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Jens Matheuszik — 8. November 2008, 20:49 Uhr

Da sind wir uns nicht grün…


Im Beitrag Ich gehe zu den Grünen! hatte ich es ja bereits angedeutet (und versucht es mit einem schlechten Scherz angesichts der derzeitigen politischen Situation in Hessen zu verbinden): Ich werde vom Bundesparteitag von der Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) der Grünen in Erfurt bloggen.

Insgesamt rund 40 Blogger haben sich auf den Beitrag Bloggen vom Grünen-Parteitag beworben und 5 aus 40 (klingt wie Lotto) werden dabei sein und bekommen dafür die Fahrt nach Erfurt (bei mir: 2. Klasse im IC (ohne E)) und die Unterkunft bezahlt. Als da wären:

Und – wie ja erwähnt – auch ich. :)

Das ganze hat zum Teil zu Diskussionen geführt – vor allem aufgrund des Blogbeitrages Die Grüne Partei will Blogger kaufen von David Schraven bei den Ruhrbaronen.

Zu dem Artikel, aber auch zu einigen Kommentaren dort, möchte ich mich dann doch noch mal ausführlicher äußern:

Telefonische Vorgeschichte
Erst einmal möchte ich voranstellen, dass mich David Schraven vor der Veröffentlichung seines Artikels via eMail und Telefon kontaktiert hat, um mit mir über seinen geplanten Artikel zu sprechen. Das rechne ich ihm hoch an – er hätte ja auch einfach so etwas schreiben können, ohne die genauen Hintergründe zu kennen. Nur: Es hat wohl nichts gebracht. Warum erkläre ich im Anschluss.

Er teilte mir mit, dass er gelesen hätte (im Beitrag Ich gehe zu den Grünen!), dass ich vom Grünen-Parteitag berichten würde, und dass er arge Bedenken habe, wenn Firmen, Institutionen oder halt auch Parteien sich quasi eine positive Berichterstattung durch Journalisten „kaufen“ würden. Das wäre der Grund warum sich Verlage einen Verhaltenskodex (siehe z.B. die WAZ-Mediengruppe) geben und es Journalistenvereinigungen wie Netzwerk Recherche gibt, die sich gegen von Firmen für Journalisten bezahlte Reisen z.B. nach Südafrika zur Vorstellung eines neuen Automodells aussprechen.

Ich erklärte ihm jedoch, dass ich das in dieser Angelegenheit dann doch anders sehen würde, weil man das meiner Meinung nach nicht wirklich vergleichen kann, vor allem weil das Pottblog kein journalistisches Medium sei. Es ist ja nicht so, dass jetzt hinter mir eine Redaktion oder ein Verlag stehen, die mir mal eben eine Reise nach Erfurt finanzieren, damit ich darüber berichte. Es handelt sich beim Pottblog um ein Ein-Mann-Projekt und wenn man mir die Möglichkeit bietet über ein mich interessierendes Thema zu bloggen, dann nehme ich diese Möglichkeit gerne an – aber zu meinen Bedingungen. Dazu gehört es dann auch, dass ich selber transparent über die Umstände berichte und mir nicht etwas vorschreiben lasse, wie ich inhaltlich zu berichten habe.

Im Laufe des durchaus freundlichen Telefonates erklärte ich dann, dass das mit dem „Bloggen vom Parteitag“ jetzt nicht wirklich etwas neues sei – das gab es wenn nicht sogar schon 2002 dann aber spätestens 2005 zu den Bundesparteitagen der großen Parteien im Bundestagswahlkampf.

Kleiner Exkurs: Und auch heute ist z.B. die SPD – die Partei, in der ich mich relativ gut auskenne – in solchen Angelegenheiten immer sehr engagiert, in dem sie auch Bloggern die Berichterstattung von Veranstaltungen ermöglichen, bei YouTube Videos schalten, ein eigenes soziales Netzwerk mit meineSPD.net besitzen und sogar einen Online-Beirat aufweisen, der die Parteispitze über Online-Entwicklungen auf dem Laufenden halten soll.

