Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV): Grüne Bochum wollen JMStV beim Landesparteirat kippen – Interview mit den Antragstellern
Nachdem zwischenzeitlich im nordrhein-westfälischen Landtag die Anhörung zum umstrittenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) stattfand, gibt es einen weiteren wichtigen Termin, der (in)direkt etwas mit dem JMStV zu tun hat.
Am Sonntag, den 14. November 2010, findet in Mülheim (an der Ruhr) der Landesparteirat der NRW-Grünen statt. Zu diesem Landesparteirat kommt vom Kreisverband Bochum / Wattenscheid der Grünen (bzw. genauer gesagt von zwei Ortsverbänden) ein Antrag zum JMStV, in dem es nach einigen erklärenden Begründungen u.a. wie folgt heißt:
Deshalb fordert der Landesparteirat:
1) Es wird den Landtagsabgeordneten empfohlen, die Ratifizierung des JMStV abzulehnen. Eine Ratifizierung mit den Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wäre ein Schlag ins Gesicht unserer WählerInnen, die uns auch für wirksamen Jugendschutz und sachlich fundierte Netzpolitik gewählt haben.
Für die Netzpolitiker, die den JMStV ablehnen, ist das ein positives Zeichen – bisher vernahm man eher von Teilen der SPD-Basis und insbesondere der nordrhein-westfälischen Jusos Druck dahingehend. Nicht verschwiegen werden soll jedoch der weitere Text, denn dort steht unter anderem:
Zusätzlich fordern wir die Einbringung eines Entschließungsantrags. Probleme des Vertrages sowie real durchsetzbare Lösungskonzepte müssen dort deutlich benannt werden. Die Forderung nach einer zeitnahen Novellierung soll klarstellen, dass diese nicht in die ferne Zukunf verschoben werden darf.
Das klingt ein wenig so, als ob man seitens der Grünen dennoch befürchtet, dass der JMStV verabschiedet wird, denn eigentlich wäre ein Entschließungsantrag nicht notwendig, wenn er doch abgelehnt wird…
Gestern sprach ich mit Ursula Dreier (Sprecherin des antragstellenden OV Süd) und Ernesto Ruge (Mitglied im Kreisvorstand) über den Antrag, welche Chancen er hat usw.
Aus technischen Gründen ist die Tonqualität des nachfolgend eingebundenen Videos sehr sehr schlecht:
Meine Fragen konnte man in der Ursprungsfassung nur erahnen (weswegen ich sie ‚rausgeschnitten und durch Texteinblendungen ersetzt habe), die Antworten von Ursula Dreier und Ernesto Ruge sind auch sehr leise und gehen leider fast im Rauschen unter. Daher habe ich nach dem Video noch einmal die Fragen und sinngemäß die Antworten schriftlich zusammengefasst.
Interview mit Ursula Dreier und Ernesto Ruge:
Warum haben die Grünen in Bochum einen Antrag gegen den JMStV gestellt, der beim Landesparteirat behandelt werden wird?
Ernesto Ruge sinngemäß:
Die Grünen sind eine Bürgerrechtspartei und man hat schon länger gegen den JMStV votiert. Da sind Inhalte drin, die nichts mit Jugendschutz zusammenpassen, die nichts mit normalen demokratischen Mitteln wie der Pressefreiheit zusammenpassen. Deswegen wollen wir mit diesem Antrag unsere Landtagsfraktion überzeugen und er soll am besten auch noch auf andere Parteien sich auswirken. Wenn man sich mit der SPD gemeinsam entschließen könnte, gegen den JMStV zu stimmen, wäre NRW das Land, welches diesen Vertrag stoppen würde und das wäre das ideale Ziel.
Wie sieht denn die politische Lage zum JMStV in NRW aus?
