  5. (5) Pingback von Andreas Krautscheid (CDU) begründet die Ablehnung zum umstrittenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) inhaltlich und kritisiert die rot-grüne Landesregierung in NRW » Pottblog @ 16. Dezember 2010, 10:31 Uhr

    […] der CDU-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, schon für letzte Woche angesetzt (nach dem Interview mit Ralf Witzel von der FDP-Fraktion). Doch ein in Berlin nicht starten könnendes Flugzeug1 verhinderte das, so dass ein neuer […]


Leave a comment

Line and paragraph breaks automatic, e-mail address never displayed, HTML allowed: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Mit dem Absenden eines Kommentars wird akzeptiert, dass der angegebene Name, die eMail-Adresse und die derzeit aktuelle IP-Adresse Ihres Internetanschlusses zusammen mit dem Kommentar gespeichert wird. Weiteres hierzu in den entsprechenden Datenschutzhinweisen.