Details Schwarz-Grüne Kooperation im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR): Sozialticket und mehr
In der so genannten Verbandsversammlung des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR ((das Logo ist im Original natürlich nicht schwarz und grün…)) ) kooperieren ab sofort die CDU und Bündnis ’90/Die Grünen miteinander (bisher gab es hier eine schwarz-gelbe Koalition aus CDU und FDP), obwohl es für eine rot-grüne Mehrheit aus SPD und den Grünen gereicht hätte.
Das es nicht zu dieser Wunschkoalition (der beiden Parteien auf Landesebene) gekommen ist, mag sicherlich auch an den atmosphärischen Störungen liegen, die beispielsweise Mario Krüger (Grüne) aus Dortmund mit einigen SPD-Mitgliedern hat, so dass auch hier wieder die These gilt, dass Koalitionen oftmals von den handelnden Akteuren und nicht von politischen Übereinstimmungen geprägt werden (siehe die Jamaika-Koalition im Saarland).
Aber zurück vom Saarland zu einem größeren Gebiet – dem Gebiet des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr. Laut der Kooperationsvereinbarung zwischen der CDU und den Grünen, die dem Pottblog vorliegt, hat man sich einige Ziele für die neue Legislaturperiode gesteckt:
Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV)
Der VRR soll sich bei der SPNV-Finanzierung auf Landesebene dafür einsetzen, dass zugunsten des VRR ((und damit wohl automatisch zu ungunsten der anderen Verkehrszweckverbände…)) die bisherigen Pauschalzahlungen umverteilt werden. Die SPNV-Umlage, die der VRR derzeit erhebt, soll gekürzt bzw. sogar gen null reduziert werden.
Eine weitere finanzielle Entlastung sollen Sparmaßnahmen im Verwaltungsbereich, die Überprüfung des Beteiligungsengagements des VRR und der Marketingaktivitäten bringen. Jedoch sollen auch zum Teil Preisanpassungen (sprich Erhöhungen) durchgeführt werden. So heißt es in der Vereinbarung:
[…] die Ergiebigkeit von Mehreinnahmen durch Preisanpassungen in den Preisstufen A und B [ist; Anm. d. Bloggers] ausgeschöpft […]. Spielräume werden lediglich für die Preisstufen C und D gesehen. […]
Gemeinsamer Tarif mit dem VGN
Nachdem der VRR bereits vor zwei Jahren die Aufgaben des Nahverkehrs-Zweckverbandes Niederrhein übernommen hat, soll jetzt endlich (dafür aber laut Vereinbarung „kurzfristig“) ein gemeinsames Tarifsystem des VRRs und der Verkehrsgemeinschaft Niederrhein geschaffen werden.
Reaktivierung RB37 / S28
Die Ratinger Weststrecke (RB37) und die Regio-Bahn-Strecke Mönchengladbach – Viersen bzw. Wuppertal (S28) sollen wieder reaktiviert werden.
Beteiligung von Interessensgruppen
Beratende Mandate in einzelnen Gremien sollen sowohl ein Vertreter von Pro Bahn und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie (als gemeinsames Mandat) die Gewerkschaft Transnet und die Gewerkschaftsdachorganisation Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) ((dabei ist doch Transnet Mitgliedsgewerkschaft im DGB…)) erhalten.
VRR-Sozialticket
Jetzt wird es interessant. So heißt es wortwörtlich:
Die Fraktionen von CDU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN sprechen sich angesichts der positiven Erfahrungen in Dortmund und im Kreis Unna für eine kurzfristige verbundweite Einführung eines Sozialtickets im Abo, in Anlehnung an das Ticket 1000, Preisstufe A zum 01.08.2010 aus.
Bisher hat beispielsweise die CDU in Dortmund das in der vergangenen Legislaturperiode von der damaligen rot-grünen Ratsmehrheit beschlossene Sozialticket vehement abgelehnt.
Ob Frank Hengstenberg (der Fraktionsvorsitzende der CDU in Dortmund) sich da noch dran erinnert, wenn wer demnächst in der Verbandsversammlung des VRR seine Hand dafür hebt?
