NRW 2010: Keine verlogene Wahl – eine Antwort auf die Ruhrbarone
Die Ruhrbarone titeln heute NRW 2010: Die verlogene Wahl und bezeichnen damit die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, die am 9. Mai 2010 stattfinden wird, als verlogen. Ich persönlich sehe das ganz anders und möchte daher mit diesem Beitrag darauf reagieren:
Natürlich hat Stefan Laurin recht, wenn er die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen als wichtigste Wahl des Jahres bezeichnet. Falls nicht auf irgendeiner Vorderalm noch eine neue Bürgermeisterwahl stattfinden muss, ist die Landtagswahl in diesem Jahr die einzige Wahl. Wichtig ist sie dennoch, insofern stimmt hier schon mal nur das Ergebnis aber nicht die Begründung.
Farbenspielchen
Danach stimmen in dem Ruhrbarone-Beitrag jedoch auch die Ergebnisse nicht mehr. Es ist eben nicht ein „Wahlkampf wie immer“. Weder sind die Versprechen der Parteien großartig austauschbar, noch sind es die selben politischen Konstellationen wie in den 80’er und 90’er Jahren. Während die SPD gerade in diesen Jahrzehnten Nordrhein-Westfalen es quasi als gottgegeben ansah, dass sie im bevölkerungsreichsten und wichtigsten Bundesland Deutschlands regiert und man auf die Konkurrenz aber auch (später dann) auf den eigenen Koalitionspartner eher spöttisch herabsah ist das jetzt doch etwas anders. Hielt man seitens der SPD die Landtagswahl 1995, wo man die absolute Mehrheit verlor noch für einen Ausrutscher, und spekulierte um das Jahr 2000 mit einem möglichen Koalitionswechsel ((unter dem damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, der lieber mit der FDP regieren wollte)), so hat sich das jetzt doch deutlich geändert, da man als SPD ganz klar die rot-grüne Koalition wünscht und dies auch öffentlich macht. Schon mal ein großer Unterschied zu vergangenen Wahlen. Auch das bedingungslose Eintreten der FDP für eine schwarz-gelbe Koalition mit der CDU hat die Landespolitik Nordrhein-Westfalens in den vergangenen Jahrzehnten so eher nicht gesehen – hier wahrte man noch eine Distanz, hier wurde (noch viel eher) die sozialliberale Koalition auf Landes- und Bundesebene geboren und hier hielt sich (und der damals amtierende Ministerpräsident Wolfgang Clement) die FDP für die bessere Alternative.
Konkrete Inhalte
Doch während die Farbspielchen (vulgo: Koalitionsmöglichkeiten) primär Politiker und Journalisten interessieren, sind es doch eher die Inhalte, die die Leute bewegen. Wer glaubt denn wirklich, dass beispielsweise die Inhalte der Bildungspolitik austauschbar wären? Okay, die FDP würde lieber auch über ihren Schatten springen und das bisherige dreigliedrige Schulsystem abschaffen, aber dass die CDU sich hier den Positionen der anderen Parteien annähert ist doch eher unwahrscheinlich.
Von der Schule kann man gleich zu den Hochschulen weitergehen – die politischen Ansätze sind hier doch auch sehr unterschiedlich. Studenten die dank Schwarz-Gelb ab dem 1. Semester einen hohen dreistelligen Betrag (zusätzlich zu den meist auch dreistelligen Einschreibegebühren) zahlen müssen, wo sich aber im Endeffekt oft an der Bildungssituation vor Ort – entgegen allen Versprechungen von CDU und FDP – kaum etwas ändert, dürften klar die unterschiedlichen Konzepte sehen, die die Landtagsparteien zur Wahl propagieren.
