Search:

Werbung:

Google+:

Archiv:


Jens Matheuszik — 23. Februar 2010, 19:58 Uhr

Abgeordnetenwatch NRW inoffiziell schon heute (erneut) gestartet bzw. erreichbar (aktualisiert)


Abgeordnetenwatch.de (Logo)Vor einigen Stunden wurde via Twitter offiziell bekannt, dass das Projekt Abgeordnetenwatch.de in Nordrhein-Westfalen am morgigen Mittwoch startet.

Das Adjektiv „offiziell“ habe ich verwendet, da das natürlich nichts wirklich neues ist – in einer eMail wurde mir das bereits vor rund zwei Wochen bestätigt. Außerdem ist das ja nicht der erste Start von Abgeordnetenwatch NRW, denn schon am 16. Dezember 2007 schrieb ich hier im Pottblog den Artikel Abgeordnetenwatch startet in Nordrhein-Westfalen. Hat wohl nicht lange durchgehalten, wenn es jetzt erneut morgen um 11:00 Uhr gestartet wird…

Obwohl das Projekt in Wirklichkeit auch schon gestartet erreichbar ist:

Jedenfalls kommt man schon jetzt zu einer Ãœbersichtsseite für NRW, wenn man den Link www.abgeordnetenwatch.de/wahlen_nordrhein_westfalen-244-0.html aufruft ((der auf der Startseite etwas versteckt ist…)).
Von dieser Ãœbersichtsseite aus kann man die Ãœbersicht über alle Kandidaten und auch Informationen zum Wahlrecht erfahren. Letzteres ist gar nicht mal sooo unwichtig – denn erstmalig wird der Landtag von NRW mit einem 2-Stimmen-Recht gewählt.

Im oben erwähnten Twitter-Beitrag wurde übrigens besonders erwähnt, dass auch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und seine Gegenkandidatin Hannelore Kraft (SPD) bei Abgeordnetenwatch NRW auftauchen würden. Naja, das ist nicht wirklich überraschend – um in NRW Ministerpräsident/in zu werden, muss man im Landtag sitzen. Ergo sollte da jede Aspirantin und jeder Aspirant erst einmal für den Landtag kandidieren.

Grundsätzlich finde ich die Idee, die hinter Abgeordnetenwatch steckt gut. Man kann seine Abgeordneten (bzw. die Kandidaten für ein Amt) zu irgendwelchen Themen befragen, diese geben Antworten und beide haben was davon: Der Fragesteller bekommt eine Frage beantwortet, der Antwortende spart sich ggf. dreiundzwölfzig Antwortschreiben zu ein- und demselben Thema (und erhält auch ein wenig Öffentlichkeit dadurch).

Doch leider krankt meiner Meinung nach Abgeordnetenwatch an einigen Punkten:

Standard-Textbausteine

Viele Abgeordnete/Kandidaten arbeiten nur mit Standard-Textbausteinen. Während dies Fragestellern verboten ist (da hier dann eine Kampagne vermutet wird), ist es kein Thema, wenn diverse Abgeordnete mit ein- und denselben Texten auf unterschiedliche Anfragen antworten. Grundsätzlich ist das kein Thema – mein persönlicher Abgeordneter X ist vielleicht besonders firm im Thema Photovoltaik und kennt sich vielleicht mit dem Thema Baurecht nicht so gut aus und fragt dann bei seinen Kollegen und seiner Fraktion nach um den „parteioffiziellen“ Standpunkt dazu zu erfahren.
Nur: Dann sollte das auch als „Gruppen“- oder „Fraktionsantwort“ gelten.

