Neugestaltung sozialdemokratischer Netzpolitik geplant
Dass die SPD in Sachen Netzpolitik Nachholbedarf hat (um es mal positiv auszudrücken) hat sich letztes Jahr gezeigt, als im Rahmen der „Zensursula-Debatte“ die SPD eine meiner Meinung nach folgenschwere Entscheidung traf, als sie dem Zugangserschwerungsgesetz und damit den Netzsperren zustimmte – ein Gesetz, welches übrigens im Nachhinein selbst von CDU-Seite indirekt eher als – handwerklich sogar eher schlechter – „Wahlkampf-Gag“ angesehen wurde ((sinngemäß formulierte es jedenfalls Wolfang Schäuble (CDU) )).
Ein „Gag“, der jedoch zündete und meiner Meinung nach zu einem gewissen Teil dazu beigetragen hat, dass die SPD jetzt auf den Oppositionsbänken im Bundestag sitzt und mit der Piratenpartei eine neue politische Gruppierung entstanden ist, die mit weit über 840.000 Zweitstimmen bei der Bundestagswahl nicht wirklich schlecht abgeschnitten hat.
Insofern bin ich froh, dass ein neuer Gesprächskreis rund um die Netzpolitik bei der SPD gegründet werden soll, wie seitens des Spiegels in einer Vorabmeldung berichtet wurde. Es geht nämlich nicht nur darum, dass die SPD fit ist bei der Nutzung des Internets als Medium, sondern auch netzpolitisch sich bei netzpolitischen Themen wie Netzneutralität, digitale Grundrechte, Urheberrecht im Zeiten des Internets positiv einbringt. Netzpolitik ist insofern also mehr als iSPD auf dem iPhone ((davon habe ich auch das verwendete Bild genutzt)).
Die Spiegel-Vorabmeldung wurde jedoch auch kontrovers partei-intern diskutiert:
Schließlich sah das wieder mal nach einer „von oben aufoktroyierte“ Diskussion aus, wo die Basis nicht einbezogen wurde. Dem ist aber nicht so, schließlich hat ja schon der SPD-Bundesparteitag ((als höchstes Gremium der SPD)) unter anderem beschlossen, dass
„sich die SPD öffnen [muss; Anm. d. Bloggers] für die neuen Kommunikationsgewohnheiten (nicht nur) der jungen Generation im Netz und für das „digitale Lebensgefühl“.“
Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass die Netzpolitik innerhalb der SPD der inhaltlichen Profilierung und nicht der Selbstprofilierung nutzen soll – denn eine breite Diskussion der Netzpolitik ist notwendig.
Björn Böhning schreibt im Blogbeitrag Sozialdemokratische Netzpolitik gemeinsam gestalten folgendes:
Ausgelöst durch kritische Debatten im Wahlkampf und danach scheint die Netzpolitik in der SPD nun in der Breite vollends angekommen. An vielen Orten haben sich viele Initiativen gebildet, die sich für eine Neuorientierung sozialdemokratischer Netzpolitik einsetzen. Das ist gut so und zeigt, dass die SPD offener und durchlässiger geworden ist.
Stimmt – schon vor der Bundestagswahl gab es vereinzelte lokale und regionale netzpolitische Aktivitäten, die sich insbesondere gegen die „Netzsperren“ aussprachen. Inzwischen scheint das ganze auch in den Landesverbänden angekommen zu sein – meines Wissens wird beispielsweise auch auf dem Landesparteitag der NRWSPD sich dem Thema widmen ((jedenfalls weiß ich aus erster Hand, dass es einen entsprechenden Antrag gibt)).
Weiter schreibt Björn:
Klar ist allen, dass eine netzpolitische Struktur, die beim SPD-Parteivorstand angesiedelt ist, nur unter Einbezug der vielen positiven Basisinitiativen gelingen kann.
Für die Außenwahrnehmung unserer Aktivitäten ist allerdings auch wichtig, dass es “offizielle†Kanäle gibt, die im Name von Fraktion oder Parteivorstand für die Netzpolitik sprechen. Dies natürlich unter Einbezug vieler. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass viele verschiedene, wenig miteinander vernetzter Initiativen alleine nicht die nötige innerparteiliche Vehemenz einer Modernisierung sozialdemokratischer Netzpolitik entfalten können. Denn es geht letztlich auch darum, beispielsweise Parteitagsbeschlüsse neu zu fassen. Das ist in unserer Partei – zurecht – nur über offizielle Gremien möglich.
