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Jens Matheuszik — 31. Juli 2008, 21:01 Uhr

Wolfgang Clement sollte in der SPD bleiben


Wolfgang ClementHeute bzw. gestern abend wurde bekannt, dass Wolfgang Clement, ehemaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, ehemaliger „Superminister“ für Wirtschaft und Arbeit und ehemals stellvertretender SPD-Vorsitzender nach einer Entscheidung des Landesschiedskommission der nordrhein-westfälischen SPD aus der SPD ausgeschlossen werden soll.

Grund sei ein Beitrag aus seiner Welt am Sonntag-Kolumne „Modernes Deutschland“ namens Für Ypsilantis Pläne müsste Hessen zahlen, in dem er sich mehr oder weniger dafür ausspricht die hessische SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti nicht zu wählen.

Nachdem die Schiedskommission des Unterbezirkes Bochum (in dem Wolfgang Clement gemeldet ist) ein vernünftiges Urteil gefällt hatte (eine Rüge wurde ausgesprochen) gingen sowohl Wolfgang Clement als auch diverse SPD-Gliederungen, die seinen Rausschmiss verlangten in Berufung. Nun wurde durch die nächsthöhere Ebene entschieden, dass Wolfgang Clement aufgrund seiner Äußerungen aus der Partei zu fliegen habe.

Um es mit einem Satz zu kommentieren: Welch ein Unsinn!

Natürlich hat Clement mit seiner damaligen Aussage dem hessischen SPD-Wahlkampf keine großartige Hilfe geleistet, wer aber behauptet, dass diese Welt-Kolumne am hessischen Ergebnis etwas signifikant geändert hat, der glaubt wahrscheinlich auch noch, dass die Kapriolen danach in Sachen Linkspartei der SPD sowohl in Hamburg als auch auf Bundesebene her gutgetan haben.
Insofern war die Rüge der Bochumer eine vernünftige Wahl. Einerseits wurde Clement gezeigt, dass sein Verhalten nicht toll war, andererseits wurde den Ausschlußbefürwortern klar gemacht, dass der Ausschluß deutlich zu überdimensioniert für eine solche Angelegenheit ist.

Clement kritisierte in seiner Kolumne die geplante Energiepolitik von Andrea Ypsilanti. Ein gleichzeitiger Ausstieg aus Kohle und Kernkraft hält er für falsch, da die erneuerbaren Energien noch bei weitem nicht die Energiebedürfnisse abdecken. Sich stattdessen aber angesichts von steigenden Weltmarktpreisen von anderen Ländern bewußt abhängig zu machen hält er für falsch.

Was bitte ist an dieser Feststellung nicht richtig?

Wolfgang Clement hat in seiner Zeit als Ministerpräsident sich stets auch für die Belange der Industrie eingesetzt – die Industrie, die dafür sorgt dass Arbeiter eingestellt werden. Insofern ist Industriepolitik dieser Art auch Arbeitsmarktpolitik. Sollten die Energiepreise hierzulande weiter explodieren hat dies sehr negative Auswirkungen auf die Wirtschaft – was man jetzt schon daran erkennen kann, dass einige Papierfabriken Insolvenz anmelden mussten. Insofern hat Clement eigentlich nur das vertreten, wofür er auch schon in seiner Zeit als Ministerpräsident stand. Einer Zeit übrigens, wo die Mehrheit der Arbeitnehmerschaft in Nordrhein-Westfalen die SPD gewählt hat.

Ich persönlich bin der Meinung, dass viele der Ausschlußbefürworter in Wirklichkeit Clement nicht für seine energiepolitischen Thesen und den daraus formulierten Konsequenzen aus der SPD ‚rauswerfen wollten, sondern für sein Eintreten für die Hartz-Reformen. Clement ist schließlich als damals ausführender „Superminister“ für Wirtschaft und Arbeit eine der Gallionsfiguren für die Arbeitsmarktreformen.

Wenn die SPD es sich erlaubt einen solchen Politiker, mit dem auch ich sicherlich nicht immer einer Meinung war und bin, freiwillig gehen zu lassen, dann kann sie ihre Diskussionsfähigkeit, ihre Meinungspluralität und einen politischen Anker hin zur Mitte auch gleich gehen lassen.

