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Jens Matheuszik (unterwegs) — 1. September 2010, 20:31 Uhr

NRW: Grüne wollen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zustimmen


Bin gerade unterwegs, daher kann ich nur kurz via Apple iPad und „copy and paste“ diesen Beitrag bringen. Ich hatte vor einiger Zeit Matthi Bolte, den netzpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen, gefragt, wie die Grünen zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stehen und ob sie den von Jürgen Rüttgers als damaligen Ministerpräsidenten unterzeichneten JMStV im Landtag zustimmen werden oder nicht.

Nachfolgend seine ausführliche – aber dennoch meiner Meinung nach enttäuschende – Antwort:

Lieber Jens,

wir haben in den letzten Tagen intensive Debatten innerhalb der Fraktion und auch der Koalition geführt. Es hat sich gezeigt, dass die Situation bzgl. des JMStV für uns als neue Regierungsfraktionen absolut zweischneidig ist. Wir haben immer unsere inhaltliche Kritik am JMStV formuliert und stehen auch weiterhin dazu, dass der JMStV in der von den Regierungschefs unterzeichneten Fassung eigentlich nicht unseren Anforderungen genügt – auch wenn er schon eine deutliche Verbesserung gegenüber den ursprünglichen Entwürfen darstellt. Der Stand ist nun der, dass die alte Landesregierung in Person von Herrn Rüttgers am 10.6. den JMStV unterzeichnet hat und die Landesregierung (ebenfalls noch von Rüttgers unterschrieben) eine Vorlage in die parlamentarische Beratung eingebracht hat, die den Landtag um Zustimmung bittet.

Nun stellt sich die Frage, wie der Landtag mit dieser Situation umgeht, dass ein Staatsvertrag, der von der alten Regierung geschlossen wurde, dem neuen Landtag zur Abstimmung vorgelegt wird. Der Landtag hat zwar das formelle Recht, Staatsverträge abzustimmen, es würde aber allen politischen Gepflogenheiten und nicht zuletzt auch der Verfassungstradition (Kontinuitätsgebot) widersprechen, wenn ein Landtag zu einem so weit fortgeschrittenen Zeitpunkt im Verfahren den Staatsvertrag scheitern ließe. Eine veränderte Parlamentsmehrheit kann eben nicht jede Altlast der Vorgängerregierung tilgen, das ist an dieser Stelle natürlich besonders bitter, weil mit eindeutigen parlamentarischen Verhältnissen es möglicherweise gelungen wäre, bereits am 10. Juni eine andere Regierungschefin aus NRW zur Ministerpräsidentenkonferenz zu entsenden – und in diesem Gremium spielt eben die Musik bei Staatsverträgen.

Was wir nun vornehmen mussten, ist also keine politische Bewertung, sondern eine juristische Bewertung der Spielräume, die dem Landtag bleiben. Die sind äußerst gering, wie sich gezeigt hat, und der Regierungswechsel ermöglicht nicht zwangsläufig eine Richtungsänderung, da verfassungspolitisch Kontinuität geboten ist. Da unterscheidet sich ein Staatsvertrag nicht von einem einfachen Ministerbrief: Wenn der eine Minister mit einem sog. Ministerbrief bspw. eine Förderzusage gibt, kann sein Nachfolger diese nicht einfach zurückdrehen.

Das ja auch von Dir angeführte Zitat von Staatssekretär Eumann ist ganz im Sinne dieses Kontinuitätsgebots zu verstehen: Die Regierung hat einen Staatsvertrag unterschrieben, die Regierung hat diesen ins Plenum eingebracht und entsprechend muss Eumann als Teil der Regierung für den Staatsvertrag werben – nur dass zwei dieser Schritte von der alten Regierung gemacht wurden und der dritte von der neuen getragen werden muss. Das mag formal anmuten, aber es handelt sich hier auch um einen sehr formalen Prozess. Unabhängig davon ist natürlich die SPD anders in den Entstehungsprozess des JMStV eingebunden gewesen als wir Grüne: Federführend war der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, die Landesregierungen mit Grüner Beteiligung haben immer sehr kritisch mitgewirkt, beispielhaft zeigt sich das m.E. in den von Bremen, Hamburg und dem Saarland initiierten Protokollerklärungen zu §5.

