Gerhard Schröder wird Bundeskanzler – heute vor 11 Jahren
Via Twitter wurde ich darauf aufmerksam, dass vor genau 11 Jahren Gerhard Schröder von einer Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages mit der so genannten „Kanzlermehrheit“ ((er bekam sogar mehr Stimmen als die SPD und Bündnis ’90 / Die Grünen zusammen an Abgeordneten stellten)) zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde. Die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Helmut Kohl war abgewählt und erstmalig erfolgte ein vollständiger Regierungswechsel aus der Opposition ((bisher und danach waren bei Regierungswechseln zum Teil Parteien beteiligt, die auch vorher schon dabei waren)).
Persönlich sehe ich diesen Tag in der Erinnerung als einen sehr guten Tag an – denn damit begann eine Zeit, die meiner Meinung nach gut für Deutschland war. Natürlich ist damals nicht alles richtig gelaufen und insbesondere bei manchen späteren Regierungsprojekten (Stichwort: Agenda 2010) hätte meiner Meinung nach einiges anders geregelt werden müssen, aber im großen und ganzen stimmte die Richtung. Damit meine ich auch grundsätzlich die vielfach gescholtene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Hartz IV), wobei da einiges nicht vernünftig gelaufen ist und immer noch nicht vernünftig geregelt ist ((es kann beispielsweise nicht sein, dass bei den monatlichen Mobilitätskosten Summen angesetzt werden, die vielleicht für drei-vier Busfahrten ausreichen…)).
Insgesamt gesehen hat jedoch die rot-grüne Bundesregierung die Weichen für die Zukunft gestellt: Der Arbeitsmarkt wurde reformiert (und führte dazu, dass es den bisher höchsten Beschäftigungsstand in der gesamten Historie der Bundesrepublik Deutschland gab), gesellschaftliche Reformen wurden angestoßen ((die dazu führten, dass schon morgen eine Merkel und ein Westerwelle sich auf die Regierungsbank (zum Teil erneut) setzen können)) und der dräuende Mehltau der letzten Kohl-Jahre verschwand.
A propos Helmut Kohl: Man stelle sich mal nur vor, in welche Staatskrise wir geraten wären, wenn Kohl auch noch nach 1998 regiert hätte und dann die CDU-Spendenaffäre publik geworden wäre.
Wo wir gerade bei der CDU sind:
In der aktuellen Ausgabe des SPIEGELs gibt es eine schöne Passage zu den Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und FDP:
Ein Unionsmann fasst die trübe Stimmun [bei den Koalitionsverhandlungen; Anm. d. Bloggers] mit einem bemerkenswerten Vergleich zusammen: „Als Rot-Grün 1998 an die Macht, gab es dieses legendäre Bild, auf dem Fischer, Lafontaine und Schröder lachen“, sagt er. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es von Merkel, Seehofer und Westerwelle so ein Bild geben wird.“
Tja – ich befürchte fast, dass bei diesem Koalitionsvertrag nicht nur die Verhandlungsführer sondern auch das Volk nichts zu lachen haben wird, aber lassen wir uns mal überraschen. Zumindestens bei den Bürgerrechten bin ich ehrlich gesagt positiv überrascht, denn hier hat die deutlich kleinere FDP deutlich mehr abgetrotzt als es die SPD in der großen Koalition geschafft hat ((obwohl auch das noch nicht das Gelbe vom Ei ist…)).
Das verwendete Bild oben stammt übrigens aus dem Pottblog-Beitrag Danke, Gerd! vom Großen Zapfenstreich zur Verabschiedung Gerhard Schröders als Bundeskanzler.
„Insgesamt gesehen hat jedoch die rot-grüne Bundesregierung die Weichen für die Zukunft gestellt“
Ganz meine Meinung, nur rot-grün hatte damals den Mut und den Willen längst überfällige Reformen anzustreben. Hartz IV, oft zu recht gescholten, war allerdings ein Projekt, das von allen Parteien getragen wurde. Diesen Makel nur der SPD und den Grünen anzulasten, wäre demnach nur halb richtig. vgl.
Ich verspreche mir von der Politik gar nichts. Die Politiker damals haben genauso wenig Reformen auf den Weg gebracht wie die heutige. Jeder hat Angst bei der nächsten Wahl durch unpopuläre Entscheidungen nicht mehr gewählt zu werden. Wenn Reformen dann richtig. Auch wenn es dem Volk über eine längere Zeit weh tut.
@Thorsten (1):
Die Welt ist halt ungerecht. Merkel und von der Leyen werden ja auch für SPD-Konzepte wie das Elterngeld gefeiert.
Stimmt. Die SPD hat derzeit ja viele Baustellen – nun sollte u.a. auch mal an ihrer Medienkompetenz arbeiten.
@Thorsten (4):
Wobei – die beste Medienkompetenz hilft nicht, wenn manche Medien lieber negativ berichten. Ich will natürlich nicht behaupten, dass alles was die SPD bisher gemacht hat gut ist und die ach so bösen Medien falsch berichten – aber ich fand es beispielsweise merkwürdig, dass die Personaldebatte in der SPD teilweise mehr Medienwiderhall erzeugte als die Koalitionsverhandlungen von Schwarz-Gelb. Passt irgendwie nicht…