Weiter wird festgehalten, dass sichergestellt werden muss, dass aus der Einführung des VRR-Sozialtickets keinerlei Belastungen der kommunalen Haushalte erfolgen. Zur Gegenfinanzierung soll die bisherige Tarifstuktur und dort explizit genannt das bisherige Bärenticket überprüft werden ((beim Bärenticket, welches sich an Senioren richtet, wird explizit die Frage der Notwendigkeit gestellt)).
Anspruchsberechtigter Personenkreis
Die Bezieher folgender Leistungen sollen anspruchsberechtigt sein:
- Arbeitslosengeld II (ALG 2) oder Sozialgeld (nach dem Sozialgesetzbuch II)
- Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter (nach dem Sozialgesetzbuch XII)
- Hilfe zum Lebensunterhalt (nach dem Bundesversorgungsgesetz)
- Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz
- Wirtschaftliche Leistungen des Jugendamtes für junge Menschen, die in einem Heim, bei Pflegeeltern oder Verwandten leben
Auch erwerbstätige Personen mit einem niedrigen Einkommen sollen das VRR-Sozialticket nutzen können, denn Haushalte, bei denen die monatlichen Einkünfte nur 10 % über dem ALG II (und den Kosten der Unterkunft) liegen, sollen in den anspruchsberechtigten Kreis einbezogen werden.
Preise des VRR-Sozialtickets
- Ticket 1000 im Abo, Preisstufe A2: 23,00 Euro/Monat (statt 50,48 Euro)
- Ticket 1000 im Abo, Preisstufe A1: 19,00 Euro/Monat (statt 49,20 Euro)
- Ticket 1000 (ab 09:00 Uhr) im Abo, Preisstufe A2: 16,00 Euro/Monat (statt 36,81 Euro)
- Ticket 1000 (ab 09:00 Uhr) im Abo, Preisstufe A1: 15,00 Euro/Monat (statt 35,83 Euro)
Bewertung der schwarz-grünen Kooperationsvereinbarung
Natürlich ist es schön, dass es jetzt ein Sozialticket im Ruhrgebiet bzw. dem VRR gibt. Die Innovationsmotoren waren hier – und das wird auch in der schwarz-grünen Vereinbarung explizit so genannt – die Stadt Dortmund und der Kreis Unna. Warum jedoch die Grünen lieber mit der CDU als mit der SPD koalieren ist fragwürdig – schließlich wäre ein Sozialticket sicherlich auch mit der SPD machbar gewesen, die beispielsweise in Bochum sich für ein Sozialticket auf VRR-Ebene aussprach. Dass die CDU eine schwarz-grüne Kooperation eingegangen sind ist jedoch klar – sichert diese doch der CDU einige Posten im VRR (Verbandsvorsteher, Vorsitzender der Verbandsversammlung und Ausschussvorsitzende).
Ob die Grünen, insbesondere die Grünen aus Dortmund, mit dieser schwarz-grünen Regelung zufrieden sein können ist jedoch fraglich.
Noch vor kurzem luden die Grünen in Dortmund zum Neujahrsempfang ein und empfingen die Gäste mit dem nebenstehend abgebildeten Plakat, wo die Abschaffung des 15,00 Euro-Sozialtickets in Dortmund bzw. die Ersetzung durch ein 30,00 Euro-Sozialticket durch SPD, CDU und FDP scharf angegriffen wurde. Der Preis für das schwarz-grün vereinbarte Ticket 1000 im Abo (A2) ist übrigens näher an 30,00 als an 15,00 Euro und so kann man sich fragen, ob nicht eventuell eine rot-grüne Kooperation im VRR hier eine bessere, da für die Betroffenen günstigere, Lösung hätte erzielen können.
[…] Verkehr I: Das VRR-Sozialticket…Pottblog […]
Da schimmert ein etwas schlichtes Weltbild durch: Alles Gute kommt von Rot oder Grün und die Schwarzen wollen nur die Posten haben. Klingt ja fast wie die Kritik z.B. der Grünen an der SPD nach den gescheiterten Verhandlung in Essen.
Ich hoffe „als Externer“ auf mehr Veränderungen auch an Arbeitsstrukturen. Darum habe ich mich auch um ein Mandat zum VRR bemüht, bin dann aber Stellvertretzer geworden.