Ich sagte ihm, dass man weder von Lukas von Coffee & TV, der auch mit dabei sein wird, noch von mir, jetzt „Hofberichterstattung“ zu den Grünen erwarten könne. Aus der Gesprächsreaktion entnahm ich, dass er den Beitrag Coffee & TV goes green noch nicht kannte und empfahl ihn sich einfach mal an Malte Spitz zu wenden, da dieser sich auf Seiten der Grünen für diese Aktion verantwortlich zeigt.

Am Ende des Gespräches war mir klar, dass ich David nicht überzeugen konnte, dass das meiner Meinung nach nichts wildes ist – aber ebenso schaffte er es auch nicht, mich zu überzeugen. Aber das ist ja auch nicht schlimm, wir leben schließlich in einer Gesellschaft wo unterschiedliche Meinungen erlaubt bzw. sogar erwünscht sind. Insofern finde ich es absolut nicht schlimm, wenn wir hier in dieser Position einander nicht grün sind (dieses Wortspiel musste ich in diesem Kontext bringen).

Der Artikel bei den Ruhrbaronen
Am nächsten Tag veröffentlichte David dann den Artikel Die Grüne Partei will Blogger kaufen und schrieb gleich netterweise selbst dazu, dass die Ãœberschrift „hart“ und „reißerisch“ sei.

Der Artikel, der sich übrigens eher gegen die Grünen richtet als gegen die teilnehmenden Blogger, ist meiner Meinung nach dann doch etwas zu reißerisch geworden, da hier aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. Natürlich werden sich die Grünen was davon versprechen, dass sie Blogger einladen. Sie versprechen sich davon, dass diese Blogger bei sich in den Blogs – aber auch auf der Grünen-Homepage – über den Parteitag berichten. Ich werde da mit meiner Meinung nicht hintern Berg halten und nur weil ich von den Grünen das Zugticket im IC nach Erfurt bezahlt bekommen habe, werde ich nicht plötzlich die meiner Meinung nach merkwürdige Frauenquote (min. 50 % Frauen) loben. Und ob Lukas jetzt für eine Ãœbernachtung in einem Ibis-Hotel zum glühenden Verehrer von Claudia Roth wird, das wage ich auch mal zu bezweifeln.

Die (ebenfalls von den Grünen ausgewählte) Bloggerin Regine Heidorn schreibt dazu:

„Wenn mich jemand für meine Meinung bezahlen will, ändert das nichts an meiner Meinung.“

So sehe ich das auch. Und so sehe ich das auch in anderen Fällen, denn es kommt in Einzelfällen immer mal wieder vor, dass ich hier im Pottblog über Dinge berichte, wo ich gebeten wurde darüber zu berichten oder auch mal selber dahingehend initiativ tätig wurde. Doch das was ich dazu schreibe, entscheide ich selbst. Oder ob ich dazu etwas schreibe oder nicht.
Letzterer Satz auch als kleinen Hinweis an den Anrufer aus dem Raum München, der mir kürzlich auf der Mailbox eine Kooperation vorschlug, die jedoch nicht zustande kommen wird, da das Thema mich a) nicht interessiert und b) ich von dem damit verbundenen StartUp nicht wirklich viel halte…

Weiter fragt David in dem Artikel „ob hier von PR-Profis im Dienst der Grünen die Naivität von Blogger ausgenutzt werden soll“. Auf eine Frage will ich dann einfach mal antworten:

Ich denke nicht, dass das der Fall ist.
Mag sein, dass ich – vor allem weil ich „nicht im Kurs der ethischen Debatte [des Journalismus; Anm. d. Bloggers] stehe“ – in dieser Frage vielleicht etwas grün hinter den Ohren bin (auch dieses Wortspiel mußte sein), aber dennoch glaube ich nicht, dass diese Bedenken gerechtfertigt sind. Die ganze Diskussion rund um das Bloggen vom Bundesparteitag der Grünen ist meiner Meinung nach ein gelungenes Gegenargument – schließlich gibt es hier fast schon ein Maximum an Transparenz.

