Unnötiger Rücktritt von Oliver Wittke
Heute ist Oliver Wittke, der Minister für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, von seinem Amt zurückgetreten.
Grund ist ein Tempoverstoß, denn Wittke wurde dabei geblitzt, wie er mit 109 km/h in einer „Stadt“ ((laut eigener Aussage war (sinngemäß) nur „links ein Hof, rechts eine Weide und Viehhaltung“ zu sehen)) fuhr und somit deutlich zu schnell war. Dafür musste er zwischenzeitlich den Führerschein abgeben.
Inzwischen wurde bekannt, dass das schon ein wiederholter Verstoß gegen die Verkehrsregeln war, denn vor 8 (in Worten: ACHT!) Jahren ist er (damals noch als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen) auf der Autobahn A2 bei Herten zu schnell gewesen.
Natürlich ist es nicht gut, dass Oliver Wittke anscheinend ein Raser ist – und 109 km/h sind, solange es noch kein „Ortsendeschild“ gab schlicht und ergreifend viel zu viel. Dafür hat er wohl auch schon seine gerechte Strafe bekommen, denn ich gehe davon aus, dass der Führerscheinentzug auch mit einer Geldbuße gekoppelt ist.
Ich persönlich denke jedoch, dass dieser Rücktritt nicht notwendig ist. Natürlich müsste Wittke sich fragen, inwiefern er sich noch als Vorbild eignet und bestimmte Kampagnen (gegen Raserei) sollten nicht mehr sein Konterfrei tragen, aber da es sich einerseits um ein mehrere Jahre vergangenes Vergehen handelt und andererseits bei beiden Ereignissen niemand zu Schaden gekommen ist, finde ich das ganze übertrieben und schließe mich den Ruhrbaronen an, die Och nee, nicht deswegen sagen.
Wenn man überlegt wegen welcher Sachen andere Politiker (ob nun z.B. Roland Koch mit seinen jüdischen Vermächtnissen oder aber Eckhard Uhlenberg mit dem PFT-Skandal in der Ruhr) eben nicht zurückgetreten sind – dann ist der Rücktritt von Oliver Wittke unnötig. Ich vermute einfach mal, dass Ministerpräsident Jürgen Rüttgers jetzt einfach nur sauer war ((da er angeblich von beiden Vorfällen nur aus der Zeitung erfahren hatt)) und Wittke „zurückgetreten worden ist“.
Oliver Wittke will sich jetzt erstmal auf sein Abgeordnetenmandat und auf den Vorsitz der CDU Ruhr konzentrieren – ich gehe davon aus, dass man in Zukunft noch mal von ihm hören wird.
PS: Das verwendete Bild habe ich dem verlinkten Wikipedia-Eintrag entnommen und stammt von Klaus Rassmann.
Meschede, die Ortschaft, die er nicht als solche erkannte, ist übrigens meine Heimatstadt. Bei 30.000 Einwohnern ist das ein wenig unwahrscheinlich. Ein Dorf ist Meschede nun wirklich nicht ;)
NRW erheitert mich politisch doch immer wieder. Harte Konkurrenz zur Bundespolitik.
Beste Grüße aus Kreuzberg,
Tessa
Ich stimme mit Dir überein, dass ein Rücktritt ein wenig übertrieben ist.
Eine gerechte Strafe sehe ich allerdings nicht. Die Geldbußen für solche Extremübertreter sind in Deutschland nach wie vor ein Witz. An der Stelle würde ich mir echt mehr Kreativität des Strafrechts wünschen.
Du überrascht mich immer wieder :-)
Du meinst, es ist in Ordnung, wenn man im November mit 109 km/h durch eine geschlossene Ortschaft rast und im Dezember(!) für die Aktion „Runter vom Gas!“ posiert(1)? Das sehe ich dann doch geringfügig anders. Und würde jemand mit zwei Promillie im Blut erwischt, wäre das auch kein Problem solange „niemand zu Schaden gekommen ist“?
Solange keiner zu Schaden kommt, kann man machen was man will? Wie steht es denn mit einem Justizminister, der im Laden was „mitgehen“ lässt? Auch in Ordnung?
Sorry, aber sowas geht gar nicht. Anderen eine Lebensweise empfehlen („Runter vom Gas!“) und selber Rasen was das Zeug hält – das ist schlicht verlogen. Der Verweis auf die Verfehlungen anderer Politiker ist da auch fehl am Platz. Jede Tat ist für sich alleine zu bewerten und nicht dadurch ob andere auch mit Schlimmeren durchgekommen sind; das ist in deren Fällen genauso falsch.
(1) http://www.dvr.de/site.aspx?url=html/presse/informationen/908.htm&mode=2
Ich bin Kais Meinung. Man kann nicht Wasser predigen und Wein trinken – zumindest sollte man es nicht. Wenn man es trotzdem tut, muss man mit den Konsequenzen leben. Goodbye, Ministeramt.
Was ist das denn für eine Logik? Weil Koch und Uhlenberg ihre „Vergehen“ ausgesessen haben und nicht gingen, ist Wittkes Rücktritt wegen allgemein akzeptierter Geringfügigkeit unnötig? Ich staune.
Wenn ihm 109 km/h vorgeworfen, muss man berücksichtigen, dass er (je nach Messverfahren und der damit verbundenen Abzüge) so um die 120 km/h auf dem Tacho hatte. Das wäre also selbst außerorts zu viel des Guten.
Hätte er denn erst in eine Kindergruppe brettern müssen, damit der Grund zum Zurücktreten ausgereicht hätte?
