SPD Bochum: Personalia und Details aus den Sondierungsgesprächen nach der Landtagswahl
Vergangenen Montag fand ein Parteitag der SPD Bochum statt, den ich kurzfristig besuchte. Mich interessierte dabei vor allem das Thema, was die meisten politischen Beobachter des Landes interessiert – wie geht es mit den Sondierungsgesprächen der Parteien weiter, wie soll Nordrhein-Westfalen regiert werden.
Eigentlich, so habe ich das jedenfalls aus den Diskussionsbeiträgen entnommen, sah die Tagesordnung primär nur die Wahl von einzelnen Delegierten, Personalvorschlägen zu SPD-Gliederungen und dergleichen vor. Parteiintern sicherlich wichtig, doch ist das Thema Landtagswahl und wie es danach weiter geht, dann doch irgendwie interessanter. Jedenfalls so interessant, dass die Tagesordnung abgeändert wurde und am Ende mehr Raum für Diskussionen gelassen wurde. Die erfolgten zwar nicht wirklich (so viel sei vorab gesagt!), interessant war es aber dennoch…
Was jedoch nicht an den Personalia lag, die für die Berichterstattung für Außenstehende eher uninteressant waren. Was wohl auch ein Grund dafür war, dass neben mir nur eine weitere Person am Pressetisch saß, die auch nicht bis zum Ende blieb (und dadurch das eine oder andere schöne Zitat verpasste…)
Anwesende Landespolitiker
Aus der Landespolitik hatten sich Norbert Römer (stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag, Vorsitzender der (SPD-)Region Westliches Westfalen und Schatzmeister der Landespartei) sowie Jochen Ott (stellvertretender Vorsitzender der NRWSPD, Vorsitzender der SPD in Köln und neu gewählter Abgeordneter) angemeldet. Natürlich waren auch die drei Bochumer Landtagsabgeordneten dabei. Diese wurden entweder gerade von den Wählern bestätigt (Thomas Eiskirch, Vorsitzender der SPD Bochum, wirtschaftspolitischer Sprecher in der Landtagsfraktion und Carina Gödecke, parlamentarische Geschäftsführerin der Landtagsfraktion) oder frisch in den Landtag gewählt (Serdar Yüksel, Mitglied im Vorstand der SPD Bochum).
Am Anfang wurde noch kurz auf das Wahlergebnis in Bochum hingewiesen, den eifrigen Wahlhelfern gedankt, Blumen ausgetauscht und auch Fotos wurden gemacht. Nichts besonderes also.
Während teilweise noch von den diversen Wahlen (wo es aber immer nur um Delegierte und nur einmal um einen Personalvorschlag zur Nominierung) ging, Stimmzettel ausgezählt wurden, ging es gleich in den Spannung versprechenden Tagesordnungspunkt.
Situation nach der Landtagswahl
Man betonte noch mal, dass die SPD zwar – verglichen mit der Bundestagswahl – gut abgeschnitten habe, aber auch wenn man „gefühlter Gewinner“ ist, habe man die Wahl nicht gewonnen, da man alleine bzw. auch zusammen mit den Grünen keine tragfähige Mehrheit im Landtag habe. Deswegen habe man beschlossen mit allen im Landtag vertretenen Parteien Sondierungsgespräche zu führen um die eigenen Ziele und den Politikwechsel im Land voranzutreiben. Römer freute sich auch darüber, dass parallel zum Parteitag der SPD in Bochum auch die Landes-FDP sich in Düsseldorf treffen würde um dort zu beratschlagen – das Ergebnis ist zum Teil bekannt…
Sondierungsgespräche mit der CDU
Interessant wurde es dann beim Bericht über die Sondierungsgespräche mit der CDU. Erst einmal müsse man seitens der SPD auch mal erwähnen, dass Jürgen Rüttgers nicht ganz die Wahrheit gesagt habe, als er sich dahingehend äußerte, dass er sich freuen würde, wenn die SPD sein Gesprächsangebot (nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche mit der Linkspartei) annehmen würde. Seitens der CDU gab es nie ein Gesprächsangebot. Die haben nicht mit gemeinsamen Gesprächen gerechnet und konnten deswegen auch nicht so schnell an Sondierungsgesprächen teilnehmen, weil sie sich selber erstmal inhaltlich sortieren mussten. Da man seitens der CDU nicht davon aus ging, (so schnell?) zu Gesprächen zu finden wurde ja auch die Fraktion in den Urlaub geschickt, was zeigt, dass man nicht wirklich mit Gesprächen rechnete.
