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Jens Matheuszik — 8. September 2008, 12:44 Uhr

Hat DER SPIEGEL erneut einen Sozialdemokraten abserviert?


Der gestrige Sonntag wird sicherlich irgendwann mal in die Geschichtsbücher eingehen (und sei es nur die sozialdemokratische Chronik). Gestern wurde offiziell, was schon einen Tag vorher kolportiert wurde: Frank-Walter Steinmeier wird Kanzlerkandidat der SPD.

Das jedoch dann bei der gestrigen Klausursitzung der SPD-Führungsspitze (Parteivorstand, Fraktionsvorstand, SPD-Bundesminister) diese Personalie vom Rücktritt von Kurt Beck (siehe Bild) als Bundesvorsitzenden der SPD überschattet wurde, hätte man wohl vorher nicht gedacht.

Ich persönlich finde die Entscheidung pro Frank-Walter Steinmeier zwar gut, bedaure jedoch den Rücktritt Kurt Becks auf persönlich-menschlicher Ebene. Politisch mag sich das vielleicht sogar auszahlen, auch wenn ich mich eigentlich politisch gesehen von Kurt Beck sehr gut repräsentiert fühlte. Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung ist Kurt Beck nämlich kein Linker, sondern stand mehrere Jahre einer erfolgreichen sozialliberalen Koalition in Rheinland-Pfalz vor und auch seine Koalitionspläne auf Bundesebene gefielen mir immer recht gut.

Doch auch wenn sich der Führungswechsel unter Umständen positiv auswirkt (natürlich nicht in den Forsa-Umfragen, wo für die SPD wahrscheinlich demnächst die negative Zählung eingeführt wird), menschlich ist es jedoch eine Tragödie. Liest man sich Becks persönliche Erklärung zum Rücktritt durch, dann findet man da schon ein paar eindeutige Worte:

„Aufgrund gezielter Falschinformationen haben die Medien einen völlig anderen Ablauf meiner Entscheidung dargestellt. Das war und ist darauf angelegt, dem Vorsitzenden keinen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu belassen. Vor diesem Hintergrund sehe ich keine Möglichkeit mehr, das Amt des Parteivorsitzenden mit der notwendigen Autorität auszuüben.“

Nach allem was man bisher weiß, hatte Kurt Beck es gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier geplant an diesem Wochenende Steinmeier zum SPD-Kanzlerkandidaten zu erklären. Ihm kam dann jedoch das Hamburger Nachrichtenmagazin, was gerne als „Sturmgeschütz der Demokratie“ tituliert wird, dazwischen – DER SPIEGEL:

Am Samstag wurde via SPIEGEL Online (SPON) erstmalig davon berichtet, dass Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidat der SPD werden soll. Doch nach und nach wurden weitere Details bekannt. Demnach soll Steinmeier die Kanzlerkandidatur ergriffen, dem zaudernden Beck gar entrissen haben und in der ab heute verkauften Print-Ausgabe des Spiegels wird das ganze auch doppeldeutig als „Steinmeiers Coup“ bezeichnet.

Liest man sich Becks Erklärung durch, ist wohl diese Veröffentlichung des Spiegels letztlich der Grund für seinen Rücktritt. Beck wäre damit nicht der erste Sozialdemokrat, der vom Spiegel niedergeschrieben wurde.

Das DER SPIEGEL eine gewisse Rolle in dieser Angelegenheit spielt, erkennt man auch am nebenstehenden Cover der aktuellen Spiegel-Ausgabe 37/2008.
Dort konnte man noch – zusätzlich zum Hauptthema RAF – schnell den Steinmeier-Coup abbilden. Es muss aber einen Grund gegeben haben, dass das Cover nicht – wie ansonsten anscheinend üblich – schon am nachmittäglichen Samstag bekannt wurde.
Da hat man meiner Meinung nach also von der Entscheidung schon vorher gewußt und dann auf die eigene Vorab-Veröffentlichung im Internet gewartet.

Wer hat Kurt Beck verraten? Waren’s gar Sozialdemokraten?

