Search:

Werbung:

Google+:

Archiv:


Jens Matheuszik — 24. Mai 2009, 18:00 Uhr

Bundespräsidenten-Wahl: Twitter vs. Wahlgeheimnis, Jamaika, Schwan…


Horst KöhlerNach meinem gestrigen Glückwunsch an Bundespräsident Horst Köhler muss ich das Thema noch einmal aufgreifen.

Grund hierfür ist, dass – bereits einen Tag später – interessante Dinge dazu bekannt geworden sind, die ich in meinem – zugegebenermaßen vorab vorbereiteten – ursprünglichen Beitrag nicht aufgreifen konnte, unter anderem deshalb, weil das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht alles bekannt war.

Als da wären:

Verletzung des Wahlgeheimnisses via twitter?

Das Procedere der Bundesversammlung zur Wahl des höchsten Amtes in der Bundesrepublik Deutschland hat Djure Meinen zurecht als unwürdiges Theater bezeichnet.

Ich empfinde es als unwürdig der Position des Amtes, wenn da ein Possenspiel aufgeführt wird und vor Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses schon die Musiker einziehen (die erst nach der erfolgten Wahl auftreten) und Blumensträuße zum Gratulieren verteilt werden.
Dies bedeutete nämlich, dass bereits im ersten Wahlgang der Bundespräsident (wieder)gewählt wurde. Somit ein klares Zeichen, dass es der klare Favorit Horst Köhler geworden ist, da Gesine Schwan, die einzige chancenreiche Gegenkandidatin, wohl nur im dritten Wahlgang ((wo die relative Mehrheit reicht)) den Hauch einer Chance hatte.
Das dann auch noch Norbert Lammert (CDU), seines Zeichens Präsident des Bundestages und qua Amt Versammlungsleiter der Bundesversammlung, die Bekanntgabe des Ergebnisses der ersten Wahlrunde verzögert, bis Horst Köhler auch anwesend ist, zeugt von einer gewissen Ignoranz – einer Ignoranz den mehr als zwei Millionen Zuschauern ((laut ARD- und ZDF-Videotext)) vor den Fernsehern, die immer noch auf eine offizielle Bestätigung bis 14:30 Uhr warten mussten.

Währenddessen gab es aber schon weitere Personen die über die Ergebnisse informiert waren – einerseits natürlich die, die Eins (Musikgruppe) und Eins (Blumensträuße) zusammenzählen konnten, aber auch diverse Parteienvertreter. Denn laut einem heise-Bericht wurden Abgeordnete von CDU und FDP bereits um 14:00 Uhr über das Wahlergebnis informiert.

Der selbe Bericht bei heise schreibt auch noch:

[…] um 14.15 Uhr twitterte der Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber von der SPD das Ergebnis, um 14.18 Uhr dann auch Julia Klöckner von der CDU. Anders als Kelber war Klöckner an der Stimmauszählung persönlich beteiligt, was Fragen nach der Wahrung des Wahlgeheimnisses aufwirft.

Da frage ich mich: Was hat twitter mit dem Wahlgeheimnis zu tun? Ich habe vor einigen Jahren im Staatsrecht gelernt, dass das Wahlgeheimnis den Wahlvorgang an sich betrifft. Niemand soll herausfinden können, wie man gewählt hat – und somit muss niemand aufgrund seiner eigenen Wahl Repressalien befürchten. Das schließt natürlich nicht aus, nachher freiwillig zu sagen „Ich habe X gewählt!“ – aber das Wahlgeheimnis hat meines Wissens nichts, aber auch gar nichts mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu tun.

Neben heise online hat z.B. auch DerWesten und die Berliner Morgenpost darüber berichtet. Letztere berichtete ursprünglich auch von einem Bruch des Wahlgeheimnisses („Eine klare Verletzung des Wahlgeheimnisses“), aber via twitter darauf aufmerksam gemacht, wurde das ganze doch noch korrigiert.

Grüne Steigbügelhalter für Schwarz-Gelb

Silke StokarLaut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hat unter anderem die abgebildete Silke Stokar, ihres Zeichens noch-Abgeordnete von Bündnis ’90/Die Grünen im Bundestag ((dem nächsten Bundestag wird sie wohl nicht mehr angehören, da sie bei der Listenaufstellung gescheitert war)) für Horst Köhler gestimmt ((wie ich dank Henning Schürigs Blog erfahren habe)). Ihr zufolge sollen auch noch weitere Abgeordnete der Grünen für Köhler gestimmt haben. Im Gegensatz zur Abgeordneten Uschi Eid hat sie übrigens von ihrer Präferenz für Horst Köhler im Vorfeld geschwiegen.

