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Jens Matheuszik — 14. September 2009, 20:15 Uhr

Ullrich Sierau (SPD) tritt das Amt des Dortmunder Oberbürgermeisters an


Ullrich Sierau (SPD)Bei den Kommunalwahlen in Dortmund wurde die SPD stärkste Kraft und Ullrich Sierau (ebenfalls SPD) wurde klar zum neuen Oberbürgermeister der Stadt Dortmund gewählt.

Danach kam es dann zu sehr merkwürdigen Entwicklungen im Rahmen des Haushaltsloches die darin gipfelten, dass beispielsweise CDU-Vertreter den Rücktritt von Sierau forderten. Nachdem diese dann bemerkt hatten, dass Sierau gar nicht von einem Amt zurücktreten kann, was er noch gar nicht inne hat, wurde flugs der Nicht-Antritt gefordert. Eventuell weil dann automatisch der parteilose, aber von CDU und FDP unterstützte, OB-Kandidat Pohlmann ins Rathaus gezogen wäre ((ehrlich gesagt bin ich mir da nicht sicher, was da Recht und Gesetz für vorsehen…))?

Ullrich Sierau als eindeutig gewählter und somit designierter Oberbürgermeister der Stadt Dortmund hat sich am Wochenende in eine Art Klausur zurückgezogen und jetzt bekanntgegeben, dass er doch das Amt als Oberbürgermeister antreten wird.

Die Entscheidung ist ihm wohl nicht leicht gefallen, wie man nachlesen kann:

Die Ruhr Nachrichten aber auch beispielsweise die Ruhrbarone dokumentieren in voller Länge im Beitrag Sierau: Ich nehme die Wahl an die Erklärung des designierten und gewählten Oberbürgermeisters, die auch auf der eigenen Internet-Seite ullisierau.de zu finden ist. Nachfolgend einige Zitate daraus:

Schwere Tage und Stunden liegen hinter meiner Familie und mir. Nie zuvor in meinem beruflichen oder privaten Leben sah ich mich solch vehementen Angriffen auf meine persönliche Glaubwürdigkeit und Integrität ausgesetzt. Dies bedurfte einer „Auszeit“, die ich mir übers Wochenende mit meiner Familie genommen habe.
[…]
Die Kernfragen für viele Menschen stellen sich wie folgt:

„Was wusste ‚der Sierau’ vor der Wahl von der Haushaltslage und war er an der ‚Offenlage’ der Haushaltssituation am Tag nach der Wahl beteiligt?“
Und im Nachgang zu meinen öffentlichen Aussagen:
„Wie kann es sein, dass er als Stadtdirektor ‚Nichts wusste’ bzw. unmittelbar eingebunden war. Dann kann der doch kein guter Stadtdirektor und schon gar kein guter Oberbürgermeister sein!“