Ãœbervorsichtige Antworten

Viele der Antworten (gerade die eben erwähnten Textbausteine) sind eher langweilig. Nicht weil das Thema unter Umständen langweilig ist, sondern weil man sich nicht angreifbar machen möchte. Vor allem dann nicht, wenn gar nicht die befragte Person wirklich antwortet, sondern einer der Mitarbeiter aus dem Wahlkreis- oder Landtagsbüro. Was ich übrigens nicht so gut finde, denn es heißt ja abgeordnetenwatch.de und nicht „MitarbeitereinesAbgeordnetenwatch.de“. Wenn schon Mitarbeiter antworten (vielleicht weil der entsprechende Politiker nicht so computeraffin ist, was in der heutigen Zeit aber eher schade ist), dann sollte das auch deutlich gekennzeichnet werden. So hielt es beispielsweise Frank-Walter Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidat, denn damals antwortete das „Frank-Walter Steinmeier Team“ für ihn.

Es gibt natürlich – leider viel zu wenig! – Ausnahmen, wie beispielsweise der oft zitierte Bundestagsabgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) aus Lünen, der alle Fragen selbst beantwortet. Dabei pflegt er übrigens auch eine sehr klare und deutliche Sprache, so dass es wirklich ein Genuss ist, bei ihm mitzulesen.

Finanzieller Druck

Gerade zum Start eines neuen Abgeordnetenwatch-Ablegers (wie beispielsweise bei den Kommunalwahlen im vergangenen Herbst) sieht man, wie einzelne Kandidaten mit ihrem Foto auf sich aufmerksam machen, während andere nur einen Platzhalter dort stehen haben. Das hat nichts damit zu tun, dass der eine oder andere fotolose Kandidat nicht in der Lage ist, ein Foto an die Macher von Abgeordnetenwatch zu übermitteln – das hat mit Geld zu tun.
Denn auch wenn Abgeordnetenwatch grundsätzlich kostenlos ist und sich durch Spenden finanziert, wird von Politikern erwartet, dass sie sich finanziell beteiligen. Das Geld geht zwar laut Abgeordnetenwatch vollständig in den Betrieb der Plattform – zu zahlen ist es aber dennoch. Der dreistellige Betrag ((200 Euro für den Bundestag, 100 Euro für Landtage)) wird jetzt den etablierten Politikern nicht wirklich weh tun. Wobei man hier beachten sollte, dass beispielsweise die nordrhein-westfälischen Diäten deswegen so hoch sind, weil die Abgeordneten selber für ihre Altersversorgung zahlen müssen.

Wenn man aber erstmalig kandidiert (und das dürfte bei der Landtagswahl in NRW sicherlich oft der Fall sein), dann ist das schon eine gewisse finanzielle Belastung. Vor allem dann, wenn man von der eigenen Partei nicht unbedingt großartig unterstützt wird (falls man nicht sogar parteilos antritt). Gerade bei kleineren Parteien wie der Piratenpartei könnte ich mir schon vorstellen, dass dort das Wahlkampfbudget eher kleiner ist.

Natürlich könnte man auch auf das Foto verzichten – aber das sähe ja auch doof aus, wenn die ganzen anderen Mitbewerber mit ihrem besten Photoshop-Lächeln (gut, dass der neue CDU-Vorsitzende Bochums Dr. Christoph Konrad nicht kandidiert…) dort zu finden sind und nur man selber nicht dort auftaucht. So war es beispielsweise auch bei der Kommunalwahl in Bochum zu beobachten – erst war nur ein OB-Kandidat mit Foto dabei, dann der nächste und schon waren sie alle da.

Die Chancengleichheit ist bei Abgeordnetenwatch dadurch deutlich verletzt. Natürlich hat die Plattform ein Interesse Spenden zu sammeln – aber wenn man das mit einem anderen Internet-Projekt vergleicht, dann sieht man wie merkwürdig das ist: Man stelle sich mal vor, dass der Verein WikiMedia Deutschland Spenden sammelt und die Politiker ihre Profile Einträge in der deutschsprachigen Wikipedia „schöner“ gestalten könnten, als die Politiker die nicht spenden…

Mitmachdruck

Natürlich gibt es einen gewissen Druck bei Abgeordnetenwatch mitzumachen. Das wird alleine schon indirekt durch die Medienpartner erledigt. Momentan werden DerWesten, der WDR und Radio Bielefeld als Medienpartner genannt, eventuell kommen da noch mehr dazu ((damit sich Radio Bielefeld als lokal begrenztes Medium nicht so alleine fühlt…)).
Insofern besteht da schon ein gewisser Druck mitzumachen, wenn man nicht gerade in der Zeitung (man darf ja nicht vergessen, dass hinter DerWesten die WAZ-Mediengruppe als meines Wissens größter Regionalverlag Nordrhein-Westfalens steht), im Radio oder im Internet unter Umständen negativ erwähnt werden möchte („Kandidat XY hat bisher 0 von 10 Fragen beantworten, Kandidat YX jedoch schon alle 10!“).

