Der Kanzler und der Chefredakteur
Am Samstag abend haben wir uns auch ein wenig über Politik unterhalten. Zuvor schrieb Lukas anlässlich der Parteiratskandidatur von Arvid Bell folgendes:
19:24 Uhr: Hier werden gerade die Bewerbungsreden für den Parteirat gehalten. Ich sage Arvid Bell schon mal eine größere politische Karriere voraus.
Abends diskutierten wir dann über die Politik im Kleinen wie im Großen. Ich erklärte unter anderem, warum ich in der SPD bin und eines der angesprochenen Themen war dann auch die Kanzlerschaft. Da vermutete Lukas noch, dass es wohl bis zu 40 Jahre noch dauern könnte, bis die Grünen mal einen Kanzler stellen würden – gegen diese lange Zeitdauer hätte ich nicht wetten wollen.
Sonntags klang das dann doch schon anders:
12:01 Uhr: Ich halte ja eigentlich nicht viel davon, Leute nach ihrem Alter zu beurteilen. Aber: Arvid Bell ist 24 (jünger als ich!!!!!) und spielt rhetorisch schon in der ersten Liga. In seiner Rede zur Friedenspolitik bemühte er sich um Ausgewogenheit und darum, die Lager zu einen. Sollte es in den nächsten 20, 30 Jahren mal einen grünen Bundeskanzler geben, dann wird er das sein.
Nun denn:
Bei 20 Jahren würde ich definitiv dagegen halten, aber wenn der wirklich mal Kanzler werden sollte, dann sollte man das Objekt der Kristallkugel und den Kristallkugelleser auch zusammen abbilden:
Zeitlich gesehen nach Lukas‘ Beitrag über die „Kanzlerabilität“ (gibt es da ein anderes Wort für?) kam Arvid Bell und setzte sich zu Sven Giegold – der zufälligerweise nur wenige Plätze von Lukas entfernt saß. Und so kam es dann zur Begegnung der Leute, die irgendwann in der Zukunft vielleicht mal Der Kanzler und der Chefredakteur sein werden.
Lustig fand ich übrigens die Rückfaht von Erfurt, denn im Zug saß Arvid Bell nur wenige Plätze von Lukas und mir entfernt und unterhielt sich mit seinen FreundInnen ((dieses Binnen-I wird hier nicht mehr oft verwendet, das verspreche ich Euch!)) über den Parteitag und dabei wurde wohl auch das Thema „Kanzler“ in Bezug auf den Blogbericht angesprochen.
PS: Ich habe jetzt mal alle Beiträge, die mit der Bundesdelegiertenkonferenz dem Grünen-Parteitag zu tun haben, in eine Artikelserie gepackt. Dann kann man sich leichter durcklicken. Und ich gehe davon aus, dass es im Nachgang auch noch den einen oder anderen Beitrag geben wird.
PPS: Details über die Modalitäten meiner Berichterstattung über den Bundesparteitag findet man hier und hier.
Was in 40 Jahren sein wird, das weiß ich nicht. Aber in 20 Jahren wird es keinen grünen Kanzler geben, und in 30 vermutlich auch nicht. Nur mal zur Erinnerung: die Grünen sind aktuell nur in einem Bundesland an der Regierung beteiligt, und zwar in Hamburg.
Um den Kanzler zu stellen, müssten sich die Grünen zur grünen Volkspartei entwickeln. Und damit im Grunde genommen zur grünen CDU werden. Halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Binnen-Is finde ich übrigens super. :)
Das Foto ist klasse, wenn man sich vorstellt, wie so etwas in 20-30 Jahren rückblickend gedruckt wird, auf den Spuren von Kanzler Bells Weg nach oben. Im Fernsehen gibt’s eine Doku und ein Herr Heinser, inzwischen längst eine Journalistengröße, guckt etwas verklärt in die Kamera, sagt so einen Satz wie „Was waren wir jung damals…“ und im Hintergrund setzt „„When You Were Young“ von den Killers ein.
Für diejenigen, die sich selbst einen Eindruck von Arvid Bells Rede machen wollen: Sie ist bei YouTube verfügbar, übrigens inklusive peinlicher Tonprobleme.
@Christian S. (1, 2):
Was ist mit Bremen? Dort regiert ein rot-grüner Senat.
Und ich sehe es ähnlich wie Du – die Grünen werden sicherlich als Partei immer wieder erfolgreich sein (und somit den Auguren, die bei ihrer Gründung damals den Grünen keine große Zukunft voraussagten), aber den Kanzler werden sie in absehbarer Zeit nicht stellen.
@Kunar (3):
Danke für den YouTube-Link!