Grundsätzlich ist das ja alles nicht wirklich wichtig – schließlich sind alle Abgeordneten nur ihrem Gewissen verpflichtet und können frei entscheiden was sie wollen. Dank des Wahlgeheimnisses kann auch keine Fraktions- und Parteiführung was dagegen machen.

Nur zeigt dieses Ergebnis auch ganz klar, dass die schwarz-gelben Festspiele, die Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) nach der Bundespräsidentenwahl schon ankündigten wie ein Soufflé in sich zusammengebrochen sind, denn ohne die grüne Unterstützung (schließlich wurde Köhler nur mit einer Stimme Mehrheit gewählt) wäre Horst Köhler nicht im ersten Wahlgang gewählt worden.

Insofern wäre das höchstens ein Anzeichen für Jamaika – aber das halte ich dann doch eher für unrealistisch…

Gesine Schwans „Rückzug“ aus der Politik

BILD: Gesine SchwanDie BILD-Zeitung (siehe Abbildung) fragt im Internet, ob Gesine Schwan jetzt entnervt aufgibt und die Politik verlässt. Im verlinkten Artikel heißt es, dass Schwan sich für ihre Zukunft kein Parteiamt vorstellen könne.

Nun ja, damit ändert sich ja nichts – denn bis auf die Bundespräsidentenkandidaturen ((in 2009 wie auch in 2004)) übte sie in den vergangenen Jahren meines Wissens kein Parteiamt aus. Insofern kann man dahingehend nicht unbedingt von einem Rückzug sprechen, denn von einem Rücktritt von ihrem Amt Koordinatorin für die deutsch-polnische Zusammenarbeit der Bundesregierung ist nichts bekannt.

PS: Das verwendete Bild von Horst Köhler stammt vom internationalen Währungsfonds (IWF) und wurde dem Wikimedia Commons-Archiv entnommen.

PPS: Das verwendete Bild von Silke Stokar stammt von ihrer MdB-Seite beim Bundestag.


11 Kommentare »

RSS feed for comments on this post. TrackBack URI.

  1. (1) Kommentar von 50hz @ 24. Mai 2009, 18:18 Uhr

    @JuliaKloeckner schreibt auch richtig, sie unterliege dem Auszählgeheimnis, nicht dem Wahlgeheimnis: http://twitter.com/JuliaKloeckner/status/1892624898 Dran gehalten hat sie sich dann doch nicht. Was ihr allerdings angesichts der kursierenden Gerüchte kaum vorzuwerfen ist.


  2. (2) Kommentar von Nils @ 24. Mai 2009, 18:23 Uhr

    Seltsam: Die Klöckner hat aber sehr wohl verraten, wem sie ihre Stimme gegeben hat


  3. (3) Kommentar von Simon Zeimke @ 24. Mai 2009, 18:24 Uhr

    sehr gute Aufarbeitung der Presseberichte im Nachgang der Wahl. ich finde es auch immer schwierig, wenn Parteivorsitzende (egal ob rot, gelb, grün oder schwarz) sich hinstellen und sagen man habe geschlossen abgestimmt. Das kann schließlich niemand mit 100%iger Sicherheit sagen.

    Es ist ja schließlich nicht wie bei den Simpsons, wo in der Bibliothek ein Buch steht in dem Aufgelistet ist, wer wen gewählt hat ;-)

    Die Mehrheit der Wahlmänner- und frauen hat sich für Köhler entschieden. Punkt!

    Das Twitter mal wieder schneller das Ergebnis verkündet hat ist doch nicht verwunderlich – es verlockt doch nahezu hinterher „als Erster“ in den Medien aufzutauchen. Ob es der Bundesversammlung und der Position des Bundespräsidenten würdig ist, müssen diejenigen wohl für sich entscheiden. Die Farce der Berichterstattung, der Kapelle und Blumensträuße ist natürlich ein No-Go.

    Wir stehen am Anfang eines langen Weges, an dessen Ende auch die Politik sich auf den Dialog und die Wissens- und Mediengesellschaft einlassen wird.


  4. (4) Kommentar von mh @ 25. Mai 2009, 10:43 Uhr

    lammert hat im dradio gestern erklärt, dass in seinen 6 bisherigen wahlversammlungen das ergebnis bisher immer vorher durchgesickert ist und das damit erklärt, dass an der auszählung rund 40 personen beteiligt sind.

    mich selbst würde es eher wundern, wenn solcherlei nicht durchsickert. ob nun über twitter oder kapellen ist dabei ja auch irgendwie egal.

    die verzögerung begründete lammert im übrigen mit einer zweiten auszählung, ob des knappen ergebnisses. das hatte also nichts damit zu tun, dass man verzögert bis köhler da ist. eine zweite auszählung find ich bei va knappen ergebnissen nicht verkehrt, sprich ist für mich nachvollziehbar und sowas soll ne halbe stunde dauern.

    alles etwas aufgebauscht .. viel interessanter wird, inwieweit köhler künftig dem sich selbst gesetzten anspruch gerecht wird, als anwalt des bürgers zu fungieren. dieser anspruch impliziert mE auch, dass er mal ein paar gesetze zurückweist, die nur politisch ambitioniert und sicher nicht zum vorteil des bürgers sind. mir fallen da aktuell ne menge dinge ein .. daran wird er sich messen müssen.