Ursula Dreier sinngemäß:
Es gibt folgendes Problem. Der JMStV ist von Jürgen Rüttgers im Juni 2010 unterzeichnet worden. Jetzt ist das Landesparlament an der Reihe, ihn zu ratifizieren. Im Moment ist es nicht klar, ob er abgelehnt wird. Deswegen versuchen wir von der grünen Basis aus Druck auszuüben. Ich selber bin Sprecherin des OV Bochum-Süd, einer der beiden Ortsverbände, die den Antrag gegen den JMStV auf den Landesparteirat eingebracht haben, ganz klar mit der Zielsetzung die Ernesto gerade gesagt hat.
Welche Stellung hat denn der Landesparteirat bei den Grünen? Ist das ein grüner Kaffeezirkel oder ein Gremium mit Einfluss auf die Landtagsfraktion?
Ursula Dreier sinngemäß:
Also rein formell: Nix Kaffeezirkel. Der Landesparteirat ist quasi die kleine Landesdelegiertenkonferenz. Das große Gremium ist die Landesdelegiertenkonferenz und wenn das gerade nicht tagt, dann tagt der Landesparteirat. Das ist (auch) ein großes Gremium, auch wenn die Fraktion eben schon irgendwie autonom ist.
Welche Chancen hat der Antrag gegen den JMStV beim Landesparteirat?
Ursula Dreier sinngemäß:
Das ist schwer zu sagen. Bisher haben sich noch nicht viele Kreisverbände intensiv damit beschäftigt, ich würde sogar sagen, die Basis hat sich überhaupt noch nicht genug damit beschäftigt. Aber in dem Moment, wo wir uns damit in unserem OV beschäftigt haben, wurde ganz klar, dass wir den ablenen wollen. Sobald sich die Basis damit intensiv beschäftigt, wird es auf ganz breiter Ebene abgelehnt werden und darüber muss sich der Landesparteirat im Klaren sein.
Ernesto Ruge sinngemäß:
Das sehe ich auch so und bekomme das auch als Reaktionen zurück. Die Netzpolitiker bei den Grünen haben zum Teil sehr positive Briefe verfasst, um uns zu unterstützen bei dieser Aktion. Auch Jugendschützer, auch die in der Fraktion, sind uns sehr aufgeschlossen gegenüber, eben weil dieser Vertrag das Problem hat, dass er die Jugendlichen nicht schützt.
Wenn daas Ding denn wenigstens irgendeinen positiven Sinn hätte, einen positiven, und tatsächlich Jugendschutz bewirken würde – aber das tut es nicht einmal. Deswegen ist es echt schwierig, da wirklich positive Argumente für dieses Ding zu finden. Das wird auch entsprechend beim Landesparteirat in der Diskussion sein.
Ich vermute, dass auf dem Landesparteirat die Ablehnung relativ schnell klar ist…
Wenn Landesparteirat und Fraktion sich einig bei der Ablehnung des JMStV werden – wie will man denn die SPD davon überzeugen?
Ernesto Ruge sinngemäß:
Es gab Signale. Die SPD hat genug Signale gesendet, dass es möglich wäre, dort noch darüber zu diskutieren, dass es durchaus irgendwie Chancen gibt, dass die Leute dort eben auch tatsächlich auf die Fakten schauen, und nicht auf irgendwelche strategischen Fakten. … Alleine dadurch, dass die Grünen ein starkes Statement dazu machen und die SPD Gesprächsbereitschaft gezeigt hat, könnte man da noch was bewegen.
Wenn alles klappt, wird das Pottblog am kommenden Sonntag vom Landesparteirat der Grünen in Sachen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) berichten.
PS: Und vorher wird ein Tontest mit Kamera und Mikrofon durchgeführt!
