Bürgerentscheid in Bochum: So nicht, Frau Borchert!
Zum Bochumer Bürgerentscheid in Sachen Schulzusammenlegung (Gymnasium am Ostring (GaO) und Albert-Einstein-Schule (AES)) habe ich ja schon einiges geschrieben, doch da muss meiner Meinung nach noch etwas erwähnt werden:
Einerseits muss ich den traditionellen Medien, inbesondere der DerWesten/WAZ-Lokalredaktion Bochum, danken, die am vergangenen Sonntag erst am sehr sehr späten Abend über den Bürgerentscheid in Sachen Zusammlegung GaO und AES berichtet haben. Das hat nämlich dafür gesagt, dass das Pottblog am Wochenende üblicherweise weniger besucht wird und insbesondere am besonders schwachen Sonntag deutlich mehr Besucher als sonst hatte. Ein Ausschnitt der entsprechenden WordPress-Statistik (Bild links) zeigt es deutlich – ohne den Bürgerentscheid und die nicht-Berücksichtigung desselbigen in den traditionellen Medien hätte ich an einem Sonntag, und gerade während der Fußball-EM, sicherlich nicht rund 3.000 Besucher zu dem Thema gehabt.
Doch primär geht es mir in diesem Beitrag um etwas anderes:
Der Rat der Stadt Bochum hat in seiner jüngsten Sitzung ohne Aussprache dann auch offiziell festgestellt, dass der Bürgerentscheid gescheitert ist. Anstatt das ganze zu akzeptieren scheint jedoch die CDU in Bochum das ganze nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern schreibt in ihrer Stellungnahme zum Bürgerentscheid:
In den letzten Wochen des Bürgerentscheids glich die Auseinandersetzung dem Kampf „David gegen Goliath“. Die SPD mit ihrem gesamten über 60 Jahre gewachsenen Machtapparat hat alle Fäden gezogen, um den Bürgerentscheid zu torpedieren. Bisher hat es noch keinen Wahlkampf gegeben, bei dem in einer solchen Viel-zahl Plakate zerstört, entwendet oder überklebt wurden. Darüber wird man reden müssen.
Ja, über solche Behauptungen wird man reden müssen!
Denn das klingt fast so, als ob hier die CDU die SPD beschuldigt vorsätzlich die Plakate „zerstört, entwendet oder überklebt“ zu haben. Das ist doch wohl peinlich – und nur noch von der peinlichen Aussage im Vorfeld zu toppen, wonach die Stadt angeblich mit der Manipulation der Wählerlisten (durch Berücksichtigung von Toten) den Bürgerentscheid torpedieren wollte (siehe hier), woraufhin die städtische Rechtsdezernentin Diane Jägers (CDU) das ganze wohl zurecht als infame Unterstellung zurückwies.
Am Ende der Stellungnahme heißt es dann weiter:
Die CDU-Fraktion wird sich weiterhin für eine bessere Schulpolitik in Bochum und Wattenscheid einsetzen. „Jetzt erst Recht“, so Ingrid Borchert, schulpolitische Sprecherin der CDU-Ratsfraktion.
Hoffentlich heißt „Jetzt erst recht“ jetzt nicht, dass die CDU weiterhin so agiert, wie im Vorfeld des Bürgerentscheides! Insofern ein klares „So nicht, Frau Bochert!“ meinerseits.
Ich kann natürlich sehr gut verstehen, dass die direkten GaO-Betroffenen für den Bürgerentscheid waren. Dass jedoch mit der CDU und der FDP gerade die Parteien für den Bürgerentscheid eintreten, die auf Landesebene für die Schulpolitik verantwortlich sind, entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Sind es doch gerade die Landesgesetze die auch in Bochum über die Klassengrößen von Schulen entscheiden. Wer – wie die CDU – behauptet, dass mit einem Erfolg des Bürgerentscheides kleine Klassen möglich sind, der scheint sich schulpolitisch gar nicht auszukennen.
Auch die Aussage, dass nur bei einem Erfolg des Bürgerentscheides eine bessere Bildung aufgrund des altsprachlichen Profils möglich sei, ist hanebüchen. Angesichts der sinkenden Anmeldezahlen am GaO dürfte es klar sein, dass ein breites Angebot an verschiedenen Fächern und Kursen immer unwahrscheinlicher wird.