Schade finde ich jedoch, dass der Artikel anscheinend eine Art „Schnellschuss“ war. Obwohl ich David Schraven im Telefonat ein paar Hinweise bzgl. Bloggen von Parteitagen gegeben habe, wurde das anscheinend nicht aufgegriffen. Auch mein Vorschlag vielleicht mal mit Malte Spitz, der bei den Grünen für die ganze Aktion (mit?)verantwortlich ist, Kontakt aufzunehmen wurde anscheinend nicht befolgt. Anders kann ich mir auch nicht erklären, dass in der Diskussion u.a. auch von David selbst die Frage aufkam, wer denn die anderen drei Blogger sind. Eine Antwort, die übrigens nur einen Mausklick entfernt ist.

Die Diskussion dazu
In der sich daraus entwickelnden Diskussion, bei der die Ruhrbarone meines Wissens ungefähr zehnmal so viele Kommentare wie sonst üblich auf einen Artikel erhalten haben, gab es einige interessante Aussagen zu dem Thema. Von denen möchte ich nur einige aufgreifen und selber kommentieren:

Wie wollen die Kollegen denn weitermachen? Ein Banner der Partei auf die Seite? Oder der Ausgeglichenheit halber jetzt auch von jedem anderen Parteitag berichten?
(1, Jens Kobler)

Also wenn die Grünen wirklich ein Banner bei mir haben wollen, dann können sie sich gerne an AdNation wenden, da diese für die Anzeigenvermarktung des Pottblogs zuständig sind.
Von anderen Parteitagen zu berichten könnte ich mir übrigens auch vorstellen. Gerne hätte ich zum Beispiel beim CSU-Parteitag die Delegierten gefragt, warum jetzt Seehofer die umjubelte Lösung auf alle Personalprobleme ist, wo man doch kurze Zeit vorher kaum etwas von ihm wissen wollte.

Ist der Unterschied hier nicht, dass ein Journalist in seinem Artikel nicht erwähnen würde, wer ihm die Reise bezahlt hat? Ein Blogger dagegen geht damit offen um und kann somit seinem Leser überlassen zu entscheiden, wie kritisch er den Aussagen des Textes gegenübersteht.
(6, Ponk)

So sehe ich das eigentlich auch viel eher. Mag ja sein, dass manche Verlage – ob nun der Axel-Springer-Verlag oder aber die WAZ-Mediengruppe – irgendwelche Kodizes haben – bei manchen Artikeln die man so liest, fragt man sich, ob diese Richtlinien auch wirklich eingehalten werden. Ob nun bei den Volks-Produkten der BILD oder bei manchen merkwürdigen Autoberichten.

Ich denke es ist extrem schwierig, dass Du wirklich objektiv bloggen kannst, wenn der Typ, der neben Dir die ganze Zeit mit dem Geld in der Tasche klimpert, Dich aushält. Schlimmer noch: Der Malte kontrolliert ja auch was Du schreibst, liest mit. Löschen wird er nicht aber das muss er auch nicht in der richtigen Umgebung.
(10, David)

Ich glaube kaum, dass jemand von den Grünen die ganze Zeit neben mir sitzt. Die haben wohl anderes zu tun. Und dass man nachher meine Texte liest – hey, wofür schreibt man denn eigentlich? Insofern dürfen meine Blogbeiträge gerne alle lesen. Ob Claudia, Jürgen, Renate, Fritz, Julia oder auch halt Malte.