Für uns ist die Herausforderung nun, zunächst ein Verfahren zu eröffnen, in dem es möglich ist, die Kritik der regierungstragenden Fraktionen noch einmal angemessen zu artikulieren und mit den Internetverstehern (übrigens eine sehr herrliche Formulierung :-) ) zu diskutieren. Dafür schwebt meiner Fraktion und mir vor, statt der direkten Abstimmung eine Anhörung oder ein Expertengespräch im Haupt- und Medienausschuss zu beantragen. Auf Basis der Ergebnisse dieser Anhörung würden wir in einem Entschließungsantrag, der die Abstimmung über den JMStV im Plenum flankiert, die wesentlichen Punkte für die Netzpolitik in NRW formulieren. Dazu gehört ganz klar, den Rahmen für eine Evaluierung des JMStV zu schaffen, die noch in dieser Landtagsperiode erfolgen muss. Der Zeithorizont sieht dabei so aus, dass wir im Plenum Mitte September den JMStV in den Haupt- und Medienausschuss überweisen, dort die Anhörung beschlossen und nach vier Wochen stattfinden wird, und die abschließende Lesung wird dann wahrscheinlich im Dezember im Plenum sein.

Ich weiß, dass dieses Vorgehen nicht sofort nachvollziehbar ist, und wir haben auch im Verlauf der letzten Woche eine Menge interner Debatten geführt. Die Lage ist aber nun, wie sie ist, und wir kommen nicht umhin, diese Schwarz-Gelbe Altlast zunächst mitzutragen, dann aber sofort in den Evaluationsprozess einzusteigen.

Rückfragen versuche ich natürlich zu beantworten, aber gerade bin ich wahnsinnig mit der Loveparade beschäftigt (Innenausschuss morgen) und Anfang der Woche ist noch eine Klausurtagung der Fraktion, es kann also dauern.

Beste Grüße
Matthi Bolte

Jan-Olaf Jörg-Olaf Schäfers von netzpolitik.org hat anscheinend eine nahezu gleichlaufende eMail erhalten:JMStV in NRW: Grüne tragen schwarz-gelbe Altlast

Eine Bewertung werde ich in Kürze (irgendwann diese Woche) abgeben….


17 Kommentare »

RSS feed for comments on this post. TrackBack URI.

  1. (1) Kommentar von Julius @ 2. September 2010, 00:42 Uhr

    Man fragt sich manchmal echt: Warum dann überhaupt noch wählen?


  2. (2) Kommentar von a @ 2. September 2010, 01:18 Uhr

    Der Name ist „Jörg-Olaf“.


  3. (3) Kommentar von Surfenohneende @ 2. September 2010, 01:46 Uhr

    Den „Grünen“ ist da Oben (16%) wohl die
    Luft zu dünn und sie wollen wieder runter?!!

    Dann hat man ja doch nur noch die
    „Wahl“ zwischen „Piraten“ und „Linke“
    (und Scherz-Parteien) ~

    Es scheint so, als ob man die Dinge
    immer öfters WIEDER von der Straße
    aus „regeln“ muss. :( :( :( :( :(
    Wie Damals in den 1960ern – 1980ern.

    Abwrack-Prämie für Politiker Jetzt!