Natürlich war DER SPIEGEL nicht hauptursächlich – denn DER SPIEGEL kann schließlich nur das berichten was ihm zugetragen wird. Daher muss man sich fragen, wer diese (und weitere) Informationen jetzt und in der Vergangenheit dem Spiegel zugetragen hat. Die sogenannten „Heckenschützen“ müssen aus den Kreisen der SPD-Führung stammen, wobei dies natürlich auch Vertraute dieser Personen sein können. Der Personenkreis wird auch nicht kleiner, wenn man weiß, dass Kurt Beck über seine pro-Steinmeier-Entscheidung den „erweiterten Führungskreis“ der SPD informiert haben soll – da werden es immer mehr, die es gewesen sein könnten.

Jedoch kann man meiner Meinung nach herausfinden, wer es nicht verraten hat…

Wer war es nicht?

Ich behaupte einfach mal dass weder Kurt Beck, noch Frank-Walter Steinmeier aber auch nicht Hubertus Heil, Franz Müntefering, Andrea Nahles, Peer Steinbrück oder Peter Struck geplaudert haben.

Wie ich darauf komme?
Ganz einfach – während DER SPIEGEL aufgrund seines Informanten (seiner Informantin? seiner Informanten?) relativ exklusiv über die zugunsten Steinmeiers entschiedene Kanzlerkandidatur berichten konnte, war DER SPIEGEL anscheinend nicht vorab über den Rücktritt Kurt Becks informiert. Während diverse Medien schon vom möglichen Rücktritt Becks berichteten (zuerst kam die Meldung wohl vom SWR), dauerte es eine zeitlang, bis auch bei SPON darüber berichtet wurde.
Nach den bisherigen Berichten hat sich Kurt Beck zusammen mit den oben genannten Personen (mit Ausnahme von Franz Müntefering) einige Kilometer vom eigentlichen Tagungsort am Schwielowsee entfernt im Landgasthaus zu Ferch versammelt und dort seine Rücktrittsentscheidung vorab bekanntgegeben.
Nachdem klar wurde, dass Kurt Beck nicht von seinem Rücktritt zurücktreten würde, wurde dann Franz Müntefering in Bonn angerufen und gefragt, ob er denn bereit stehen würde Verantwortung zu übernehmen, was er dann wohl auch bejahte.

Daher kann meiner Meinung nach keine der oben genannten Personen ein Informant des Spiegels gewesen sein – denn dann wäre es ein leichtes gewesen auf der Rückfahrt von dem Landgasthaus zum Schwielowsee die Entscheidung Becks zu verraten.

Da die Rücktrittsmeldung nicht bei SPON sondern beim SWR zu erst veröffentlicht wurde, gehe ich davon aus, dass dies aus dem rheinland-pfälzischen Umfeld Kurt Becks stammt – und Kurt Beck wird ja sicherlich auch seine Freunde vor Ort informiert haben.

Was hat DER SPIEGEL davon?

Meine These ist ja in der Ãœberschrift als Frage formuliert. Ich frage mich ob DER SPIEGEL erneut (nach Gerhard Schröder) wieder einen Sozialdemokraten abserviert hat. Meiner Meinung nach kann man diese Frage wohl eher mit „JA“ als mit „NEIN“ beantworten.
In den letzten Jahren hat sich DER SPIEGEL darin gefallen vor allem immer weiteren Reformen die publizistische Unterfütterung zu geben. Manchmal hatte man fast den Eindruck, dass der ehemalige Chefredakteur Stefan Aust es – in Zusammenarbeit mit dem Berliner Spiegel-Chef Gabor Steingart – es als ihre Mission sahen Angela Merkel ins Kanzleramt zu schreiben.

Dabei hat DER SPIEGEL einen unschätzbaren Vorteil – denn er gilt irgendwie doch immer als links, zuweilen in konservativen Kreisen sogar als „linkes Kampfblatt“, was z.B. in den 16 Jahren der Regierung von Helmut Kohl (übrigens auch einem Rheinland-Pfälzer) stets gegen den Oggersheimer geschrieben hat. Doch meiner Meinung nach ist DER SPIEGEL nicht links. Oder wie es Rudolf Augstein, der Gründer und langjährige Herausgeber, mal als Redaktionsmaxime formulierte:

„Im Zweifelsfall links“

Nur – wann hatte DER SPIEGEL mal einen Zweifel… ?