Im übrigen finde ich es beschämend, dass gerade aus Clements Landesverband Nordrhein-Westfalen nur eine dürre „Wir sagen nichts zu einem schwebenden Verfahren“-Meldung kommt. Angesichts der Tatsache, dass Clement Positionen vertritt, mit denen die SPD hierzulande jahrzehntelang regierte, finde ich das schon etwas merkwürdig.

Im übrigen mal ein kleiner Vergleich:
Es gibt einen (ehemaligen) SPD-Politiker, der gerichtsoffiziell als „Stasi-Informant“ bezeichnet werden darf. Ihm wurde vorgeworfen, dass er nicht nur Künstler sondern auch ehemalige Parteifreunde an die DDR bzw. das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verraten hat. Selbst dieser (irgendwann dann bei der SPD ausgetretene und dann der Linkspartei beigetretene) Politiker wurde im angestrengten Parteiordnungsverfahren nicht ausgeschlossen.
Und dann soll Wolfgang Clement wegen einer – zugegebenermaßen zeitlich unglücklichen Veröffentlichung – ausgeschlossen werden? Welch ein Unsinn!

PS: Das Bild von Wolfgang Clement entstammt dem Wikipedia-Beitrag zu Wolfgang Clement.


20 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Stefan @ 31. Juli 2008, 21:09 Uhr

    Die, die in jetzt raushaben wollen haben ihn früher bejubelt und sich nicht gewagt, ihn offen zu kritisieren. Clement hat viel Mist gemacht (gerade im Ruhrgebiet) aber die Aussagen zur Hessenwahl sind als Ausschlußgrund lächerlich. Sie schlagen Clement und meinen Schröder – ohne den die SPD 1998 und 2002 die Wahlen nicht gewonnen hätte.


  2. (2) Kommentar von Christian S. @ 31. Juli 2008, 21:10 Uhr

    Du ignorierst bewusst, dass die Schiedskommission kein politisches, sondern ein juristisches Urteil gefälllt hat. Schiedskommissionen agieren nicht weisungsgebunden. Den Wortlaut samt Hervorhebungen habe ich in meinem Blog dokumentiert.

    Deine Unterstellung, dass viele der Ausschlussbefürworter Clement für seine Hartz-Reformen abstrafen wollen, finde ich beschämend und der Sache in keiner Weise dienlich.


  3. (3) Kommentar von Thomas @ 31. Juli 2008, 21:38 Uhr

    Und was ist mit Detlev von Larcher? Detlev von Larcher rief in einem, in der Öffentlichkeit wohl unbeachteten, Leserbrief in der FAZ auf doch bitte in Niedersachsen und Hessen die Linke zu wählen, um eine linke Konkurrenz zur SPD zu haben, damit die SPD wieder zur sozialdemokratischen Politik zurückkehrt. Dies wurde vom UB Diepholz als so schwerwiegend betrachtet, das von Larcher im April 2008 aus der SPD ausgeschlossen wurde.

    Wolfgang Clement hat dazu aufgerufen die SPD nicht zu wählen, weil sich Ypsilanti für erneuerbaren Energien einsetzen wollte und den Atomausstieg unterstützte. Hermann Scheer sollte Minister in Hessen werden. Dies brachte es in die Tagesschau und auf viele Webseiten. Clements UB hat ihn lediglich gerügt, erst der LV hat ihn ausgeschlossen.

    Jetzt frage ich euch, wenn man von Larcher ausschließt, kann man da Clement in der Partei behalten?