Sicher gibt es Ausnahmen und Grauzonen. Aber im Fall der Grünen Kauf-Bloggerei sehe ich die Grenze überschritten.
(10, David)

Im Telefonat erwähntest Du, dass es selbstverständlich wäre, dass man z.B. Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt bekommt um darüber zu berichten. Man könnte jetzt auch mal die Diskussion insofern verschärfen, als dass man auch das kritisieren könnte. Warum machen es nicht alle Verlage so wie z.B. die Stiftung Warentest? Die kaufen alle Produkte für das Test-Magazin ein und haben noch nicht einmal Werbung in ihren Publikationen. Wenn man schon „auf Saubermann“ machen will, dann aber bitte richtig…

Hm, fragwürdig ist für mich erstmal das Verhalten von B90/Grüne, die sich für ihre PR anerkannte und geschätzte Blogger anwerben, statt selbst ihren Weg zu gehen und anzufangen von sich aus einen Blog aufzubauen, der, wie sie selbst sagen, seine “Wertschätzung” verdient.
(30, mic)

Also bei den Grünen gibt es Blogs, ich kenne einige Blogs von grünen Politikern die ich zum Teil auch recht gerne lese. Vielleicht war ja die Intention der Grünen, dass man andere Blogger findet?

Was genau passiert denn andauernd bei Pressekonferenzen, Sportevents oder sonst was?
Die Pressevertreter werden schön vom Einladendem verwöhnt. In der Bundesliga geht es in die VIP Räumlichkeiten und man sitzt auf der teuren Tribüne, bei Firmen gibt es lecker Essen und vielleicht noch ein Präsent, in der Politik gibt es selbst auf einer popeligen Mitgliederversammlung Kuchen und Getränke. Alles auf lau. Das ist doch Realität in Deutschland. Wer will das über seine Veranstaltung berichtet wird, lädt die Presse ein und kümmert sich um sie. Hat schon mal jemand ausgerechnet, was eine VIP Dauerkarte beim FC Bayern kostet und dann einem Kickerredakteur Bestechlichkeit vorgeworfen?

(31, Tim)

Tja, das scheint was anderes zu sein. Und was ich bisher mit erlebt habe, ist z.B. die Pressebetreuung bei manchen Fußballvereinen schon sehr gut. Auch bei anderen Veranstaltungen (Messen und ähnliches) hat die Presse oft irgendwelche Vergünstigungen – und damit meine ich jetzt nicht den freien Eintritt, sondern Presselounges, kostenlosen Netzzugang, Häppchen und Getränke für lau usw.

Wenn denn (von allen) an das Bloggen gleiche ethische Ansprüche wie an den Journalismus erhoben werden, warum fahrt IHR DANN DAHIN? […]
Insofern mag hier jeder nach Erfurt fahren, wie er will. Mit Journalismus hat das jedoch nichts zu tun. Nur: Ich habe keinen journalistischen Anspruch an ein Blog.

(35, Elmar Kok)

Ich fahre nach Erfurt weil es mich interessiert. Ich bin schließlich politisch interessiert und halte die Grünen nicht für die allerschlechteste Partei in Deutschland. Der letzte Satz ist übrigens nicht gekauft und lässt sich auch anhand bisheriger Blogbeiträge, die in der Vergangenheit entstanden und veröffentlicht worden sind, verifizieren.

Ãœbrigens sehe ich mich auch nicht unbedingt als Journalist und halte daher den hier indirekt gezogenen Vergleich „Blogger und Journalisten“ für falsch.

Zum Schluß
Da der Artikel jetzt eh schon recht lang geworden ist (puh, wie gut, dass es hier keine redaktionelle Kontrolle gibt und keinen Chefredakteur, der mir den Text kürzt!), will ich dann auch gleich schon zum Ende kommen.