Meine eigene Erfahrung zeigt es, dass eine Oberstufe, in der rund 100 Schüler sind, viel bessere Kursangebote (und Kombinationen) anbieten kann, als eine Oberstufe mit nur 50 Schülern. Es ist ja auch logisch, dass man mit mehr Schülern mehr Fächer und mehr Kombinationsmöglichkeiten anbieten kann.
Sowas sollte auch einer schulpolitischen Sprecherin in Bochum bekannt sein. Doch wahrscheinlich hat man hier auf Seiten der CDU Bochum nur versucht der regierenden rot-grünen Koalition in die Suppe zu spucken.
Im übrigen wäre ich mir an Stelle der CDU auch nicht so sicher, dass bei einer höheren Wahlbeteiligung die Anzahl der Befürworter des Bürgerentscheides entscheidend gestiegen wäre, denn die meisten Befürworter des Bürgerentscheides gab es im Bezirk Bochum-Wattenscheid – dem Bezirk mit der geringsten Wahlbeteiligung. Die meisten Gegner des Bürgerentscheides gab es hingegen im Bezirk Bochum-Süd – dem Bezirk mit der höchsten Wahlbeteiligung.
„Dass jedoch mit der CDU und der FDP gerade die Parteien für den Bürgerentscheid eintreten, die auf Landesebene für die Schulpolitik verantwortlich sind, entbehrt nicht einer gewissen Komik.“ Ach ja, was waren das für Zeiten, als die SPD in NRW noch das sagen hatte: Wir waren auf Platz 1 bei PISA, hatten die kleinsten Klassen Europas und täglich kamne finnische Delegationen ins Land, um sich in NRW Anregungen für ihr Schulsystem zu holen. Alles vorbei…Schnüff :-(
@Stefan:
Ich behaupte ja nicht, dass unter den vorherigen Regierungsparteien alles vernünftig abgelaufen ist, aber die Schulpolitik von CDU/FDP unter Frau Sommer ist eigentlich von Anfang an nur mit Pannen und Pleiten verbunden.
Stichworte sind da z.B. G8, Ganztagsschulen, Kopfnoten, Zentralabitur.
Das ändert jedoch übrigens nichts an der Tatsache, dass auch eine CDU vor Ort wissen sollte, dass die CDU-Regierung im Land kleinere Klassen nicht akzeptieren bzw. gar durchsetzen kann – denn um diesen Aspekt ging es mir. Wenn nämlich die CDU in Bochum etwas populistisches fordert was aufgrund der Gesetzeslage gar nicht umgesetzt werden kann, dann finde ich das extrem falsch.
Wenn ich die Plakate der befürworter gelesen habe war ich oft versucht einen Kommentar drunter zu schreiben, aber als demokratisch gesinnte Bürgerin habe ich das nicht getan. Erstens finde ich, dass Kinder und Jugendlich nicht als Mittel zu politischen Zwecken missbraucht werden dürfen und zweitens ich fand die Forderung nach kleineren Klassen für eine „unbeliebte“ Schule nicht nur widerspüchlich in Hinblick auf die Vorgaben des Kultusministeriums, sondern als Unverschämtheit den Schulen gegenüber, die jedes Jahr Schüler/innen abweisen müssen. Diese Schulen machen gute Arbeit und hätten auch gern kleinere Klassen. Ich denke dabei nicht nur an die Gymnasien mit interessantem Profil, sondern auch an die Gesamtschulen, die mit dem „schwierigeren“ Schülerklientel auch gute Arbeit machen wollen und das wahrscheinlich auch gerne mit kleinen Klassen tun würden.
@Christine:
Grundsätzlich würde ich Dir ja mit den Kindern/Jugendlichen recht geben, wobei es natürlich eine politische Entscheidung ist, die auf Kinder/Jugendliche Einfluß nimmt.
Daher finde ich eher Kritik an so Aussagen wie „kleinere Klassen“ berechtigt, wiewohl ich die andere Kritik auch sehr gut verstehen und nachvollziehen kann.