  4. (4) Pingback von Presseschau zum Fall Clement | F!XMBR @ 31. Juli 2008, 21:41 Uhr

    […] einmal an die unsägliche Parasiten-Broschüre, die Wolfgang Clement zu verantworten hatte. Jens spielt wie so häufig den neoliberalen Parteisoldaten. Um es direkt zu sagen: Wer diese SPD-Politik der letzten Jahre noch verteidigt, ist in meinen […]


  5. (5) Kommentar von Markus @ 31. Juli 2008, 22:05 Uhr

    Ich habe mich vor ein paar Minuten im Querblog von Horst Schulte schon dazu ausgelassen. Um meine Nerven zu schonen, verweise ich nur darauf:

    http://www.querblog.de/2008/07/31/wieviel-dummheit-kann-eine-partei-verkraften/


  6. (6) Kommentar von Nahverkehrsteilnehmer @ 31. Juli 2008, 22:06 Uhr

    Clement hat vor einer Wahl – als gewichtiges Mitglied und gerade frischer Ex-(Super!)-Minister – die Wahlchancen der SPD verringert. Er hätte damals auch einfach schweigen können, wenn ihm die Sozialdemokratie wichtiger wäre als RWE und er selbst. Stattdessen wollte er aber Andrea Ypislanti eins reindrücken.

    Dafür gab es eine Rüge. Die wollte Clement nicht akzeptieren, weil er sich völlig im Recht glaubt. Welche andere Wahl hat man, als da einen etwas größeren Knüppel rauszuholen?

    Ob da ein Parteiausschluss nicht over the top ist und nicht noch andere Mittel zur Verfügung stehen, weiß ich nicht. Aber Clement hat sich das selbst eingebrockt.

    Ich wollte immer schon mal testen, ob er noch mit „Freundschaft“ grüßt und sich von Mitgenossen (hallo Jens) duzen lässt oder ihm dann das wirtschaftsliberale Herz herausspringt …


  7. (7) Kommentar von Jens @ 31. Juli 2008, 22:15 Uhr

    @Stefan (1):
    Huch, wir sind einer Meinung.

    @Christian S. (2):
    Wir sind da beide – wie uns ja durch andere Diskussionen bekannt sein dürfte – da unterschiedlicher Meinung.
    Soll ich jetzt die Entscheidung der Schiedskommission des UB Bochum im vollen Wortlaut zitieren? Die ist ja bekanntlich zu einem anderen Urteil gelangt.

    Ob mein Bezug zu Hartz IV sachdienlich ist oder nicht – das kann man sich natürlich fragen. Ich sehe jedoch primär Gegner der damaligen Arbeitsmarktreformen sich jetzt über den Ausschluss Clements freuen.

    @Pingback von FIXMBR:
    Der Pingback bleibt natürlich stehen. Aber lustig, als neoliberaler Parteisoldat wurde ich glaube ich noch nie bezeichnet. Diesen Terminus kann ich in eine lange Reihe von Aussagen wie „Kommunistenfreund, Konservativer, Liberallala, Ökospinnerfreund“ einreihen.

    @Thomas:
    Den Fall „von Larcher“ kenne ich nicht genau. Ob da alles richtig zugegangen ist kann ich nicht beurteilen. Wiewohl ich jetzt – quasi aus der Ferne – behaupten möchte, dass es schon ein Unterschied ist, ob man eher von einer Wahl abrät als direkt zur Wahl der Konkurrenz aufruft.
    Wobei es ja auch schon Beispiele gab, wo SPD-Politiker für die Wahl von Grünen aufgerufen haben (Zweitstimme) und da gab es auch keinen Rausschmiss.

    @


  8. (8) Kommentar von Florian Fiegel @ 31. Juli 2008, 22:27 Uhr

    Also man wird das Gefühl wirklich nicht los, dass hier für weit mehr abgestraft werden soll.

    Auch wenn er Mist gebaut hat, er gehörte noch zu den wenigen fähigen Leuten in der SPD. Aber was solls, wieder ein name Geschichte.


  9. (9) Kommentar von Jens @ 31. Juli 2008, 22:39 Uhr

    @Nahverkehrsteilnehmer:

    Naja, etwas abgestanden war er schon als Ex-Minister. Nicht wirklich mehr frisch.

    Und natürlich wollte er Andrea Ypsilanti einen reindrücken. Wie sie ihm vorher schon mal einen reingedrückt hat.

    Deiner Argumentation zufolge hätte man es also bei einer Rüge belassen können, wenn Clement nicht die zweite Runde gefordert hätte?
    Aber glaubst Du wirklich, dass die dennoch aktiv gewordene Landesschiedskommission sich dann anders entschieden hätte?

