Die Fernbedienung für die grüne Partei
Unter dem Namen Televoting konnten die Grünen am gestrigen Samstag ihre diversen Wahlen (Vorstand, Parteirat, Satzungsänderungen) elektronisch durchführen.
Das ganze funktioniert mit einem System welches primär aus drei Komponenten besteht:
- Abstimmgerät (was aussieht wie eine Fernbedienung)
- Abstimmkarte
- Server
Mittels der anonymisiert verteilten Abstimmkarte kann man das Abstimmgerät „freischalten“ und dann, sobald eine Abstimmung angesetzt, gemäß der persönlichen Wünsche abstimmen. Nach einem Druck auf OK werden dann die Stimmen elektronisch auf einen Server übertragen, wo die entsprechenden Daten dann von allen Stimmgeräten gesammelt werden und quasi auf Knopfdruck das Endergebnis zeigen.
Wahlcomputer?
Ich zeigte mich ehrlich gesagt etwas verwundert über dieses Verfahren. Sind es nicht auch gerade Grüne gewesen, die etwas gegen Wahlcomputer haben? Ich persönlich halte von diesen nicht viel und wunderte mich daher darüber, dass die Grünen so etwas nutzen.
Ich sprach mit Henning Schürig drüber, der mir sagte, dass es teilweise in den Landesverbänden auch Bedenken geben würde. So würden in Baden-Württemberg diese Geräte nicht eingesetzt.
Televoter sind keine Wahlcomputer
Daraufhin führte ich ein interessantes Gespräch mit einem Mitarbeiter der für die Televoter verantwortlichen Firma, der meine Bedenken bzgl. Wahlcomputer teilte und als erstes erklärte, dass es sich hierbei natürlich nicht um Wahlcomputer handeln würde – die er übrigens auch ablehnen würde.
Das System des Televotings sei viel sicherer, da die Wahlergebnisse auf einem zentralen Server gesammelt werden und nicht – wie bei Wahlcomputern – in jedem Wahlkreis ein Computer steht der manipuliert werden könne. Eine Manipulation beim Televoting wäre nur möglich in dem Zeitfenster, wo die Abstimmung freigegeben wird und das sei auch eher unwahrscheinlich, da man z.B. die Televoter nicht einfach modifizieren könne, denn diese würden bei einer Stromtrennung sich selber abschalten und könnten nicht mehr benutzt werden.
Außerdem würden ja die Vorteile der Televoter überwiegen, da die Ergebnisse einigerseits sehr schnell vorliegen würden und andererseits die Delegierten (nur sie selbst!) unter Verwendung ihrer anonymisierten Stimmkarte auch ihre eigenen Wahlen überprüfen können sollen.
Meine Meinung dazu
Nach allem was ich bisher dazu gehört habe (ich habe hier natürlich nur die groben Dinge erwähnt) halte ich dieses System zwar vielleicht für sicherer als Wahlcomputer, aber ich habe dennoch Bedenken.
- Wer kann denn garantieren, dass keine Manipulation am Server vorgenommen wird?
- Wer kann denn garantieren, dass die Person, die den Auswertungscomputer bedient da nichts manipuliert?
- Wer kann denn garantieren, dass ggf. Funksignale abgefangen (und ggf. verändert) werden?
- Wer kann denn garantieren, dass niemand die Televoting-Geräte so modifiziert, dass sie zwar im Display die eine Option anzeigt aber in Wirklichkeit eine andere Wahloption übersenden?
Ich denke zwar schon, dass die verantwortliche Firma alles – derzeit – mögliche unternommen hat um Manipulationen vorzubeugen, aber das reicht mir nicht wirklich.
Natürlich bietet Televoting Möglichkeiten an die toll sind – aber muss ich wirklich mit einer an sich anonymisierten Stimmkarte mir persönlich anzeigen lassen, was ich gewählt habe? Da schwingt dann doch immer die Gefahr mit, dass andere das auch können – auch wenn das momentan noch irgendwie geschützt ist.
