Stellenabbau bei der WAZ-Mediengruppe (WAZ gibt’s neues?)
Aktuell berichtet der Kontakter (via turi2) über geplante Einsparungen bei der WAZ-Mediengruppe.
Diese sind mit der Personalie Christian Nienhaus verbunden – neben Bodo Hombach dem zweiten Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe.
Dieser brachte sich mit gleich zwei „Paukenschlägen“ diesen Monat in die Diskussion – in dem er mehrere Interviews gab:
Christian Nienhaus in der Süddeutschen Zeitung
Im Interview mit der SZ hieß es zum Beispiel:
SZ: Die WAZ-Gruppe arbeitet an der Umsetzung von Synergien bei ihren vier großen Zeitungen im Ruhrgebiet. Planen Sie die Zusammenlegung von Titeln?
Nienhaus: Ich glaube, man sollte Zeitungstitel wie wertvolle Marken behandeln. Wir werden in keinem Fall Titel verschmelzen, aber wir müssen Synergien heben. Es ist einfach nicht sinnvoll, dass bei einem Spiel von Borussia Dortmund vier Redakteure von vier Titeln im Stadion sitzen, die vier mehr oder weniger gleiche Artikel schreiben. Da wollen wir ran. Ziel ist, die Qualität zu erhöhen und gleichzeitig Kosten zu sparen. Das gilt übrigens nicht nur für den Sport, sondern auch für die großen klassischen Ressorts wie Politik, Wirtschaft und Kultur.
Das ist insofern interessant als der Aufstieg der WAZ-Mediengruppe zum bestimmenden Regionalverlag Nordrhein-Westfalens durch die Kartellbehörden nur unter der Prämisse genehmigt wurde, dass die einzelnen Redaktionen unabhängig bleiben.
Doch das ist nicht das einzig interessante in diesem Interview:
SZ: Werden Redakteurstellen abgebaut, drohen betriebsbedingte Kündigungen?
Nienhaus: Ich schließe betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. Ich bin seit 22 Jahren in dem Geschäft und auf diese Frage war meine Antwort immer dieselbe, denn in einer veränderten Welt müssen die Unternehmen sich anpassen und ihre Abläufe in Frage stellen und gegebenenfalls verändern.
Bisher war die WAZ-Mediengruppe stets darauf bedacht auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Selbst bei der Schließung mehrerer Lokalredaktionen im Kreis Recklinghausen und Schaffung der neuen WAZ ‚Unser Vest‘ verzichtete die WAZ-Mediengruppe auf Stellenabbau oder radikale Maßnahmen. Radikale Maßnahmen wie sie von lokalen Mitbewerbern, wie z.B. dem Verlag Lensing-Wolff, angewandt wurde. Dort wurde vor rund anderthalb Jahren die komplette Lokalredaktion der ‚Münsterschen Zeitung‘ de facto rausgeschmissen.
Zum möglicherweise geplanten Stellenabbau bei der WAZ-Mediengruppe berichten die Ruhrbarone folgendes:
Wie aus WAZ-Kreisen zu erfahren war, soll der Mitarbeiterschnitt künftig von 1,4 auf 1 Mitarbeiter pro Seite gesenkt werden. Laut eine[r] Meldung des WDR könnte davon vor allem die Sportredaktionen betroffen sein, denn laut WDR soll künftig beispielsweise nur noch ein Mitarbeiter für alle Titel von Bundesligaspielen berichten – eine kartellrechtlich wohlmöglich zweifelhafte Entscheidung, denn bei der Genehmigung der Zukäufe der WAZ-Gruppe durch die Kartellbehörden war die Garantie unabhängiger Redaktionen ein wichtiger Grund für die Zulassung der Fusionen.
Christian Nienhaus in der Financial Times Deutschland
Vor drei Tagen gab Christian Nienhaus der FTD ein Interview, bei dem es diesmal primär um das Internet-Geschäft der WAZ-Mediengruppe ging.