    Es stehen übrigens noch andere Mittel als der Parteiausschluss zur Verfügung.

    Das mit dem Duzen – das konnte ich noch nie testen, da ich ihn nie live erlebt habe. Nur seinen Vorgänger und den habe ich natürlich gesiezt.


  10. (10) Kommentar von Lukas @ 1. August 2008, 00:10 Uhr

    Was ja irgendwie völlig außen vor blieb: Wer die „Welt“ liest, braucht in der Regel keinen Wolfgang Clement, um die SPD nicht zu wählen.

    Nicht dass ich Clement sonderlich leiden könnte (im Gegenteil), aber so unsouverän kann nur eine Partei reagieren, der gar nichts mehr einfällt – und jetzt haben sie keinen Reformflügel mehr.


  11. (11) Kommentar von Thomas @ 1. August 2008, 00:25 Uhr

    Die Sache ist halt nur, den Leserbrief von Detlev von Larcher wird kaum jemand mitbekommen haben oder niemand gibt freiwillig zu die FAZ zu lesen.

    Der Kommentar von Clement brachte es damals in die Tagesschau. Der Kommentar von Clement richtete sich gegen die Energiepolitik von Ypsilanti.

    Oder um es kurz zu machen, wer von Larcher wegen eines kleinen Leserbriefes rauswirft aber Clement nicht, würde klar sagen das es Genossen gibt die gleicher sind als andere.


  12. (12) Kommentar von Klaus @ 1. August 2008, 05:46 Uhr

    Ich finde das Du vollkommen recht hast. Die Diskussion um Wolfgang Clement ist ein absolutes Armutszeugnis für unsere SPD. Jetzt beschäftigen sich die Genossen mit sich selbst, und nicht mit den Menschen, für die wir eigentlich Politik machen sollten.
    Ich sehe das Ausschlussverfahren auch als eine Abrechnung mit der Politik und den Positionen Clements. Alles andere ist vorgeschoben. Das zeigt schon, das der Ausschluss des ausgeprägt linken Herrn von Larcher öfter mal vorgebracht wird, der ganz konkret zur Wahl der Linkspartei aufgerufen hatte. Wie kann man von Larcher ausschließen, und Clement nicht? wird da gefragt. Ich fragen, wie kann man Clement ausschließen, und Lafontaine nicht?
    Es ist sehr traurig, das die innerparteiliche Diskussionskultur jetzt in einer Praxis endet, die mit Ausschlüssen arbeitet.
    Besonders verstört bin ich darüber, das die Dummheit, Dummheit, ja das ist meine Ansicht, die es in einem Ortsverein mal geben mag sich bist in eine Landesschiedskommission fortsetzt. Zu glauben, das eine solche Komission streng nach der Satzung entscheidet, halte ich übrigens für naiv.
    Und den Eintrag von Fixdingsda hätte ich noch nicht einmal erwähnt. Der meint ja: alles Neoliberale außer mir.

    Und noch was: Als Ortsvereinsvorsitzender bin ich stolz auf die Bezeichnung „Parteisoldat“.

    Schlimm ist, das es noch nicht ein Wort aus Mainz zu der Angelegenheit gegeben hat. Wartet der Parteivorsitzende noch auf ein Signal von seiner Stellvertreterin, wie er sich zu verhalten hat?

    Insbesondere freue ich mich über die feste Haltung von Wolfgang Clement, der Rechtsmittel einlegt und sich nicht davon abbringen lässt, das dies auch seine SPD ist, und man das Land und seine Partei nicht mit dem linken Flügel alleine lässt.

    Und allen anderen Genossen möchte ich noch einmal zu bedenken geben, welch desaströse Bild wir derzeitig in der Öffentlichkeit abgeben, und wie sehr der SPD das Ausschlussverfahren gegen Clement schon geschadet hat. „Draussen“ kommt doch nur noch an, wie innerlich zerüttet die Partei inzwischen ist, und wie mies wir in der SPD miteinander umgehen. wie soll man jemanden auf der Strasse noch sagen wir stehen für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität?