Jetzt kann man natürlich einwenden, dass die Abgeordneten über einen gewissen Mitarbeiterstab verfügen, die natürlich die Arbeit dort miterledigen können. Abgesehen davon, dass ich ja der Meinung bin, dass es viel authentischer ist, wenn ein Abgeordneter selber die Fragen beantwortet, darf man hier nicht vergessen, dass in Nordrhein-Westfalen die personelle Unterstützung der Landtagsabgeordneten nicht so rosig ist, wie beim Bundestag:
Der typische Bundestagsabgeordnete hat für Personal ein Budget von über 13.000 Euro/Monat zur Verfügung. Klingt nach viel, wobei man hier bedenken muss, dass damit das Personal im Bundestagsbüro und im Wahlkreisbüro finanziert werden muss – und auch die Mitarbeiter haben mal ein Anrecht auf Urlaub, so dass es nicht reicht jeweils eine Person einzustellen.
Ein typischer Landtagsabgeordneter in NRW hat hingegen ca. 3.500 Euro/Monat zur Verfügung. Und ebenfalls ein Büro am Parlamentssitz in Düsseldorf und klassischerweise auch ein Wahlkreisbüro vor Ort in seinem Wahlkreis. Das von diesen 3.500 Euro nicht so viele Mitarbeiter bezahlt werden können, dürfte auf der Hand liegen. Insofern bleibt den weniger Mitarbeitern deutlich weniger Zeit dafür.

Wo ich gerade den Medienpartner DerWesten erwähnt habe: Irgendwie komme ich gerade auf das Wahlkampfangebot von DerWesten „mit dem Höschen“ zur Kommunalwahl 2009, welches angesichts des großen Protests der Parteien schnell zurückgezogen wurde…

Weitergehende Links

Ich könnte jetzt noch einiges schreiben – dass beispielsweise das ganze nicht immer wirklich transparent ist und die Moderation von Abgeordnetenwatch die Transparenz zumindestens der Fragesteller einschränkt, aber damit würde ich mich wiederholen. Stattdessen verweise ich auf meine Abgeordnetenwatch-Reihe Who watches the watchers?, die ich aufgrund negativer Erfahrungen mit Abgeordnetenwatch (auf Bundesebene) im letzten Sommer geschrieben habe:

Das die Kritik dort von Abgeordnetenwatch.de gelesen wurde ist mir bekannt – spätestens als dort Verantwortliche kommentierten und ((übrigens ohne zu fragen…)) aus meinen Mails zitierten. In den Kommentaren zum letzten Teil wurde dann auch die Idee aufgebracht, warum es so etwas wie Abgeordnetenwatch.de nicht von staatlicher Seite her gibt. Und im Grunde genommen ist es ein Armutszeugnis für die Verantwortlichen von bundestag.de & Co., dass es solche Möglichkeiten nicht auf deren Webseiten gibt. Falls man hier Angst der Parteilichkeit und fehlenden Neutralität hat – dann sollte man einfach eine Art Stiftung Warentest für Abgeordnete (oder Stiftung Abgeordnetentest, danke an Mathias S. für die Anregung!) gründen. Die Stiftung Warentest wurde mehr oder weniger bekanntlich auch mit staatlichen Geldern gegründet und ist für ihre Unabhängigkeit bekannt.

