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Jens Matheuszik — 9. August 2010, 07:23 Uhr

Vorstand Jusos NRW: Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) ablehnen!


Am 4. und 5. September findet eine Landeskonferenz der nordrhein-westfälischen Jusos in Bielefeld statt. Bielefeld gibt es – ein Netz dort eher weniger ((mit ersterem ist natürlich die Bielefeldverschwörung gemeint, mit letzterem die angeblich eher schwache Netzanbindung dort…)).

Doch auch wenn man vielleicht weniger das Netz nutzen kann – um das Netz geht es dennoch, genauer gesagt um die Netzpolitik. So bringt der Landesvorstand der Jusos den Antrag F1 Novelle des Jugend-Medienschutz-Staatsvertrags ablehnen! ein, der den Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (JMStV) betrifft.

Der JMStV ist in weiten Teilen des Netzes umstritten – nicht weil es dort um Jugendschutz geht (das ist schließlich ein sinnvolles Ziel), sondern weil hier mit Regularien, die für den Rundfunk gedacht waren (anders wären auch die Bundesländer nicht hierfür zuständig), versucht wird, netzpolitische Aspekte zu regeln. Nur ist das was im UKW-Zeitalter richtig und wichtig war, nicht automatisch auf das Internet mit seinen Diensten wie das World Wide Web (WWW) usw. zu übertragen.

Nordrhein-Westfalen könnte Geschichte schreiben

Der nordrhein-westfälische Landtag zu Düsseldorf mit seinen 181 Abgeordneten hat hier die Möglichkeit Geschichte zu schreiben:
Die von Netzexperten abgelehnte JMStV-Novelle wurde zwar von den Ministerpräsidenten der Bundesländer bereits unterzeichnet, ist aber noch nicht in Kraft getreten. Damit das geschehen kann, müssen bis zum 31. Dezember 2010 alle 16 Landtage den Staatsvertrag ratifizieren. Normalerweise nicken die Parlamente die von den Regierungschefs verhandelten und unterzeichneten Staatsverträge einfach nur noch ab. Zwar ist das kein Glanzlicht für den Parlamentarismus, aber schon verständlich, denn welches Parlament will schon dem eigenen Regierungschef in den Rücken fallen?

Womit wir bei der speziellen parlamentarischen Situation in Nordrhein-Westfalen wären:

Für Nordrhein-Westfalen verhandelte Jürgen Rüttgers (CDU), der (damalige) Ministerpräsident der am 9. Mai 2010 abgewählten CDU/FDP-Landesregierung. Insofern gibt es in NRW die besondere Situation, als dass ein Landtag über die JMStV-Novelle abstimmt, dessen relative Mehrheit eben nicht mehr die Position des damals unterzeichnenden Ministerpräsidenten vertritt. Als Frage ausgedrückt:
Warum sollte der nordrhein-westfälische Landtag, in dem SPD und Grüne eine Mehrheit gegenüber CDU und FDP haben, ein Vorhaben von Jürgen Rüttgers absegnen?

Natürlich wäre das ohne weiteres möglich – wenn man das ganze sachlich für sinnvoll hält. Hier hat sich die nordrhein-westfälische SPD jedoch in den vergangenen Monaten eindeutig geäußert:

NRWSPD und SPD-GK Netzpolitik gegen den JMStV

Ende Februar 2010 wurden netzpolitische Anträge auf dem Landesparteitag der NRWSPD beschlossen, die sich gegen den JMStV ausgesprochen haben. Anträge übrigens, die mein SPD-Ortsverein Olfen zum Landesparteitag eingebracht hat.

Im Zuge der Beratung beim Landesparteitag wurde das auch so ins Wahlprogramm geschrieben, was für mich der Grund war, aus netzpolitischen Gründen für den 9. Mai 2010 die Wahl der NRWSPD zu empfehlen.

Kurze Zeit später hat der Gesprächskreis Netzpolitik der SPD sich gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag positioniert und sich ablehnend dazu geäußert. Interessanterweise zeigte sich ungefähr zeitgleich auch, dass in zahlreichen Landtagen die CDU-Medienpolitiker sich für eine Zurückstellung des JMStV aussprechen.