Was ist der Sachverhalt?
Der gegenwärtige Doppelhaushalt 2008 / 2009 wurde im Dezember 2007 durch den Rat der Stadt Dortmund verabschiedet. Damals war die Lehmann Brothers Pleite und die sich daraus ergebende Finanz- und Wirtschaftskrise nicht absehbar.
[…]
Erlaubt sei der Hinweis, dass die Dortmunder Haushaltslage auch aktuell von umliegenden Kämmerern noch als relativ solide eingeschätzt wird. Jüngst bekannt gewordene Daten zu Bochum, Duisburg oder Hagen oder auch ganz aktuell zu Essen, Krefeld und Wuppertal verdeutlichen diese Einschätzung.
[…]
Was habe ich wann wovon gewusst? Als Stadtdirektor habe ich natürlich an den Haupt- und Finanzausschusssitzungen teilgenommen. Hier hat die Kämmerin am 07. Mai 2009 einen Sachstandsbericht gegeben. Dieser wurde zwischen den Fraktionen diskutiert. Zwar wurden Risiken erörtert, aber eine unbeherrschbare Situation schien sich nicht anzubahnen (siehe Niederschrift). Dieser Einschätzung bin auch ich gefolgt.
[…]
Natürlich muss ein Stadtdirektor über die Haushaltslage im Bilde sein – dem Grundsatz nach und auch im Hinblick auf Risiken. Er ist hierbei allerdings auf die Information durch die Kämmerei bzw. die Kämmerin / den Kämmerer angewiesen. Nach der Gemeindeordnung hat der Kämmerer/ die Kämmerin eine herausgehobene Position im Verwaltungsvorstand. Damit ist eine hohe Verantwortung und auch eine herausgehobene Vertrauensstellung verbunden. Es ist insofern dem Kämmerer bzw. der Kämmerin übertragen, je nach Lage des Haushaltes andere Mitglieder des Verwaltungsvorstandes zu unterrichten oder eben auch nicht. So kann etwa eine Haushaltssperre ohne vorherige Information der anderen Vorstandsmitglieder erlassen werden.
Genau die ist am 31. August 2009 verkündet worden, ohne vorherige Information. Auch nach der Ankündigung der HH-Sperre auf der Pressekonferenz wurde ich nicht unterrichtet. Ich habe von der Sperre aus dem Autoradio erfahren.
[…]
Meine Nachfragen bei der Kämmerin am 31. August 2009 abends, am 1. September 2009 vormittags und am 2. September 2009 mittags haben kein vollständiges Zahlenwerk ergeben. Das erachte ich als Zumutung. Daher ist mein Vertrauen in die Kämmerin nachhaltig erschüttert.
[…]
Um es nochmals ganz klar zu sagen: Ich habe von der Situation im August 2009, von den Gesprächen zwischen Kämmerin und Oberbürgermeister und der dort erörterten – tatsächlichen oder vermeintlichen – Eskalation der Haushaltszahlen keine Kenntnis gehabt.
[…]
Eine derartige Leichtfertigkeit im Umgang mit Sachverhalten und im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit ist unfassbar. Sowohl dem demokratischen System als auch dem Ansehen der Stadt Dortmund ist damit ein unermesslicher Schaden zugefügt worden.
[…]
In unerträglicher Weise brüskiert
Ich wurde als Stadtdirektor und als gerade gewählter Oberbürgermeister der Stadt Dortmund in unerträglicher Weise brüskiert. Dadurch bin ich in eine unhaltbare menschliche Lage gebracht worden. Hatte ich im Wahlkampf für Transparenz, Glaubwürdigkeit und Bürgernähe geworben, so war und bin ich in Teilen der Öffentlichkeit als Teil eines unglaubwürdigen Systems abgestempelt. Meine persönliche Glaubwürdigkeit, meine Familie und mein Freundeskreis sind unter der Überschrift „Wahlbetrug“ einer beispiellosen Kampagne ausgesetzt. Politische Konkurrenz ist im Rahmen des Bundestagswahlkampfes durch dieses beispiellose und fahrlässige Verhalten eingeladen worden, ihr wahltaktisch motiviertes Süppchen zu kochen. Zumindest das scheinen die Menschen aber zunehmend zu durchschauen, wie mir viele Gespräche und Rückmeldungen der letzten Tage gezeigt haben.
[…]
Ich persönlich würde mich über eine Entschuldigung manch eines Akteurs freuen, der entweder unkorrekt berichtet hat oder mich persönlich ohne Kenntnis der Hintergründe verunglimpft hat. Auch meine Familie fände das ehrenhaft.
Was hier als „Betrug“ bezeichnet wird, ist m.E. nicht justitiabel. Das muss durch die verschiedenen Instanzen des Rates bzw. vor Gericht geprüft werden.
Aber die Stadt, die Wählerinnen und Wähler, haben auch einen Anspruch darauf, dass der mit deutlichen Vorsprung gewählte Oberbürgermeister antritt, in die Hände spuckt und an die Arbeit geht. Dabei wird die Aufklärung aller Vorwürfe an erster Stelle stehen. Als gewählter OB bin ich bereit, dass drohende Wahlanfechtungsverfahren durchzustehen. Ich habe nichts verbrochen und habe ein reines Gewissen.

