WAZ-Mediengruppe schasst Chefredakteur und seine Frau / DerWesten unterstützt das PolitCamp 10 (WAZ gibt’s Neues?)
Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) ist immer wieder mal Thema hier im Pottblog, ob mit der Offline-Ausgabe oder aber mit dem Internet-Portal DerWesten der gesamten WAZ-Mediengruppe. In der lockeren Beitragsreihe WAZ gibt’s Neues? werden mehr oder weniger aktuelle Themen, Entwicklungen usw. angesprochen – Beiträge die es nicht zu einem vollwertigen Beitrag geschafft haben, aber dennoch (hoffentlich!) interessant genug sind um nicht unerwähnt zu bleiben.
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Sergej Lochthofen, der bisherige Chefredakteur der Thüringer Allgemeine (TA), wurde heute durch die WAZ-Mediengruppe von seiner Position als Chefredakteur entbunden. Im selben Zug wurde auch seine Frau Antje-Maria, die als stellvertretende Chefredakteurin dort arbeitete, von ihren bisherigen Aufgaben entbunden. Neuer Chefredakteur der TA soll Paul-Josef Raue von der Braunschweiger Zeitung werden.
Die offizielle Pressemitteilung der WAZ-Mediengruppe schreibt zu dem Wechsel unter anderem folgendes:
„Der Wechsel an der Spitze der größten Thüringer Tageszeitung ist Teil eines bereits seit längerem andauernden umfassenden Erneuerungsprozesses innerhalb der Zeitungsgruppe Thüringen (ZGT), zu der neben der „Thüringer Allgemeinen“ auch die „Ostthüringer Zeitung“ und die „Thüringische Landeszeitung“ gehören. Der für die Redaktionen zuständige ZGT- Geschäftsführer Klaus Schrotthofer (43) kündigte an, zusammen mit Paul-Josef Raue die Einführung innovativer Redaktionsstrukturen in Thüringen fortzusetzen.“
Das das ganze nicht wirklich im Einvernehmen erfolgte kann man zwischenzeitlich an diversen Stellen nachlesen, so beispielsweise bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in derem Artikel Thüringer Allgemeine: „Sippenhaft wie in der Stalin-Zeit“, die Situation wie folgt beschrieben wird:
Gründe für seine Abberufung seien ihm nicht vorgetragen worden, sagte Lochthofen. Mehr noch als seine eigene erschüttert ihn die Kündigung seiner Ehefrau Antje-Maria Lochthofen, die eine halbe Stunde nach ihm zur Geschäftsführung gebeten worden sei, um zu erfahren, dass sie als stellvertretende Chefredakteurin abgelöst wird. „Ich hätte nicht gedacht, dass diese Art Sippenhaft wie in der Stalin-Zeit in unserem Land möglich ist. Das geht nicht“, sagte Lochthofen im Gespräch mit FAZ.NET. Er sei im russischen Lager Workuta, in dem sein Vater interniert war, geboren worden. Das Vorgehen erinnere ihn an die Zeiten der DDR. Er werde nicht zu Kreuze kriechen, es sei nicht zu akzeptieren, dass seine Frau mit einer Art Berufsverbot belegt werde.
Interessant an dieser Personalie (bzw. diesen Personalien) sind mehrere Punkte: Einerseits ist dies nach dem Abgang der WR-Chefredakteurin Kathrin Lenzer der nächste Chefredakteur einer Tageszeitung der WAZ-Mediengruppe, dessen „berufliche Veränderung“ von gewissen Mißtönen begleitet ist.
Andererseits ist die Besitzstruktur der TA interessant. Im taz-Artikel Ex-SED-Zeitung „Thüringer Allgemeine“: Der oberste Geschmacksbestimmer aus dem Juli 2009 heißt es:
Am 28. Februar 1990 wird die „,Thüringer Allgemeine‘ Mitarbeiter-Beteiligungs-GmbH“ mit der Nummer HRB 100009 und einem Kapital von 25.000 DDR-Mark beim staatlichen Notariat Erfurt eingetragen. Noch heute gehört die Zeitung zu einem Teil dieser GmbH. Als Gesellschafter beziehungsweise Geschäftsführer der GmbH unterzeichneten einige, die auch heute noch die Zeitung führen.