    Gefunden via:
    http://blog.fefe.de/?ts=b2807bb6

    Gruß
    aus der Krebs- & Todeszone ( http://bundjugend.de/petition/ (VIDEO)
    -> http://hardt-piraten.de/node/171 (LINKS)


  4. (4) Trackback von Anonymous @ 2. September 2010, 05:26 Uhr

    Aufgelesen und kommentiert 2010-09-01…

    Inifes-Auswertung: Wer malocht, hält kaum bis zum Rentenalter durch Statistisches Bundesamt: Einzelhandelsumsatz wieder im Rückwärtsgang „Sparpaket“ wird heute im Bundeskabinett beschlossen Ex-Linke-Parteichef Lothar Bisky: „Deutschland ist Lohndump…


  5. (5) Kommentar von EchterDemokrat @ 2. September 2010, 07:23 Uhr

    Habt ihr wirklich geglaubt, die würden sich vom Rest der Parteien noch wesentlich unterscheiden? Das ist doch schon seit Fischers Zeiten nur noch die FDP in grün.

    Die haben unter Schröder den Kriegseinsätzen, Hartz IV, dem Sozialabbau usw. usf. zugestimmt. Und wenn man die bei der nächsten Bundestagswahl wieder ran lässt, geht’s in dem Stil weiter.

    Die Grünen sind mit ihrer Basis zusammen „alt“ geworden – korrupt, befangen und reaktionär.


  6. (6) Kommentar von _Flin_ @ 2. September 2010, 07:24 Uhr

    Der Sinn eines demokratischen Wechsels ist eigentlich, unsinnige Dinge der Vorgänger zu korrigieren. Und nicht, sie auch noch in die Tat umzusetzen, wenn sie Quatsch sind, Arbeitsplätze gefährden, bürokratie fördern, die Meinungsfreiheit gefährden, neue Abmahntatbestände schaffen und rundum satter Mumpitz sind. Welchen Spielraum der Landtag hat? Wie wärs mit „einfach nein sagen“? Wenn Grüne einfach beschliessen, was Spd und CDU in geistiger Umnachtung vorschlagen, wozu sollten wir Wähler dann den Grünen unsere Stimmen geben?


  7. (7) Pingback von Anonymous @ 2. September 2010, 08:00 Uhr

    […] […]


  8. (8) Pingback von Links anne Ruhr (02.09.2010) » Pottblog @ 2. September 2010, 08:59 Uhr

    […] 1995 (1) « NRW: Grüne wollen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zustimmen   Pottblogger — 2. September 2010, 08:58 […]


  9. (9) Kommentar von Eva @ 2. September 2010, 14:59 Uhr

    Es geht so weiter wie bisher. Bei der Vorratsdatenspeicherung haben sich auch sehr viele Grüne enthalten.

    Es ist einfach enttäuschend :(


  10. (10) Kommentar von TickTack @ 2. September 2010, 15:27 Uhr

    Die Grünen sind zwar umweltbewusst, aber nicht netz-affin und bürgerrechtlich engagiert. Deshalb kann man von ihnen in diesen Bereichen keine bürgernahe, sachkundige Netzpolitik erwarten. Die Zustimmung zum JMStV ist nur ein Einzelteil in einer Reihe unmöglicher Fehler in diesem Gebiet, und das zuknftig weitere folgen werden, ist gewiss. Dafür sorgt schon allein ihre Schwerpunktsetzung in Verbindung mit fehlendem Fachwissen.


  11. (11) Kommentar von Thea @ 2. September 2010, 17:46 Uhr

    Ganz ehrlich, mich nerven die Piraten in vielen Punkten. Vor allem die latente Frauenfeindlichkeit, die da immer wieder durchkommt, stößt mir sehr sauer auf.

    Aber trotzdem werde ich sie wählen, bei sämtlichen Wahlen, die demnächst noch kommen. Warum?

    Weil die Grünen absolute Totalversager sind, wenn es um die Freiheit geht.
    Beispielsweise die Freiheit, mir jeden Film so anzusehen, wie es der Regisseur beabsichtigt hat und nicht wie irgendein ein kleiner Bürokrat es möchte, dem seine undemokratischen Zensurbefugnisse zu Kopf gestiegen sind.
    Oder ein Computerspiel so spielen zu können, wie die Entwickler es wollten und nicht ein altbackenes moralinsaures Gremium, das meint, uns alle gängeln zu können.
    Und die Freiheit, das Internet so zu nutzen, wie es beabsichtigt ist, als freies Kommunikationsmedium für Erwachsene und nicht etwa als Spielwiese für Kleinkinder, die darin absolut nichts verloren haben.