Die Diskussion bei den Ruhrbaronen finde ich schon interessant, auch wenn ich einen Großteil der dortigen Aussagen nicht teile. Ich hoffe ich lasse mich jetzt davon nicht großartig beeinflussen und wenn ich was beim Grünen-Parteitag toll finde, dass ich das dann auch unbefangen schreiben kann – ohne gleich wieder einen „Hab’s ja gesagt“-Effekt zu sorgen. Das erinnert mich übrigens an die Situation von Lehrern die Schüler haben, die sie gut kennen (z.B. aus der Nachbarschaft). Andere Schüler glauben dann immer gerne, dass man bevorzugt wird – in Wirklichkeit ist es oft eher das Gegenteil, denn damit man diesen Verdacht ja nicht bestätigt, sind Lehrer in solchen Fällen dann manchmal genauer als normal und finden eher Fehler als sonst.


15 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Nils @ 8. November 2008, 23:00 Uhr

    Mich will keiner kaufen…

    Junge, wie lange hast Du an dem Beitrag geschrieben? :-o


  2. (2) Kommentar von Jens @ 8. November 2008, 23:03 Uhr

    @Nils (1):
    Dabei fühle ich mich gar nicht gekauft…

    … und der Beitrag hat ’ne gewisse Zeit gedauert, aber vor allem auch weil ich auch mal drüber geschlafen habe (vorher sah der Artikel auch etwas anders aus).


  3. (3) Kommentar von 50hz @ 9. November 2008, 00:00 Uhr

    Dritter ;-) Ich will nur das Kommentarabo.


  4. (4) Kommentar von Regine Heidorn @ 9. November 2008, 10:35 Uhr

    Schön gefasst, mit Deinem Standpunkt kann ich mich ebenfalls identifizieren.
    Wäre die Diskussion bei den Herren Ruhrbaronen nicht so reisserisch (letztens fragte jemand auf Twitter, ob es eine Untersuchung zum Verhältnis Qualität eines Blogeintrags zu Qualität der Kommentare gebe – gute Frage) und schwammig, hätte sie mich durchaus weitergebracht. Den Kern der Sache fasse ich als Frage nach Vertrauenswürdigkeit/Authentizität in der Berichterstattung. Bei den Ruhrbaronen fehlt mir der Blick über den Tellerrand, um in dieser Sache weiterzukommen. Und das Herunterbrechen auf die Frage Blogger oder Journalisten bringt offensichtlich nicht wirklich weiter.


  5. (5) Kommentar von Henning @ 9. November 2008, 13:32 Uhr

    Danke für dein Statement hier dazu, kann ich micht gut anschließen. Hätten wir unkritische Berichte haben wollen, wären wir das sicher ganz anders angegangen.

    Politik lebt vom Diskurs – wie ernst wir diesen oft folgenlosen Satz nehmen, werden die Parteitags-Blogger erleben.

    Übrigens: Es kann nach wie vor jeder auch auf eigene Kosten anreisen und übernachten und vom Parteitag berichten. Sehr gerne sogar.


  6. (6) Pingback von Bloggen über Grüne - oder: BDK08 » henningschuerig.de/blog @ 9. November 2008, 15:02 Uhr

    […] von außen oder vielleicht auch von Anhängern (also halb-außen) zu bekommen. Auch Jens selbst und Malte Spitz, der als grünes Bundesvorstandsmitglied den Bloggern mit Rat und Tat zur Seite […]


  7. (7) Kommentar von David @ 9. November 2008, 15:03 Uhr

    Hallo Jens,

    zunächst einmal Danke für Deinen Beitrag. ich bin froh, dass wir diese Diskussion auf einem hohen Niveau führen können. DANKE dafür, denn ich glaube, die Diskussion ist sehr wichtig, um die Frage nach der Unabhängigkeit von politischen Blogs vor den kommenden Wahlkämpfen zu beantworten.

    Zunächst ein kleines Detail zu unserem Telefonat. Ich habe nicht gesagt, dass ich denke, dass die Grünen „Hofberichterstatung“ von euch erwarten, sondern „Berichterstattung“.