Rot-Grüner Koalitionsvertrag für NRW

Nachdem sich auch die Grünen im Wahlkampf gegen den JMStV positioniert hatten ((wiewohl die SPD die einzige Partei war, die dazu was in ihrem Wahlprogramm hatte – selbst die Piratenpartei hat dieses originär landespolitische Thema verschlafen)), war es eigentlich für mich nur noch eine Formalie, dass die JMStV-Ablehnung in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird.

Das war jedoch – trotz anderslautender Signale im Vorfeld – nicht der Fall, so dass mich die Netzpolitik „NRW Digital“ im rot-grünen Koalitionsvertrag enttäuscht hat.
Aber eigentlich nur in diesem speziellen Punkt, denn ansonsten liest sich das Kapitel „NRW Digital“ recht gut und zwischen den Zeilen findet man weiterhin Argumente im Koalitionsvertrag gegen den JMStV.

Landeskonferenz der NRW-Jusos

Kommen wir zurück zum Anfang dieses Beitrag – zu den Jusos. Zur Landeskonferenz im September wurde seitens des Landesvorstandes der Jusos ins Antragsbuch der oben erwähnte Antrag aufgenommen, den ich nachfolgend dokumentiere:

F1: Novelle des Jugend-Medienschutzstaats-Vertrages ablehnen!

Antragsteller: Landesvorstand

Die SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen wird aufgefordert, die am 10. Juni 2010 von den MinisterpräsidentInnen der Länder unterzeichnete Novelle des Jugendmedienschutz- Staatsvertrag ( JMStV ) abzulehnen und nicht zu ratifizieren. Außerdem wird die Landtagsfraktion der NRWSPD dazu aufgerufen gemeinsam mit den Grünen im Landtag offensiv eine Mehrheit gegen die Ratifizierung der Novelle zu organisieren. Die Landesregierung wird aufgefordert das in ihrer Macht stehende gegen die Novelle des JMStV zu tun.

Alle Juso-Gliederungen werden gleichermaßen aufgefordert, mit den Landtagsabgeordneten vor Ort Gespräche zu führen und sie auf die Problematik hinzuweisen.

Begründung:
Selbstverständlich fühlen sich auch die NRW Jusos dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor pornographischen und gewaltverherrlichenden Inhalten im Internet verpflichtet. Für uns gilt dabei aber der Grundsatz „Löschen statt Sperren“. Mit der geplanten Novelle des JMStV wird aber über die so genannte „regulierte Selbstregulierung“ eine Mechanismus eingesetzt, der genau diesem Grundsatz nicht Rechnung trägt und stattdessen die Beschränkung von (Meinungs-)Vielfalt zur Folge hat und wie ein Zensurapparat wirken kann. Technische Sperren sind (technisch) zu umgehen und verlieren so ihre Wirkung. Ihr einziger Effekt ist, dass Inhalte vor technisch weniger versierten NutzerInnen verborgen werden, die Inhalte aber dennoch weiterhin abrufbar und erreichbar bleiben.

Die Novelle des JMStV sieht vor, Netzinhalte mit Alterskennzeichnungen zu versehen. Dies betrifft nicht nur kommerzielle Angebote, sondern auch private Blogs und sonstige Webseiten – mit anderen Worten: sie hat eine unglaubliche Breitenwirkung für die Gesellschaft. Da Webseiten sich ständig wandeln und variable Inhalte haben, müssten in der Praxis z.B. einzelne Artikel eine individuelle Alterskennzeichnung erhalten, die dann technisch gefiltert würden. Vom administrativen Aufwand einmal abgesehen, wiederspricht dieses Vorgehen völlig dem hierarchiefreien Aufbau von Webinhalten. Zudem haben Experimente des AK Zensur gezeigt, dass die Alterskennzeichnung von Laien praktisch nicht juristisch sicher durchzuführen ist. Pornographische und gewaltverherrlichende Inhalte müssen bei Rechtsverstößen verfolgt und geahndet werden. Dabei hilft eine Dämonisierung und Tabuisierung aber nicht weiter. Vielmehr muss die Strafverfolgung hier konsequent genutzt werden – gleichzeitig müssen aber auch Programme und Maßnahmen entwickelt werde, um einen kompetenten Umgang mit Netzinhalten vermitteln. Die Medienkompetenz von NutzerInnen ist die stärkste Waffe gehen unerwünschte Inhalte.