Sondierung kein Automatismus zur großen Koalition
Ganz klar machte Norbert Römer klar, dass diese Sondierungsgespräche keinen Automatismus für eine große Koalition bedeuten würden. Römer, der sachlich und bedächtig berichtete, konnte nach dem ersten Gespräch nicht erkennen, dass die CDU willens und im Stande sei, einen Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen. Auch atmosphärisch sei das Klima noch nicht wirklich geklärt – denn die CDU ist wohl noch nicht bereit die Verantwortung für den politischen Sittenverfall – hier sprach Römer Plakate der CDU an, die Hannelore Kraft (SPD) diffamierten – im Land anzuerkennen. Im Gegenzug wollte man dann seitens der CDU den Begriff „Rolle Rüttgers“ als gleichartigen Angriff verstanden wissen…
Ãœberraschungen bei der CDU
Erstaunen gab es anscheinend bei der CDU nicht nur über die Gespräche an sich, sondern auch über die Zielsetzung. So soll Pfarrer Peter Hintze (Vorsitzender der NRW-Landesgruppe der CDU im Bundestag) überrascht gewesen sein, dass die SPD ernsthaft verhandeln würde. Interessant war auch der Hinweis, dass von der Körperhaltung der CDU-Vertreter einzig und allein Oliver Wittke ernsthaft Interesse signalisierte. Er wäre wohl der Einzige seitens der gesamten CDU-Delegation, dem man ein wirkliches Interesse am Amt des Ministerpräsidenten nachsagen könne – wobei er dieses nicht ausüben kann, da er ja nicht mal im Landtag sitzt (was Voraussetzung ist)…
Lokaler Einschub aus Bochum
In einer Art Einschub wandte sich Thomas Eiskirch an die Delegierten und appellierte an die Geschlossenheit. Seinen Aussagen zufolge hätte die Geschlossenheit der SPD im Wahlkampf geholfen und auch in der Zeit danach, sei es zu begrüßen, dass man geschlossen auftritt. Er bat dann – und da wurde er etwas ernster – darum, dass es nicht toll sei, wenn Personen, die bisher den genauen Sachstand nicht kennen, schon meinen müssen, diese Angelegenheiten zu kommentieren. Das müsse nicht sein und es müsse auch nicht sein, dass dies immer aus Bochum komme. Worauf das nur anspielte?
Über die Grünen und die Linkspartei
Jochen Ott, der etwas offensiver und impulsiver auftrat, erwähnte die früheren Streiteren zwischen der SPD und den Grünen und dass diese eigentlich jetzt nicht mehr vorliegen würden. Dennoch sprach er auch noch an, dass die CDU nur in einem (Kölner) Wahlkreis der SPD ein Mandat abnehmen konnte – weil dort die Grünen einen eigenständigen und selbstbewußten Wahlkampf gemacht haben.
Beim Sondierungsgespräch mit der Linkspartei fand er es ganz merkwürdig, dass der Linkspartei nicht klar war, dass man nicht einerseits Regierungspartei und andererseits Opposition sein könne. Die Linkspartei wusste auch nicht, wer den Koalitionsvertrag abschließen würde. Demnach ging man dort wohl davon aus, dass die Fraktionen im Landtag die Koalition beschließen und nicht die Parteien.
Obwohl Ullrich Maurer (West-Beauftragter der Bundes-Linkspartei) versuchte immer wieder goldene Brücken seinen eigenen Parteifreunden zu bauen, blieben diese Versuche erfolglos. So erfolglos, dass Jochen Ott, der bisher keine Berührungsängste mit der Linkspartei hatte, festhielt:
„Wer für die Zukunft rot-rot-grüne Bündnisse nicht unmöglich machen will, der darf mit dieser Linken in NRW keine Koalition abschließen.“
Vier Optionen für die SPD
Am Ende wurde festgehalten, dass die SPD verschiedene Möglichkeiten hat, dass das alles aber keine Ideallösungen sind und dass diese schwierig sind für die SPD. Egal ob so oder so – irgendwer wird immer damit Probleme haben, so dass es die Auswahl zwischen Pest und Cholera und noch irgendwas schlimmeren sei. Insgesamt habe die SPD realistisch betrachtet wohl vier Optionen:
- Ampel-Koalition – wobei viele die FDP für eine Partei halten, mit der man nicht regieren kann.
- Große Koalition – eine Konstellation die für die SPD gar nicht gehen würde, vor allem eingedenk der Erfahrungen der jüngsten großen Koalition auf Bundesebene…
- Minderheitenregierung – abgesehen davon, dass so eine Regierung im bundesdeutschen Parlamentarismus eine absolute Ausnahme darstellt, seien da auch weitere Bedenken gekommen, so frage sich beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), ob die SPD sich zum dritten Mal erlauben könne, eine Parlamentarierin in eine unsichere Ministerpräsidentinnen-Wahl in den Landtag zu schicken.