Auch zur Rolle des Online-Beirates (dieser hatte aufgrund von Protesten gegen die Netzsperren-Entscheidung seine Arbeit eingestellt) äußert sich Björn:
Im Parteivorstand ist noch nicht über die Zusammensetzung des neuen Gesprächskreises “Netzpolitik und digitale Gesellschaft†(Über den Namen lässt sich streiten ;-) ) gesprochen worden. Es wird heute und morgen nur die Struktur geklärt werden. Lars Klingbeil und ich sind aber froh, dass alle Mitglieder des Online-Beirates ihre Bereitschaft zur weiteren Mitarbeit signalisiert haben. Ich plädiere aber auch dafür, diesen Kreis deutlich weiter anzulegen, um viele Engagierte in und außerhalb der Partei in die Arbeit einbinden zu können. Dies beschließt letztlich niemand anders als der Parteivorstand selbst.
[…]
Es geht aber nicht nur um Debatten, sondern darum sozialdemokratische Netzpolitik real auf die Höhe der Zeit zu bringen! Dazu sollten wir die vielen bereits bestehenden Foren auf vorwaerts.de, bei den websozis oder auch hier gemeinsam nutzen!
Ich bin gespannt, wie es da weitergeht und hoffe darauf, dass die SPD wieder der Vorreiter in Sachen Internet wird. Eine Führungsrolle die die SPD endgültig im letzten Jahr abgegeben hat.
Zu den Kritikern der netzpolitischen Wende
Schon rund um den SPD-Bundesparteitag in Dresden wurde Kritik an der neuen netzpolitischen Ausrichtung der SPD laut. Gerade durch Sympathisanten der Piratenpartei wurde das ganze kritisiert. Schon damals habe ich die Gegenfrage gestellt, was denn besser sei: Wenn die SPD jetzt netzpolitisch vernünftig wird oder aber wenn die SPD weiterhin stur auf eine (meiner Meinung nach) falsche Linie setzt.
Hallo Jens,
in dem Siegel Artikel heißt es:
„Die SPD hat in den vergangenen Jahren die Logiken des Internets nicht verstanden“, sagt Böhning. Dabei gehe es nicht nur um den „Fehler, dass wir die rechtlichen Regeln der Offline-Welt einfach auf die Online-Welt übertragen wollten“. Es handele sich auch um ein kulturelles Problem: Die „Diskursfähigkeit“ der Partei sei „generell unterentwickelt“.
Bei mir in der Gegend ist die Diskursunfähigkeit der SPD unabhängig von Papier oder Internet.
Die SPD muss sich meiner Meinung nach über inhaltliche Positionen in die öffentliche Diskussion werfen. Solange das nicht passiert, hilft kein twitter-account, den die SPD Winterberg beispielsweise hat.
Aber anscheinend hat sie nichts zu sagen, und das ist das Problem!
Sorry „Spiegel“ muss es heißen :-(
@Hannes (1):
Ich kenne die Situation vor Ort natürlich nicht, deswegen kann ich zur Diskursfähigkeit da nichts sagen. Das jedoch gerade die SPD keine „Ja und Amen“-Partei ist, dürfte bekannt sein – das was ich als normale innerparteiliche Debatte bezeichne wird jedoch leider oft von einigen Medien als „interner Parteienstreit“ bezeichnet.
Ich denke aber auch, dass sich Twitter-Accounts für „kleinere“ Parteigliederungen nicht unbedingt lohnen – eigentlich so richtig erst ab Landespartei.
@Karsten Wenzlaff (3):
Das wird man dann sehen, wobei ich es schon merkwürdig finde, dass es nicht das beantragte Forum zu werden scheint…
Es gibt auch ein paar recht flotte Twitterer unterhalb der Landesebene in der SPD ;-)
PS Das nächste Online-Frühstück machen wir am Wochenende!
@Jens:
Wenn man was zu sagen hat, sollte man als Partei Twitter nutzen, unabhängig von irgendwelchen Gliederungen.
@Karsten: Welche?
Gruß
Selber suchen bei twitter.com/spd_lupe
@Karsten:
Danke :-)
@Karsten Wenzlaff (5):
Das mit dem Wochenende klingt gut!
[…] ein netzpolitisches Umdenken eingesetzt hat: Vor rund einem Monat schrieb ich bereits im Beitrag Neugestaltung sozialdemokratischer Netzpolitik geplant, dass da Überlegungen im Gange sind und seit kurzem kann man sich auch konkret […]