[…]
Übrig ist nur noch Sergej Lochthofen: Er ist also nicht nur Chefredakteur, sondern auch Miteigentümer der Zeitung.
Zwar relativiert Lochthofen das im taz-Artikel gleich im nächsten Satz, nichtsdestotrotz ist er immer noch zum Teil Eigentümer der Zeitung, der er nicht mehr als Chefredakteur vorstehen soll.
PS: Das verwendete Bild von Lochthofen stammt von der „Thüringer Allgemeine“-Seite der WAZ-Mediengruppe, die man anscheinend noch nicht den neuen Begebenheiten angepasst hat.
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Das PolitCamp10, welches am 30. und 31. Januar 2010 in Bonn stattfinden wird, hat mit DerWesten, dem Internet-Portal der WAZ-Mediengruppe, einen so genannten „Hauptmedienpartner“ gefunden. Abgesehen davon, dass DerWesten sich eher weniger an die Bevölkerung rund um und in Bonn wendet, finde ich das grundsätzlich interessant. In dem mit „Netzpolitik“ überschriebenen Artikel DerWesten unterstützt das Politcamp heißt es:
„Schon bei der Premiere 2009 hat das Politcamp Hunderte politikinteressierte Netzbürger begeistert“, sagt DerWesten-Chefredakteurin und Geschäftsführerin Katharina Borchert . „Ein Vierteljahr vor der Landtagswahl freuen wir uns, die Politcamp-Teilnehmer in Nordhrein-Westfalen zu Gast zu haben und rechnen mit spannenden Diskussionen.“
Von der Kooperation mit DerWesten profitieren beide Seiten, bestätigt Politcamp-Gründer und -Veranstalter Valentin Tomaschek : „Gesucht haben wir einen Partner mit hoher Netz- und starker Regionalkompetenz“, sagt er. „DerWesten hat beides.“
Inwiefern jetzt bei einem bundesweiten PolitCamp besondere Regionalkompetenz notwendig ist (und inwiefern diese im Bonner Raum durch DerWesten gezeigt wird…) ist zwar meiner Meinung nach fraglich, aber ich finde es gut, wenn DerWesten ein solches Ereignis wie das PolitCamp unterstützt. Beim ersten BarCamp Ruhr war das ja auch der Fall (siehe den Beitrag BarCamp Ruhr-Sponsoring (III): DerWesten).
Disclosure: Beim ersten PolitCamp war ich ein Teil des Organisations-Teams. Beim PolitCamp 10 habe ich mich jedoch dagegen entschieden und dementsprechend die dazugehörigen Anfragen leider ablehnen müssen. Das hat zwar mit der „Hauptmedienpartnerschaft“ des Westens nichts zu tun, aber ich erwähne es dennoch mal kurz am Rande. ;)
Schöne Zusammenfassung.
Eine Anmerkung:
„Sippenhaft“ ist die eine Seite, aber ich misstraue auch grundsätzlich erst einmal Ehepaaren an der Spitze von Organisationen, Betrieben, Vereinen usw. Das hat ein Geschmäck’le und muss daher genauer ausgeleuchtet werden.
@Hannes (1):
Ich stimme Dir da grundsätzlich zu, nur jetzt war es halt so, dass die Ehefrau dort arbeitete. Wer weiß, vielleicht haben die beiden auch erst geheiratet, nachdem sie sich kennengelernt haben – bei der TA.
Eine bodenlos unverschämte öffentliche Erklärung ließ die WAZ-Mediengruppe der frechen Kündigung von Lochthofen folgen.
Die Art und Weise wie manbei der Mediengruppe inzwischenmit verdienten Journalisten umgeht zeigt, dass die Geschäftsleitung nur noch die Rednite sieht; nicht aber die Wertigkeit der Produkte, die wiederum abhängig vom Format der beschäftigten Journalisten ist.