  13. (13) Kommentar von Markus Sowada // Morgenland @ 1. August 2008, 08:39 Uhr

    Ich lebe in Hessen, bin aber in Essen geboren und bin daher immer noch NRW und vor allem dem Ruhrgebiet sehr verbunden. Ich habe Wolfgang Clements „Wahlempfehlung“ wahrgenommen und ich habe mich damals sehr geärgert. Auch sein Nachhaken vor der Bürgerschaftswahl von Hamburg lässt keinen Zweifel daran, dass da jemand die Wirkung seines Tuns kennt und es dennoch einsetzt. Skrupel? Fehlanzeige. Immerhin hat Clement schlussendlich der Arbeit in der SPD zu verdanken, dass er bekannt wurde, dass er MP von NRW wurde und damit per se ein wichtiger Mann in der SPD. Und dieser Wolfgang Clement handelt nach der Beendung seiner aktiven politischen Laufbahn dermassen illoyal? Ich kann ihm das persönlich nicht verzeihen. Trotz all dieser Gedanken bin ich strikt gegen einen Aussschluss Clements aus der SPD. Demokratische Parteien müssen auch solche „Wadenbeisser“ einfach aushalten, manchmal. Wenn man anders verfahren will, stellt sich schnell die Frage, ab wann und für was man Mitglieder ausschliessen müsste. Und das endet zumeist in Willkür.

    Soweit ich das weiss, hatten die verantwortlichen Gliederungen der SPD in NRW eine Rüge beschlossen. Diese Rüge wäre aus meiner Sicht das geeignete Werkzeug um auszudrücken, dass man nicht akzeptiert, wie Clement handelt und seine Macht ausnutzt. Das schliesslich aus der Rüge ein Ausschlussverfahren geworden ist, wurde offensichtlich politisch gewollt. Sogar die Landesvorsitzende der SPD schien ein Ausschlussverfahren nicht wirklich zu unterstützen. Es stellt sich die Frage, inwieweit man sich in eigene Sachentscheidungen (des Landesverbandes) hineinreden lässt von Leuten aus der Partei, die offensichtlich nicht aus der NRW SPD kommen und noch Rechnungen begleichen wollen.

    Ich wünsche der SPD, dass sie sich möglichst bald berappelt, dass sie sich ihrer Stärken wieder bewusst wird und endlich wieder kämpft, für die Menschen in Deutschland. Es geht um Inhalte und es geht sicher auch darum, diese Inhalte zu den Menschen zu bringen. Ich wandele mal den Ausspruch von Ernst Reuter ab und sage: „… Ihr SPD’ler der Welt! … Schaut auf diese Land! …“. Es braucht Euch!

    Glückauf, Markus


  14. (14) Kommentar von Ocko @ 1. August 2008, 08:56 Uhr

    Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist ein Interview mit Rudolf Malzahn (Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme und maßgeblicher Befürworter des Clement-Rausschmisses) in der Radiosendung Westblick auf WDR 5 am Donnerstag (kann man auch noch in einem Podcast auf der WDR-Seite nachhören).

    Hier wird ziemlich deutlich, daß Clements unglückliche Bemerkung während des Hessen-Wahlkampfes nur der Aufhänger war, um im Grunde mit ganz anderen Dingen abzurechnen (Regierungszeit Schröder, Agendapolitik, etc.). Der Frust über den aktuellen Zustand der Partei sitzt anscheinend in den Ortsverbänden sehr tief. Und die Schuldigen hat man dort auch schon lange ausgemacht.
    Jens hat mit seiner Spekulation im Blogeintrag also durchaus den Punkt getroffen. Und heftiges Abstreiten und Dementieren hilft da nicht weiter.

    Von außen betrachtet zeichnet sich für mich ein erschreckendes Bild der SPD ab. Herr Malzahn betont ganz selbstbewußt, daß er und sein Ortsverein eigenständig seien und es deshalb auch gar nicht notwendig gewesen ist, sich in der Clement-Affäre mit der Führung der Landespartei abzusprechen. Im Klartext: Es findet offenbar keine vernünftige Kommunikation mehr zwischen den verschiedenen Ebenen der SPD statt. Die Basis geht mit den Entscheidungen der Partei-Führung nicht konform und die Führung hat keine Ahnung, was an der Basis los ist.