    In allen diesen Punkten haben die Grünen entweder keine Lust, sich damit zu befassen oder sie sind geradezu unglaublich merkbefreit und inkompetent. Oder sie meinen mittlerweile auch, dass sie das Recht haben, sich als unser aller Nanny aufzuspielen.
    Deshalb habe ich auch keine Lust mehr, sie jemals wieder zu wählen. Und ich weiß, dass ich nicht die einzige „Altwählerin“ bin, der das so geht.


  12. (12) Kommentar von das_B @ 2. September 2010, 21:14 Uhr

    Die Haltung der Grünen ist nicht nachvollziehbar. Die gelieferte Begründung führt Demokratie und den Sinn von freien Wahlen ad absurdum.
    Auf diese Weise kann man seine Stammwähler natürlich auch loswerden. Wie wäre es mal wieder mit gesundem Menschenverstand anstatt von „Evaluationsprozessen“?

    Naja, in Deutschland gibt es wohl nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera…


  13. (13) Trackback von darktiger.org @ 4. September 2010, 00:29 Uhr

    NRW-Grüne winken AKW-Laufzeitverlängerung durch…

    Einigen Grünen sind die Wahl- und Umfragehöchstwerte wohl zu Kopf gestiegen. So langsam geht es in Richtung Volkspartei und da muss man dann auch dementsprechend Politik am Volk Wähler vorbei machen. Den JMStV haben die Grünen (und …


  14. (14) Pingback von Mail an SPD-Landtagsabgeordnete in NRW bzgl. JMStV | Henning Tillmann @ 5. September 2010, 20:04 Uhr

    […] aus diversen Beträgen zu erkennen ist (Pottblog, Heise), plant die NRW-Landesregierung die Novelle des JMStV zuzustimmen. In einem persönlichen […]


  15. (15) Kommentar von Jens @ 7. September 2010, 06:48 Uhr

    @Julius (1):
    Ich denke schon, dass es Unterschiede zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb gibt…

    @a (2):
    Danke für den Hinweis. Habe den Fehler inzwischen korrigiert.

    @EchterDemokrat (5):
    Ja.

    @_Flin_ (6):
    Das sehe ich auch so.

    @Eva (9):
    Ja, leider.

    @TickTack (10):
    Sie tun aber immer so, als ob sie davon Ahnung hätten. Nur jedesmal in Regierungsverantwortung zeigen sie es nicht.

    @Thea (11):
    Ich kann Deine Beweggründe die Piraten zu wählen ein bisschen nachvollziehen. Wahrscheinlich hätten die Piraten doch 4,99 % der Stimmen erzielen müssen, damit irgendjemand bei den Grünen (und der SPD) aufwacht.


  16. (16) Pingback von Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV): Doch noch eine Anhörung im Landtag von Nordrhein-Westfalen? » Pottblog @ 8. September 2010, 14:27 Uhr

    […] Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) soll im September im NRW-Landtag behandelt werdenJugendschutz im Internet: Bald Bund statt Länder zuständig?Gesprächskreis Netzpolitik der SPD positioniert sich gegen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) – leider erst nach der Landtagswahl in NRW #ltw10Warum mich die Netzpolitik (“NRW Digital”) im rot-grünen Koalitionsvertrag enttäuscht #ltw10NRW: Grüne wollen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zustimmen […]


  17. (17) Pingback von JMStV-Aus: Die rot-grünen Verlierer | Ruhrbarone @ 15. Dezember 2010, 12:07 Uhr

    […] erwies sich auch der Grüne Matthias Bolte. Früh ging er auf den Kurs von Eumann  ein. Seine Erklärung, man müsse dem Gesetz aus staatspolitischer Verantwortung zustimmen, war zu keinem Zeitpunkt mehr […]


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