PS: Das verwendete Bild von Kurt Beck stammt aus dem Archiv Wikimedia Commons und dort vom Nutzer Pujanak.


7 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Andreas @ 8. September 2008, 13:23 Uhr

    Kurt Beck hat sich selbst abserviert. Nicht irgendwelche Heckenschützen oder Spiegeleier.


  2. (2) Kommentar von Stefan @ 8. September 2008, 14:58 Uhr

    Der Spiegel hat weder Strauß noch Kohl noch Schröder noch Beck abserviert. Die bösen Medien sind auch in diesem Fall nicht Schuld am Ende eines Politikers.


  3. (3) Pingback von 6 vor 9 » medienlese.com @ 9. September 2008, 08:55 Uhr

    […] 5. “Hat DER SPIEGEL erneut einen Sozialdemokraten abserviert?” (pottblog.de, Jens Matheuszik) Jens Matheuszik fragt sich, ob es einen Grund gab, dass das Cover des Spiegels nicht wie üblich schon am Samstagnachmittag online war. Ãœber das Titelblatt schreibt er: “Dort konnte man noch – zusätzlich zum Hauptthema RAF – schnell den Steinmeier-Coup abbilden. (…) Da hat man meiner Meinung nach also von der Entscheidung schon vorher gewußt und dann auf die eigene Vorab-Veröffentlichung im Internet gewartet.” […]


  4. (4) Kommentar von ursels tanzbein @ 9. September 2008, 22:53 Uhr

    ooch, ja. aber „…dass man jetzt keine dreckige wäsche waschen wolle.“, hat beck zu seinem `berliner abjang´ nu ooch jesacht, oder? nur seiner partei zuliebe, aber nicht zu juter letzt wohl ooch, um sich nich gleich noch den jüngsten provinzbullen aufn hals binden zu lassen, nachdem wochenlang auf die `king-beck´ einjedroschen wurde. das auszusitzen brauch der sich-, und sollte sich die esspeedee nach all dem janzen eijentlich nich ooch noch jeben müssen, oda?-!

    jut, is ja so. noch een jahr mit schwarz vor die roten ojen. zeit, nebenmit inner sozial-waschküche der demokritie ma jründlich`n progjramm zu lesen – aba bunTwäsche! die schmutzije looche ab inn parteiausjuss und dann sauber koalian.
    ick bin in keiner jewerkschaft; momentan is mir recht ejal ob die mit der linken- von mir aus ooch opponian, aber frisch und in eijens jefaltetem rot bitteschön!

    ick hoffe bis dahinn wirde die esspeedee nich von ralph-terry und dem angel markele drauf anjeschient und will dann partout nochma 4 jahre in der globusjasse zum purzelnden dorf nachsitzen-. wenn, denn bitte nacküsch mit parteibuch, ihr jrauen schimmel! jips denn wirklich jarkeene anstännjen juSOs mehr?!

    ursel


  5. (5) Kommentar von Jens @ 11. September 2008, 19:18 Uhr

    @Andreas (1):
    Selbst wird er sicherlich einen Teil dazu beigetragen haben. Nichtsdestotrotz war die Presse und Medienlandschaft allgemein nicht gerade beckfreundlich.

    @Stefan (2):
    Bei Strauß und Kohl haben sie es aber auch versucht. :)


  6. (6) Kommentar von Stefan @ 12. September 2008, 18:06 Uhr

    „Bei Strauß und Kohl haben sie es aber auch versucht.“ – Ich glaube nicht das kommende Historikergenerationen Strauß, Kohl und Beck in einem Atemzug nennen werden ;-)


  7. (7) Kommentar von Jens @ 14. September 2008, 17:37 Uhr

    @Stefan (6):
    Hehe. Da würde ich nicht gegen wetten wollen.


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