    Die Entscheidung, ob Clement in der Partei bleibt oder nicht, halte ich somit für zweitrangig. Viel wichtiger und besorgniserregnder sind die innerparteilichen Zustände, die diese Eskalation der Affäre erst möglich gemacht haben.

    Ich persönlich halte tatsächlich die SPD auf Bundesebene für zur Zeit nicht wählbar. Auf Landesebene hab ich das aber bislang immer anders gesehen. Zum einen, weil mir Frau Kraft mit ihren politischen Ansichten sehr sympathisch ist und zum anderen, weil ich weitere fünf Jahre Rüttgers kaum ertragen könnte. Wie aber eine derart zerstrittene, frustrierte und zutiefst verunsicherte Partei einen Erfolg bei den nächsten Landtagswahlen erreichen kann, will sich mir nicht erschließen.


  15. (15) Kommentar von Peter @ 1. August 2008, 14:21 Uhr

    Während ihrer Zeit als Regierungspartei hatte die SPD etwas entscheidendes erkannt und umgesetzt. Sozialpolitik ist wichtig, Sie umzusetzen bedarf aber einer starken Wirtschaft. Spätestens seit der Äußerung Kurt Becks im Vorfeld der Hamburg-Wahl („Koalition mit der Linkspartei? wieso nicht!“) ist klar, dass die Sozialdemokraten sich von diesem Prinzip verabschiedet haben. Dieser Schwenk ist gleichbedeutend mit einem starken Wählerschwund, denn vielen Bürgern fällt es nach dem hin und her von Frau Ypsilanti und Kurt Beck schwer, der Partei noch zu vertrauen. Glaubwürdigkeit aber ist entscheidend in der Politik, insbesondere für die Wählergewinnung.

    Wolfgang Clement bringt genau das mit. Seine Meinung mag zwar nicht immer populär sein, und sein Vorgehen zum Teil inkorrekt. Aber er ist mit Sicherheit eine der Personen, die für die SPD noch Wähler gewinnen konnten – ganz im Gegensatz zu Andrea Ypsilanti.

    Die Posse um seinen Parteiausschluss wird der SPD massiv schaden. Franz Maget hat sich sicherlich schon bedankt, denn die Landtagswahl in Bayern kann er jetzt abschreiben (trotzdem er ein fähiger Politiker ist).

    Dabei ist mittlerweile völlig irrelevant, ob Clement der SPD erhalten bleibt (wovon ich ausgehe) oder ob er endgültig ausgeschlossen wird. Niemand nimmt den Sozialdemokraten nämlich noch ab, dass sie über eine vernünftige Streitkultur – eine der Hauptvoraussetzungen demokratischen Handelns – verfügen.

    Am Ende entscheidet der Wähler und der hat sich nach den Ereignissen der letzten beiden Tage sein Urteil sicher schon gebildet.

    Wer das noch nicht getan hat, kann im Internet übrigens alle Aussagen zu diesem Thema bewerten:

    Die Seite nennt sich Trupoli: http://www.trupoli.com/de/topics/162?sort=id.

    Viel Spaß dabei!


  16. (16) Pingback von Medien-Sport-Politik » Was die Parteien aus dem Clement-Fall lernen sollten @ 2. August 2008, 17:31 Uhr

    […] Medien über den Fall, und auch in der Blogosphäre wird das Thema kontrovers diskutiert [siehe den Beitrag von Pottblogger Jens oder die Presseschau von Christian Sickendieck]. Ein ruhiges Fahrwasser in der parlamentarischen […]


  17. (17) Kommentar von Jens @ 3. August 2008, 10:36 Uhr

    @Lukas (10):
    Hehe. Nicht jeder Welt-Leser ist aber automatisch ein nicht-SPD-Wähler. Wobei man bei mir das mit der gelegentlichen Welt-Lektüre auch unter „Gegnerbeobachtung“ abheften könnte… ;)

    @Thomas (11):
    Naja, wer liest sich schon alle möglichen Leserbriefe in Zeitungen durch. Gerade die der FAZ (die ich nur Dienstags lese) sind sehr … nun ja … langatmig manchmal.