    Wo ist der Unterschied? Ich denke nicht, dass die Grünen von Dir für die Reisekosten und die Übernachtungen positive Blogbeiträge wollen. Ich glaube, die Grünen wollen einfach nur ein paarmal in Deinem Blog stehen, um damit in der Welt des Internets in einem relevaten Blog Präsenz zu zeigen. Und Kontakte aufzubauen.

    Deswegen Du, deswegen die Frauen aus der modernen, neuen Girlz-Ecke, schön gemischt rot-grün Zielgruppen-affin.

    Und: Du bist sehr fair. Das bedeutet, wenn Du erst einmal da bist, wo Du ohne die Einladung der Grünen nie hingefahren wärst, wirst du die Grünen nicht in Grund und Boden schreiben. Du wirst fair schreiben. Das bedeutet aus Sicht eines grünen PR-Strategen, sie können mehrere nette Berichte und Folgeberichte von Dir erwarten.

    Jetzt glaub nicht, dass die grünen PR-Leute sich nicht vorher angeschaut haben, wie Du von anderen Events bloggst. Das kennen die. Und die kennen Deine Arbeit. Und glaub nicht, dass die einfach nett sind.

    Nett sind sie alle. Alle PR-Leute. Die grünen Pressesprecher, und Öffentlichkeitsarbeiter und Vorständler wissen, was sie sagen müssen, um Leute zu kobern. Das ist Ihr Job.

    Aber egal. Ich denke, im Kern muss jeder selber wissen was er tut, wenn er was dafür bekommt. Jeder muss seine eigene Grenzen finden.

    Du meinst, es ist für Dich OK, über die BDK zu schreiben und was dafür von den Grünen zu kriegen.

    Für mich wäre das nicht OK. Ich würde das nicht tun.

    Am Ende kommt es auf die Betrachter und Leser an. Vertrauen Sie Dir? Oder denken Sie, wenn du positiv über die Grünen schreibst: Hmmm, war das jetzt eingeflüstert?

    Und wenn du negativ schreibst: Hmm, schreibt der jetzt extra negativ, um zu zeigen, dass er unabhängig bleibt und der verschweigt das Gute?

    Wie gesagt, ich weiß Du schreibst fair. Aber Du risikierst in den Augen der Leser, die nicht in Deinen Kommentaren auftauchen Deine geistige Unabhängigkeit. Und damit riskierst Du deinen Ruf. Das finde ich gefährlich. Deswegen würde ich das nicht tun.

    Ich bin übrigens sehr gespannt, was Lukas dazu sagt. Bisher habe ich ihn nur über seine Beiträge – auch auf Bildblog.de – immer als sehr kritischen und prinzipienfesten Blogger gesehen, gelesen und geschätzt. Er hat schon oft hart ausgeteilt.

    Was wird er jetzt sagen, jetzt, wo es darum geht eine Grenze zu ziehen, die seine eigene Glaubwürdigkeit mit definiert.

    Nochmal: Ich denke, dass Angebot der Grünen war verlockend. Vielleicht zu verlockend. Schon die PR-Bezeichnung „Blogger-Stipendium“ soll ja Nähe und Förderung verkaufen.

    Aber das Stipendium ist keines. Ein Stipendium wird unabhängig vergeben und nicht von einer Parteipressestelle.

    Viele Leute denken, ich überdrehe. Aber mir geht es um ein Prinzip. Das Prinzip der Glaubwürdigkeit vor dem Leser. Und dieses Prinzip kann ich auch als einzelner immer hoch halten. Ohne Redaktion im Rücken. Ohne Verlag im Rücken. Ohne Geld im Rücken.

    Das Prinzip von dem ich Rede, ist das Prinzip der Unbestechlichkeit. Und dies wird im kleinen verteidigt, da wo es um die Minisummen geht. Gerade deswegen steht auf das Reisenkostenschenkenlassen für Beamte die fristlose Kündigung.