Ups, Bremen habe ich ignoriert. Mitlesende BremerInnen mögen es mir verzeihen. ;)
Ich muss jetzt doch mal sagen, dass die Frage einer grünen Kanzlerschaft vor allem bei der SPD liegt. Wenn die so weiter macht wie grade eben, sind wir Grüne in 20 Jahren die zweite große Volkspartei (na gut, bzw. in 10 Jahren eine der etwa gleich großen vier „kleineren“ Parteien, die jeweils um die 15-20% holen). Da ist ’ne grüne Kanzlerschaft (nach 16 Jahren Merkel oder so) durchaus drin ;-)
16 Jahre Merkel? Till, mach mir keine Angst – ich bin eigentlich schon bedient mit den mindestens acht Jahren, die wohl anstehen bzw. laufen.
@Till: Genau so hab ich auch gedacht. Wenn die CDU nicht auch bald mit der konsequenten Selbstdemontage anfängt, wird es auf absehbare Zeit ein 1:4-Parteien-System geben, bei dem sich die kleinen irgendwann gegen die CDU verbünden und der Reihe nach den Kanzler stellen werden.
Chefredakteur würde ich trotzdem nicht unbedingt werden wollen (bzw. war es schon mal).
Um Volkspartei zu werden, müssten die Grünen ihr Programm radikal ändern. Wollen das die Grünen?
Warten wir mal die Bundestagswahl ab, ich gehe von keinem wesentlich (!) schlechteren Ergebnis für die SPD als 2005 aus. Irgendwas zwischen 30 und 35 Prozent, schätze ich.
Verkauft mal nicht das Fell des Bären, bevor er erlegt ist. ;)
@Till (6):
Ich glaube ja nicht, dass es bei der SPD so weitergeht. Die wird sich wieder fangen.
@Jan (7):
*Schauder*
16 Jahre Merkel ist auch nicht wirklich zu wünschen. Alles was über 4 Jahre hinausgeht ist schlecht.
@Lukas (8):
Wenn man sich so die Langzeitzahlen anschaut, dann ist die CDU doch auch schon deutlich geschwächter. Die Zeiten, wo sie eine 4 vorne hatte ist jetzt inzwischen 10 Jahre her.
@Christian S. (9):
Warum müssen die Grünen ihr Programm ändern?
Mit Deinem letzten Satz stimme ich natürlich vollkommen überein.
Harry Obama…
“Harry Obama” nannte ihn am Montag jemand im baden-württembergischen Landtag. Gemeint war Arvid Bell, sieht aus wie Harry Potter und redet wie Barack Obama.
Er ist 24 Jahre alt und wurde am Wochenende auf dem Grünen-Bundesparteita…
Das von mir erwähnte YouTube-Video zeigt die erste von Arvid Bell, nämlich die, mit der er sich für den Parteirat bewirbt. Durch das ganze digitale Gejubel über Arvid Bell ist jedoch jemand motiviert worden, auch die zweite Rede über Friedenspolitik bei YouTube einzustellen. Da gibt’s für meinen Geschmack Licht und Schatten. Es wäre eine Menge zu sagen, allein das Stichwort „Bündnis ’99/Die Olivgrünen“ würde schon genug Diskussionsstoff liefern.
Man könnte auch darauf eingehen, dass in Deutschland so ein Parteitag keine Propagandaschlacht ist, weil ermüdet oder gelangweilt wirkende Leute in die Kamera schauen oder auch mal irritiert oder ablehnen gucken. Immerhin bleibt ein Gedanke hängen, den ich unabhängig von der parteipolitischen Färbung interessant finde: „Was, wenn die Leute gar keine einfachen Antworten wollen, sondern ehrliche?“
@Kunar (12):
„Digitales Gejubel“ ist fast ein so gutes Stichwort wie „Bündnis ’99 / Die Olivgrünen“. :)
Ich habe nicht geschrieben, dass die Grünen ihr Programm ändern müssen.
Ich habe geschrieben: „Um Volkspartei zu werden, müssten die Grünen ihr Programm radikal ändern. Wollen das die Grünen?“
Ich meine: nein, die Grünen wollen keine derart radikale Änderung. Eine grüne Volkspartei hätte mit den heutigen Grünen nicht mehr viel zu tun. Deshalb wird es auch in absehbarer Zeit keinen grünen Kanzler geben.
@Christian S. (14):
Denke auch, dass es so schnell keine grünen Kanzler geben wird. Wobei ich den Zeitraum von 20-30 Jahren meine. Alles was drüber geht ist meiner Meinung nach zu sehr Kristallkugelspekulation.
Wobei: Vielleicht gibt es in 40 Jahren gar keinen Kanzlerposten mehr? Halte ich für wahrscheinlicher als einen Grünen im Kanzleramt…
Vielleicht gibt es in 40 Jahren auch keine grüne Partei mehr. Weiß man alles nicht. ;)