[…] 1995 (1) « Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV): Grüne Bochum wollen JMStV beim Landesparteirat kippen… Pottblogger — 11. November 2010, 05:53 […]
Moin Jens,
deinen Satz
kann ich so nicht stehen lassen. Zwei Dinge dazu:
1. Druck von Grüner Seite besteht seit längerem und mehrfach. Die LAG Demokratie hat dazu z.B. bereits vor Wochen einen Beschluss gefasst, auch die LAG Medien begleitet den Prozess seit Wochen und wird in der nächste Woche dazu etwas beschließen. Und zudem: Die Anhörung im Landtag geht einzig und allein auf Vorschlag der Grünen Landtagsfraktion zurück.
2. Der einzige Druck der von Seiten der SPD aufgebaut wird ist der, dem JMStV zuzustimmen. Ãœber das was im Wahlprogramm der SPD dazu steht müssen wir wohl nicht reden. Und im Grunde ist es auch Piepegal, ob Grüne nachher zu- oder dagegenstimmen. Wenn nämlich die SPD zusammen mit der CDU und FDP für den JMStV stimmt, ist der Drops gelutscht. Und dazu kann man auch gerne nochmal den Vorwärts zitieren, in dem die SPD stolz wie Hulle ist, den JMStV als „Kind von Kurt Beck“ bezeichnet und damit prahlt, so viele CDU-Länder zur Zustimmung bewegt zu haben.
Ich glaube wir verfolgen beide das gleiche Ziel: Wir wollen nicht, dass der JMStV in dieser Form angenommen wird. Dein großes Engagement in dieser Frage stelle ich auch nicht zur Disposition und lobe es ausdrücklich!
Aber manchmal täte auch etwas parteipolitische Objektivität durchaus Not. Ich weiss – ist schwer… :)
@Ben (2):
Da muss ich Dir jetzt doch widersprechen, sorry. :)
Zu 1)
Zum Druck von grüner Seite: Ja, die LAG Demokratie hat meines Wissens dazu was formuliert. Meine Frage: Welche Stellung hat denn die LAG Demokratie innerhalb der Grünen? Ist die vergleichbar mit der GJ bei den Grünen bzw. den Jusos bei der SPD?
Primär habe ich das vor allem so gemeint, dass es ursprünglich ja seitens der Grünen die offizielle Mitteilung gab, dass man den JMStV unterstützen würde und von beispielsweise der GJ kam nichts dazu, während seitens der Jusos da schon massiv gegen opponiert wird – mit einstimmigen Beschlüssen auf Landesebene usw.
Ob jetzt die Anhörung nur auf die Grünen zurückgeht weiß ich nicht – meinen Informationen zufolge hat man seitens der SPD sich für die Anhörung ausgesprochen, eben weil es auch innerparteilichen Druck gab und gibt (der auch nicht immer öffentlich in Blogs & Co. zu sehen ist).
Zu 2)
Das kommt dann aber glaube ich drauf an, mit welchen Leuten man da spricht. Beim Vorwärts – meinst Du da den Online-Artikel zum Thema von Kurt Stadelmaier? Da gab es ja auch entsprechendes Contra zu.
Du kannst Dir sicher sein, dass es auch in der SPD viele Leute gibt, die Bauchschmerzen i.S. JMStV haben – auch und weil es im Wahlprogramm steht (und was da drin steht, musst Du mir wirklich nicht sagen – ich habe es ja geschrieben). Ich glaube übrigens nicht, dass CDU und FDP so einfach dem JMStV zustimmen und ich glaube auch nicht, dass CDU, FDP und SPD gemeinsam für und die Grünen gegen den JMStV votieren werden.
Aber im Grunde genommen hast Du recht: Wir haben beide das gleiche Ziel, wir beurteilen nur die verschiedenen Wege, auf denen man hoffentlich dahin kommt unterschiedlich.
[…] in einem Antrag wird eine Ablehnung des JMStV durch die Fraktion gefordert (siehe auch den Beitrag Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV): Grüne Bochum wollen JMStV beim Landesparteirat kippen…). Nachdem gestern bereits die Grüne Jugend NRW einstimmig (bei einigen Enthaltungen) den die […]