Und so darf man das Gefasel vom „Qualitätsjournalismus“ eines Bodo H. als Versuch der Leser-Verdummung interpretieren. Mit ihrer Verlagsführung jedenfalls vergraulen Hombach und Co die fähigen Leser. Am Ende bleibt denn wohl nur noch ein kaputtgesparter Praktikantenstadl mit Druckerlaubnis übrig, der keine Leser mehr findet, weil auch die letzte Verkaufsstelle wegrationalisiert wurde.
Zum besseren Verständnis der Situation in den Erfurter Redaktionsstuben, die nicht unbedingt von dem heftigen Verlangen nach einem neuen Chefredakteur namens Raue aus Braunschweig geprägt ist, hier ein Dokument der Mitarbeiter der Thüringer Allgemeinen, das hoffentlich auch den Herren in der WAZ in Essen bekannt sein sollte und nun mehr zum Politikum heranwächst:
Erklärung der anwesenden Redakteure und Mitarbeiter der „Thüringer Allgemeine“
auf der Mitarbeiterversammlung vom 28.11.2009
zur Abberufung von Chefredakteur Sergej Lochthofen
Die Redaktion der Thüringer Allgemeine fordert die Rücknahme der Abberufung von Chefredakteur Sergej Lochthofen und seiner Stellvertreterin Antje-Maria Lochthofen.
Beide wurden 1990 von der Redaktion demokratisch gewählt.
Wir sehen in den Abberufung keinen Schritt im Interesse des Verlages Thüringer Allgemeine und seiner Gesellschafter, sondern eine Maßnahme zu deren Schaden. Die Abberufung ist in ihrer Form, in ihrer inhaltlichen Zielrichtung und in ihrer erkennbaren persönlichen Motivation durch Geschäftsführer Klaus Schrotthofer ein schwerer Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit der Redaktion. Diese Unabhängigkeit ist im Redaktionsstatut vom April 1990 formuliert.
Die Abberufung des Chefredakteurs bricht mit dem Grundkonsens, auf dessen Basis 1990 die erfolgreichste Regional-Mediengruppe Deutschlands, die WAZ-Gruppe, und die erste unabhängige Tageszeitung in der DDR, die Thüringer Allgemeine, eine Zusammenarbeit auf Dauer vereinbart und nahezu zwei Jahrzehnte lang erfolgreich und vertrauensvoll praktiziert haben. Das Zusammengehen von Thüringer Allgemeine und der WAZ-Gruppe 1990 war die Anerkennung durch die WAZ für den aufrechten Gang der Journalisten der Thüringer Allgemeine, die 1990 ihre journalistische Unabhängigkeit erklärten.
Die Redaktion hat sich mit ihrem Chefredakteur Sergej Lochthofen stets den Anforderungen des Marktes und des wirtschaftlichen Umfelds gestellt. Schneller als andere Titel hat die TA auf neue Herausforderungen bei Gestaltung, Inhalt und Leserbindung reagiert. Über die redaktionelle Arbeit hinaus wurden mit der Redaktion strukturelle Antworten entwickelt, erfolgreich umgesetzt und der Geschäftsführung vorgeschlagen. Dazu ist die Redaktion auch weiterhin ausdrücklich bereit.
Dazu fordert die Redaktion:
1.Beibehaltung der Eigenständigkeit der Vollredaktion der „Thüringer Allgemeine“.
2.Die Belegschaft beansprucht die publizistische Unabhängigkeit der Zeitung und das Mitspracherecht bei der strukturellen und inhaltlichen Gestaltung von Redaktion und Zeitung. Die Redaktion wählt einen Redaktionsrat als Ansprechpartner der Geschäftsleitung.
3.Die Mitarbeiter fordern die Vergütung nach Flächentarifvertrag.
4.Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
Quelle:
http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/6895812.html
@Nie_wieder_waz (3):
Ist es denn Bodo H. oder nicht eher Christian N. ?
@guennie04 (4):
Danke für die Erklärung!