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Jens Matheuszik — 1. Juni 2010, 07:22 Uhr

Horst Köhlers Rücktritt und ein merkwürdiges Amtsverständnis


Horst KöhlerIch wurde gestern richtig überrascht, als ich telefonisch darüber informiert wurde, dass Horst Köhler als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurückgetreten ist.

Es ist gerade mal ein Jahr und ein paar Tage her, dass ich ihm zur Wiederwahl gratulierte. Jetzt ist er plötzlich zurückgetreten. Ich möchte mich jetzt nicht in die Reihe der vielen Kommentatoren einreihen, die ihn dafür kritisieren (obwohl ich diese Kritik teile!).

Stattdessen will ich noch auf einen Aspekt bei Horst Köhler eingehen: Als kürzlich Hans-Jürgen Papier, der Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichtes, turnusgemäß verabschiedet wurde, hielt Köhler eine Rede. In dieser sagte er sinngemäß, dass es nicht so toll sei, dass Politiker jedesmal, wenn sie bei einer Entscheidung im Bundestag unterliegen, danach Verfassungsbeschwerde einlegen und versuchen auf juristischen Weg ihre anscheinend nicht mehrheitsfähige Meinung durchzusetzen.

Auf den ersten Blick könnte man Köhler hierfür zustimmen – aber nur auf den ersten Blick. Denn er ist doch schuld daran. Wer überprüft denn Gesetze vorab auf Konformität mit dem Grundgesetz? Das ist seine Aufgabe, bevor er die Gesetze unterschreibt, diese im Bundesgesetzblatt veröffentlichen und damit gültig werden lässt.

Hätte Köhler damals nicht der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt, gegen die es im Vorfeld massive Bedenken gegeben hat, dann hätte Karlsruhe das Gesetz nicht für verfassungswidrig erklären müssen.

Insofern fand ich damals schon die Schelte von Köhler eher merkwürdig.

Als Köhler damals wieder gewählt wurde schrieb ich unter anderem:

Wenn die Bundesregierung respektive Bundestag (und Bundesrat) verfassungswidrige Entscheidungen vorlegen (siehe z.B. das Flugsicherungsgesetz oder das Verbraucherinformationsgesetz), dann wünsche ich Ihnen den Mut, dass auch abzulehnen. Ein Mut, der Ihnen übrigens beim Thema Vorratsdatenspeicherung gefehlt hat.

Das gilt auch für den jetzt zu wählenden Nachfolger bzw. die zu wählende Nachfolgerin. Diese Person ist innerhalb von 30 Tagen zu wählen und ich hoffe, dass da jemand gewählt wird, der sein Amt dahingehend ernster nimmt.

PS: Das verwendete Bild von Horst Köhler stammt vom internationalen Währungsfonds (IWF), wurde dem Wikimedia Commons-Archiv entnommen und gilt als gemeinfrei (public domain).


6 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Schlumpf @ 1. Juni 2010, 08:04 Uhr

    Das Problem bei der Prüfung von Gesetzen durch den Bundespräsidenten dürfte wohl darin liegen, dass er nach h.M. in der Rechtswissenschaft und auch des BVerfG die Unterschrift nur bei evidenten Verstössen gegen das Grundgesetz verweigern darf. Und was evident ist, ist naturgemäß bei Juristen sehr umstritten.


  2. (2) Kommentar von Börje Wichert @ 1. Juni 2010, 09:04 Uhr

    Streitig ist schon, ob dem Bundespräsidenten überhaupt ein materielles (sprich inhaltliches) Prüfungsrecht zusteht, oder nur ein formelles. Nach letzterer Auffassung dürfte der Bundespräsident nicht ein Gesetz nur dann nicht ausfertigen, wenn schon Verfahrensfehler gemacht worden wären.
    Für eine enge Auslegung spricht übrigens, dass im Grundgesetz und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ja genau die Klagearten genau durchdekliniert sind, zur Normverwerfung führen können. Beim Bundespräsidenten steht da nix.


  3. (3) Kommentar von Dirk Osada @ 1. Juni 2010, 12:19 Uhr

    Was aber spricht dagegen, dass der Bundespräsident ein Gesetz so lange nicht unterschreibt, bis etweilige Bedenken zur Verfassungskomformität geklärt sind?
    Zur Not muss es dann noch mal den Weg durch die parlamentarischen Instanzen gehen wenn die Frist zur Unterzeichnung abgelaufen ist.


  4. (4) Kommentar von 1ng0 @ 1. Juni 2010, 14:22 Uhr

    der schmollwinkeladvokat geht von bord

    vor bellevue da wächst die rose
    frühling zieht sein buntes hemd an
    innen drin schmollt die mimose
    tritt zurück von allen ämtern

    wer es wagt kritik zu üben
    an der bundesmajestät
    geht am besten gleich nach drüben
    und das lieber früh als spät!

    wer folgt nach? es laufen wetten:
    rüttgers? stoiber? koch? gar wehner?
    doch uns kann nur eine retten:
    bundespräsidentin lena!


  5. (5) Kommentar von Andreas F. @ 1. Juni 2010, 18:58 Uhr

    Das einzige, was mich an Horst Köhlers Rücktritt erschreckt, sind die Personen, die als seine Nachfolger gehandelt werden.

    Vielleicht gibt es ja innerhalb der nächsten 30 Tage in NRW eine Regierung, die das schlimmste über den Bundesrat zu verhindern vermag.


  6. (6) Kommentar von Jens @ 2. Juni 2010, 23:11 Uhr

    @Schlumpf (1):
    Wobei jetzt gerade bei der Vorratsdatenspeicherung das ja nicht einfach irgendwie daher erzählt war. Aber natürlich – da hast Du recht – ist das eine Auslegungssache.

    @Börje Wichert (2):
    Ich glaube so langsam, dass es ein Fehler war, dass man 1990 nicht – wie ursprünglich vorgesehen – eine gesamtdeutsche Verfassung erarbeitet. Da hätte man dann auch ggf. nachjustieren können.

    @Dirk Osada (3):
    Bei den Netzsperren hat Köhler ja lange gewartet, aber dann doch unterschrieben.

    @1ng0 (4):
    Hehe. :)

    @Andreas F. (5):
    Das sind zwar zwei verschiedene Dinge, aber ich hoffe das auch. :)


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