  5. (5) Kommentar von 50hz @ 25. Mai 2009, 10:57 Uhr

    @mh Bezüglich des Protokolls gibt es aus meiner Sicht nur zwei Alternativen. Entweder das Ergebnis bleibt bis zur Verkündung durch den Bundestagspräsidenten für alle geheim oder die Wasserstandsmeldungen sind allen gleichermaßen zugänglich.
    Ich denke ersteres wäre möglich, muss aber gar nicht unbedingt sein.
    Meine persönliche Kritik richtet sich im übrigen weniger gegen Lammert, eher schon gegen den Kandidaten Köhler – warum war er nicht anwesend? – und vor allem gegen die Medien (ARD), die längst Bescheid wussten und dem Zuschauer/Leser eine peinliche Show geboten hat.


  6. (6) Kommentar von mh @ 25. Mai 2009, 12:46 Uhr

    auch hierzu hatte sich lammert geäußert: das soll soweit im vorfeld abgesprochen gewesen sein. während der wahl geht er ins bellevue zurück und lammert informiert ihn dann wenn er wieder kommen kann.

    was er da zu tun hatte, ka. wäre selbstredend passender gewesen, bei der wahl zu bleiben. zumindest von der wirkung her. vielleicht hatte er auch was wichtiges zu tun. darüber kann ich aber nur spekulieren.

    finds so im gesamten aber nicht weiter tragisch. wir empören uns nur gerne, nicht nur in deutschland.^^


  7. (7) Pingback von Entscheidung in 140 Zeichen « Wahlwatch '09 @ 25. Mai 2009, 22:04 Uhr

    […] Einfluss des Web 2.0 in einer solchen Situation politisch noch zu vertreten ist? Kann man von einem Wahl –beziehungsweise Auszählgeheimnis sprechen oder dieses erwarten, wenn es um die Wahl für das höchste Amt in der Bundesrepublik […]


  8. (8) Kommentar von Thomas @ 26. Mai 2009, 15:25 Uhr

    Haben die Auszähler nix besseres zu tun, als direkt alles ins Netz zu stellen???? Völlig unseriös!!! Die sind einfach zu hoch bezahlt – was für Vorbilder.


  9. (9) Kommentar von Jens @ 27. Mai 2009, 22:15 Uhr

    @50hz (1):
    Was ist denn das Auszählgeheimnis?

    @Nils (2):
    Wobei das ja nicht sooo überraschend war. Aber dennoch interessant.

    @Simon Zeimke (3):
    Ich finde twitter hat bei der Bundesversammlung für „Waffengleichheit“ gesorgt. Und das ist einer Demokratie nur angemessen.
    Das Aufregungswürdige war der Rest, der nichts mit twitter zu tun hatte.

    @mh (4):
    Also wenn man sich die Berichte dazu anschaut war die Auszählung fertig, dennoch wurde noch auf Köhler gewartet.

    @Thomas (8):
    Was ist jetzt so besonders schlimm?


  10. (10) Pingback von Twitter-Verbot für Abgeordnete? | Simon Zeimke @ 28. Mai 2009, 16:11 Uhr

    […] der SPD und CDU das Ergebnis vor dem Versammlungsleiter Nordert Lammert (CDU). Natürlich war das Ergebnis der ersten Auszählung für die knapp 2 Millionen Zuschauer vor dem Fernseher nicht im […]


  11. (11) Pingback von Et jeht so. » Stoppschildanwärter (I): Twitter @ 28. Juni 2009, 13:26 Uhr

    […] lange und auch ohne Twitter durchs Netz jagen konnte, warum also nun die große Sorge? Wegen der Posse zur Bundespräsidentenwahl? Als Abgeordnete das sowieso schon für jeden klare Ergebnis […]


Leave a comment

Line and paragraph breaks automatic, e-mail address never displayed, HTML allowed: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Mit dem Absenden eines Kommentars wird akzeptiert, dass der angegebene Name, die eMail-Adresse und die derzeit aktuelle IP-Adresse Ihres Internetanschlusses zusammen mit dem Kommentar gespeichert wird. Weiteres hierzu in den entsprechenden Datenschutzhinweisen.