Doch auch bei dem von den Ruhrbaronen explizit angesprochenen Thema der Wirtschafts- und Finanzkrise gibt es klare Konzepte und vor allem deutliche Unterschiede. Ich kann natürlich nachempfinden, dass rüttger’sche Aussagen wie „Alles kommt auf den Prüfstand“ als wischi-waschi empfunden werden. Wobei ja wischi-waschi das Programm von Rüttgers ist – in Berlin entscheidet er sich für wischi (und verhandelt einen Koalitionsvertrag mit, der für massive Steuersenkungen im Hotelgewerbe sorgt), während er in Düsseldorf ganz waschi genau diesen Punkt nachher kritisiert.
Bei einem Thema, was sowohl den Ruhrbaronen als auch mir am Herzen liegt – das Ruhrgebiet – sieht man auch unterschiedliche Konzepte. Da gibt es die selbst ernannte Ruhrgebietspartei CDU, die ihre hehren Ansprüche nicht einmal mehr im Wahlprogramm dokumentieren kann (darf?), während die SPD, die hier – zugegebenermaßen – in der Vergangenheit oft eher das Brems- denn das Gaspedal betätigte, hier ganz neue Töne anschlägt. Da schrieb ein exzellenter Kenner der Ruhrgebietspolitik noch vor kurzem beispielsweise den Artikel Landtagswahl: Fortschritte für das Ruhrgebiet nur mit SPD und Grünen. Hat sich jetzt innerhalb von gerade mal rund zwei Wochen so viel geändert? Schließlich – der geneigte Leser mag es schon erahnen – ist dieser Artikel auch von den Ruhrbaronen.
Ich könnte jetzt die inhaltlichen Punkte weiter führen – ob jetzt den Bereich der Netzpolitik, wo die SPD sich von früheren, restriktiveren und geradezu feindseligen Positionen entfernt, den Bereich der Kommunalfinanzen und und und … es gibt genügend Inhalte, die alles andere als austauschbar sind. Sondern den Bürgern etwas ermöglichen – eine Wahl.
Wahlbetrug aller Parteien?
Im weiteren wird dann allen Parteien ein Wahlbetrug vorgeworfen, weil sie ihre politischen Konzepte zur Behebung der Krise nicht offenbahren – ja, da werde ich jetzt ehrlich gesagt wütend! Dass die Bundesregierung vor der Wahl ihre Pläne nicht vorlegen will kann ich ja sogar aus deren Sicht noch verstehen – dass jedoch die an der Bundesregierung (wir schreiben das Jahr 2010, das Jahr +1 nach einer für die SPD nicht wirklich toll verlaufenen Bundestagswahl liebe Ruhrbarone!) nicht beteiligten Parteien wie die SPD (und die Grünen) hier in Sippenhaft genommen werden ist doch schon tolldreist. Abgesehen davon, dass sowohl die SPD als auch sicherlich die Grünen (in deren Programmatik kenne ich mich nicht so gut aus) in ihrem Programm konkrete Punkte nennen, wie man da was erreichen will. Dabei grenzen sie sich – das mal wieder zum Vorwurf der Austauschbarkeit – auch deutlich von den Konzepten von CDU und FDP ab, für die ja das Steuersenkungs-Mantra fast schon an das goldene Kalb erinnert.
Landtagswahl, nicht Bundestagswahl
Anscheinend muss man dann auch noch darauf hinweisen, dass wir am 9. Mai 2010 eine Landtagswahl haben. Ob jetzt der Bund die Autobahnen privatisiert oder eine PKW-Maut eingeführt wird (was heute morgen Thema in den WDR 2-Nachrichten war und wahrscheinlich deswegen Einzug in den Ruhrbarone-Beitrag gefunden hat) – das hat jetzt mit der Wahl an Rhein und Ruhr erstmal wenig zu tun.
Dennoch ist natürlich die Landtagswahl auch wichtig für die Bundespolitik – denn ob Schwarz-Gelb in Berlin weiterhin ihr Programm durchziehen kann oder nicht, entscheidet sich indirekt auch am 9. Mai 2010. Als ein Thema sei hier nur die Gesundheitsversorgung angesprochen – bleibt man beim altbewährten unter Bismarck eingeführten solidarischen Gesundheitssystem, wo stärkere Schultern auch mehr leisten, oder führt man die unsolidarische Kopfpauschale ein, die auf Kosten der Älteren und Kranken geht und einen der Kernpfeiler der sozialen Sicherung in Deutschland, der immer wieder vom Ausland gelobt wird, bedroht?