Natürlich werde ich mir trotz aller Kritik Abgeordnetenwatch NRW anschauen, ich bin ja beispielsweise auch auf die Antworten von Hendrik Wüst (CDU) gespannt… ;)
Nichtsdestotrotz wäre es schöner, wenn Kritikpunkte an Abgeordnetenwatch.de zukünftig entfallen könnten … und ggf. zukünftig Abgeordnetenwatch.de vollständig entfallen würde, weil beispielsweise landtag.nrw.de einen solchen Service selber anbietet.

Aktualisierungshinweis: Die Seiten sind zwar schon erreichbar, aber noch kann man keine Fragen stellen. Das wird wohl dann erst ab morgen um 11:00 Uhr gehen. Bis dahin haben die Macher dann ja auch noch Zeit den Namen eines Parteivorsitzenden (einer nicht so unwichtigen Partei…) abzuändern, der bisher noch falsch geschrieben ist. ;)


5 Kommentare »

RSS feed for comments on this post. TrackBack URI.

  1. (1) Kommentar von Hannes @ 23. Februar 2010, 20:24 Uhr

    Den letzten Satz von Dir möchte ich voll unterschreiben. Habe vor längerer Zeit ein Interview mit den/dem(?) Macher(n) von Abgeordnetenwatch im Radio gehört und mir gedacht, dass eine offene und transparente Selbstdarstellung der Abgeordneten und der Parlamente den Bezahlservice von AW überflüssig machen würde.


  2. (2) Kommentar von ph @ 24. Februar 2010, 13:31 Uhr

    Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was ein staatliches Abgeordnetenwatch so attraktiv machen würde – beispielsweise also ein aw.landtag.nrw. Abgesehen davon natürlich, dass man sich dann als Ottonormal-Nutzer nicht mehr um die Finanzierung sorgen müsste und alle Kandidaten den gleichen Funktionsumfang nutzen könnten, und z.B. die Piratenpartei hier in ihrer Außendarstellung nicht mehr (latent) diskriminiert würde.

    Aber ist nicht gerade der Sinn von aw, dass man eine gemeinnützige, *nicht-staatliche* Stelle hat, die – wenn auch nicht formal als „Stiftung Abgeordnetentest“ organisiert – für eine möglichst transparente Kommunikation garantiert? Oder anders formuliert: Wenn ich mir eine transparente Berichterstattung über ein Unternehmen XY wünsche, vertraue ich doch auch tendenziell eher einer separaten Organisation als einer vom Unternehmen selbst eingerichteten Pressestelle.

    Das man aw weiter verbessern kann, steht außer Frage. Aber imho nicht unbedingt durch eine staatliche Stelle.

    Disclaimer: ich war 2008 ein Jahr lang Praktikant bei aw. Und ich lese das Pottblog auch, wenn es um andere Themen geht ;)


  3. (3) Kommentar von Jens @ 4. März 2010, 23:54 Uhr

    @Hannes (1): Vor allem würde das ganze dadurch noch deutlich transparenter.

    @ph (2): Also die Punkte, die Du unter „abgesehen“ aufführst halte ich schon mal nicht für unwichtig. Und wenn das ganze staatlich neutral (über diverse Modelle wäre das ja möglich) auf die Beine gestellt wird, ist das meiner Meinung nach transparenter als bei AW.


  4. (4) Kommentar von Forner Dagobert Dipl.Ing. @ 4. Juni 2012, 09:02 Uhr

    Würden Sie; Herr Abgeordneter Polenz; die Lieferung (von U-Booten) an andere Staaten, die hochgradig von anderen Staaten kriegerisch gefärdet sind absegnen? Nehmen wir als Beispiel den Iran! Regards Dagobert R. Forner


  5. (5) Kommentar von Jens @ 4. Juni 2012, 18:14 Uhr

    Ich wüsste nicht, dass Herr Polenz hier mitliest…


Leave a comment

Line and paragraph breaks automatic, e-mail address never displayed, HTML allowed: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Mit dem Absenden eines Kommentars wird akzeptiert, dass der angegebene Name, die eMail-Adresse und die derzeit aktuelle IP-Adresse Ihres Internetanschlusses zusammen mit dem Kommentar gespeichert wird. Weiteres hierzu in den entsprechenden Datenschutzhinweisen.