Ich nehme die Wahl an
Ich nehme die Wahl an, weil ich im Wahlkampf erklärt habe, mit Leidenschaft für diese Stadt und ihre Menschen kämpfen zu wollen. Das muss für jede Lage gelten, gerade in schwierigen Zeiten, auch wenn die Lage ernst ist. Ich trete ein für Bürgernähe, für Transparenz und für Offenheit, für eine neue politische Kultur. Das gefällt den Menschen, das wollen die Menschen, darum haben sie mich gewählt. Ich habe Sie nicht betrogen. Und ich werde alles daran setzen, verlorenes Vertrauen zurückzuerlangen.
[…]
Ich habe es immer wieder gesagt: Ich möchte als Oberbürgermeister so arbeiten, dass sich die Menschen darin wieder erkennen, dass Sie das klare Gefühl haben: Der macht das so, wie wir es wollen und wie wir es auch machen würden.

Dass sie sagen können: Wir sind OB.
Und deshalb trete ich das Amt an.
„Glückauf und an die Arbeit !!!“

Ullrich Sierau

P.S. Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit.

Natürlich wird es jetzt wieder die üblichen Verdächtigen geben, die weiterhin den Rücktritt Nicht-Antritt von Ulli Sierau fordern, aber ich finde seine Erklärung sehr schlüssig und kann das sehr gut nachvollziehen – ebenso wie seinen Entschluss dem Willen der Mehrheit der Dortmunder Bevölkerung zu folgen und neuer Oberbürgermeister der Stadt Dortmund zu werden. Wie sagte noch Joachim Pohlmann, der unterlegene OB-Kandidat von CDU/FDP, am Wahlabend um 20:02 Uhr zu Sierau?

„Sie sind nicht der Schlechteste.“

Insofern bin ich gespannt wie es in Dortmund weitergeht. Die Frage nach einer möglichen Neuwahl des Rates der Stadt Dortmund ist auch noch offen, obwohl ich persönlich der Meinung bin, dass die Argumente die für Sieraus Amtsantritt sprechen genau so gegen eine Neuwahl nach einer Wahlanfechtung stehen.

PS: Das Bild von Ullrich Sierau stammt von den Ruhrbaronen.


2 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Horst Wenzel @ 14. September 2009, 20:41 Uhr

    Ich bin sehr froh, dass er sich dazu entschlossen hat die Wahl anzunehmen. Ich war bei vielen der Abläufen dabei und kann nur bestätigen, was er in der persönlichen Erklärung geschrieben hat.

    Er wird einen neuen Politik-Stil aus dem OB-Amt machen.

    Neuwahlen? Falls es jedoch trotzallem zu Neuwahlen wegen dem Handeln von Gerd Langemeyer kommen wird, müssen wir als Dortmunder SPD alles tun, um die absolute Mehrheit zu bekommen. Dann ärgern sich die Schwatten noch Schwärzer ;-)
    Die CDU hat ihren Kommunalwahlkampf komplett auf ein inhaltsleeres Skandal-Filz Geschreie gestützt. Die Menschen können das nicht mehr hören, die wollen das vernünftige Lokalpolitik gemacht wird. Ich merke das aktuell bei den Infoständen, da ist die Stimmung gut für uns Sozis. Klar, der ein oder andere fragt besorgt nach, aber das in den letzten Tagen eigentlich eher weil die Leute wissen wollten, was aus ihrer Stimme für Ulli Sierau geworden ist. Jetzt wissen Sie es, ein neuer OB ;-)


  2. (2) Kommentar von Jens @ 19. September 2009, 13:00 Uhr

    @Horst Wenzel (1):
    Naja, in diesen Zeiten von absoluten Mehrheiten zu sprechen halte ich dann doch für gewagt.


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