Ich hoffe doch, dass dieser Antrag auf der Landeskonferenz der Jusos eine Mehrheit findet – und noch mehr hoffe ich, dass sich auch im nordrhein-westfälischen Landtag eine Mehrheit gegen den JMStV findet. Man muss schließlich nicht eine – meiner Meinung nach schlechte – JMStV-Novelle beschließen um dann danach über eine weitere zukünftige Novelle nachzudenken, sondern man sollte meiner Meinung nach jetzt die anstehende Novelle ablehnen und dann neu verhandeln. Oder wie hieß es noch so schön im Wahlprogramm der NRWSPD zur Landtagswahl?

Im Rahmen der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) muss das berechtigte Ziel des Jugendschutzes in einen Einklang mit den Sorgen der Anbieter und Nutzer gebracht werden, die insbesondere frühere Entwürfe als realitätsfremd ansahen. Die NRWSPD wird sich aktiv an der Weiterentwicklung des JMStV beteiligen um einen Ausgleich zwischen allen Interessensgruppen zu erreichen.

Hierbei ist es selbstverständlich – und bedarf keiner gesonderten Regelungen – dass die freie und unzensierte Struktur des Internets nicht beeinträchtigt werden darf und für verbotene Inhalte das Gebot “Löschen statt Sperren” gilt.

Ich werde wohl aus terminlichen Gründen bei der Landeskonferenz nicht dabei sein (ich bin ja auch kein Deligierter oder so), aber ich denke man wird zeitnah über das Netz (oder auch nicht – siehe oben… *g*) informiert werden, wie die Landeskonferenz hier entschieden hat.

PS: Mit Dank an Jens Vogel (Jusos Minden-Lübbecke, der mich auf das Antragsbuch aufmerksam gemacht hat und von dem das oben abgebildete Foto stammt.


5 Kommentare »

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  1. (1) Pingback von Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: Entscheidung an der Ruhr? : netzpolitik.org @ 9. August 2010, 08:20 Uhr

    […] Ich bin extra früh aufgestanden, weil mir Jens vom Pottblog gestern Abend noch ein Update zum JMStV-E versprochen hat, das auch für Netzpolitik.org interessant sein könnte. Seit ein paar Minuten ist es online. […]


  2. (2) Kommentar von scanlines @ 9. August 2010, 09:48 Uhr

    Aha, soso, jaja.
    Alles schön und gut, aber wieso geht es hier plötzlich so explizit um „pornographische und gewaltverherrlichende Inhalten im Internet“?

    Wo kommt dieses Total-Porno-Verbot her?
    Wie steht es im Zusammenhang mit der Gewaltverherrlichung?
    Konsequenterweise müssten die Jusos doch dann auch nur von „gewalthaltigen“, statt -verherrlichenden Inhalten sprechen, wenn sie schon bei der Pornographie nicht differenzieren.

    Wie genau hat „Löschen statt Sperren“ was mit dem JMStV zu tun und wo ist überhaupt der Aufhänger Kinderpornographie hin?

    Diese lustige Begriffsverwirrung v. a. mit Richtung auf Ausweitung (von Kinderpornographie zu Pornographie) ist der ganzen Debatte leider nicht gerade zuträglich bzw. zeigt, daß es durchaus auch um die Durchsetzung von Moralvorstellungen geht und nicht (ausschließlich) um die Durchsetzung von geltendem Recht im Internetz.

    Das gibt mir zu denken.


  3. (3) Kommentar von Jens @ 28. August 2010, 14:14 Uhr

    Löschen statt Sperren hat insofern etwas mit dem JMStV zu tun, als dass meines Wissens nach aufgrund des JMStV auch Sperrverfügungen (Zensursula reloaded) möglich sind.


  4. (4) Pingback von Interview mit Veith Lemmen, dem (bisher) einzigen Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden der Jusos NRW » Pottblog @ 31. August 2010, 11:24 Uhr

    […] 2010 der nordrhein-westfälischen Jusos statt. Dort wird – hoffentlich! – nicht nur dieser Antrag gegen die Annahme der Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) angenomme…, sondern auch ein neuer Vorstand […]


  5. (5) Pingback von JMStV-Entscheidung in NRW – die Anhörung | sectio aurea @ 4. November 2010, 19:54 Uhr

    […] und der Piraten zu nennen, jeweils mit einer Partei – SPD und Grüne. Aber auch die JuSos waren fleissig und haben einen Antrag auf ihrem NRW Parteitag verabschiedet, welcher ihre Abgeordneten dazu […]


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