Natürlich kann man auch klassische „Papierwahlen“ auch manipulieren – aber da hat man den physischen Beweis einer Stimmabgabe. Alleine das ist ein sehr großer Vorteil, des klassischen Wahlganges, dass man dabei ganz normale Stimmzettel hat, die nachher auf diversen Stapeln aufgehäuft gezählt werden und auch problemlos nachgezählt werden können.
PS: Ãœbrigens sehr konsequent, dass bei der heutigen geheimen Abstimmung über die Bundestags-Spitzenkandidaturen (Renate Künast und Jürgen Trittin werden es wohl werden) auf Televoting verzichtet wird. Das ist aber ein monetärer Grund – denn die Firma die diesern Service anbietet hat bereits gestern ihre Zelte in Erfurt abgebrochen und daher steht heute kein Televoting zur Verfügung. Es wäre wohl zu teuer gewesen, wenn man es heute auch noch verwendet wird – so wird es jedenfalls auf dem Parteitag kolportiert.
Man hätte natürlich diesen Wahlgang auch gestern noch durchführen können – aber dann hätte der heutige dritte Tag des Parteitages keinen Höhepunkt gehabt.
PS: Details über die Modalitäten meiner Berichterstattung über den Bundesparteitag findet man hier und hier.
Ich verstehe die Bedenken und teile sie auch, andererseits ist aber die Problemlage bei so einem Parteitag noch eine ganz andere:
Bei einer Xtagswahl wird den ganzen Tag über gewählt, und dann am Abend alles ausgezählt – da ist es nicht tragisch wenn das dann etwas dauert – komen die Ergebnisse eben später.
Bei so einer Xvorstandswahl dagegen muss ja (insbesondere bei uns durch die Quotenregelung) sehr oft gewählt werden, und immer könnten evtl. unterlegene KandidatInnen auf weiteren Plätzen antreten wollen. Es kann also mit dem nächsten Wahlgang erst begonnen werden wenn die Ergebnisse bekannt sind.
Und wenn Vorsitzende, VorsitzendeR, SchatzmeisterIn, Beisitzerinnen, BeisitzerInnen gewählt werden müssen und die Auszählung jedes mal eine 20 Minuten dauert ist mensch da alleine gut 2 Stunden mit beschäftigt – im Idealfall, wenn alle Bewerbungen in Auszählpausen gesteckt werden können.
Die Befürworter der Wahlcomputer führen übrigens das genaue Gegenteil als Vorteil an. Die Wahlcomputer sind nicht vernetzt, es gibt keinen zentralen Server und man müßte jedes Gerät einzeln manipulieren.
Gibt es nun einen zentralen Server oder nicht? Die Wahlcomputerthematik ist nicht zu unterschätzen, völlig richtig, so ausführlich darüber zu berichten.
http://www.ccc.de/updates/2008/brandenburg-beobachterbericht?language=de
@Matthias (1):
Das mag natürlich sein, dass bei einem Parteitag – wie von Dir geschildert – eine schnelle Ergebnisfindung sinnvoll ist. Nur: Kann das ein Grund dafür sein ein System einzusetzen, welches solche Fragen aufwirft?
@Martin (2):
Faszinierend, man argumentiert gerade so, wie es einem passt. :)
@Christoph (3):
Beim Televoting der Grünen gab es einen zentralen Server. Was durch den überaus freundlichen Mitarbeiter der Firma als großer Vorteil angesehen wurde. Kann man aber auch genau anders herum sehen.
[…] aber nichts daran, dass alle beteiligten Geräte manipulierbar sind. Dies bemängelte auch der Pottblogger schon vor einigen […]
[…] aber nichts daran, dass alle beteiligten Geräte manipulierbar sind. Dies bemängelte auch der Pottblogger schon vor einigen […]
[…] Der Unsinn von Wahlcomputern – wie die SPD ihren kommenden Bundesparteitag schon jetzt sabotiert (@netnrd) – Oder wie Nico Lumma es schön formuliert: Jetzt machen wir mal was mit Wahlcomputern. Das erinnert fatal an die Fernbedienung für die grüne Partei. […]
[…] Persönlich lehne ich solche elektronischen Abstimmungsgeräte für wichtige Entscheidungen ab – siehe dazu auch meinen Beitrag über die “Fernbedienung” für die grüne Partei. […]