Es fängt gleich mit folgender Aussage an:
Auch seinem eigenem Haus attestierte der Manager im Internet „ganz klar Nachholbedarf“: „Im Gegensatz zu Wettbewerbern wie Axel Springer haben wir noch nichts Großes, Spektakuläres gemacht“, sagte er – räumte aber zugleich ein: „Ob das ein Vor- oder Nachteil ist, wird sich jetzt noch herausstellen.“
Hmm… das die WAZ-Mediengruppe noch Nachholbedarf hat mag man nicht bestreiten wollen, aber die Verzahnung von fünf Zeitungen, der Einbindung von fast 100 Lokalredaktionen im gemeinsamen Internet-Portal DerWesten.de bezeichnet Nienhaus als nichts großes oder spektakuläres?
Dabei ist die WAZ-Mediengruppe dabei im Internet konsequenter gewesen als z.B. der von ihm gelobte Axel-Springer-Verlag (von dem Nienhaus stammt). Schließlich haben Berliner Morgenpost und Die Welt immer noch getrennte Netzauftritte.
Das DerWesten mit dem regionalen Mitbewerber rp-online.de (Rheinische Post) momentan um den ersten Platz bei den Regionalmedien konkurriert, wird anscheinend auch ignoriert.
Im Handelsblatt-Blog Indiskretion Ehrensache nimmt sich Thomas Knüwer dieses Interviews an und schreibt dazu in gewohnt pointierter Art:
Christian Nienhaus wird es nicht zugeben wollen. Aber natürlich ist das Interview, das er der „FTD“ gegeben hat, auch getrieben vom Machtkampf um die „Waz“-Spitze.
Denn Nienhaus prügelt seinen Arbeitgeber, auf dass sein Blut quer durch Essen spritze. Das Print-Geschäft ist im steten Abschwung begriffen. Mit dieser deutlichen Äußerung bereitet er wohl die anstehende Abbauwelle vor und die gerüchteweise sehr, sehr übel ausfallen wird. Ergebnisse wird es wohl spätestens Anfang kommender Woche geben.
Andererseits besitze die „Waz“ aber im Internet „Nachholbedarf“. Nanu? Da wagt der Konzern als einziger in Deutschland mutige Schritte in Form des Westens und das reicht Nienhaus nicht?
Sicher: Der Westen hat viele Punkte, die kritikwürdig sind. Aus meiner Sicht sind die einzelnen Funktionen nicht vernetzt genug, journalistisch fehlt mir der Schwung. Trotzdem: Das Angebot ist nach meiner Meinung auf einem verdammt guten Weg, hat sogar den Abstand zum Hauptbewerber RP-Online verringert, ohne wie dieser irrsinnigen Meta-Foto-Galerie zu werden.
Nun muss man wissen: Der Westen ist ein Hombach-Projekt und Nienhaus wird nicht auf Dauer Teil einer Doppelspitze sein wollen. Der will Hombach weg haben. Und so gilt es das Vorzeigeprojekt des Opponenten waidwund zu schießen.
Von diesem Standpunkt her könnte man dann die Kritik sogar verstehen. Gerechtfertigt ist sie meiner Meinung nach – und das sage ich als jemand der beim Westen immer wieder mal ein Haar in der Suppe findet – jedoch auf keinen Fall. Spätestens wenn DerWesten den regionalen Marktführer (die Klickstrecken-Seite rp-online.de) überholt hat, wird man hoffentlich auch in Essen das ganze als großes Projekt ansehen.
Nachtrag: Die Passage bzgl. der WAZ Unser Vest und der Münsterschen Zeitung wurde konkretisiert.
Nienhaus hätte der Süddeutschen es auch so sagen können: „Es ist einfach nicht sinnvoll, daß bei einem Verlag zwei Geschäftsführer an der Spitze sitzen, die zwei mehr oder weniger gleiche Erklärungen abgeben. Da wollen wir ran. Deshalb gehe ich jetzt. Oder besser der Bodo.“
@Michael Müller:
Hehe. Wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass es da viele Geschäfte gibt, die es zu führen gilt.