    Was ist der nächste Schritt? Blogger auf Fernreise mit Steinmeier nach Uzbekistan – bezahlt von der SPD/Außenamt/Steinmeier selbst? Ein bisken mit dem Minister über Folter und Gefangenschaft in zentralasiatischen Diktaturen plaudern. Oder darüber, warum man diese schwierige Menschenrechtproblematrik vor dem Hintergrund der Energieversorgung Europas sehen muss? Ist das der nächste Schritt?

    Ich weiß, Jens und auch Lukas, Ihr beide seid sehr offen mit Eurem Engagement auf der BDK umgegangen. Das finde ich sehr gut. Und das freut mich. Denn es zeigt, dass ihr im Grund versteht, was ich meine.

    Aber schon wenn ich den vierten mann im Erfurter Blogger-Bund anklicke, finde ich nichts über die Reisekosten oder die Übernachtungskosten und diese ganzen Geldwerten Vorteile.

    http://www.jurblog.de/2008/11/05/ankuendigung-bloggen-vom-gruenen-parteitag-in-erfurt/

    Stattdessen lese ich:

    „Die Einladung der Grünen ist eine weitere Chance, Blogs und Blogger weiter zu etablieren und verstärkt in das Bewusstsein der Leser zu rücken. Erstmalig werden neben Journalisten der FAZ, SZ, TAZ und wie sie alle heißen, auch fünf Blogger ihre Presseplätze bekommen und vom Parteitag berichten. Bleibt zu hoffen, dass das Beispiel Schule macht und auch andere Parteien auf den Geschmack kommen.“

    Und auch:

    „Die offizielle Einladung der Grünen zum Parteitag, fünf Blogger aktiv zu unterstützen, ist einmalig in Deutschland und ein Schritt in die richtige Richtung. Viel zu lange wurden Blogs und Blogger in Deutschland müde belächelt und nicht ernst genommen.“

    Und zum Schluss:

    „Sicherlich wird die Einladung der Grünen zum Parteitag nicht die gesamte Bloggerszene in Deutschland revolutionieren. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es zeigt, dass das Interesse an Blogs und Bloggern steigt und dass diese ernst(er) genommen werden, als so mancher meint.“

    Verstehst Du, was ich meine mit den Grenzen, die überschritten sind?

    Nichts für ungut. Ich freue mich, dass wir eine ethische Diskussion, wie hier ohne die üblichen Schreiereien führen können. Dafür Danke ich Dir besonders.

    Gute Diskussionen bringen uns nach vorne.


  8. (8) Kommentar von Henning @ 9. November 2008, 17:54 Uhr

    @David
    Was wäre denn für dich die richtige Konsequenz? Dass außer sowieso anwesenden Grünen niemand über den Grünen-Parteitag bloggt? Dass jemand anderes (eine „unabhängige“ Stelle?) die Fahrtkosten zahlt? …?


  9. (9) Kommentar von Till @ 9. November 2008, 20:37 Uhr

    Ich bin Grüner, werde aller Voraussicht nach keine Zeit dazu finden, nächste Woche nach Erfurt zu fahren und natürlich „zu Hause vorm Radio“ den Parteitag verfolgen. Und da freut es mich (neben allen PR-Effekten, ausgelösten Debatten, Web2.0-Kontakten usw.) besonders, wenn’s diesmal auch den extra organisierten Blick von außen geben wird. Bin also neugierig auf die Blogeinträge der fünf Auserwählten — und auch darüber, dass diese sich nicht von Debatten über „Käuflichkeit“ von diesem Experiment haben abschrecken lassen.


  10. (10) Kommentar von Jens @ 11. November 2008, 07:38 Uhr

    @Regine Heidorn (4):
    Manchmal bringt es ja was, wenn man Artikel reißerisch formuliert. Ein paar dutzend Kommentare zum Beispiel… aber ich muß zugestehen, dass ich die sachlich nicht korrekte und eher reißerische Ãœberschrift auch sehr gestört hat.