    Ob eine Ungleichbehandlung entstanden wäre, wenn Clement nicht rausgeschmissen worden wäre (was ja de facto noch nicht der Fall ist), ist aber meiner Meinung nach fraglich, da man die beiden Fälle nicht genau vergleichen kann. Es ist schon ein qualitativer Unterschied jemanden (Ypsilanti) nicht wählen zu wollen (vor allem wenn man’s gar nicht kann) oder aber eine andere Partei (Die Linke) als Wahlempfehlung auszusprechen. Vor allem wenn diese andere Partei deutliche Gegnerin ist – bei SPD-Aufrufen zur Wahl von Grünen in der Vergangenheit gab es keine Ausschlußverfahren.

    @Klaus (12):
    Ich finde es auch bezeichnend, wer jetzt welche Argumente gg. Clement auffährt. Ich glaube es sofort, dass viele SPD-Mitglieder etwas gegen seine damalige Politik hatten. Dann hätten sie ihm halt damals das zeigen sollen – was sie ja z.B. beim SPD-Bundesparteitag in Bochum auch ansatzweise gemacht haben. Jetzt aber hinterher nachkarten und einen Anlass (der schon doof genug ist, das wohlwahr) suchen, um eine Generalabrechnung durchzuführen halte ich für verkehrt.

    @Markus (13):
    Das schliesslich aus der Rüge ein Ausschlussverfahren geworden ist, wurde offensichtlich politisch gewollt.

    Rechtlich gesehen war es wohl ein „Parteiordnungsverfahren“. Aus so einem können u.a. entstehen: Freispruch, Rüge, Verlust der Mitgliedschaft.

    Insofern es war kein dezidiertes Ausschlussverfahren. Nichtsdestotrotz haben natürlich die Antragsteller (die diversen SPD-Gliederungen) das Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel „Ausschluss“ betrieben. Sie haben ja – wenn ich mich nicht irre – direkt nach Bekanntgabe der Rüge mitgeteilt (sinngemäß): „Jetzt geht’s weiter in die nächste Runde!“.

    @Ocko (14):
    Danke für den Hinweis mit dem WDR 5-Podcast. Stimmt schon, das klingt meiner Meinung da zwischen den Zeilen deutlich durch, dass man was gesucht und netterweise auch gefunden hat.

    Das was Du jedoch kritisierst (keine Kommunikation innerhalb der Landespartei) hat schon seine Richtigkeit – solche Kommissionen sind absolut unabhängig und auch die einzelnen Gliederungen können unabhängig ein solches Verfahren fordern. Das dient der innerparteilichen Souveränität. Es ist ja nicht so, dass der Landesvorstand der NRWSPD nichts von dem Fall wusste.
    Bezeichnend finde ich jetzt jedoch die Kommentatoren (vor allem aus den Reihen von CDU/FDP) die die SPD im Land deswegen kritisieren. Anscheinend sind das weisungsgebundene Organisationen wo auch an sich unabhängige Gremien durch Parteiführungsbefehle von oben beeinflusst werden.


  18. (18) Kommentar von Lukas @ 3. August 2008, 18:19 Uhr

    Als Außenstehender ergibt sich für mich ein einfaches Bild: Ein früher bejubelter, inzwischen unbequemer Zeitgenosse soll aus dem Weg geräumt werden.

    Sicher ist diese Darstellungsweise nicht 100%ig sauber, jedoch stelle ich mir die Frage, was die SPD damit erreichen wollte. Clement mundtot zu machen? Damit haben sie jetzt genau das Gegenteil erreicht.

    Als Laie doch irgendwie rätselhaft.

    Viele Grüße
    Lukas


  19. (19) Kommentar von Dennis @ 3. August 2008, 22:26 Uhr

    Danke für diesen sehr treffenden Beitag Jens !


  20. (20) Kommentar von Jens @ 7. August 2008, 22:12 Uhr

    @Lukas (18):
    Das ist mir auch rätselhaft.

    @Dennis (19:
    Gerne. Man kann ja auch mal einer Meinung sein (sportlich sonst ja eher nicht).


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