- Neuwahlen – abgesehen davon, dass man nicht so lange wählen könne, bis das Ergebnis passt – man müsse auch erstmal 91 Stimmen im Landtag für eine Neuwahl finden. Das würde sehr schwierig, da man beispielsweise nicht davon ausgehen kann, dass die abstimmenden Abgeordneten ihren sicheren Sitz im Landtag einfach so riskieren wollen, vor allem wenn sie aus Parteien wie der FDP oder der Linke stammen, die bei Neuwahlen eventuell zittern müssten.
Diskussion
Nachdem die Hauptredner eigentlich schon alles gesagt hatten, was wichtig war, meldeten sich nur vereinzelt Delegierte bzw. Gäste des Parteitages zu Wort. Bernd Faulenbach, Vorsitzender der historischen Kommission der SPD und ehemaliger Vorsitzender der SPD Bochum, unterstrich, dass es in unserer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sei, wer den Ministerpräsidenten oder eher gesagt die Ministerpräsidentin in einer großen Koalition stellt. Zu Neuwahlen sprach er noch den wichtigen Punkt an, dass selbst beim Erreichen einer Mehrheit hierfür ja noch lange nicht gesagt sei, dass man die Neuwahlen dann auch gewinnen würde und man das auch beachten müsste.
In einem weiteren Redebeitrag wurde darauf eingegangen, dass man bei den Gesprächen aufpassne müsse. Diese müssten zwar ergebnisorientiert geführt werden, aber nicht auf Gedeih und Verderb, denn immer wenn die SPD in Verhandlungen steht, die nicht scheitern dürfen – dann würde jedesmal die SPD über den Tisch gezogen.
Axel Schäfer, der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD-Landesgruppe im Bundestag, berichtete von seinen Erfahrungen in der großen Koalition zwischen 2005 und 2009 und erklärte, dass eine große Koalition das größte anzunehmende Ãœbel für die SPD sei und warb – falls sonst nichts klappen würde – lieber für eine Minderheitsregierung, denn in zahlreichen Staaten mit Mehrparteiensystemen sei das gang und gäbe.
Personalia
Ach ja, gewählt wurde auch – und zum Schluß des Artikels will ich nicht die diversen Delegierten, Ersatzdelegierten usw.usf. auflisten, sondern nur die einzige Person erwähnen, die gewählt wurde.
Wobei das auch nicht ganz richtig ist, denn eigentlich wurde Thorsten Kröger (mit 77 Stimmen) gegenüber Fritzi-Marie Felderhoff (36 Stimmen), nur als Nominierungsvorschlag für die Region Westliches Westfalen erkoren.
Wirklich gewählt werden muss er noch auf der demnächst stattfindenden Sitzung der SPD in der Region Westliches Westfalen.
Fazit
Es war sehr spannend Details aus den Gesprächsrunden zu hören, vor allem von so unterschiedlichen Leuten. Wenn selbst Leute wie Jochen Ott, der ja im Vorfeld der Landtagswahl sich auch mal auf einen Kaffee mit der Vorsitzenden der Linkspartei getroffen hat, ausdrücklich vor einer Regierungsbeteiligung der Linkspartei warnt, die versucht alles mögliche zu bagatellisieren und relativieren, dann ist das von einer anderen Qualität, als wenn das jemand macht, der sich schon immer gegen die Linkspartei ausgesprochen hat.
Die parteiinternen Delegiertenwahlen gingen zwar ein wenig unter im Parteitag, aber das war bei dem Thema doch klar. Was mich ehrlich gesagt wunderte, war jedoch die ruhige und sachliche Diskussion zu diesem Thema. Gerade bei der Frage nach einer möglichen großen Koalition mit der CDU hätte ich da doch irgendwie was anderes erwartet. Doch manchmal ist ja auch der lautstarke Protest dagegen bei weitem nicht so effektiv wie der sachliche Vortrag von Argumente dagegen…
[…] NRW V: Beratung in Bochum…Pottblog […]
Neuwahlen und Minderheitenregierung sind wohl eher unrealistisch, und so wie es bisher ausschaut wird es vermutlich mal wieder auf eine Ampelkoalition hinauslaufen, auch wenn viele Wähler sich das sicherlich anders vorgestellt haben.
Möglichkeiten stehen immer noch über
den Gegebenheiten – die Minderheiten bilden
das eigentliche Ãœbergewicht.
Frau Kraft dürfte auch auf Grund der miesen
hessischen Expertise eher zu einem Patt
gezwungen sein.
Neuwahlen verleihen den eigentlichen Verlierern
doppelte – so ungemeine – Punkte.
@Westfäler (2):
„mal wieder“ – so viele gab es noch nicht. Und wie haben sich Deiner Meiner Meinung nach die Wähler das vorgestellt?