    @Henning (5):
    Das ist ja für David der Hauptknackpunkt: „auf eigene Kosten“

    @David (7):
    Du schreibst ja in Deinem Kommentar fast noch mehr als ich im eigentlichen Beitrag…

    Bericht- und nicht Hofberichterstattung: Das war indirekt meine Formulierung, ich sagte, dass Du so etwas bei (Lukas und) mir sicherlich nicht erwarten kannst. Ich weiß nicht, ob ich konkret das Wort Hofberichterstattung genutzt habe, aber ich meinte es jedenfalls.

    Faire Schreibweise: Auf der einen Seite bedankst Du Dich für einen fairen Bericht, auf der anderen Seite wirfst Du es quasi indirekt vor, denn wenn ich auch über die Grünen fair schreibe, wäre das ja an sich schlecht. So klingt es jedenfalls, wenn man Deine Argumentation zuspitzt.
    Ja was denn nun? Soll ich schreiben „David Schraven ist ein …“, weil er so einen Unsinnsbeitrag geschrieben hat – in der Hoffnung, dass man mir aufgrund der damit verbundenen Unfairness eine ebenso unfaire Rolle gegenüber den Grünen abnimmt?

    Machen oder nicht: Ich denke dieser Standpunkt (Du würdest es nicht machen, ich schon) ist geklärt. Da werden wir uns sicherlich nicht mehr einig.

    Was andere Blogger dazu meinen: Da kann ich schlecht was zu schreiben, ich kann schließlich grundsätzlich nur für mich argumentieren. Insofern ist die (abgesprochene) Erwähnung von Lukas in meinem Beitrag schon das Höchste der Gefühle. Sprich: Wenn Du wissen willst wie andere Beteiligte etwas sehen – frag die anderen Beteiligten, nicht mich.

    @Henning (8):
    Man könnte es auch fieser formulieren – nur die ach so unabhängigen Medien schicken ihre vom Verlag bezahlten unabhängigen Berichtestatter hin und nur diese können über solche Veranstaltungen berichten. Würde einigen traditionellen Medien sicherlich gefallen, wenn „in diesem Interdings“ nicht so viel unabhängiges geschrieben wird…

    @Till (9):
    Einen Leser hätte ich damit dann schon mal! :)


  11. (11) Kommentar von Dennis @ 12. November 2008, 15:47 Uhr

    *zweiter Leser weil ebenfalls Zuhausebleiber*
    Also mal schön umfangreich berichten lieber Jens


  12. (12) Kommentar von Jens @ 15. November 2008, 12:10 Uhr

    @Dennis (11):
    OK, ich werde mich bemühen. Aber wehe Du sagst nachher, dass ich mich stets bemüht habe. ;)


  13. (13) Pingback von Pot(t)pourri (80) » Pottblog @ 25. Januar 2009, 14:50 Uhr

    […] BDK in Erfurt war ich ja dabei (siehe auch hier) und damals gab es auch einige Diskussionen, ob das moralisch einwandfrei sei oder […]


  14. (14) Pingback von Dürfen Parteien Blogger bezahlen? » Pottblog @ 26. Januar 2009, 20:43 Uhr

    […] schon im Beitrag Da sind wir uns nicht grün erläutert, sehe ich das – vor allem aufgrund der stringenten Transparenz – nicht als das […]


  15. (15) Pingback von Es grünt so grün… vor dem Parteitag der Grünen (#bdk09) » Pottblog @ 8. Mai 2009, 18:50 Uhr

    […] aufgekommenen Debatte ob das Vorgehen der Grünen gut ist oder nicht habe ich bekanntlich eine mehr oder weniger dezidierte Meinung. Ich halte das ganze aufgrund der damit verbundenen Transparenz […]


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