Auch hier: Keinesfalls eine Verwechslung der politischen Konzepte.
Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Schwarz-Grün, Rot-Schwarz, Schwarz-Rot, Rot-Gelb-Grün, Schwarz-Rot-Gold…
Eine Klarheit wer mit wem koalieren will – die gibt es schon. Die CDU und die FDP wollen gemeinsame Sache und die SPD und die Grünen. Das dumme ist, und das sollte man ja eigentlich wissen – das entscheiden nicht die Parteien alleine, da sind noch einige Millionen Wähler aufgefordert ihr Votum abzugeben. Und wenn diese Wähler – wie eigentlich schon seit Wochen laut den Umfragen – weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün eine Mehrheit verschaffen, dann ist das nun mal so. Man könnte sich natürlich jetzt – und darauf zielt ja dieser Passus – wie die SPD in Hessen vorzeitig festlegen und mit irgendwelchen Aussagen dafür sorgen, dass es zu einem politischen Patt kommt, aber ich denke so eine Hängepartie will niemand.
Abgesehen davon, dass es abseits von irgendwelchen rot-rot-grünen Fantasien (die vor allem die CDU gerne schürt, da ohne die Linkspartei im Landtag die bisherige Koalition allen Umfragen zufolge nur noch den Hauch einer Chance hat) auch noch weitere Konstellationen gibt – wer sagt denn beispielsweise, dass die Ampel-Koalitionen in Brandenburg und Bremen die einzigen auf Bundesland-Ebene bleiben sollen? Ganz Nordrhein-Westfalen wird bereits jetzt von einer Ampelkoalition bestehend aus SPD, FDP und Bündnis ’90/Die Grünen regiert – in den beiden Landschaftsverbänden (Rheinland und Westfalen-Lippe), wo es in den Gremien nach den jüngsten Kommunalwahlen jeweils zu solchen politischen Konstellationen gekommen ist.
Außerdem sollte man bedenken – bis zur Wahl ist es noch gut ein Monat hin. Wenn das eine Lager nur x Prozentpunkte verliert und das andere Lager diese x Prozentpunkte gewinnt oder wenn es doch bei vier Fraktionen im Landtag bleibt… auf gut deutsch gesagt: Es ist noch alles offen!
Die zur Landtagswahl 2010 antretenden Parteien haben noch alle Chancen mit ihren deutlich unterscheidbaren „Versprechen und Parolen“, mit ihren Konzepten und ihren Köpfen die Landtagswahl für sich zu entscheiden. Und um das mal mit einem bekannten Zitat zu kommentieren: … und das ist auch gut so!
Hinweis: Ich kenne die Ruhrbarone und insbesondere Stefan Laurin gut und schätze sowohl das Blog als auch ihn persönlich. Auch wenn wir oftmals – gerade politisch gesehen – völlig anderer Meinung sind. Außerdem bin ich – aufgrund meiner SPD-Mitgliedschaft – natürlich im besten Sinne des Wortes parteiisch.
mehr Ignoranz habe ich noch nicht gelesen ;-) aber nichts für ungut, jeder soll seine Meinung haben.
@Unbekannt (1):
Was ist denn daran ignorant? Ich persönlich fand den Beitrag bei den Ruhrbaronen ignorant und falsch und habe – anstatt via Kommentar dort zu antworten – diese Antwort hier geschrieben und auch belegt.
Du versuchst ja noch nicht einmal Deinen Vorwurf zu belegen, insofern sehe ich das mal als haltlos an.
Gibt es ein Vorbild in der Geschichte der BRD mit so eine desolaten Regierung? Ich glaube nicht und die Liberalen haben extrem großen Anteil an diesem Bild. Ich bin guter Hoffnung, wir müssen das nicht mehr allzu lange erleiden.