@Dirk Schmidt (1):
Vielleicht kannst Du es ja besser erklären, warum plötzlich CDU-Politiker für ein Sozialticket sind, welches sie vorher abgelehnt haben?
Ich vermute mal, dass es so war, dass die CDU weiterhin ihre Ämter haben wollte und dafür dann auch die grüne Kröte (aus deren Sicht) Sozialticket geschluckt haben.
Zu den VRR-Mandaten: Wie ermitteln die sich eigentlich?
Sicherlich hat das Sozialticket den Geschmack eines „Arbeitsplatz-Erhalts“. Doch die nahverkehrshelden.de fürchten, dass diese Betrachtung viel zu kurz springt.
Wahrscheinlich wird das Sozialticket jetzt bewußt als Vorwand für eine „Reform der Tarifstruktur“ geschaffen. Und hinter dem Begriff „Reform der Tarifstruktur“ steckt dann ganz platt wieder einmal eine Preiserhöhung, die man mit den hohen Kosten des Sozialtickets dann doch prima begründen kann.
@Nahverkehrshelden.de (4):
Gibt es bei Euch Euren Beitrag dazu?
Nein, leider (noch) nicht … da sind wir wieder beim Thema ZEIT hat man weniger als DOMAINS. ;-)
Aber in der nächsten Ärgergeschichte über die eurobahn fließt das ein! Muß mich mal an die Recherche setzen.
@Nahverkehrshelden.de (6):
Hehe, das kenne ich. Man bräuchte manchmal Tage mit 48 Stunden. :)
Nachdem ich las, dass ausgerechntet der Dortmunder SPD-Fraktionschef Prüsse auch Chref der Fraktion im VRR ist, wurde mir manches klarer. Es war Prüsse, der in Dortmund eine Wiedrauflage der rot-grünen Rathauskoalition verhindert hat. Nach dem Vorstoß von Schwarz-Grün imVRR schaltet er jetzt auf beleidigt: Wer denn die Zeche bezahlen solle, fragt er mit Unschuldsmiene und ist sich nicht zu blöde, in das Gezeter der gro0en Verkehrsunternehmen über das geplante VRR-Sozialticket einzustimmen.
Obwohl mit 23 Euro für Hartz IV-Empfänger, Empfänger von Grundsicherung etc. eigentlich zu teuer, dürfen wir die massive Stänkerei der Unternehmen nicht unbeantwortet lassen. Bereits etliche Sozialticket-Initiativen haben das Vorhaben des VRR begrüßt. Akoplan Dortmund hat sich mit einer ausführlichen Stellungnahme an die Presse gewandt, die bislang jedoch nirgends Berücksichtigung fand. Deshalb hier ein Link auf die PM: http://agora.free.de/sofodo/themen/allgem-gesamt/akoplan-zum-vrr-sozialticket
Offensichtlich wäre das Sozialticket mit der SPD nicht möglich gewesen: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/sozis-gegen-sozialticket/
@Heiko Holtgrave (8):
Man sollte aber nicht vergessen, dass irgendwer das ganze zu zahlen hat (wobei ich hier Land und primär Bund in der Pflicht sehe).
@Stefan (9):
Vielleicht weil man dort rechnen kann – oder aber einzelne Bevölkerungsgruppen nicht gegeneinander ausspielen möchte?
Also ich finde das Bärenticket toll. Weiss zwar nicht wieviele Leute es im Gebiet Ruhr/Rhein nutzen. Aber so etwas müsste auch im Saarland eingeführt werden.
Da können sich unsere Politiker ein Stück abschneiden.
Ein Bärenticket für Bereich Saarland/Rheinland Pfalz würde mich dazu veranlassen, mein Auto stehen zu lassen und viel mehr unterwegs zu sein. Mit meinen 62 Jahren und vorausgegangener schwerer Erkrankung vor zwei Jahren mit 80 % Behinderung möchte ich möglichst aufs Auto fahren verzichten.
Ich glaube das geht vielen so. Warum wird dafür nichts getan; die meisten Züge sind ja sowieso halb leer.
MFG
@Helmut Schuler (11):
Tja, da kann ich dann nur empfehlen mal vor Ort nachzuhaken. Wie die Situation dort ist kann ich ovn hier leider nicht einschätzen.