Komische Logik.
Ich habe etliche tödliche Unfälle im Sauerland als Unfallanalytiker aufgenommen und habe für Raser relativ wenig Verständnis. Gerade ein in der Öffentlichkeit stehender Politiker sollte sich seines Handelns bewusst sein. Wäre der Betreffende z. B. ein Berufskraftfahrer gewesen, wäre er wohl von Amts wegen „zurückgetreten worden“, weil mit dem Führerscheinverlust häufig auch der Jobverlust verbunden ist. Selbst Schuld!
Die Ableitung daraus macht die Sache interessant: Warum leisten sich andere Politiker/„Entscheider“ wesentlich dickere Dinger und ziehen nicht die gleichen Konsequenzen? Du nanntest Koch, momentan wäre ja noch Mehdorn in der Diskussion. Von daher kann man auch sagen, Respekt vor einem Politiker, der eine solche Entscheidung traf. Bei einer Rückkehr auf die größere politische Bühne kann er die Messlatte nun ein wenig höher anlegen…
Hallo Jens,
bis auf den Seitenhieb auf Minister Uhlenberg (die PFT-Geschichte war doch ganz Klar eine Altlast aus der „Ära Höhn“!), gebe ich Dir voll und ganz Recht bei Deiner Meinung, auch dass eigentlich andere wg dickerer Dinger zurücktreten müssten.
Ich kenne die Straßen im Sauerland auch sehr gut, und weiss auch dass es dort sehr gefährliche Stellen gibt, allerdings auch welche an denen 50 gilt, dort die Straße aber locker 100 km/h zulässt und auch wirklich keine „geschlossene Ortschaft“ zu erkennen ist. Daher würde mich echt mal interessieren wo (im großen, grösstenteils sehr ländlichen Gebiet der Stadt Meschede) genau er geblitzt wurde.
Vor allem aber schön dass Du nicht zu denen gehörst, die abhängig vom Parteibuch mit zweierlei Maß messen!
…das Wittke zurückgetreten ist, war längst überfällig. Angesichts seines „segensreichen“ Wirkens für die Stadt Gelsenkirchen hätte er gar nicht erst Minister werden dürfen!
@tessa (1):
Ich dachte es wäre Olpe gewesen? Ich hatte irgendwo (Fernsehnachrichten) ein Bild von der entsprechenden Stelle gesehen – die sah wirklich nicht nach „innerstädtisch“ aus.
Aber Du hast recht, die NRW-Politik – insbesondere wenn es um Herrn Wittke geht – ist immer wieder interessant.
@50hz (2):
Da stimme ich mit Dir auch überein! Man sollte das ganze so reformieren wie irgendein skandinavisches Land (Finnland?), wo z.B. Verkehrssünden am Einkommen bemessen werden. Wenn z.B. ein Fußballspieler aus Gelsenkirchen als Raser auffällt und dann 1000,- Euro Strafe zahlen muss – der lacht doch darüber.
@Stefan (3):
Das kommt sicherlich noch häufiger vor. ;)
@Kai (4):
Nein, es ist natürlich nicht in Ordnung.
Aber das was als geschlossene Ortschaft bezeichnet wurde ist wohl auch nur juristisch eine solche. Und aus zwei Vorfällen innerhalb von acht Jahren ein „Rasen was das Zeug hält“ zu machen halte ich für falsch…
Natürlich sollte man Tatbestände einzeln betrachten – aber manchmal hilft dann doch der objektivierende Vergleich.
@Christian S. (5):
Also wenn ich das richtig mitbekommen habe ist er vor allem deswegen zurückgetreten, weil da acht Jahre zuvor auch schon mal was war. Und das finde ich einfach lächerlich.
@Niels (6):
Die Argumentation dass ich den Rücktritt für nicht nötig halte ist an und für sich unabhängig von Koch, Uhlenberg & Co. zu sehen.
@Will Sagen (7):
Wieso ist 120 km/h außerorts zu viel? Da gibt es doch auch Strecken wo man 130 km/h fahren kann.
@Chajm (8):
Das ist wirklich eine interessante Frage – was lernen andere aus einem solchen Schritt. Bei Mehdorn glaube ich aber eher nicht daran… ;)
@Uli (9):
Au contraire mon Glücksdrache (kleiner Insider!):
Man kann ja über Bärbel Höhn sagen was man will, aber sie ist doch nicht dafür verantwortlich, dass Uhlenberg gerichtsbewiesenermaßen lügt!
Und dass ich nicht einfach nach Parteibuch urteile, nach dem Motto „Der hat das Parteibuch und ist schlecht, der hat jenes und ist daher gut!“ solltest Du ja wissen. :)
@der unfassbare (10):
Das wiederum ist ja was anderes. ;)
Es gibt auch Strecken, da darf man so schnell fahren, wie man will/kann, Haarspalter. ;)
@Will Sagen (12):
Laut irgendeiner Zeitung soll er wohl 115 km/h auf dem Tacho gehabt haben. Für ein Tempolimit von 100 km/h wäre das zwar auch zuviel, aber wohl noch eher verkraftbar als bei 50 km/h.
Hm, woher die Zeitung das wohl weiß? War sie dabei..? Zeitungen wissen ja oft mehr, als man meint…
Wenn man sich Gedanken über den Verkehrsfehlertoleranz und die Tachovoreilung macht, landet man eher bei mehr. Aber ich hab auch kein Interesse, das hier auszudiskutieren. Ob nun 115 oder 120: Das macht den Kohl auch nicht fetter.